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...mit dem einsamen Charme langsamer Sägen

Maxim Leo - Wir werden jung sein


einz1975

Empfohlene Beiträge

Das Leben folgt oft einem scheinbar festgelegten Ablauf: Man wird geboren, wächst auf, geht zur Schule, beginnt zu arbeiten, geht in Rente und stirbt schließlich. So könnte man ein „normales“ Leben beschreiben, wenn alles nach Plan verläuft. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, etwa bei Menschen mit unheilbaren Krankheiten. In seinem Buch stellt Maxim Leo uns vier sehr unterschiedliche Personen vor: einen 16-jährigen Jungen, eine junge Lehrerin, eine ehemalige Schwimmathletin und einen Immobiliengeschäftsführer. Trotz ihrer unterschiedlichen Lebenswege haben sie eines gemeinsam – sie alle haben ein Problem mit ihrem Herzen. Daher nehmen sie an einer Studie teil, die ein neues Medikament testet. Bislang scheint das Medikament keine schwerwiegenden Nebenwirkungen zu haben, denn sogar der Chefarzt, der die Studie leitet, hat es sich selbst und seinem Hund verabreicht. Doch nach und nach entstehen Zweifel: Könnte etwas nicht stimmen?

Bald tauchen erste Fragen auf: Ist das Medikament gefährlich? Schadet es dem Körper oder verursacht es etwas völlig Unerwartetes? Der Titel des Buches deutet bereits darauf hin. Das Medikament greift auf eine noch unerklärliche Weise in das Genom des Menschen ein. Es war ursprünglich dafür gedacht, den Herzmuskel der Probanden zu regenerieren, doch seine Wirkung ist viel weitreichender. Der Autor erzählt die Geschichte anfangs in einzelnen Episoden, die sich um das Leben der Figuren drehen. Zuerst war ich mir nicht sicher, ob mich die Probleme eines Teenagers oder die Gedankengänge einer Frau, die ihren Mann betrügt, wirklich interessieren. Doch allmählich entwickelt sich im Hintergrund die Hauptgeschichte, und sobald man versteht, was das Medikament tatsächlich bewirkt, wird die Handlung fesselnd. Von diesem Moment an will man unbedingt wissen, wie es weitergeht.

Diese Entdeckung – eine wissenschaftliche Revolution – wirft tiefgreifende Fragen auf, die man sich möglicherweise noch nie zuvor gestellt hat. Was würde man mit der neu gewonnenen Lebenszeit anfangen? Sollte jeder Mensch davon profitieren können, und wenn ja, kostenlos? Wie würde die Welt mit einer möglichen Überbevölkerung umgehen? Sollten Paare überhaupt noch Kinder bekommen dürfen? Was wäre, wenn es keine Rente mehr gibt und Menschen für immer arbeiten müssen? Darf der Mensch in die Schöpfung eingreifen, oder überschreitet er damit eine Grenze? Das Buch regt zu vielen Überlegungen an, und jeder Leser wird sich seine eigenen Gedanken zu diesen existenziellen Fragen machen. Gerade dieses Nachdenken ist eines der Highlights der Geschichte. Hektische Szenen sucht man vergeblich, und das passt perfekt zur Thematik. Trotz einiger überraschender Wendungen gegen Ende bleibt die Erzählung durchgehend ruhig und bedächtig.

Die Geschichte wechselt ständig zwischen den Probanden und beleuchtet ihre jeweilige Situation. Dabei wird deutlich, wie unterschiedlich die Figuren mit den neuen Umständen umgehen. Der junge Proband, der noch am Anfang seines Lebens steht, betrachtet alles mit einer gewissen Neugier und Ungewissheit, während der 80-jährige Teilnehmer das Leben selbst infrage stellt. Worin liegt der Sinn des Lebens, insbesondere jetzt, wo der Tod keine Bedrohung mehr darstellt? Philosophische Überlegungen und der gesunde Menschenverstand spielen hier eine zentrale Rolle. Was würde geschehen, wenn der Tod seinen Schrecken verliert? Wie würde sich die Welt und die Gesellschaft verändern? Maxim Leo lässt seine Figuren noch einige Jahre weiterleben und entwirft so ein faszinierendes Gedankenspiel, das den Leser auch nach dem Ende des Buches zum Nachdenken anregt.

Fazit:
Für immer! Das Thema der Unsterblichkeit muss nicht in ferner Zukunft spielen – manchmal reicht schon ein Medikament aus, um die Grenzen des Möglichen zu verschieben. Maxim Leo greift in seinem Buch ein uraltes Bedürfnis der Menschheit auf: den Traum vom ewigen Leben. Er erzählt die Geschichte jedoch nicht als Thriller oder Krimi, sondern auf ruhige und nachdenkliche Weise. Die Kapitel, in denen die Figuren vorgestellt werden, beginnen zunächst zögerlich, gewinnen aber nach und nach an Tiefe, besonders als die Frage aufkommt, wie es weitergehen soll. Das Buch entfaltet sich zu einem komplexen Gedankenspiel, das den Leser in seinen Bann zieht. Maxim Leo präsentiert geschickt verpackte Fragen und Herausforderungen und liefert teils überraschende Antworten. Was die wissenschaftlichen und fachlichen Aspekte betrifft, so bleibt alles im Rahmen und wird verständlich erklärt, ohne zu weit ins Detail zu gehen. Ein spannendes Thema, das hervorragend umgesetzt wurde.

Matthias Göbel

Autor: Maxim Leo
Verlag: Kiepenheuer & Witsch Verlag
Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Veröffentlichung: 07.03.2024
ISBN: 9783462003758

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