Zum Inhalt springen
...mit 50% weniger Fett

Angedockt: die erste internationale Zusammenarbeit im All


Empfohlene Beiträge

Angedockt: die erste internationale Zusammenarbeit im All

heute vor 35 Jahren

Kalter Krieg und gemeinsame Interessen im Weltraum

Kaum zu glauben, schon 35 Jahre ist es her, dass ich als 12-jähriger mit meinem ersten Kassettenrecorder wie gebannt vor dem schwarz-weiß Fernseher saß und die live Sendungen zum Apollo-Soyuz Testprojekt (ASTP) auf Musikkassetten aufzeichnete. Videorekorder gab es damals zwar schon, diese waren aber nicht für jedermann erschwinglich, denn so ein Aufnahmegerät kostete soviel wie ein Kleinwagen. Doch einen eigenen Kassettenrekorder zu besitzen, den mir meine Tante geschenkt hatte, war für einen Schüler im Jahr 1975 schon wirklich eine große Sache! Daher gehören die alten Musikkassetten von den Sendungen aus dem ORF-Weltraumstudio noch heute zu den wohlgehüteten Schätzen meiner Raumfahrt-Sammlung.

Das ASTP war die erste Zusammenarbeit der damals im Wettstreit stehenden Supermächte USA und UdSSR im Weltraum und damit richtungsweisend für spätere internationale Raumfahrtprojekte wie das Shuttle-Mir Programm oder die ISS. Zugleich stellte das ASTP auch das Finale der Apollo-Raumflüge dar. Der Wettlauf zum Mond zwischen Russen und Amerikanern war am Höhepunkt des Kalten Krieges 1969 mit Apollo 11 von den USA gewonnen worden. Insgesamt fanden noch sechs weitere Mondmissionen der NASA statt, von denen fünf auch auf dem Erdtrabanten landeten. 1972 wurden die Mondflüge mit Apollo 17 eingestellt und die Mondflüge Apollo 18 – 20 von Präsident Nixon gestrichen.

1972 unterzeichneten Leonid Breschnew und Richard Nixon einen Vertrag zwischen den Supermächten, der unter anderem die gemeinsame Nutzung des Weltraums und die Zusammenarbeit bei der Erforschung desselben garantierte.

In den Jahren 1973 und 1974 widmete sich die NASA dem Skylab Programm, einer bemannten Raumstation im Erdorbit, eingerichtet in einer leeren Saturn Stufe. Nach den erfolgreichen Mondlandungen erfreute sich Skylab vor der Weltöffentlichkeit keiner großen Popularität, und das allgemeine Interesse an der Raumfahrt begann zu schwinden. Dennoch lieferte Skylab erstmals wesentliche Erkenntnisse über die Sonne und unser Sonnensystem.

1975 war es dann soweit, das erste über drei Jahre vorbereitete internationale Projekt, das nicht nur die Faszination der Menschen für die Raumfahrt wieder wecken sollte, sondern auch die feindlichen Nationen USA und UdSSR auf einander zugehen lassen sollte, in Angriff zu nehmen. Man hatte das Andocken einer amerikanischen Apollo an eine russische Soyuz im Erdorbit geplant. Die beiden Crews sollten bei verschiedenen Experimenten zusammenarbeiten, bisher geheime Technologien austauschen und vor den Augen der Welt den Handschlag im All zwischen den ehemaligen Konkurrenten im Wettlauf zum Mond vollziehen.

Neue Freunde?

Zur Vorbereitung des ASTP wurden die russischen Kosmonauten Alexei Leonow (Kommandant der Soyuz) und Waleri Kubassow (Bordingenieur), beide schon mit Weltraumerfahrung aus jeweils einem vorangegangenen Flug, in die USA eingeladen, und die US-Astronauten Thomas Stafford (Kommandant der Apollo), Vance Brand (Pilot der Apollo) und Donald (Deke) K. Slayton (Pilot des Dockinmoduls) durften als erste Amerikaner gemeinsam mit ihren russischen Kollegen in Star City, dem sowjetischen Ausbildungszentrum für Kosmonauten, trainieren. Für Stafford sollte das ASTP schon der vierte Raumflug werden, während Brand und Slayton Weltraumneulinge waren. Deke Slayton hatte zwar zur ersten Astronautengruppe, den legendären Mercury 7, gehört, allerdings war ihm wegen eines geringfügigen Herzfehlers, der im Laufe des Trainings entdeckt wurde, Flugverbot erteilt worden und so hatte er fortan administrative Aufgaben bei der NASA erfüllt. Für das ASTP war sein Flugstatus wiederhergestellt worden.

Da sich die amerikanische Apollo und die russische Soyuz in ihren Spezifikationen wesentlich unterschieden, lag es bei den Ingenieuren beider Nationen ein kompatibles Dockingmodul zu entwerfen. Die beiden Raumkapseln hatten nicht nur unterschiedliche Andockschleusen, sondern verwendeten auch ein unterschiedliches Atemgemisch im Inneren. Während die Amerikaner nach wie vor reinen Sauerstoff mit 34% des Druckes in der Erdatmosphäre in der Apollo atmeten, stand die Soyuz üblicherweise unter Normaldruck mit einem Atemgemisch aus Stickstoff und Sauerstoff, wie es in der Luft vorkommt. Für das ASTP wurde der Druck an Bord der Soyuz auf 68% der Erdatmosphäre verringert, um das Umsteigen zu erleichtern. Das Dockingmodul musste dabei sowohl als Adapter zwischen unterschiedlichen Systemen, wie auch als Luftschleuse dienen. Ähnlich wie bei früheren Apollo Missionen das LEM (die Mondlandefähre) in der dritten Stufe der Saturn V verstaut war, sollte das Dockingmodul hier in der zweiten Stufe der zweistufigen Saturn IB mitgeführt werden und vor dem Andockvorgang aus der abgesprengten Stufe herausgezogen und an der Spitze der Apollo Kapsel verankert werden.

Am 15. Juli 1975 starteten die russische Soyuz-U vom Kosmodrom in Baikonur und am 16. folgte ihr die amerikanische Saturn IB von Cape Canaveral aus zu jener Mission, mit der sie in die Geschichte eingehen sollten.

Begegnung im All

Als die Apollo am 17. Juli 1975 die Erdumlaufbahn der Soyuz erreichte, befanden sich erstmals in der Geschichte sieben Menschen gleichzeitig im All – zwei Kosmonauten in der Soyuz, die drei Astronauten in der Apollo und zwei weitere Kosmonauten auf der sowjetischen Raumstation Saljut 4 in einem anderen Orbit.

Das Andockmanöver, bei dem die Apollo Kapsel die aktive Rolle übernahm, wurde über Portugal eingeleitet und verlief ohne Probleme. Während der nun folgenden gemeinsamen Flugphase wechselten die Besatzungen mehrmals zwischen den Raumschiffen hin und her, wobei aber jedes Raumschiff mit mindestens einem Astronauten/Kosmonauten besetzt blieb.

Der erste gemeinsame Tag beider Crews im Orbit stand im Zeichen der neugewonnen russisch-amerikanischen Freundschaft. Man empfing die Anrufe des sowjetischen 1. Parteichefs Leonid Breschnew und des US-Präsidenten Gerald Ford und tauschte symbolisch kleine Flaggen aus. Anschließend unterzeichneten die beiden Kosmonauten und die drei Astronauten das Docking Certificate für die FAI (Federation Aeronautic International), die internationale Vereinigung für Luft- und Raumfahrt. Der Verzehr russischer Küche aus der Tube bildete den krönenden Abschluss des Tages.

Am zweiten Tag, dem 18. Juli, nahmen beide Crews das Frühstück in ihrem jeweiligen Raumschiff ein und die gemeinsamen wissenschaftlichen Experimente wurden in Angriff genommen. Unter anderem wurden das Verhalten von hocherhitzten Metalllegierungen bei Schwerelosigkeit in einem eigens dafür mitgebrachten elektrischen Brennofen erforscht, und verschiedene Kristallproben untersucht. Es folgte eine Tour durch beide Raumkapseln fürs amerikanische und russische Fernsehen und die Kosmonauten und Astronauten stellten sich live den Fragen der Presse beider Nationen.

Am Ende des Tages übergab Kommandant Stafford Baumsamen aus den USA an Kommandant Leonow, damit diese in der UdSSR eingepflanzt werden sollten als Symbol der wachsenden Freundschaft zwischen den beiden Staaten, und die beiden Hälften einer Apollo-Soyuz Testprojekt Medaille wurden zusammengesetzt.

Nach 44 Stunden gemeinsamen Fluges trennten sich die beiden Raumschiffe wieder voneinander um das spektakuläre Sonnenfinsternis-Experiment zu beginnen. Die Apollo wurde dabei so zwischen die Sonne und die Soyuz manövriert, dass für die russische Raumkapsel eine künstliche Sonnenfinsternis entstand, die es ermöglichte, das Phänomen besser zu photographieren und dabei die Korona zu studieren, als dies bisher bei den selten vorkommenden natürlichen Sonnenfinsternissen auf der Erde möglich war.

Im Anschluss an das Sonnenfinsternis-Experiment erfolgte ein zweites Andockmanöver beider Raumschiffe, diesmal jedoch ohne Umsteigen der Crews, nur um den Mechanismus noch einmal zu testen.

Nach der neuerlichen Trennung beider Kapseln stand das UV-Strahlenabsorbierungsexperiment auf dem Plan. Bei diesem Versuch wurden Lichtstrahlen einer bestimmten Wellenlänge von der Apollo Kapsel ausgesandt um auf einen an der Soyuz angebrachten Reflektor zu treffen. Von dort wurden die Strahlen auf ein Spektrometer an Bord der Apollo zurückgeworfen, wo sie analysiert werden konnten. Auf diese Weise erlangte man genaue Daten über die Anzahl der Sauerstoff- und Stickstoffpartikel in der oberen Schicht der Erdatmosphäre und über den Zustand der Ozonschicht.

Dies war das letzte der vorgesehenen gemeinsamen Experimente im Orbit und die Soyuz kehrte zur Erde zurück. Die erfolgreiche Landung der Syouz Kapsel in der Wüste von Kasachstan wurde weltweit mit noch größerem Medieninteresse verfolgt, als die Mondlandung im Jahr 1969!

Das Ende des Apollo Programms

Die Apollo sollte weitere vier Tage im All verbleiben um insgesamt noch 27 weltraum- und biowissenschaftliche Experimente durchzuführen. Zu den interessantesten zählte das Experiment mit den Killerfischen. Man hatte ausgewachsene Exemplare dieser Art schon einmal im Rahmen einer Skylab Mission in den Weltraum mitgenommen und musste dabei feststellen, dass die Fische in der Schwerelosigkeit vollkommen desorientiert wurden. Diesmal hatte man Fische im Reifegrad in abgedichteten Seewasserbehältern in den Orbit gebracht, die in der Schwerelosigkeit schlüpften und zum Erstaunen der Astronauten keine Probleme mit der Orientierung hatten. Offensichtlich scheint sich Leben, das im Weltraum geboren wird, rasch an diesen anzupassen.

Mit empfindlichen Instrumenten wurden weitere Erkenntnisse über unser Universum gesammelt. So konnte beispielsweise die extreme UV-Strahlung im Weltall erstmals nachgewiesen werden und die Menge der Aerosolpartikel in der Atmosphäre wurde gemessen, was unser Verständnis für Wetter und Klima vertiefte.

Als kurz vor dem geplanten Wiedereintritt der Apollo das Dockingmodul abgeworfen wurde, wurde auch dieses zum wissenschaftlichen Experiment. Seine durch die Erdanziehungskraft entstehenden Bewegungen wurden exakt aufgezeichnet, wodurch die genaue Massenstruktur der Erde errechnet werden konnte (fragt mich bitte nicht, wie das geht – ich bin NUR ein Weltraumfreak, KEIN Wissenschaftler!).

Zum Finale fast die Katastrophe

Kurz vor der Landung der Apollo Kapsel wäre es zum Ende der Mission beinahe noch zu einer tödlichen Katastrophe gekommen:

aus einem ungeklärten Grund wurden nach dem Wiedereintritt zwei Schalter nicht betätigt, die das automatische Landesystem aktivieren sollten. Die Öffnung der Hilfsbremsfallschirme blieb bei 7km Höhe aus, und die Astronauten entschieden sich, sie manuell zu öffnen. Die Stabilisierungsdüsen der Kapsel, die sich eigentlich automatisch ausschalten sollten, zündeten, weil die Lage der Kapsel nun nicht mehr mit den Voreinstellungen im System übereinstimmte.

Die Apollo Kapsel kam für etwa eine halbe Minute ins Trudeln, bis die Astronauten die Stabilisierungsdüsen händisch ausschalteten. Während dieser Zeit waren aber schon unverbrannte giftige Gase der Stabilisierungsdüsen durch ein geöffnetes Ventil ins Innere der Raumkapsel eingedrungen. Da sich auch der Hauptfallschirm nicht automatisch öffnete, betätigte Brand, der Pilot der Kapsel, ihn in einer Höhe von etwa 2,7km schließlich manuell. Die Wasserung im pazifischen Ozean fiel hart aus und die Kapsel schwamm kopfüber. Brand gelang es noch sie aufzurichten, dann verlor er durch die Gase kurz das Bewusstsein.

Als die Rettungskräfte des Flugzeugträgers USS New Orleans die Kapsel erreichten und die Luke öffneten, verflüchtigten sich die Gase. Die Astronauten Stafford, Brand und Slayton wurden für zwei Wochen zur Beobachtung ins Krankenhaus gebracht, es traten aber keine weiteren Komplikationen ein.

Zurück auf der Erde

Alexei Leonow, der erste Mensch, der 1965 eine EVA absolviert hatte, beschäftigte sich nach seiner Kosmonautentätigkeit mit Schriftstellerei und Malerei, wobei er die Eindrücke von seinen Raumflügen verarbeitete. Im Film „2010 – Das Jahr in dem wir Kontakt aufnehmen“ wurde das fiktive Raumschiff Leonow nach ihm benannt.

Walerie Kubassow flog nach dem ASTP im Rahmen des Interkosmos Programms der Sowjetunion zur Raumstation Saljut 6 und war später als Ingenieur an der Entwicklung der MIR beteiligt. Er schied 1993 aus dem Kosmonautenkorps aus und wurde stellvertretender Direktor von RKK Energija, dem größten russischen Raumfahrtkonzern.

Thomas Stafford beendete nach dem ASTP seine Astronautentätigkeit mit insgesamt vier Raumflügen und ging zurück an seine vorige Wirkungsstätte die Edwards Air Force Base. Später wurde er stellvertretender USAF-Stabschef für Forschung und Entwicklung in Washington D.C.. Nach seinem Ausscheiden aus der Air Force 1979 wechselte er in dir Privatwirtschaft. 1990 wurde er als Vorsitzender eines Komitees berufen, das die zukünftigen Möglichkeiten der bemannten Raumfahrt ausloten sollte.

Vance Brand flog nach dem ASTP noch weitere dreimal mit dem Space Shuttle ins All bevor er 1992 seine Astronautentätigkeit beendete. Ab 1994 leitete er den Flugbetrieb im Dryden Flight Research Center und wurde im Juni 2001 zum Vizedirektor für Luft- und Raumfahrtprojekte befördert. 2008 verlies er die NASA und trat in den Ruhestand.

Deke Slayton war seit dem Mercury Programm bei der NASA. Mit dem letzten Apollo Flug im Rahmen des ASTP hatte er es doch noch geschafft in den Weltraum zu kommen. Danach leitete er das ALT, das Anflug- und Landetestprogramm des Space Shuttles und bereitete die ersten sechs Shuttle Flüge vor. Nach seinem Ausscheiden aus der NASA im Jahr 1982 ging er in die private Raumfahrtindustrie. Deke Slayton verstarb am 13. Juni 1993 im Alter von 69 Jahren.

Ich alte Weltraumratte sitze heute am PC und verfasse diesen Artikel in Erinnerung an eine der Sternstunden der bemannten Raumfahrt, die ich in meiner Kindheit miterleben durfte und höre im Hintergrund den Soundtrack zu „In the Shadow of the Moon“ im Wissen, dass eine Zeit wie damals nie wieder kommen wird. Ich gehöre nicht zu den kürzlich hier in den News angesprochenen Leuten, die zuviel Zeit haben und daher im Forum posten, denn ich habe außerhalb des Weltraums und jenseits von Trek auch noch zwei Leben, als Freiberufler und Leistungssportler. Aber gerne, wenn auch wehmütig, blicke ich auf die große Zeit der Apollo Raumflüge zurück und sinniere über den drohenden Ausstieg der USA, der einst führenden Raumfahrtnation, aus dem bemannten Weltraumprogramm.

Das ASTP war der letzte Einsatz einer Saturn Trägerrakete und einer Apollo Kapsel, das Ende einer glorreichen Ära der Raumfahrt, und für die folgenden fünf Jahre sollte kein US-Astronaut mehr in den Weltraum vordringen. Doch damals kam die bemannte Raumfahrt der NASA nicht zum stillstand. Ein Space Shuttle war bereits im Bau um bald seine ersten Anflug- und Landetests zu absolvieren. Es sollte den Weg bereiten für ein vollkommen neues bemanntes Raufahrtprogramm und in die Geschichte eingehen unter dem Namen Enterprise...

Bearbeitet von Lt.Cmdr. Carl F. Gatlin
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bitte melde Dich an, um einen Kommentar zu hinterlassen

Du kannst nach der Anmeldung einen Kommentar hinterlassen



Jetzt anmelden
  • Bilder

×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Diese Seite verwendet Cookies um Funktionalität zu bieten und um generell zu funktionieren. Wir haben Cookies auf Deinem Gerät platziert. Das hilft uns diese Webseite zu verbessern. Du kannst die Cookie-Einstellungen anpassen, andernfalls gehen wir davon aus, dass Du damit einverstanden bist, weiterzumachen. Datenschutzerklärung Beim Abensden von Formularen für Kontakt, Kommentare, Beiträge usw. werden die Daten dem Zweck des Formulars nach erhoben und verarbeitet.