J.O. Morgan - Der Apparat

[einz1975]

Wissenschaft und Technik beherrschen uns Menschen jetzt schon seit einigen Jahrzehnten. Kaum einer, der kein Fernseher hat, einen Computer oder ein Smartphone. In dieser Zukunft von J.O. Morgan geht die Entwicklung noch um einen Schritt weiter. Was wäre, wenn die Menschen irgendwann die Teleportation wirklich erfinden? Zumindest hier ist es passiert und ein älteres Pärchen lässt sich einen solchen Apparat nach Hause liefern. Klobig, groß und klotzig steht er in der Küche. Ein großes, langes Kabel verbindet das Ding mit dem Empfänger, einige hundert Meter entfernt. Die Aufgabe der beiden ist relativ einfach, wenn ein Signal ertönt und ein Objekt hindurchgeschickt wurde, müssen sie nichts weiter machen, als dieses Objekt wieder zurückzuschicken.

Könnte doch jeder, oder? Mit dieser kleinen Episode empfängt uns der Autor und schickt uns immer weiter in eine noch undurchsichtige Zukunft. Denn als Leser erarbeiten wir uns die Fakten des Inhalts selbst. Es gibt keinen Helden, dem wir folgen oder einer einzelnen Person, vielmehr werden viele kleine Geschichten benutzt, um den „Apparat“ zu erklären, zu analysieren und zu erörtern, was es bedeutet, wenn er macht, was er machen soll. Die Teleportation von Dingen ist sicher schon mehr als ein Wunder, wenn dann aber noch der Mensch selbst in so einer Kammer stehen könnte, wäre das Zauberei. Jedoch in dieser Zukunft ist das irgendwann so normal wie Brötchen beim Becker kaufen.

Dennoch stoßen schon die ernsten Fragen auf. Ist das, was transportiert wird, auch wirklich noch das Original oder nur eine Kopie? Materie nur da anzuordnen, wo sie schon war bedeutet, dass man das Original komplett in seine Atome aufgelöst und wieder zusammengesetzt? Aber ist man dann noch man selbst oder eine völlig andere Person? Brillant, wie J.O. Morgan den Leser hier mit einbindet, so dass er automatisch selbst über diese Fragen stolpert. In diesem Stil verbringt man zusammen mit mehreren verschiedenen Menschen einige Jahre auf der Erde und der Apparat entwickelt sich immer weiter. Die Menschen denken kaum noch an ihre Vorurteile und selbst wenn mal etwas schiefläuft, der Schuldige ist immer ein Mensch und schnell ermittelt.

Das System ist unfehlbar und keiner muss Angst haben es zu benutzen. Schnelligkeit bedeutet auch heute schon, dass man Geld spart und das gilt für diese Zukunft auch. Dennoch muss der Mensch sich auch an die neue Art des Reisens gewöhnen. Nicht alle werden es lieben und nicht alle werden daran teilhaben und doch wird es benutzt und breitet sich aus. Wie ein Virus, um die ganze Welt, bis kein Mensch mehr ohne dieses System auskommt. Willkommen schöne neue Zeit, auch wenn man es gar nicht haben will, wird man automatisch nur noch ein Teil des Systems. Ich könnte wohl noch doppelt so viel schreiben, denn das Buch trifft so haarscharf den Geist der Zeit, dass man schon mit Angst auf dieser Erfindung schaut und hofft, dass sie wohl besser nie erfunden wird.

Fazit:
Schneller, höher, weiter... Teleportation zählt schon seit einigen Jahrzehnten zur klassischen Science Fiction. Was macht dieses Buch jetzt anders? J.O. Morgan beschreibt an sich nicht den Vorgang selbst. Er lässt auch die Wissenschaft dahinter völlig weg. Vielmehr geht es ihm um den Menschen, der bei dieser Erfindung im Mittelpunkt steht. Die philosophischen Fragen über das Menschsein kommen genauso auf den Tisch, wie die Frage nach Realität, die Neugier an neuen Erfindungen, die Naivität der Gesellschaft, die Angst vor dem Verlust der Seele und die immer fortschreitende Entwicklung der Technik. Die kurzen Geschichten erzählen die Entwicklung des Teleportations-Apparates und wie die Menschen sich mit ihm auseinandersetzten. Ein Buch, das den Leser nicht mehr loslässt. Welches zum Sinnieren einlädt und völlig neue Gedankenansätze hervorbringt. Für mich ein absolutes Highlight des Jahres und nicht nur für Sci-Fi-Fans zu empfehlen.

Matthias Göbel

Autor: J.O. Morgan
Übersetzung: Jan Schönherr
Taschenbuch: 238 Seiten
Verlag: Rowohlt Verlag
Veröffentlichung: 13.06.2023
ISBN: 9783498003029