Bevor er jedoch auf den HDR zu sprechen kam, bemühte sich Servos jedoch zuerst um eine Definition von Religion und zitierte den Schweizer Fritz Stolz, der sagte „Religion ist der Drang des Menschen, das Unkontrollierbare zu kontrollieren.“ Nach dieser interessanten Formulierung wandte man sich schließlich dem Ainulindale zu, der Schöpfungsgeschichte von Mittelerde und ging auf die verschiedenen spirituellen Ebenen ein. Zusätzlich verglich er die verschiedenen Völker Mittelerdes untereinander und stellte bemerkenswerte Ansätze vor.
So seien z.B. die Hobbits, wenn nicht Atheisten, dann schon eher Agnostiker, während es bei den Zwergen höchstens eine Form der Ahnenverehrung gibt. Die Menschen scheinen das religiöseste Volk zu sein, denn die verschiedenen „Halbgottheiten“ (die Vala) werden dort ausreichend verehrt. Dabei gilt es jedoch die einzelnen regionalen Unterschiede zu beachten, denn auch bei den Menschen gibt es weder Priester, noch Tempel oder dergleichen.
Wie lässt sich dies erklären? Zum einen ist Religion per Definition ein Glaube an Etwas, was man nicht beweisen kann. Diese Erklärung trifft jedoch nicht auf die Welt des HDR zu, denn die Entstehungsgeschichte der Welt, also ihre Mythologie, ist ja tatsächlich „wahr“, sie hat so stattgefunden, wie es im Simarillion beschrieben wurde. Auffallend ist dabei auch, dass es scheinbar einen Konflikt zwischen Monotheismus und Polytheismus gibt, beide Varianten existieren in Mittelerde. Immerhin wird im Simarillion der Übergott Eru Iluvatar eingeführt, im HDR selbst jedoch nie erwähnt!
Tolkien selbst sprach immer davon, eine monotheistische Welt geschaffen zu haben, gab jedoch in einem privaten Brief an einen Verleger 1931 zu, einen Mittelweg eingeschlagen zu haben. Auf der einen Seite wollte er sich der reichhaltigen Mythologien, wie man sie schon aus der Antike gewohnt war, bedienen und kreierte Halbgötter, die „Vala“, welche in seinen Augen mit den katholischen Heiligen gleichzusetzen waren. Auf der anderen Seite wäre eine solch polytheistische Welt, die er erschaffen hätte, für ihn als Katholik untragbar gewesen und daher schuf er mit Eru Iluvatar einen Gott, der zwar existierte, sich jedoch nicht in die Belange der Welt einmischte. Er beschrieb ihn als „fern und fremd, dennoch wahr“. Er machte damit einen Spagat, ging einen Kompromiss zwischen Christentum und Mythologie ein. Bis zu seinem Tod wehrte sich J.R.R. Tolkien dagegen, ein atheistisches Werk geschaffen zu haben.
Ein hochinteressanter Vortrag, spannend und anschaulich vorgetragen. Auf jeden Fall empfehlenswert!
Text: Nadir Attar
Quelle: treknews.de
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