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...die schrecklichste Potenz von Gut

Hitlers Hitparade


Brynhild

Empfohlene Beiträge

Vergangenes Wochenende war ich in Lübeck auf den nordischen Filmtagen. Von diesem Festival werde ich euch später genaueres berichten. Doch ein Film aus deutscher Produktion hat mich besonders betroffen gemacht. Ich habe dazu einen kleinen Artikel geschrieben, den ich euch hier zu lesen geben möchte.

Hitlers Hitparade

Eine Komposition in Bild und Ton von Oliver Axer und Susanne Benze

Produktion C.Cay Wesnigk im Auftrag von ZDF und Arte 2003

Nordische Filmtage Lübeck November 2004 – Sonntagabend gegen 21.30 Uhr. Nach 4 Tagen und etwa 25 Stunden in dunklen Kinosälen ging es mit etwas gemischten Gefühlen ganz zum Schluss noch in eine deutsche Produktion. Allein der Titel „Hitlers Hitparade“ machte mich skeptisch. Ich gebe es zu: Wenn zeitgleich noch ein anderer Film gezeigt worden wäre, den ich noch nicht gekannt hätte, wenn ich nicht zwei Wochen vorher „Der Untergang“ gesehen hätte, wenn wir nicht in den letzten Monaten immer wieder diese Nazidiskussion hier im Forum gehabt hätten – ich glaube, ich wäre nicht hineingegangen. Und ich hätte wohl die interessanteste und kontroverseste Aufführung des ganzen Filmfestivals versäumt.

Im Programm angekündigt wurde diese Kollage wie folgt: „In einem Kompilationsfilm werden Archivfilmsequenzen aus den Bereichen Spielfilm, Lehrfilm, Trickfilm, Werbung und Propaganda des nationalsozialistischen Deutschlands gemixt und mit zeitgenössischer Tanz- und Unterhaltungsmusik unterlegt. So analysiert der Film auf eigene, subtile Art die verführerische Komponente der nationalsozialistischen Zeit in Deutschland. Und zeigt dabei, wie sich ein Kulturvolk und eines der modernsten Länder der damaligen Zeit durch den Naziwahn in einen moralischen und substanziellen Trümmerhaufen verwandeln.“

Diese eher nüchterne Ankündigung konnte mich nicht auf das Wechselbad der Gefühle vorbereiten, welches mich erwartete. Ich wusste eine Stunde und 16 Minuten lang nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. Gezeigt werden nämlich auch die farbigen Seiten jener Epoche, die wir eigentlich nur in Schwarz-Weiß kennen. Es gab nicht nur Krieg, Judenverfolgung und Massenwahn, sondern neben Musik, Tanz, Liebe und Freude auch das ganz alltägliche Leben. Marika Rökk singt ihr „Ich brauche keine Millionen“ zu amerikanisch angehauchten Revue-Szenen mit kurzberockten Damen und fröhlich tanzend - turnenden KdF-Mädchen. Leichte, beschwingende Musik zu Bildern von Mädchen, die ihr kleines Brüderchen im Wagen herum schieben, Schnittern auf dem Felde, im Meer planschenden Urlaubern. Harmlose Musik zu harmlosen Bildern. Der Zuschauer wird vorsichtig in diese Welt eingeführt. Doch der Schein trügt. So spielt Willy Berkings Tanzorchester „Ein Stern ist vom Himmel gefallen“ und wir sehen dazu neben romantischen Filmliebeszenen auch Ausschnitte aus antisemitischen Trickfilmen und dokumentarischen Aufzeichnungen aus dem Warschauer Getto. Oder amerikanische Dokumentationen, welche bei der Öffnung der KZs gedreht wurden, zu Zarah Leanders „Drei Sterne sah ich scheinen“.

Blasphemie? Vielleicht, aber nur auf den ersten Blick. Deutlich wird: gebt dem Volk Brot und Spiele und dem Massenwahn sind keine Grenzen mehr gesetzt. Ein zufriedener Mensch wird blind, kann und will nicht mehr sehen, was um ihn herum vor sich geht, träumt sich hinweg in einer trügerischen Illusion vom Glück.

Diese scheinbar fröhliche Filmmontage stimmt nachdenklich. Uns Deutsche offenbar mehr als Russen, Israelis oder Polen, denn wo der Film auch gezeigt wurde – so berichtete im Anschluss der Produzent Cay Wesnigk – lachte das Publikum herzhaft. Doch bei dieser ersten Aufführung in einem deutschen Kinosaal war das Publikum seltsam still. Gelegentlich ein paar unterdrückte Lacher, ansonsten eher betroffenes Schweigen. Cay Wesnigk war von dieser Reaktion selber sehr überrascht. Denn eigentlich entstand dieser Film aus einer anderen Intention heraus, nämlich aus dem Wunsch des 1999 verstorbenen ZDF-Redakteur Hans Peter Kochenrath: „Ich will, dass dieser Film entsteht, weil es mir damals so gut ging.“

Doch wer diese beiden Seiten jener Zeit betrachten möchte, wird leider vergeblich auf eine Kinovorführung oder erneute Ausstrahlung im Fernsehen warten müssen, denn aufgrund gewisser GEMA-Probleme darf der Film nicht mehr öffentlich aufgeführt werden. Die Erben der Komponisten verweigern ihre Genehmigung, da sie offenbar die Musik ihrer Eltern und Großeltern nicht in diesen bildlichen Zusammenhang gestellt sehen wollen.

Auf die Frage, wo man denn nun diesen Film trotzdem sehen könnte, verwies der Produzent auf das Internet, da diese „fröhliche Filmmontage“ einmal bei Arte ausgestrahlt und verschiedentlich aufgenommen wurde.

So, das war's. Ich kann euch wirklich nur empfehlen, den Esel anzuwerfen - diesmal wäre das sogar ganz im Sinne des Produzenten ;) Und dann würde ich gerne eure Meinung zu diesem Werk hören.

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Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis ich mir den Film ansehen kann - aber ich kopier mal ein paar Kommentare aus dem Netzwerk hier rein.

Die stehen da wirklich und spiegeln nicht meine Meinung oder Ansicht wieder!

Lusitania: sehr krasse, sehenswerte doku. danke - Bewertung: Exzellent

Anox dankt dir für: sauber, hitler´s dritte reich karaoke show!!! - Bewertung: Durchschnittlich

olli386: na wie alt sind wir denn ?? 12 oder 13 ?? - keine Bewertung

Vega: boah wenn ihr den sinn ned plant geht sterben ... - keine Bewertung

Zu gebrauchen ist sicher nur ein Kommentar - aber ich wollt ein bisschen Werbung machen. ;)

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