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Das Propagandawerkzeug der Reichen

Victor Santos - Fahrenheit 451 - Comic - Nach dem Roman von Ray Bradbury


einz1975

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Willkommen in einer düsteren Vision der Zukunft. Guy Montag, ein Feuerwehrmann, lebt in einer Gesellschaft, in der Bücher verboten sind. Seine Aufgabe besteht nicht darin, Brände zu löschen, sondern sie zu entfachen – genauer gesagt, Bücher und die Häuser, in denen sie verborgen werden, zu verbrennen. Bücher gelten als gefährlich, weil sie Menschen angeblich in den Wahnsinn treiben und Unordnung in die streng regulierte Welt bringen. Guy und seine Kollegen folgen täglich Hinweisen auf versteckte Literatur und zerstören so systematisch, was die Regierung als „Wurzel allen Übels“ ansieht. Guy lebt mit seiner Frau Clarisse in einem kleinen Haus. Clarisse verkörpert das Ideal dieser Gesellschaft: Sie ist gleichgültig, apathisch und vollständig in die seichte Unterhaltung des Fernsehens vertieft. Ihr Leben ist auf Routine und Anpassung ausgerichtet, ein Spiegel der uniformierten Bevölkerung.

Doch Guys Welt gerät ins Wanken, als er nach einem seiner Einsätze auf ein ungewöhnliches Mädchen trifft. Sie ist jung, lebendig und stellt Fragen, die Guy zuerst irritieren. Ihre Worte bleiben jedoch haften, und nach und nach entwickeln sich zwischen den beiden tiefgründige Gespräche, die Guys Sichtweise verändern. Eines Tages wird Guy Zeuge einer erschütternden Szene: Eine Frau weigert sich, ihr Haus zu verlassen, als die Feuerwehr ihre Bücher verbrennen soll. Stattdessen bleibt sie bei ihren Schätzen und stirbt in den Flammen. Dieses Ereignis hinterlässt einen unauslöschlichen Eindruck bei Guy. Zum ersten Mal hinterfragt er seinen Beruf und die Welt, in der er lebt. Die starre Fassade beginnt zu bröckeln, und Guy erkennt, dass sein Dasein – und das der gesamten Gesellschaft – auf einer Illusion basiert.

Die dystopische Gesellschaft wird von einem totalitären Staat kontrolliert, der mit Hightech-Spürhunden, Drohnen und ständiger Überwachung das öffentliche und private Leben im Griff hat. Das Denunziantentum floriert: Menschen verraten einander, um selbst nicht ins Visier der Behörden zu geraten. Währenddessen liegt der Schatten eines bevorstehenden Krieges über allem. Diese Bedrohung scheint jedoch niemanden wirklich zu interessieren, da die Bevölkerung von Ablenkungen wie Fernsehen und anderen trivialen Vergnügungen betäubt wird. Arbeit, Unterhaltung und Gehorsam sind die Säulen dieser Welt – alles andere wird ausgelöscht. Guys Frau Clarisse symbolisiert die Mehrheit der Gesellschaft: Sie lebt für die flimmernden Bilder auf dem Bildschirm und sieht keinen Grund, sich mit der Realität auseinanderzusetzen oder gar die eigene Haustür zu öffnen. Zwischen Guy und Clarisse klafft eine immer größere Kluft, die ihn erkennen lässt, wie sehr er sich von dieser Welt entfremdet hat.

Victor Santos interpretiert Ray Bradburys visionäres Werk „Fahrenheit 451“ auf seine eigene Weise, indem er den Text auf das Wesentliche reduziert und die Geschichte in prägnanten Highlights zusammenfasst. Diese Straffung verleiht der Erzählung Tempo und Klarheit, ohne die zentrale Botschaft zu verlieren. Gleichzeitig wagt er grafisch ein mutiges Experiment: Seine Illustrationen sind rau, minimalistisch und oft von einer fast beklemmenden Schlichtheit geprägt. Statt detailreicher Darstellungen setzt Santos auf harte Kanten, dicke Linien und sparsame Farben. Die Hintergründe bleiben oft leer, was die karge und dystopische Atmosphäre verstärkt. Selbst das allgegenwärtige Feuer, ein Symbol für Zerstörung und Reinigung, wird stilisiert dargestellt: Große Farbflächen und grobe Linien schaffen eine rohe Intensität, die perfekt zur Thematik passt. Zwar hätten einige Szenen durch feinere Details noch eindringlicher wirken können, doch die reduzierte Optik unterstreicht die Erzählung auf eindrucksvolle Weise. Am Ende hinterlässt Santos‘ Adaption einen nachhaltigen Eindruck. Der Leser wird nicht nur in eine düstere Zukunftswelt entführt, sondern auch dazu angeregt, Parallelen zur Gegenwart zu ziehen. Welche Rolle spielen Medien in unserem Leben? Wie stark lassen wir uns von ihnen lenken? Auch wenn vieles heute anders ist, finden sich in Nuancen alarmierende Ähnlichkeiten.

Fazit
Papier brennt bei 451 Grad Fahrenheit – und mit ihm die Gedanken und Visionen, die in Büchern festgehalten wurden. Ray Bradbury schrieb „Fahrenheit 451“ in den 1950er-Jahren, einer Ära, die von der Verarbeitung der Schrecken des Zweiten Weltkriegs, der Angst vor dem Kalten Krieg und der Unsicherheit über die Zukunft geprägt war. Seine düstere Warnung vor einem Verlust der Kultur und Individualität ist zeitlos. Victor Santos haucht diesem Klassiker neues Leben ein, indem er ihn auf kraftvolle, kantige Weise neu interpretiert. Seine Version ist eine eindringliche Erinnerung daran, dass es immer Individuen gibt, die aus der Masse hervortreten und Veränderung bewirken können – selbst wenn sie gegen ein übermächtiges System kämpfen müssen. Die Botschaft bleibt klar: Es genügt, den ersten Schritt zu tun und anzufangen, anstatt nur zu konsumieren. Denn wahre Veränderung beginnt mit einem Funken, der – wie bei einem Buch – erst entfacht werden muss.

Matthias Göbel

Autor/Zeichner: Victor Santos
Autor der Vorlage: Ray Bradbury
Harcover: 160 Seiten
Verlag: Cross Cult Verlag
Veröffentlichung: 15.05.2024
ISBN: 9783986665197

 

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