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Monitor 2x01/02 "Düstere Vorahnungen" & "Dunkle Mächte am Horizont" Zip File Rating Größe: 167kB |
Die Sonne begann hinter dem Horizont zu verschwinden. Ihre letzten Sonnenstrahlen tauchten den Tag noch einmal in ein wunderbares Orange. Dekk atmete noch einmal tief durch, genoss die kurze Ruhe und die Abwesenheit von Stress. Es war in der Tat ein anstrengender Tag für ihn gewesen. Zwei Shuttles flogen durch die Wolken, reflektierten das Sonnenlicht und ließ einen Regenbogen erscheinen. Dekk verfolgte ihre Flugbahn bis zu der befestigten Stadt im Tal. Er liebte diesen Platz hoch an der Spitze, wo ihn keiner der Speichellecker der Regierung stören konnte. Wo er und die Natur eins waren. Schuldgefühle brodelten nun in ihm. Würde er dafür verantwortlich sein, dass diese Natur vielleicht bald zerstört wurde? Wie würde ihn der Zeichenstift der Geschichte darstellen: als Stratege? Ein Mann der Gnade? Oder doch eher ein Tyrann? Abermals verfluchte der Tsenketi seine Regierung; verfluchte sie für das, was sie ihm aufzwangen. Kurz wanderten seine Gedanken zu seiner Tochter ab. War ihr Leben genau so viel wert wie dieser zweifelsohne wunderschöne Planet, Vernius Prime? Sein Kommunikationsgerät summte.
„General, die Diplomaten sind eingetroffen“, meldete die Stimme eines jungen Soldaten. War er ebenso aufgeregt wie er selbst?
„Verstanden. Ich komme sofort.“
Diplomatie. Das würden sie alle bald nötig haben. Denn mit der Föderation sollte es man sich eigentlich nicht verscherzen.
Aus dem Weltraum konnte man erkennen, wie auf der einen Erdhälfte ein neuer Tag dämmerte. Der einzige Insasse des kleinen Shuttles warf einen letzten, wehmütigen Blick auf seinen Heimatplaneten, an seinen langen Aufenthalt dort, der zweifelsohne nicht der Erholung gedient hatte. Nein, Captain John Lewinski hatte sich behandeln lassen müssen. Und ohne seinen Freund T´Per, das wusste der Captain, würde er noch immer im Behandlungsraum der Klinik, oder besser gesagt der Psychiatrie, liegen und jammern. Er hatte das tatenlose Rumsitzen so satt. Genau aus diesem Grund wollte er auch selber das Shuttle zur Starbase 67 fliegen. Sein Schiff brauchte ihn. Er brauchte es.
Nach Hause, dachte Lewinski wehmütig, als er den neuen Kurs programmierte und schließlich beschleunigte.
Offiziell war Starbase 67 eine Einrichtung zur Erforschung des Mutara-Nebels, der nur wenige Lichtjahre entfernt war. Doch dieser Nebel war auch nützlich für die zweite, inoffizielle Aufgabe der Station: die Koordinierung der geheimdienstlichen Aktionen der Föderation. Der Nebel half dabei sehr gut, die Signale und anfliegenden Raumschiffe der Station zu verschleiern. Im riesigen Hangar tummelte sich ein buntes Sammelsurium aller Klassen und zuweilen auch Schiffe anderer Rassen. Ganz weit hinten, an den letzten Andockplätzen und zudem auch noch getarnt, lag die U.S.S. Monitor und wartete auf ihren Einsatzbefehl. Bis dieser eintraf, hieß es einfach warten. Lieutenant-Commander Bruce Land, nach einem ausgedehnten Heimaturlaub wieder an Bord, schritt durch die Gänge in Richtung Kasino. Die Begeisterung, die zumindest unter dem menschlichen Personal der Station herrschte, hatte auch die Monitor ergriffen. Den es stand Sylvester bevor, der Wechsel zum Jahre 2378. Vorbereitungen liefen auf Hochtouren und die Crewmitglieder, die sowie so nichts anderes zu tun hatten, hatten angefangen, das Kasino etwas für diese Festlichkeit herzurichten. Doch beim Eintreten bemerkte der erste Offizier sofort jemanden, der sich nicht von der ausgelassenen Stimme mitreißen ließ.
„Mr. Bird! Schön, sie wieder zu sehen.“
„Danke gleichfalls, Sir.“
Der Lieutenant blickte mit ausdrucksloser Miene durch das geöffnete Fenster auf die Sterne. Nur sporadisch nippte er an seinem exotischen Saft. Welche Sorte es war, konnte Land jedoch nicht feststellen. Eine Zeit lang schwiegen sie, bis es der Commander leid wurde, nur dazusitzen.
„Es ist schön, daß der Captain zurückkehrt“, versuchte er ein Gespräch anzufangen. Bird nickte nur stumm und nahm einen weiteren Schluck.
„Ist etwas mit ihnen, Danny?“
Bird schaute ihn nun, bei der Erwähnung seines Vornamens an. Kurz trafen sich ihre Blicke, dann schaute er wieder zu seinem Glas, das er in seinen Händen drehte.
„Darf ich offen sprechen?“ fragte er schließlich.
Der Commander zuckte die Achseln und deutete ihm mit der Hand, zu sprechen.
„Ich fühle mich etwas unnütz, Sir.“
Land sagte nichts, ließ seinen Offizier stattdessen weitersprechen.
„Ich meine, Commander, innerhalb der letzten Monate, während der Abwesenheit Lieutenant
T´Pers habe ich gezeigt, daß ich ein fähiger taktischer Offizier bin.“
„Niemand bezweifelt ihre Kompetenz, Lieutenant“, erwiderte Land überrascht.
„Ich weiß, Sir, das ist es auch nicht. Doch nun, nach der Rückkehr des Lieutenants fühle ich mich... überflüssig. Um ehrlich zu sein, kann ich mich nicht damit begnügen, nur zweite Wahl zu sein!“
Land wollte zu einer Antwort ansetzen, doch Bird zeigte ihm ein Padd, das während des Gespräches auf seinem Schoß gelegen hatte.
„Ich habe ein Angebot der U.S.S. Aubretia als Sicherheitsoffizier. Ich weiß nicht, ob ich es annehmen soll.“
Nun war das Problem klar. Und in gewisser Weise konnte er ihn sogar verstehen. Danny war ein guter Offizier, sogar ein sehr guter und mit der Ausnahme mit der Sache im Gamma- Quadranten war seine Akte makellos. Seine Karriereaussichten wurden auf der Monitor in der Tat eher behindert, als gefördert. Land überlegte lange, bevor er seine Antwort formulierte.
„Danny, ich will ehrlich zu ihnen sein. Sie sind ein hervorragender Offizier, einer der Besten.“
Sollte Bird etwas bei diesen Worten empfunden haben, so ließ er sich dies nicht anmerken.
„Ich kann sie aber auch verstehen. Die Aubretia ist ein gutes Schiff, daß sich auf eine Langstreckenmission in den Beta-Quadranten vorbereitet. Es wäre ein gutes Sprungbrett für ihre Karriere.“
Land beugte sich nun vor, faltete die Hände und sah Bird direkt in die Augen.
„Ich und sicherlich auch der Rest der Crew würde sie nur ungern verlieren, doch ich werde ihre Entscheidung auf jeden Fall akzeptieren. Überlegen sie es sich jedoch gut!“
Endlich reagierte der Lieutenant, mit einem Nicken. Land seufzte und erhob sich schließlich. Es was Zeit, alles für die Ankunft des Captains vorzubereiten. Bird blieb noch etwas sitzen, trank seinen Saft und bewunderte die Sterne. Er war sich sicher, daß eine Zeit großer Entscheidungen bevorstand.
Admiral Kasharis Büro war ungewöhnlicherweise nicht spartanisch ausgestattet. Ganz im Gegenteil. Der Admiral hatte sich die Zeit genommen, so viel Mobilar wie möglich von Zakdorn zu der Starbase zu schaffen. Pflanzen schmückten die Ecken, während kostbare Gemälde der berühmtesten zakdorianischen Künstler die Wände zierten. Jeder, der eintrat, musste sich einfach heimisch fühlen, so empfand zumindest John Lewinski. Er war lange nicht mehr hier gewesen. In gewisser Weise war diese Station, dieser Raum auch sein Zuhause, zumindest waren sie ihm ebenso vertraut. Der große Zakdorn erhob sich aus seinem schweren Ledersessel, strich seine Uniform glatt und reichte seinem alten Weggefährten die Hand. Erfreut stellte er fest, daß der Händedruck des Captains sogar noch kräftiger geworden war.
„John, es ist gut sie wieder zu sehen.“
Lewinski nickte und bedankte sich für die Begrüßung. Er atmete zweimal tief ein und aus, nahm dabei jedoch Geruchsnuance der Station in sich auf. Ja, es war gut, wieder im Weltall zu sein. In gewisser Weise war es sogar richtig. Sein Platz war hier. Kashari deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und Lewinksi setzte sich dankend. Einen kurzen Moment musterten sich die beiden Männer aufmerksam. Kashari war damals Dozent an der Akademie gewesen, als Lewinski angefangen hatte. Er hatte ihn gefördert, geprüft und schließlich zum Geheimdienst geholt. Sie waren in der Tat...Freunde.
„John, sie wissen, ich bin kein Freund großer Worte. Daher komme ich lieber gleich zur Sache.
„Wie sie möchten, Sir, „antwortete Lewinksi ruhig.
Kashari drehte seinen kleinen Computer so, daß Lewinski auch auf den Bildschirm gucken konnte. Eine Karte erschien, die den Grenzbezirk der Föderation zeigte. Das gleichmäßige Blau des Föderationsraumes wurde durch einen roten Fleck getrübt. Ein einzelner, rot markiertes System innerhalb der Föderation existierte, ein Planet, der nicht zur Föderation gehörte. Sondern jemand anderem.
„Vernius Prime“, sagte Lewinski leise.
Kashari nickte. Jeder kannte diesen Planeten. Er war im wahrsten Sinne des Wortes ein Grenzfall, eine Anomalie, geschaffen um den Frieden zwischen der Vereinigten Föderation der Planeten und der Republik Tsenketi zu sichern. Vor drei Jahren wäre es fast zu einem Konflikt gekommen, als die Tsenketi eine Föderationskolonie angegriffen hatten. Nur der ruhigen hand Captain Siskos war es zu verdanken, daß es nicht zu einem Krieg gekommen war. Nun gab es also wieder Ärger. Kashari begann nun mit seinem Briefing. Seine Miene zeigte tiefe Sorgenfalten. Es wurde ernst.
„Die Tsenketi bauen das Vernius-System zu einer Festung aus. Es befinden sich Dutzende Kriegsschiffe und Tausende von Truppen dort. Der Föderationsrat wird morgen um 12:00 Uhr den Korridor zum System, den wir den Tsenketi gelassen haben, sperren. Des Weitern erhöhen wir die Alarmstufe der Sternenflotte.“
Es wird wirklich ernst...
Kashari schaute ihn ernst an.
„John, ich denke ihre Aufgabe ist klar. Fliegen sie nach Vernius und sammeln sie Informationen. Sollten die Tsenketi eine Invasion planen, haben sie die Option, diese zu vereiteln....“
Vereiteln. Mit anderen Worten konnte er einen Krieg vom Zaun brechen. Gleich nach seiner Rückkehr eine solche Aufgabe... Er hatte es so gewollt.
Der Captain erhob sich und machte sich auf dem Weg zur Tür. Es war alles gesagt. Fast alles...
„Sir, was wird passieren, wenn die Tsenketi weiterhin, trotz der Schließung der Passage, Truppen einfliegen?“
Kashari zögerte mit seiner Antwort nicht eine Sekunde.
„Dann wird es eine Blockade geben. Die Flotte ist schon bereit.“
Es wurde ernst.
Als das Zischend er Brückentür erklang, war klar, wer eintrat. Alle Augen der anwesenden Besatzungsmitglieder richteten sich auf den Mann, der endlich wieder seinen rechtmäßigen Platz auf der Brücke der Monitor einnehmen sollte. Überall wohin Captain Lewinski auch blickte, allerorten gab es aufmunternde Blicke, Glückwünsche und gut gemeinte Gesten. Der Stuhl war immer noch angenehm weich und auf der genau richtigen Höhe eingestellt. In der Tat, er war wieder zuhause!
„An die Besatzung“, sprach er fest und der Computer stellte ihn durch, so daß auf allen Decks seine Stimme zu hören war, „hiermit übernehme ich wieder das Kommando über die U.S.S. Monitor“, verkündete er Protokoll getreu. Dann wich er doch etwas von den Standards ab:
„Schön wieder da zu sein.“
Die Besatzung lächelte. Er ließ ihnen ihre Freude. Bald würde er sie alle briefen und den Ernst der Lage deutlich machen müssen. Doch jetzt noch nicht. Lieutenant-Commander Land hatte nach langer Zeit wieder an der Navigationskonsole Platz genommen. In gewisser Weise war auch er wieder nach Hause zurückgekehrt. Auch Bruce fühlte sich sichtlich wohl.
„Bringen sie uns raus, Mr. Land und gehen sie danach auf Warp 6!“
Es war ein schönes Gefühl, wieder hier zu sein. Wieder da zu sein, wo man hingehörte.
Zwar brachte jede hohe Position große Verpflichtungen mit sich, doch ein paar Privilegien gab es dann doch. Eines davon durfte General Dekk nun genießen, als er via Interkom seine kleine Tochter auf dem Bildschirm sah. Trotz der nur acht Winter, die sie alt war, war sie erstaunlich gewitzt, wissbegierig und tolerant. Ihre Sommersprossen waren immer noch neben den blonden Haaren ihr auffälligstes Merkmal und ihr Lachen ließ bei dem stolzen Vater immer noch eine Seite anschlagen, die tief in seinem innersten lag.
„Wie lief es in der Schule, Kleines?“ fragte der große Mann. Er nahm sich immer ein Mal am Tag die Zeit, mit seiner Familie zu sprechen, auch wenn mehr als einmal die Zeit knapp war. Er hielt nun mal gerne an Traditionen fest. Die Augen seiner Tochter strahlten echte Freude aus, als sie über ihren Schultag sprach.
„Es war toll, Papa, ich habe viel gelernt. Heute haben wir in außerirdische Kulturen über die Föderation gesprochen. Das scheint ein toller Ort zu sein. Können wir da mal hin, Papa? BIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIEEEEEEEEETTTTTTTTTTTTEEEEEEEEEEEEEEE!“
Fast wäre Dekk zusammengezuckt, doch in all den Jahren hatte er sich etwas angewöhnt, was man am ehesten als „Pokerface“ bezeichnen könnte. Doch nun hatte seine Tochter es geschafft, ihn, Veteran zweier Kriege, zu schocken. Es dauerte eine Zeit, bevor der General und Vater eine Antwort formuliert hatte, die seiner Tochter ausreichen würde.
„Ja. Irgendwann mal, sofern es Gott zulässt.“
Der Rest des Gespräches drehte sich um Belangloses, doch er kam nicht umhin, nur über diesen einen Satz seiner Tochter nachzudenken. Wie sollte er ihr in der Zukunft erklären, daß er womöglich einen Krieg begonnen hatte. Er wusste es wirklich nicht. Und zum ersten Mal ins einem langen Leben fühlte sich Dekk, General über Tausende Truppen und Schiffen hilf- und ratlos.
„Sie wollten mich sprechen, Sir?“
Hätte T´Per über das Wetter reden wollen, hätte es nicht belangloser klingen können. Lewinski lächelte kurz über diese typisch vulkanische Eigenschaft, die er in all den Jahren schon hunderte von Malen erlebt hatte. Er bedeutete seinem taktischen Offizier, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Sein Büro war immer noch spartanisch, genauso wie er es wollte. Für ihn gab es während der Mission keinen Platz für irritierende Dinge. Ein Umstand, der wohl auch den stoischen Vulkanier etwas beeindruckte.
„Lieutenant“, begann Lewinski ruhig, „in all der Hektik bin ich noch gar nicht dazu gekommen, ihnen zu danken.“
„Ich war nicht in Hektik verfallen.“
Eine Antwort, wie sie nicht hätte vulkanischer sein können.
„Lassen wir einfach diese Haarspaltereien, in Ordnung, Lieutenant?“
Wieder eine typische vulkanische Eigenart, als T´Per eine Augenbraue anhob.
„Sehr wohl, Sir.“
Nun begann Lewinski mit seiner Dankesrede. Sie war keineswegs einstudiert, aber auch nicht frei vorgetragen, sie lag irgendwie dazwischen. Er versuchte seine Worte in für Vulkanier akzeptable Begriffe zu kleiden, was ihm auch recht gut gelang. T´Per schien sogar etwas gerührt von der Offenheit seines Kommandanten zu sein. Und in gewisser Weise war er das auch, denn in all den Jahren hatte sich ein Band zwischen ihnen aufgebaut, daß mehr war als bloße Kollegialität. Es war Freundschaft. Und dies war beiden recht klar. Auch wenn Vulkanier nur selten über solche Dinge sprachen, war es klar. Und es war ihm auch recht so!
Wie konnte man die Bedeutung des Vernius-Systems beschreiben? Stellen sie sich eine öde Wüste vor, mit weiten, kargen Ebenen, die nur wenig fruchtbar waren. Diese Ebenen wurden nur von wenigen Menschen bewohnt, die es vorzogen, unter sich zu bleiben, vorrangig, weil sie sich vor irgendetwas versteckten. Doch inmitten dieser kargen Landschaft war eine wundervolle, fruchtbare Oase, mit wunderschönen Blumen und einer mannigfaltigen Tierwelt, die noch auf ihre Entdeckung wartete. Nun, diese öde Ebene war der umliegende Sektor und die Oase war Vernius Prime. Dummerweise kontrollierte die Föderation nur die Wüste, während die Tsenketi vom Wasser der Oase profitierten. Ein Umstand, der auf inoffizieller Ebene von der Föderation nicht gutgeheißen wurde. Ganz im Gegenteil. Gerüchterweise wollte sogar mal die berüchtigte Sektion 31 die Tsenketi aus dem Vernius-System verjagen, was in einem Fehlschlag mündete, von dem sich die Geheimsektion in über 50 Jahren nicht erholt hatte. Und obwohl immer allem klar gewesen war, daß dieses System ein Konfliktpunkt gewesen war, hatte man sein Bestes gegeben, um diese Möglichkeit zu ignorieren. Man dachte einfach nicht darüber nach. Mann hoffte auf das Beste. Man war ignorant. Bis zu dem Zeitpunkt, als General Dekk die Nachricht bekam, daß ihre Passage durch den Föderationsraum offiziell gesperrt worden war. Und als er die möglichen Verluste eines Krieges gegen die Föderation berechnete, dachte er immer wieder an seine kleine Tochter.
Wenn das Universum für etwas bekannt war, dann für ihre Mannigfaltige Vielfalt, was das Leben, die Natur oder jeden anderen Bereich des Lebens betraf. Diese Vielfalt ließ sich nun auch deutlich in den Gesichtern der Führungsoffizieren der U.S.S. Monitor am Ende des Einsatzbriefings erkennen. Jeder einzelne von ihnen zeigte eine unterschiedliche Reaktion auf den bevorstehenden Einsatz und der prekären Lage: Ardev spielte seine Sorge gewohnt lässig herunter, Commander Land war offen entsetzt, Chief Woil blickte starr vor sich hin und T´Per... nun ja, zeigte wie immer keine Regung. Innerlich musste Lewinski lächeln. Egal, wie sehr sich die Völker unterschieden, auf emotionaler Ebene waren sie doch alle gleich. Auch die Vulkanier. Der Captain hatte sich viel Zeit genommen, um seine Mannschaft zu instruieren. Jedem einzelnen hatte er die Wichtigkeit dieser Mission klar gemacht. Gegenwärtig würden sei in zwei Tagen das Vernius-System erreichen. Genug Zeit, um noch einmal Fragen zu stellen und die Bewegungsabläufe einzustudieren.
„Lieutenant Ardev“, wandte sich Lewinski an seinen andorianischen Einsatzoffizier, „wir brauchen so viel Energie wie möglich für die Sensoren. Wir müssen die durch die Tarnvorrichtung hervorgerufenen Interferenzen ausgleichen. Können sie das?“
Wie immer zeugte Ardevs Antwort von gesundem Optimismus. Dieser Junge hatte beträchtliches Potential. Er musste sich nur in die richtige Richtung entwickeln.
„Ich werde mich sofort darum kümmern, Sir. Ich werde den Chief bei der Verteilung der Energie benötigen.“
„Kein Problem, Lieutenant. Sonst noch irgendwelche Fragen? Nein? Wegtreten.“
Lewinski verließ mit seinen Leuten seinen Bereitschaftsraum und begab sich nach Deck 3, wo eine Person in seinem kleinen Quartier wartete. Sie wartete schon die ganze Zeit und der Captain war der erste Besucher seit 3 Tagen.
„Commander Eisenberg; Gratulation zu ihrer Beförderung.“
„Danke, Sir.“
Lewinski musterte den Mann. Obwohl sie beide gleich alt waren, hatte Eisenberg weitaus weniger Haare als er selbst. In gewisser Weise erinnerte er ihn an Captain Picard. Natürlich auch wegen seiner positiven Einstellung zum Leben. Selbstverständlich...
„Warum lächeln sie, Captain?“
Lewinski hatte wohl sein Amüsement zu deutlich gezeigt.
„Wegen nichts, Commander. Ist ihre ganze Ausrüstung an Bord?“
„Ja, Sir.“
Während des ganzen Gesprächs saß der Ranger im Schneidersitz auf dem Boden. Er hatte zu einer inneren Ruhe und Ausgeglichenheit gelangt, wofür man ihn nur bewundern konnte. Offenbar benutzte er eine Mischung aus alt-buddhistischen Meditationstechniken und vulkanischen Konzentrationsübungen. Eine interessante Mischung, die sicherlich auch für Lieutenant T´Per interessant wäre.
„Meine Jungs haben ihre ganze Ausrüstung verstaut.“
Eine sehr karge Antwort. Offensichtlich wollte der Commander das Gespräch schnell beenden.. Lewinski gab diesem Wunsch nach. Sie würden alle noch etwas Kraft tanken müssen.
Egal welcher Rasse man angehörte, überall gab es klare Gemeinsamkeiten. Eine davon war, daß sich Diplomaten und Soldaten nicht mochten. Für einen Diplomaten war ein Soldat ein dummer Klotz, der nur Befehle befolgen konnte und keinerlei Eigeninitiative, geschweige denn intelligente politische Winkelzüge zeigen konnte. Umgekehrt betrachteten Soldaten die andere Gruppe als „Laberköpfe“ die nichts besseres zu tun hatten, als jedes mögliche Thema zu zerreden, ohne selbst zu handeln.
Dieser Tatsache wurde sich General Dekk abermals bewusst, als er und sein taktischer Stab mit den politischen Offiziellen der Tsenketi sprachen. Wäre die Sache nicht so ernst, so hätte man über die Borniertheit der beiden Fraktionen nur lachen können. Doch stattdessen gab es hitzige Gefechte, Schuldzuweisungen und Wutausbrüche. Der General trachtete danach, diesem Treiben ein Ende zu setzen, als er beschwichtigend die Hände hob:
„Meine Herrschaften, ich darf doch sehr bitten!“
Vermutlich lag es an der beeindruckenden Gestalt Dekks, daß mit einem Mal alle Anwesenden verstummten. Langsam setzten sie sich wieder auf ihre bequem gepolsterten Sessel und nahmen sich etwas Wasser aus der bereitgestellten Karaffe. Dekk atmete tief durch. Er hatte tatsächlich eine Feuerpause erreicht.
„Es geht um ein wichtiges Thema, bei dem wir uns nicht gegenseitig zerfleischen sollten, sondern eher alle Konsequenzen bedenken sollten, die unsere Entscheidung mit sich bringen wird. Immerhin sprechen wir hier von einem möglichen bewaffneten Konflikt mit der Föderation.“
Dieser Wachrüttler verfehlte seine Wirkung nicht. Jeder war wieder voll konzentriert. Einer der größten Unruhestifter dieser Konferenz, ein Politiker namens Dejo, starrte Dekk an:
„General, die Regierung hat intensiv über diese durchaus unerfreuliche Möglichkeit diskutiert. Nichtsdestotrotz glaubt sie nicht, daß die Vereinigte Föderation der Planeten einen Krieg wegen einem System, in dem nicht mal Menschen leben, beginnen wird.“
„Es geht ums Prinzip“, sagte der junge Adjutant Dekks verächtlich, „es spielt für die Föderation keine Rolle, um wie viele Bewohner oder wie viele Planeten es geht. Selbst wenn nur ein Bürger in Gefahr geriete, würden sie handeln. Dies ist nun einmal das Prinzip der Föderation.“
Ein Mann wie Dejo ließ sich jedoch nicht von solchen Argumenten beeindrucken. Er hatte eine lange, durchaus beeindruckende politische Laufbahn hinter sich und fühlte sich anscheinend nicht dazu genötigt, einem jungem Kerl wie dem Adjutant zuzustimmen.
„Pah“, spuckte er aus und machte eine verächtliche Geste, „der Mythos der heilen Föderation ist nicht ernst zu nehmen.“
„Nichtsdestotrotz besteht sie“, warf Dekk ein und kam damit einem weiteren Wutausbruch der beteiligten Personen zuvor. Dejo blickte ihn lange Zeit an, siegessicher wie ein Mann, der wusste, daß er nur gewinnen konnte. Er fixierte den großen, alten Mann mit seinen grauen Augen.
„Als die Tholianer vor 50 Jahren einfielen und uns bis zu unserem Heimatplaneten zurücktrieben, war unsere einzige Lebensversicherung das Vernius-System. Und auch heute noch kommen 56% aller Rohstoffe und Nahrung aus diesem System.“
Dejo beugte sich verschwörerisch vor.
„Denken sie an das Chaos, das herrschen würde, wenn wir dieses System verlieren. Es ist kein Geheimnis, daß es die Föderation zurück will. Denken sie an die hungernden Kinder auf Tsenketi, wenn die Lieferungen ausbleiben. Denken sie an Ihr Kind.“
Das reichte. Dekk reagierte so schnell, daß er für die anwesenden Personen nur als ein Schatten wahrgenommen werden konnte. Trotz der Größe des sie trennenden Tisches umrundete Dekk ihn innerhalb von Millisekunden, riss Dejos Stuhl um und setzte sich auf den Diplomaten, eine Hand presste Dejos Stirn zu Boden. Ein Disruptor, der vorhin noch nicht dagewesen war, legte sich an seine Schläfe. Der General war ein beachtlicher Mann und so war es etwas verwunderlich, als Dejo ein Lächeln zustande bekam und ächzend sagte:
„Scheint so, als hätte ich einen Nerv getroffen!“
Tausende von möglichen Antworten schwirrten durch Dekks Kopf, doch stattdessen bleib er stumm und erhob sich langsam. Die Anwesenden musterten ihn mit einer Mischung aus Respekt und Angst, zuweilen auch Entsetzen. Sie hatten den alten Krieger nie in Aktion gesehen. Bis jetzt.
Persönliches Logbuch
Captain John Lewinski
Wir erreichen bald die Grenze. Die Grenze, die die Föderation von Vernius-Prime trennt. Bisher habe ich noch keine Entscheidung gefällt, ob wir sie auch überqueren sollten. Wir werden wohl erst einige Sensorscans vornehmen, bevor ich weitere Schritte erwäge. Ich muss gestehen, ich habe Angst. Ein neuer Konflikt könnte der Föderation bevorstehen. Ein Konflikt für den wir nicht bereit sind. Für den ICH nicht bereit bin. In letzter Zeit plagen mich Alpträume bezüglich des Krieges gegen das Dominion. Diese Träume sind real, ZU real. Deutlich riecht man den Rauch, das Blut...
Ich habe eine feine Crew. Dies bemerke ich immer wieder, wenn ich durch die Decks streife, ziellos. Ich möchte einfach nur beobachten. Lieutenant Ardev und Fähnrich Tellom scheinen sich gut zu verstehen. Ein junges Glück scheint sich anzubahnen....
ICH WILL VERDAMMT SEIN, wenn diese beiden Personen und alle anderen Menschen in der Galaxis nicht die Chance erhalten, das Leben kennen zu lernen. Das gute Leben. Ich werde mein Bestes geben. Ich will meine Mannschaft nicht enttäuschen. Sie hat es sich verdient.
Es war die letzte Nach vor dem Einsatz. Vielleicht war es sogar die letzte Nacht im Frieden. Ob dies stimmte, konnte Danny Bird nicht sagen. Stattdessen starrte er von seinem Bett aus an die Decke, wie ein kleiner Junge, der die vorbeiziehenden Wolken beobachtete. In gewisser Weise beobachtete er auch etwas, auch wenn sich die Geschehnisse vor seinem inneren Auge abspielten. Auf dem kleinen Seitentisch lag immer noch das Padd, auf dem das Angebot der Aubretia verbreitet wurde. Es war lukrativ. Es reizte Danny sehr. Doch war er bereit, diesen nächsten Schritt zu tun? Sich von seinen Freunden zu verabschieden? Die Monitor war ein gutes Schiff, daß eine wichtige Arbeit tat. Und das wollte Danny Bird immer tun: etwas wichtiges. Wie viel war ihm seine eigenen Karriere wert? War sie mehr wert, als die Bande, die ihn mit diesem Schiff verbanden? Mit dieser Crew? Kurz überlegte er, ob er Ardev kontaktieren sollte. Dann verwarf er diesen Gedanken wieder, da sein Freund vermutlich schon schlafen würde. Also fuhr er mit dem Beobachten von geistigen Bildern fort, mit denen er sich entspannen wollte. Und irgendwann überkam ihn der Schlaf. Doch auch dieser brachte keine Lösung.
Der Andorianer Ardev schlief jedoch nicht. Obwohl es mitten in der Nacht war, konnte er einfach nicht einschlafen. Stundenlang hatte er sich hin und her gewälzt, hatte stundenlang nachgedacht, über etwas, was schon zurücklag und ihm immer noch Sorgen, ja sogar Angst bereitete. So stand er schließlich, nur halb angezogen, vor einem ganz bestimmten Quartier. Er
betätigte den Türsummer. Das Schott glitt zur Seite.
„Hallo Arena.“
„Guten Abend, oder morgen... Weißt du überhaupt wie spät es ist, Ardev?“
Ardev beantwortete diese rhetorische Frage nicht, sondern betrat das Quartier der Terellianerin. Ihre Zimmergenossin hatte Brückendienst und schlief daher allein. Im Moment wollte Ardev auch nicht zu wenig Aufmerksamkeit. Er setzte sich auf die Bettkante und Fähnrich Tellom tat es ihm nach. Ihre Hand berührte sanft die seine und mit mitfühlendem Blick fragte sie:
„Was ist los mit dir?“
Ardev zögerte lange, während sein Blick durchs Quartier huschte. Er schaffte es nicht, einen bestimmten Punkt zu fixieren. Schließlich blickte er zu Boden und sagte den Satz, den normalerweise kein Offizier zugeben würde:
„Ich habe Angst.“
Tellom war zu verwirrt um etwas zu sagen. Der Andorianer war normalerweise ein Quell der Professionalität und der Ruhe, doch heute war es anders. Er war verschwitzt, er schien unkonzentriert und er zitterte. Ob er einen Alptraum gehabt hatte, ließ sich nicht sagen. Lange Zeit herrschte Schweigen zwischen den beiden, bis Ardev endlich weiter sprach.
„Diese Nacht hier, ... es könnte morgen Krieg geben. Und ich fürchte mich davor.“
Tellom beschloss nichts zu sagen, stattdessen nur zuzuhören.
„Als ich vor einem Jahr von den Bolivianern gefangen genommen worden war, da haben sie mich verhört. Über den Krieg... den Konflikt mit dem Dominion...“
Seine Stimme bebte. Seine Augen wurden feucht. Er kämpfte mit sich selbst um seine Fassung. Schließlich verlor er und weinte. Er weinte wie noch nie in seinem Leben. Es war ihm peinlich. Doch die Person seines Vertrauens verstand ihn und nahm in zärtlich in den Arm. Bisher hatte Ardev mit niemandem über seine Gefangenschaft gesprochen. Bis heute. Das bedeutete Tellom sehr viel.
„Ich habe einen Unschuldigen getötet“, schluchzte er, „ich, ein Mitglied der Sternenflotte, habe einen Mann getötet, der nur helfen wollte. Einen Sanitäter.“
Mehr konnte er nicht sagen. Er brauchte auch nicht. Und obwohl Arena Tellom während dieser ganzen Zeit nichts gesagt hatte, herrschte ein geheimes Einverständnis zwischen ihnen beiden. Sie verstanden sich, daß wussten beide. Und so teilten sie Arm in Arm ihren Schmerz, ihre Angst und ihre Hoffnungen. Sie schenkten sich Kraft.
Alle diese kleinen Einzelschicksale zogen sich wie ein roter Faden durch die Gänge der U.S.S. Monitor. Überall an Bord wurde gehofft, gebangt und gebetet, während nur wenige die Muße zum Schlafen fanden. Und nur ein paar Lichtjahre entfernt, auf einem idyllischen Planeten namens Vernius-Prime, saß ein einsamer großer Mann und schrieb seinen womöglich letzten Brief an seine Familie.
Diesmal erschien Captain Lewinski der Gang zur Brücke endlos. Er fühlte sich steif und unbehaglich in seiner Uniform, wie eine Person, die liebend gerne woanders wäre, nur nicht hier. Sicherlich gab es auf dem ganzen Schiff keine Person, die nun mit ihm tauschen wollte.
Und im Grunde genommen konnte er keinem dies verübeln. Alle diese Gedanken gingen dem Captain durch den Kopf, als sich die Schotten vor ihm öffneten und den Zugang zum Kommandozentrum der Monitor freigaben. Alle Leute saßen an ihren Stationen, jeder war hochkonzentriert und bereit, die Befehle ihres Kommandanten wahrzunehmen.
Eine feine Crew...
Langsam, fast schon behutsam, ließ sich Lewinski in den Kommandosessel sinken. Kurz strich er mit den Händen über die Armlehnen, tankte ein letztes Mal Kraft und genoss die Ruhe. Dieser Augenblick schien ewig zu dauern, bis er schließlich den Mund öffnete und eine Frage formulierte:
„Position, Commander Land?“
Der Brite brauchte nicht einmal die Anzeigen zu konsultieren, um die genaue Position auszumachen. Innerhalb der letzten Stunde hatte er so oft auf die Sensoren gestarrt, daß er die Position mühelos selbst ausrechnen konnte.
„Nähern uns der Grenze mit Warp 6 aus 210.798, Sir.“
„Voller Stopp.“
Die Trägheitsdämpfer schafften es nicht ganz, den abrupten Wechsel vom Warp- zum Normalraum zu kompensieren, als die Monitor stoppte. Inzwischen war das Vernius-System mit bloßem Auge auf dem Hauptbildschirm zu sehen.
„Schiff auf den Sensoren, aus 014.324!“ meldete T´Per und unterbrach damit die jähe Stille, die eingekehrt war. Der Vulkanier war wohl einer der wenigen an Bord, der die Nacht durchgeschlafen hatte. Lewinski faltete gespannt die Hände und fragte:
„Identifikation?“
„Frachter der Andromeda-Klasse. Sie ist in den Datenbanken als Thor registriert.“
„Tarnvorrichtung?“
„Sie läuft einwandfrei.“
So weit, so gut. Sie waren noch nicht entdeckt worden. Nun konnten sie mit ihrer eigentlichen Arbeit beginnen. Lewinski atmete tief durch, bevor er die nächste Arbeitsanweisung herausgab:
„An alle Stationen: beginnen sie mit vollständigem Sensorscan des Gebietes. Fordern sie wenn nötig zusätzliche Energie an.“
Es ging los...
Zehn Minuten lang trommelte der Captain auf den Armlehnen seines Sessel den Takt eines alten Songs im Stile des andorianischen Blues. Viele hielten seinen Musikstil für hoffnungslos veraltet, Lieutenant Ardev mit eingeschlossen, doch für ihn gab es keine bessere Musik in der Galaxis. Sie half ihm, sich zu entspannen, neue Ideen u entwickeln und sie hatte ihm auch während seiner Heilung geholfen. Nur wenige wussten, welche positiven Aspekte Musik in der Psychotherapie hatte. Schließlich hatte er einen Plan gefasst.
„Mr. Land, bringen sie uns auf Parallelkurs mit dem Frachter Thor und schicken sie Commander Eisenberg in den Transporterraum!“
Was ein Ranger in den Jahren seiner Ausbildung unbedingt lernen musste, war innerhalb von wenigen Sekunden soviel Informationen wie möglich über seine Umgebung zu sammeln. Dies war geradezu ein klassisches Beispiel: der Transporterraum beamte die dreiköpfige Gruppe in drei Schlüsselsektionen des kleinen Frachters, der ohnehin nur aus einem Deck bestand. Ganz in Schwarz gehüllt, mit dem Gewehr im Anschlag erschien Commander Aron Eisenberg auf der Brücke der Thor und überraschte damit die beiden Personen dort, die augenscheinlich am schlafen waren.
„Keine Bewegung!“ rief Eisenberg ihnen zu und stellte fest, daß der offensichtliche Captain ein Bolianer war. Nachdem er sich versichert hatte, daß keiner nach einer versteckten Waffe griff, kontaktierte er Lieutenant Darikk und Lieutenant Resor:
„Status?“
Die Stimme des jungen Tirrionen Darrik klang ruhig und gleichmäßig.
„Alle Abteilungen gesichert. 5 Besatzungsmitglieder in Gewahrsam, keine Waffen festgestellt.“
Eisenberg unterbrach die Verbindung und wandte sich an den sichtlich verdutzten Bolianer,
während die vulkanische Frau neben ihm Eisenberg ruhig anblickte.
„Was ist hier los?“ fragte der Bolianer aufgeregt und sein Adamsapfel zuckte wild hin und her. Anscheinend konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, worum es hier ging. Commander Eisenberg beschloss, ihm etwas auf die Sprünge zu helfen.
„Sie haben gegen geltendes Föderationsgesetz verstoßen. Ihr Schiff wird hiermit von der Sternenflotte beschlagnahmt.“
Die Verwirrung im Gesicht des Bolianers wich nun echtem Ärger. Er wollte einen Schritt auf Eisenberg zu machen, der ihm aber mit der Gewehr bedeutete, da zu bleiben, wo er war.
„Das ist eine Ungeheuerlichkeit! Ich werde Beschwerde beim Föderationsrat einlegen...“
„Sie werden gar nichts tun. Die Passage, die sie vor wenigen Stunden überquert haben, ist von der Föderation offiziell geschlossen worden. Sie werden einem Richter vorgeführt werden...“
Leider liegt es in der Natur des Menschen, Fehler zu machen. Und gerade weil Commander Eisenberg bisher nie einen gemacht hatte, wurde er nun nachlässig. Während er den störrischen
Frachterkapitän über seine Rechte aufklärte, entging ihm, wie die vulkanische Frau ganz langsam zu einer Konsole ging und scheinbar ein paar Kurskorrekturen vornahm. Dies war jedoch nicht der Fall. Stattdessen holte sie mit einer scheinbar überirdischen Geschwindigkeit einen klingonischen Disruptor hervor und feuerte auf Eisenberg. Dieser bemerkte viel zu spät diese Aktion und versuchte, gleichzeitig zu feuern und sich abzurollen. Sein Phaserstrahl traf zwar die Frau und machte sie dadurch kampfunfähig, doch nichtsdestotrotz schaffte er es nicht, dem Disruptorstrahl auszuweichen, der ihn halb im Sprung in die Brust traf und ihn gegen das Schott warf. Die beiden anderen Ranger hörten selbstverständlich die Kampfgeräusche und betäubten ihre Gefangenen, um dann durch die schmalen Gänge zur Brücke zu eilen. Darrik erschien als erster aus dem Schott und musste hilflos mit ansehen, wie der Bolianer den Disruptor aufhob und auf ihn schoss. Die folgenden Sekunden schienen sich zu einer Ewigkeit zu dehnen, bis der Strahl in der Brust des Andorianers Resor explodierte, der sich schützend vor seinen Kameraden geworfen hatte. Darikk reagierte instinktiv und feuerte zwei Ladungen auf den Bolianer ab, der bewusstlos in einen Stuhl der Konsole sank. Dann war es totenstill. Denn Lieutenant Darrik war die einzige Person, die noch bei Bewusstsein war.
„Monitor an Rangerteam, Bericht!“ forderte Ardev an. Die Sensoren hatten selbstverständlich das Gefecht an Bord der Thor registriert.
„Hier spricht Lieutenant Darikk, das Team ist tot.“
Man konnte nicht sagen, wer entsetzter war, der junge Lieutenant oder Captain Lewinksi, der wieder Menschen in den Tod geschickt hatte. Nur diesmal durfte er keine Schwäche zeigen. Jetzt nicht.
Bericht des leitenden Einsatzoffiziers
Lieutenant Ardev
Nach einem intensiven Scan des Schiffes Thor und einer genetischen Untersuchung der Besatzung des Frachters sind wir uns sicher, daß es sich hierbei um Tsenketi handelt, die im Auftrag ihres Geheimdienstes das Föderationsgebiet passieren und dabei Informationen sammeln. Es ist anzunehmen, daß es weitere solcher Spionagefrachter gibt. Ich empfehle das Abfangen jedes Frachters durch ein Schiff der Sternenflotte, sofern sie in den letzten Monaten im Vernius-System waren.
Lewinksi legte das Padd zur Seite. Er teilte die Einschätzung des jungen Andorianers. Und wieder einmal verfluchte er sich selbst, daß er zwei Männer in den Tod geschickt hatte. Sicher, es war nicht seine Schuld gewesen, doch hätte er diese Möglichkeit nicht in Betracht ziehen müssen? Er ließ einen schweren Seufzer ab und lehnte sich im Sessel zurück. Immer noch stand vor ihm Lieutenant Darrik, der regungslos wartete. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet, seine Haltung makellos. Hätte der Captain ihn nicht selbst in den Bereitschafstraum gebeten, so hätte er wahrscheinlich nicht von ihm Notiz genommen. Kam wohl von der harten Ausbildung der Ranger. Schließlich beschloss John Lewinksi doch, ihm in die Augen zu blicken.
„Sie haben nun das Kommando über die Ranger“, gab der Captain bekannt und verkniff sich einen bösen Gedanken, den er im Kopf hatte. Der Tirrione blickte ihn nun zum ersten Mal an.
„Ja, Sir. Danke Sir!“
„Suchen sie sich ein, zwei Sicherheitsoffiziere ihres Vertrauens und bilden sie sie aus. Wir können nicht auf die Ankunft eines neuen Teams warten. Unsere Mission muss fortgesetzt werden. Haben sie verstanden?“
„Voll und ganz!“
Mit dieser ziemlich einsilbigen Antwort entließ Lewinski den jungen Mann. Lewinski wusste nur zu gut, was nun in dem Jungend vorging. Er hatte seine ganzes Team, seine Familie und seinen Mentor verloren. Hoffentlich verkraftete er diesen Verlust. Er musste es.
Lewinski blieb noch einige Zeit in seinem Bereitschaftsraum, saß einfach nur da, nutzte die Zeit für Überlegungen. Er befand sich nun an einer Kreuzung: egal wie er sich entschied, es würde Konsequenzen geben...
Ruckartig erhob er sich und begab sich auf die Brücke. Alle Offiziere blickten ihn an. Ihre Augen verrieten Hoffnung, Angst und Ungewissheit. Lewinksi betrachtete jeden einzelnen seiner Offiziere. Ardev, der offenkundig Angst hatte, T´Per und Land, seine langjährigen Weggefährten und Freunde, Fähnrich Tellom, die nicht wusste, was sie von der Sache halten sollte. Sie alle waren trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft und Traditionen auf diesem Schiff vereint. Als Mannschaft, als Familie. Lewinski atmete tief ein und stellte eine Verbindung her.
„An die Besatzung der Monitor, hier spricht ihr Captain. Es ist sicherlich ungewöhnlich, daß ich nach so kurzer Zeit wieder zu ihnen spreche, doch es sind ungewöhnliche Zeiten. Sie wissen, daß ich immer ehrlich zu ihnen gewesen bin und daß will ich auch jetzt sein, denn es sieht nicht gut aus. Ein neuer Krieg könnte bevorstehen. Die meisten von uns haben noch schmerzliche Erinnerungen an den letzten Krieg, an die gefallen Kameraden und die Leiden. Ich habe dies auch erlebt. Und ich kann ihnen allen, ob sie nun auf der Brücke oder im Frachthanger sind, daß ich mein bestes geben werde, um sie hier heil herauszuholen....“
Lewinski stockte kurz. Dies war die längste Rede, die seine Crew jemals von ihm gehört hatte, ihn mit eingeschlossen. Er räusperte sich kurz, bevor er hinzufügte:
„Ich weiß nicht an welchen Gott, welche Götter oder ob sie überhaupt an etwas glauben. Doch geben sie mir bitte die Freiheit ein kleines Gebet zu sprechen.“
Er senkte den Blick zu Boden, manche taten es ihm gleich.
„Oh Herr, schütze uns wie wir auch unser Land schützen, daß wir von Herzen lieben.“
Mehr war ihm nicht eingefallen. Doch es genügte. Viele nickten bedächtig und Commander Land schlug sogar ein Kreuz über der Brust.
„Viel Glück uns allen. Lewinski Ende.“
Und mit einem letzten Blick auf den Hauptschirm setzte sich Lewinksi in den Kommandosessel und befahl:
„Bringen sie uns in das Vernius-System, Mr. Land, voller Impuls!“
***
Stille und Konzentration herrschten auf der Brücke der Monitor. Bruce Land gab sein bestes, um das Schiff an den von den Tsenketi aufgestellten Tachyon-Detektionsgittern vorbeizuführen. Der Andorianer Ardev sammelte mittels den Scannern so viele Informationen wie nur möglich, was aber durch die aktivierte Tarnvorrichtung erschwert wurde. Mit gerunzelter Stirn saß er vor seiner Konsole und überlegte, wie er mehr Energie den Sensoren zuführen konnte ohne die Kriegsschiffe der Tsenketi auf die Monitor aufmerksam zu machen.
Schließlich drehte er seinen Stuhl zum Kommandanten dieses wackeren kleinen Schiffes und gab das Ergebnis seiner Untersuchungen bekannt, wobei er nicht zu optimistisch klang.
„Captain, ich scanne 21 Schiffe in diesem System, die meisten davon Kriegsschiffe. Der Planet wird zudem noch von orbitalen Geschützen und mehr als 70.000 Truppen verteidigt.“
John Lewinski enthielt sich einer Antwort, knirschte stattdessen nur mit den Zähnen. Die Sache entwickelte sich nicht in die Richtung, die er sich erhofft hatte. Konnten sie überhaupt noch das unvermeidbar Erscheinende verhindern? Mit jeder Minute, die sie länger im Vernius-System waren, zweifelte er daran. Wann würde die Sternenflotte auf die stetig anwachsende Bedrohung reagieren?
„Mr. T´Per, Status der Waffensysteme?“
Der große Vulkanier drehte sich halb zu seinem Captain und wölbte eine Augenbraue:
„Der selbe Status wie vor 5 Minuten, Sir, alle Systeme sind einsatzbereit und hochgefahren!“
Lewinski nickte und versuchte sich nicht sein Nervosität anmerken zu lassen. Um sich zu entspannen, begann er einen andorianischen Blues auf den Armlehnen seines Sessels zu trommeln. Das half ein wenig, die Anspannung wich langsam von ihm. Gute 20 Minuten nervte er die Crew mit seinem veralteten Musikgeschmack, bis eine eintreffende Nachricht die Ohren der Brückenbesatzung von ihren Leiden erlöste.
„Sir, eine eintreffende Nachricht von Starfleet-Command“, meldete Fähnrich Tellom, „sie ist als geheim eingestuft worden.“
Lewinski überlegte nur kurz und richtete sich in seinem Stuhl auf.
„Nun Fähnrich, ich denke die gegenwärtigen Ereignisse gehen uns alle etwas an. Legen sie die Nachricht auf den Hauptschirm!“
Der Bildschirm erhellte sich und spielte die Nachricht ab, wobei es sich jedoch nur um eine Textnachricht handelte. Alle Köpfe auf der Brücke drehten sich zum Schirm und lasen die unheilvollen Worte. Hatten sie sich bessere Nachrichten erhofft, so wurden sie nun bitter enttäuscht:
Von: Starfleet Command
An: alle Schiffe der Vereinigten Föderation der Planeten, insbesondere Schiffe der Sternenflotte
Der Nichtangriffspakt zwischen der Vereinigten Föderation und der Tsenketi-Republik wurde gekündigt. Botschaften geschlossen, Bürger ausgewiesen.
Eine Flotte der Sternenflotte unter der Leitung der U.S.S. Enterprise befindet sich auf dem Weg ins Vernius-Gefahr.
Sie sind autorisiert, ohne Rücksprache Defensivmaßnahmen zu ergreifen.
Kollektives Stöhnen und Gemurmel erklang auf der Brücke. Lewinski erstarrte. War die Situation wirklich so hoffnungslos, der Krieg nur noch eine Frage der Zeit? Es musste verhindert werden.
„Alarmstufe Gelb!“ befahl der Kommandanten und lehnte sich zurück. Er konnte nur noch warten und hoffen, daß ihnen die Lösung einfiel.
„General, eine dringende Botschaft der Regierung!“
Sein Adjutant reichte Dekk ein Datenpadd, was er aufmerksam durchlas. Im Grunde enthielt sie die selbe Nachricht, die wenige Minuten zuvor auch Captain Lewinski empfangen hatte und auch genau wie der menschliche Captain durchfuhren ihn die selben Gefühle. Was konnte er noch tun, um diesen Krieg zu verhindern? Wenn erst einmal die Flotte der Föderation auftauchen würde, so würde man die Mühlen der Politik nicht mehr anhalten können.
„Sir, geht es ihnen nicht gut?“
Der junge Soldat hatte natürlich in den letzten Tagen bemerkt, wie sein Kommandant immer missmutiger geworden war, eine Entwicklung, die er hatte nur bemerken können. weil er selber so lang unter Dekk gedient hatte. Anderen wären diese haarfeinen Veränderungen gar nicht aufgefallen. Der General schüttelte den Kopf.
„Nein, nein, es ist alles in Ordnung. Besorgen sie mir ein Shuttle, ich fliege zur Sholva.“
Der Adjutant nickte und verließ den Raum. Er verstand seinen General nur zu gut, denn in einer solchen Situation wollte er auch auf dem Flagschiff der Flotte sein. Dekk packte einige persönliche Sachen zusammen und verließ schließlich den Raum, mit dem unguten Gefühl, daß er vielleicht nie wieder hierher zurückkehren würde.
Die Sholva war der Stolz der Tsenketi-Flotte. Mit seinen 900 Mann Besatzung und der Größe eines Schiffes der Galaxy-Klasse war es dafür prädestiniert, der Sitz von General Dekk zu sein. Schon im Orbit hatte er die schlanke Form des Schiffes bewundert, die an einen Pfeil erinnerte, mit den eng anliegenden Warp-Gondeln und den kleinen Flügeln an der Seite. Die braune Bemalung verbreitet ein Gefühl von Wärme, von Heimat. Für wenige Sekunden war im Geiste Dekks das Gesicht seiner kleinen Tochter erschienen, die er von herzen vermisste. Er hatte diesen Gedanken schnell wieder abgeschüttelt, denn als Kommandant dieser mächtigen Flotte musste er einen kühlen Kopf bewahren. Um dies zu erreichen, hatte er es vorgezogen, mit dem Shuttle zu reisen, was ihm Zeit zum Nachdenken und zur Bewunderung der Tsenketi-Baukunst gegeben hatte. Auch die Brückenkonstruktion folgte völlig anderen Prinzipien als z.B. bei Föderationsschiffen. Dekk nahm in einem geräumigen Stuhl in der Mitte der Brücke Platz, wobei die Brücke selber riesig anmutete. Es gab keinen zentralen Hauptschirm und die Stationen waren um den Captain herum angeordnet, während die Konsolen in Richtung der Wand zeigten, was dazu führte, daß keiner der Offiziere, ohne sich umdrehen zu wollen, seinen Kommandanten anblicken konnte. Dies sollte wohl unbedingte Loyalität demonstrieren. Betrat man die Brücke, so befand sich einige Meter vor einem die Taktik, links die Pilotenstation und rechts die OPS. Alle anderen Stationen waren hinter dem Kommandanten angeordnet. Das Innere der Sholva schimmerte ebenfalls in einem beruhigenden Dunkelbraun, was Dekk zu einem Seufzer veranlasste, als er sich in den bequemen Stuhl sinken ließ.
„Status?“ fragte er neutral.
„Alle Systeme einsatzbereit, Ortungsgitter funktionieren, Torpedos geladen und bereit“, antwortete ihm sein erster Offizier.
Dekk nickte zufrieden. Alles war innerhalb akzeptabler Parameter. Plötzlich ein Aufflackern auf dem Bildschirm der OPS-Station. Dekk drehte den Sessel nach rechts.
„Was war das?“
Die junge Frau rief einige Daten ab.
„Sir, eben hat etwas das Tachyonen-Gitter gestreift, aber es war zu kurz da, um es eindeutig zu identifizieren. Es könnte ein Sensorschatten sein.“
Dekk schüttelte den Kopf. Er wusste was es war: die Föderation war schon eingetroffen.
„Was zum Teufel ist da eben passiert?“
Captain Lewinski war außer sich vor Wut. Für einen kurzen Moment waren sie auf den gegnerischen Schirmen sichtbar gewesen. Nur einer schnellen Wende von Bruce Land war es zu verdanken gewesen, daß sie nicht entdeckt worden waren.
„Woil an Brücke, die Tarnvorrichtung hat eben fluktuiert!“
Lewinski rollte mit den Augen.
„Und was jetzt?“
„Ich denke, dies wird nicht wieder vorkommen“, antwortete der Antosianer, „ich habe alle Systeme jetzt doppelt gesichert, so daß ich bei einer ähnlichen Situation rechtzeitig eingreifen kann.“
Der Captain beruhigte sich wieder, denn er wusste, daß niemand Schuld an dieser Sache hatte. Stattdessen musste er froh sein, daß die gewaltige Tsenketi-Flotte sie noch nicht entdeckt hatte. So konnten sie mit ihrer Mission fortfahren...
„Sir“, meldete sich Ardev überrascht zu Wort, „ich bekomme eine Nachricht rein, nur Audio!“
Lewinski überlegte nur kurz:
„Legen sie es auf die Lautsprecher!“
Die Stimme die sie nun vernahmen, war ruhig und sanft, besonnen. Der Sprecher musste sehr erfahren sein, sonst würde er nicht diese Ruhe in seine Stimme legen können.
„Schiff der Föderation, ich weiß das sie da sind und mich hören können. Sie verletzten den Raum der Republik Tsenketi. Dies ist ein kriegerischer Akt. Ich fordere sie hiermit sofort auf, dieses System zu verlassen.“
„Ende der Botschaft“, erläuterte Ardev und blickte gespannt zu Lewinski. Dieser faltete ruhig die Hände und überlegte, was er nun tun sollte.
In der Rüstkammer der Monitor fiel Danny Bird die Aufgabe zu, die 4 Tricobalt-Torpedos, die das Schiff mit sich führte, einzustellen und zu kontrollieren. Er ging, wie so vieles in letzter Zeit, auch diese Aufgabe mit wenig Enthusiasmus an. Die gegenwärtigen Ereignisse bereitetem ihm Sorgen. Mit einem optronischen Scanner kontrollierte und justierte er die Stärke der Sprengladung der Torpedos während sein Vorgesetzter die kleine Kammer betrat. T´Per war wie alle Vulkanier ein Perfektionist, der lieber alles dreimal, statt nur zweimal kontrollierte. Eine nervige Eigenschaft, die sich jedoch jeder gute Sicherheitschef zu gute machen sollte, weshalb auch Danny Bird diesem Pfad folgte. Der große Vulkanier beugte sich über die geöffneten Schaltkreise der Kammer und warf dann Bird einen neutralen Gesichtsausdruck zu.
„Wie sieht es aus, Lieutenant?“
Egal wie lange Danny noch in der Sternenflotte bleiben würde, er würde sich nie an Vulkanier gewöhnen können. Schon seit seiner frühsten Kindheit schien es Birds Schicksal zu sein, mit ihnen zu arbeiten, sei es in der Schule, im Sport oder in der Sternenflotte. Man stumpfte gegen diese Wesen unheimlich ab, ob man wollte oder nicht.
„Gut, Sir. Ich habe drei Torpedos eingestellt und auch dieser letzte macht keine Probleme.“
„Gute Arbeit.“
T´Per sagte nichts weiter, blieb jedoch weiterhin in der Kammer, was sehr merkwürdig für Vulkanier und speziell für ihn selbst war, denn Vulkanier neigten nicht gerade dazu, Zeit zu verschwenden. Stattdessen beobachtete der Lieutenant die Arbeiten Birds, bis dieser sich schließlich genervt aufrichtete und den Sicherheitschef genervt fragte:
„Ist etwas, Lieutenant?“
Fühlte sich T´Per durch diese respektlose Frage beleidigt, so schien er dies nicht anzudeuten.
„Lieutenant, ich habe gehört, sie planen das Schiff zu verlassen?“
Bird setzte überrascht seine Arbeit vor.
„Das stimmt, Sir, das plante ich, aber ich denke, der kommende Krieg wird das wohl zu Nichte machen.“
Wieder dieses Hochziehen der Augenbraue!
„Die Wahrscheinlichkeit für einen bewaffneten Konflikt mit den Tsenketi ist eher al gering einzuschätzen.“
„Vulkanischer Optimismus“, murmelte Bird leise und schüttelte den Kopf.
„In der Tat ist die Aubretia ein gutes Schiff, aber die Monitor würde ihrer Karriere viel mehr nützen!“
Nun beendete Bird doch seine Arbeit. Mussten sich Gerüchte auf dieses Schiff ( einem Schiff des Geheimdienstes!) so schnell ausbreiten? Es war zum aus der Haut fahren!
„Bei allem Respekt, Sir, aber hier bin ich nur zweite Wahl!“
Die folgende Erwiderung T´Pers ließ Bird so aus allen Wolken fallen, daß er den Erläuterungen nur halb folgen konnte:
„Nicht mehr lange, Lieutenant. Ich bin nun 202 ihrer menschlichen Jahre alt. Mein Ruhestand steht bald bevor und ehrlich gesagt sehe ich der Rückkehr nach Vulkan positiv entgegen. Ich brauche einen qualifizierten Nachfolger und ich sehe keinen besseren als sie, Mr. Bird. Mehr dazu nach dem Ende dieser Mission.“
Und ohne ein weiteres Wort verließ der Vulkanier die Rüstkammer. Danny war sprachlos. Das war es, was er immer haben wollte, aber sich nie getraut hatte, offen auszusprechen. Jetzt mussten sie nur noch diesen kleinen Krieg verhindern und schon war er Sicherheitschef.
„Es gibt viel zu tun, packen wir es an!“ murmelte Bird und beendete seine Arbeit an dem Torpedo.
Lieutenant Ardev und Lewinksi hatten sich an den hinteren Tisch auf der Brücke gesetzt, um die neusten Ergebnisse zu diskutieren. Der Andorianer reichte seinem Kommandanten ein kleines PADD.
„Ich habe die Stimme mit allen in unserer Datenbank verglichen“, erklärte er, „und sie trifft auf General Dekk zu.“
Lewinski zog die Stirn kraus.
„Was wissen wir über ihn?“
Ardev lehnte sich im Stuhl zurück. Er hatte nun schon seit 22 Stunden Dienst und dachte nicht im Traum daran, sich etwas hinzulegen.
„Ein ruhiger, besonnener Mann, auf keinen Fall ein wilder Cowboy. Wenn wir was erreichen wollen, ist er der richtige Mann. Familienvater, Kriegsveteran.“
„Das ist gut, dann weiß er ja was ein Krieg anrichten kann, im Gegensatz zu diesen Politikern!“
„Sein Flaggschiff ist die Sholva, ein schwerer und zugleich wendiger Kreuzer, eine harte Nuss!“
Lewinski brauchte nichts weiteres zu hören, sprang stattdessen auf und beugte sich über Lands Konsole.
„Bruce, öffnen sie einen Kanal zur Sholva, nur Audio und sorgen sie dafür, daß die Übertragung nicht zurückverfolgt werden kann!“
Es dauerte einige Minuten, dann hatte der Commander die Anweisung durchgeführt und gab ein Handzeichen, daß die Leitung stand. Lewinski stand direkt vor dem Hauptschirm, beobachtete die Ansammlung von Schiffen und versuchte eine aufrechte Pose darzulegen, obgleich sein Gesprächspartner ihn nicht sehen konnte.
„General Dekk, hier spricht Captain Lewinski von der Sternenflotte...“
Einige Sekunden vergingen und Lewinski befürchtete schon, daß man ihm nicht antworten würde, dann erklang wieder die ruhige, besonnene Stimme des Generals.
„Captain, es ist mir eine Freude, sie zu sprechen, auch wenn sie es widerrechtlich tun. Was kann ich für sie tun?“
„Na ja, also wir beide sind doch vernünftige Männer....“
„Dies ist korrekt...“
„...und auch wir beide haben Kriege erlebt. Wir beide wissen, wie schrecklich das ist. Sollten wir nicht versuchen, einen neuen zu verhindern?“
Auf der Brücke der Sholva rieb Dekk Daumen und Zeigefinger aneinander. Anscheinend hatte er es mit einem intelligenten Mann zu tun. Dekk wusste, daß die Brückenmannschaft ihn und seine Reaktion heimlich beobachtete. Er atmete kurz tief durch und antwortete schließlich:
„Ja.“
„Das freut mich!“
Auch in der Kommandozentrale der Monitor ging ein kollektiver Seufzer der Erleichterung um sich. Dies war zwar unsinnig, da ihr Gespräch keinen diplomatischen Wert hatte, aber man wollte diesen Hoffnungsschimmer auskosten.
„Dummerweise, Captain...Lewinski“, die Aussprache bereitete Dekk einige Schwierigkeiten,
„steht es nicht in unserer Macht, diese Entscheidung, die von Politikern getroffen wird, zu beeinflussen.“
Wieder herrschte Schweigen. Beide Seiten schienen den nächsten Schritt zu überlegen. Lewinksi blickte kurz zu Boden. War er wirklich so naiv zu glauben, mit einem Gespräch einen Krieg verhindern zu können? Es war nur ein Hoffnungsschimmer.
„General, ich möchte sie nicht anlügen: mein Schiff ist schwer bewaffnet, unter anderem mit Anti-Materie Waffen und eine große Flotte der Föderation unter der Enterprise ist auf dem Weg hierher. Ich denke, sie kennen Captain Picard doch auch ihm wird es dann, wenn sich zwei so große Flotten gegenüber stehen, nicht möglich sein, ein Blutvergießen zu verhindern.“
Stille, während Dekk darüber nachdachte. Er wusste, daß jedes Wort, daß er und Lewinski austauschten, von der Besatzung aufgenommen wurde. Es waren junge Leute mit Hoffnung, mit Träumen.
„Haben sie Kinder, Captain?“
Lewinski war den ersten Moment so überrascht über die Frage, daß es einige Zeit dauerte, bis er antwortete:
„Nein, leider nicht.“
„Nun, ich hab eine Tochter.“ Dekks Augen tränten, als er an das unschuldige, verschmitzte Lächeln seiner Marisa denken musste. „Sie ist alles was ich habe. Ich will, daß sie es besser hat als ich. Meine Kindheit war durch die Tholianer zerstört worden. Es soll ihr nicht so ergehen wie mir.“
Dekk wusste nicht, wieso er einem vollkommen Fremden, den er noch gesehen hatte, dies erzählte. Er konnte es auch nicht erklären, aber irgendwie fühlte er ein geheimes Einverständnis zwischen ihnen. Etwas verwandtes.
„Auch ich habe solche Erinnerungen erlebt, General, es ist nur zwei Jahre her, wie sie wissen“, antwortete Lewinski. Auch er war über das Bekenntnis dieses Mannes überrascht gewesen.
Bot sich hier eine echte Chance?
„General, halten sie diesen Krieg für notwendig?“
Für diese Antwort musste Dekk nicht lange überlegen:
„Nein!“
„Stellen sie mein Bild zu ihm durch!“
Ardev war zu überrascht, um zu reagieren.
„Sir?“ fragte er verdutzt, doch Lewinski wollte sich nicht aufhalten lassen.
„Sofort, Lieutenant!“
Das Gesicht, daß auf einem der Schirme auf dem Flaggschiff der Tsenketi-Flotte erschien, war mitfühlend, fast schon traurig. Fast schien sich Dekk selbst in diesem Menschen zu erkennen. Beiden gingen die selben Gedanken durch den Kopf, als sich Lewinski vorbeugte und mit sanftem Tonfall erklärte:
„In der Charta der Föderation steht geschrieben, daß das Volk Widerstand leisten muss, wenn die Regierung gegen Gesetze verstößt. Dazu gehört auch das Verbot für einen Angriffskrieg.“
Und mit einem letzten Atemzug sprach Lewinski die Worte aus, die eine Republik verändern sollte:
„Gilt das nicht auch für ihr Volk, für sie?“
Wieder Totenstille. Alle Augen auf beiden Brücken waren auf die beiden Kommandanten gerichtet.
„Verbindung beenden.“
Das Gesicht war vom Schirm der Sholva verschwunden, doch für Dekk würde sich das Bild dieses Menschen für immer in den Geist einbrennen, als er befahl:
„Lieutenant Zarroc, beamen sie sich auf Vernius-Prime und nehmen sie Minister Dejo wegen Verstoßes gegen die Verfassung der Republik fest. Danach setzen sie einen Kurs nach Tsenkar.“
Obwohl der Befehl mehr als ungewöhnlich war, machte niemand an Bord des Schiffes Anstalten, sich zu widersetzen. Ganz im Gegenteil.
Schon beim Reinbeamen merkte Lewinski, daß sich Kasharis Büro veränderte hatte. Ein neuer Sessel stand da, wo vorher eine leere Wand war. Er deute lächelnd darauf.
„Ein neuer Anflug von Gastfreundlichkeit?“
Kashari lächelte ebenfalls.
„Gott bewahre.“
Dann schwiegen sie wieder und lächelten. Diese Mission war mit Abstand die ungewöhnlichste, die Lewinski je absolviert hatte. Kashari drehte sich wieder zu seinem Bürofenster, das immer noch die unendlichen Weiten des Alls zeigte. Dann, ohne Verwarnung, lachte der Zakdorn und schüttelte den Kopf. Wissen sie, John, nicht einmal Botschafter Spock hatte es geschafft, einen Putsch zu verursachen. Nein, sagen sie nichts, ich weiß, kein richtiger Putsch. Der gute General Dekk hat nur einige Politiker festgenommen, die Wahrheit über die Kriegsvorbereitungen verkündet und neue Wahlen ausgeschrieben, wozu er ja sehr gut in der Lage war, immerhin standen die Streitkräfte geschlossen hinter ihm. Bei dieser Revolution ist kein einziger Mensch zu Schaden gekommen und da haben wir ihnen zu verdanken. Kein schlechter Einstand für ihre erste Mission nach ihrer Rückkehr.“
„Danke, Sir.“
„Sie werden natürlich dafür geehrt werden. Was die Politik angeht, so haben wir mit der provisorischen Regierung der Tsenketi vereinbart, daß das Vernius-System eine EMZ wird und das dort eine gemeinsame Tsenketi/Föderations-Station gebaut wird, auf der jedoch nur zivile Mitarbeiter arbeiten dürfen. Wir werden diesen Fehler nie wieder machen.“
Bei diesen Worten verschwand das Lächeln von Lewinskis Gesicht.
„Es tut mir leid, Sir, aber Fehler werden immer geschehen. Denn sie sind menschlich!“
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by Nadir Attar
Quelle: treknews.de
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