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...Ekstase in Moll

S.A. Barnes - Ghost Station


einz1975

Empfohlene Beiträge

Das Reisen durch das All ist in dieser Zukunft untrennbar mit der Nutzung von Kälteschlafkammern verbunden. Auch die junge Psychologin Dr. Ophelia Bray begibt sich auf diese Weise an Bord eines Raumschiffs auf eine Reise zum fernen Planeten Lyria 393-C. Trotz der eindringlichen Warnungen ihrer Familie und ohne eine klare Vorstellung davon, was sie am Ziel erwartet, nimmt sie die Herausforderung an. Doch nicht nur für Ophelia wird diese Mission eine unerwartete Wendung nehmen – auch für die restliche Crew entwickelt sich der Einsatz weit jenseits eines Routineauftrags. Vor einigen Jahren wurden auf Lyria 393-C die Ruinen einer untergegangenen Alien-Zivilisation untersucht, doch nun steht die einstige Forschungsstation verlassen und still da. Die Aufgabe der Crew ist es, die Station wieder instand zu setzen, um ein neues Forschungsteam willkommen zu heißen. Doch bereits kurz nach ihrer Ankunft wird Ophelia mit Widerstand und Misstrauen konfrontiert, und als ob das nicht genug wäre, ereignen sich plötzlich unerklärliche Vorfälle, die den Aufenthalt in einen Albtraum verwandeln.

Die Anwesenheit einer Psychologin an Bord löst bei vielen Crewmitgliedern Unbehagen aus – insbesondere beim Captain. Das hat einen triftigen Grund: Bei der letzten Mission kam ein Crewmitglied unter mysteriösen Umständen ums Leben. Ophelias offizielle Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass sich nicht die gefürchtete Krankheit ERS (Extremes Raumfahrer-Syndrom) unter den Besatzungsmitgliedern ausbreitet. Diese seltene, aber hochgefährliche psychische Erkrankung führt zu Wahnvorstellungen, unkontrollierten Gewaltausbrüchen und kann sowohl den Betroffenen als auch die gesamte Crew in ernste Gefahr bringen. Eine eindeutige Diagnose ist jedoch schwierig zu stellen, und die dunkle Vergangenheit eines früheren Vorfalls, bei dem zahlreiche Menschen auf tragische Weise ums Leben kamen, lastet schwer auf der Mission. Die Autorin nimmt sich viel Zeit, um Ophelias Hintergrund und ihre persönlichen Konflikte detailliert auszuarbeiten. Man erfährt intime Einblicke in ihr Innenleben, ihre Vergangenheit und auch einige scheinbar belanglose Alltagsdetails – was zunächst entschleunigend wirkt, jedoch geschickt zur Charakterentwicklung beiträgt. Doch als Leser sollte man sich nicht zu sehr in Sicherheit wiegen, denn was folgt, lässt die anfangs ruhige Erzählung schnell in einen düsteren und beklemmenden Horror umschlagen.

Mit subtilen Gruselszenarien beginnt der langsame Abstieg in den Wahnsinn: Crewmitglieder verschwinden spurlos, andere zeigen ein zunehmend merkwürdiges Verhalten, und dann ist da noch die mysteriöse Alien-Stadt, die unter meterdicken Eisschichten verborgen liegt. Informationen über sie werden nur stückchenweise enthüllt, und lange bleibt sie ein beinahe seltsames Mysterium. Doch als die Crew endlich die Ruinen betritt und erste Proben mitbringt, nimmt das Unheil seinen Lauf. Plötzlich ist nichts mehr, wie es war, und die erhofften wissenschaftlichen Entdeckungen verwandeln sich in einen Alptraum aus Wahnsinn, Gewalt und Tod. Die eskalierende Spannung gipfelt in einem brutalen Todesfall, der die Crew vollends in Panik versetzt. Zeitgleich entfaltet sich eine unerwartete Enthüllung um Ophelias eigene Herkunft, die alles, was bisher geschehen ist, in ein noch beunruhigenderes Licht rückt.

Trotz der vielversprechenden Ausgangslage gibt es jedoch auch einige Schwächen. Die ausgedehnten introspektiven Passagen, in denen die Autorin Ophelias Gedankenwelt ergründet, sind zwar psychologisch tiefgehend, wirken aber mitunter verworren und lenken vom eigentlichen Handlungsstrang ab. Sicherlich ist dies ein stilistisches Mittel, um die Unsicherheit und das drohende Chaos spürbar zu machen, doch an manchen Stellen verliert sich die Geschichte dadurch in zu vielen Umwegen. Besonders das Finale leidet darunter: Während der Horror zunächst langsam und unheilvoll aufgebaut wird, wirkt das Ende plötzlich gehetzt und vorhersehbar. Dabei bleibt das Potenzial der faszinierenden Alien-Ruinen und der erschütternden Entdeckungen leider weitestgehend ungenutzt. Stattdessen erinnert die Geschichte immer mehr an Klassiker wie "Das Ding aus einer anderen Welt" – die eisige Isolation, das Misstrauen innerhalb der Gruppe, die unsichtbare Bedrohung und der eskalierende Wahnsinn.

Fazit:
Letztendlich lässt sich "Ghost Station" als einen atmosphärischen Sci-Fi-Horrorroman mit starker psychologischer Komponente beschreiben. Die Mission der Resilience wird zu einem Horrortrip, der nicht nur die Crew, sondern auch den Leser bewegt. Durch die Perspektive von Ophelia verwandelt sich die Handlung in einen Psycho-Thriller, in dem stets die Frage im Raum steht: Was ist real, und was spielt sich nur in den Köpfen der Protagonisten ab? Für manche Leser mag dieser Aspekt etwas überstrapaziert sein, insbesondere weil die Alien-Ruinen, die eigentlich das Highlight der Geschichte hätten sein können, zu wenig im Fokus stehen. Auch das abrupte und etwas klischeehafte Ende hinterlässt einen leicht unbefriedigenden Eindruck. Dennoch gibt es zahlreiche packende Momente, die das Buch lesenswert machen. Wer sich auf einen unheilvollen, düsteren Sci-Fi-Horror-Psycho-Trip einlassen möchte, wird hier auf jeden Fall auf seine Kosten kommen.

Matthias Göbel

Autorin: S.A. Barnes
Übersetzung: Michael Pfingstl
Paperback: 464 Seiten
Verlag: Heyne Verlag
Veröffentlichung: 12.02.2025
ISBN: 9783453323520

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