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...und so spok der Herr

Franz Kafka


Tolayon

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Um bei all der Vielfalt an StarTrek-Büchern und sonstigen Empfehlungen in dem dafür angelegten Thread noch einen zusätzlichen Kontrast hineinzubringen möchte ich hier einmal etwas zu einem der wohl faszinierendsten deutschen Autoren sagen (genaugenommen war Kafka Vertreter einer deutssprechenden, jüdischen Minderheit in Tschechien).

Von ihm gehört sollte jeder schon mal haben; er war gewiss nicht der erste der sich eines absurd wirkenden Schreibstils bediente, doch der erste der die litererische Groteske erfolgreich in das 20. Jahrhundert einführte.

Was seine Werke so einzigartig und zugleich schwer zum Lesen macht ist ein hohes Maß an Unbestimmtheit. Dazu gehört unter Anderem auch ein eigenwilliger Sprachstil; das Wort "Sessel" beschreibt etwa auch, wenn nicht gar vorrangig einfache Stühle und "damals" bezieht sich auch auf Ereignisse die nur ein paar Stunden zurückliegen.

Gerade letzteres Merkmal deutete auch auf ein sehr subjektives Zeitempfinden hin, im Roman "Das Schloss" zum Beispiel scheint zuerst ein fast ein ganzer Tag in nur ein, zwei Stunden zu vergehen, dann findet eine schier endlos scheinende Konversation nur in etwa einer Stunde statt.

Das auffallendste Stilmittel aber ist die ständige Relativierung einmal gemachter Aussagen oder Beobachtungen, die zuweilen bis zur Verkehrung in deren Gegenteil gesteigert wird. Dies hat zur Folge das nichts so ist wie es zuerst scheint; Protagonisten wie Leser fühlen sich verloren in einer surrealen Albtraumwelt, in der die menschliche Existenz in ihrer ganzen absurden Nichtigkeit dargestellt wird.

Bei einer seiner Geschichten, "Josefine die Sängerin oder das Volk der Mäuse", fallen einem frappierende Parallelen zur heutigen Musikwelt auf, die zur Zeit des ursprünglichen Erscheinens längst nicht so aktuell gewesen sein mochten:

Die junge Mäusedame Josefine ist ein Superstar, doch in Wahrheit kann sie gar nicht wirklich singen, sondern nur pfeifen wie alle anderen Mäuse, oft sogar schlechter als diese. Doch dank ihrer Aura, ihrer Ausstrahlung und ihres Auftretens wird sie zur gefeierten Künstlerin mit entsprechenden Allüren.

Realer Hintergrund dieser topaktuell klingenden Geschichte ist eine Novelle (Titel und Autor sind mir leider entfallen), in der es um einen Spielmann geht der eigentlich auch gar nicht richtig spielen kann.

Heute im Computerzeitalter gehört Derartiges schon lange zum Alltag...

Um noch einmal den Bezug zu STAR TREK herzustellen:

Kafkas Weltbild ist in gewisser Weise das vollkommene Gegenteil von Roddenberrys Utopie; wo der TNG-Mensch souverän und aufgeklärt durch das Universum fliegt schafft es sein kafkascher Vorfahre noch nicht einmal in das Schloss gleich außerhalb seines Dorfes zu gelangen, so sehr verstrickt er sich in den Wirren der Bürokratie. Dabei steht das Erreichen des erstrebten Ziels stellvertretend für die Versöhnung mit Gott, der gleichermaßen gütig wie grausam ist.

Mit seinem Schaffen hat Kafka den Weg für eine Reihe weiterer, wichtiger Strömungen geebnet:

Dem Surrealismus, dem Absurden Theater und teilweise auch der modernen Mystery ("Twin Peaks" erinnert von der Atmopshäre aus Phantastik und Wahnsinn sehr an kafkasche Erzählungen).

Kafkas Werke sind nicht teuer; vor allem die gesammelten Erzählungen kosten als kleine gelbe Reclam-Heftchen (Tipp: "'Ein Landarzt' und andere Prosa") nur ein paar Euro die eigentlich jeder entbehren können müsste.

Zum Schluss noch ein Zitat von Klaus Mann:

"Sein [Kafkas] Werk soll gelesen werden, solange noch gedacht, gesprochen und gelesen wird in unserer Sprache."

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Hehe, das passt ja wie die Faust aufs Auge... ich lese nämlich grade "Der Prozeß" von Kafka. Ist recht verwirrend, weil nicht so ganz klar wird worauf er hinaus will mit seinem Gericht...

Was ich viel erschreckender finde... Warum gucken einen in der Schule alle schief an und fragen einen, ob es einem gut geht, wenn man in seiner Freizeit mal was von Kafka liest? Ich mein bei Star Trek Romanen bin ich die Reaktion gewöhnt, aber sonst... bei George Orwell (1984), Stanislaw Lem (Solaris) oder Jorge G. Castañeda (Che Guevara - Eine Biographie) hat man mich zwar auch komisch angesehen, aber bei Kafka war es schlimmer. Warum?

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Ich habe "Die Verwandlung" außerhalb der Schule gelesen. Hat mir sehr gefallen.

Da aber Kafka auch ein Thema im Unterricht war, haben wir auch einige Erzählungen (oder zu welcher Gattung die auch immer gehören) gelesen, deren Titel mir aber entfallen sind. (Gibt es einen Text mit dem Titel "Der Brief" oder sowas? Darin geht es um - was wohl auch anderes - Vater und Sohn. Und der Vater schreibt, so meine ich mich zu erinnern, einen Brief für seinen Sohn...)

Auf jeden Fall ist mir Kafka als interessanter Mensch in Erinnerung geblieben und ich möchte gerne mehr von und über ihn lesen.

Aber erst kommen die Millionen von anderen Büchern, die noch ungelesen bei mir rumliegen und -stehen...

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Der Vater-Sohn-Konflikt ist auch ein wichtiger Bestandteil von Kafkas Werk.

Warum die Mitschüler einen schief anschauen wenn man außerhalb der Schule Kafka ließt liegt zum Einen vielleicht daran dass Lesen generell nicht so beliebt ist bei den heutigen Teenagern (dem Fernsehen sei Dank), zum Anderen weil sie doch etwas über Kafka zu wissen scheinen - nämlich dass er ein exzentrischer Spinner war, dessen Texte scheinbar keinen Sinn ergeben und schwer zu lesen sind.

Was mir auch aufgefallen ist, von "Die Verwandlung" haben wir in der Schule nur den Anfang gelesen, aber die Geschichte geht noch weiter, insgesamt um die 50 Seiten. Dann wird die Sache auch erst richtig absurd wenn das Alltagsleben des Riesenkäfers geschildert wird...

Wäre eigentlich eine gute Vorlage für eine "Outer Limits"-Episode :D

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