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Monitor 3x02 "Zukünftige Probleme" Zip File Rating Größe: 167 kB |
Für Tares Belh war es das größte. Endlich, nach all den Jahren des Betteln und des Wartens hatte die Föderation die archäologische Mission genehmigt. Für den Bajoraner war ein lebenslanger Traum wahr geworden: er allein leitete eine Mission, bei der sie eine prä-Warp Zivilisation beobachten konnte. Es war ein Geschenk der Propheten, eine solche Aufgabe zu erhalten. Hier hatte er die Chance, Geschichte live zu erleben und daraus Schlüsse auf sein eigenes Volk und auch auf die anderen Völker der Föderation zu ziehen. Die kleine Observationsstation war in einen Berg gehauen, der etwas abseits der Stadt lag und von dem man gut das Treiben der Stadtbewohner beobachten konnte. Die Tarnvorrichtung bewahrte die Expedition vor einer Entdeckung und damit auch vor einer Kontamination der Kultur der Zaresi. Denn dieses kleingewachsene Volk befand sich nach menschlichen Maßstäben auf dem Stand des Mittelalters sein. Sie ahnten noch nichts von den großen Abenteuern, die sie eines Tages in den Sternen erwarten werden. Belh seufzte und blickte noch einmal aus dem Fenster der Beobachtungsstation, begutachtete so die gute Stadt. Eine Volkszählung vor einigen Wochen hatte eine Einwohnerzahl von knapp siebenhundert festgestellt. Natürlich konnte innerhalb von ein paar Tagen diese Zahl sehr stark schwanken, immerhin bedrohten Seuchen und Krankheiten jeden Tag aufs neue die Gesundheit der Zaresi. Tief in seinem Innersten wünschte sich Tares natürlich, diesen Wesen zu helfen, sie wenigstens von einigen Gefahren zu befreien, die ihnen das Leben so schwer machten. Selbstverständlich war dies jedoch nicht vereinbar mit dem höchsten Gesetz der Föderation: die Oberste Direktive. Das Gesetz der Nichteinmischung in fremde Kulturen. Sie bildete eines der wichtigsten Fundamente der Raumfahrt, geschaffen, um zu verhindern, daß irgend jemand Gott mit einer unterentwickelten Rasse spielte. Tares verstand und respektierte dieses Gesetz. Und doch brach sie es ihm das Herz. Die heutige Generation der Zaresi würde nie erfahren, wie die Welt in ein paar hundert Jahren aussehen würde. Dies war das Gesetz des Lebens, so schwer es auch war.
"Doktor?" unterbrach ihn eine seiner Mitarbeiterinnen aus seinen Gedankengängen und reichte ihm ein Datenpadd. Tares bedankte sich lächelnd und begutachtete das Padd. Auf ihr war ein Bild zu sehen, eine Fotographie.
Der Bajoraner stutzte und blickte noch einmal genauer hin. Nein, dies war nicht möglich! Normalerweise wiesen Zaresi neben ihrem kleinen Körperwuchs eine tiefe Furche am Kinn und verstümmelt aussehende Ohren auf. Doch diese Aufnahme zeigte einen jungen Zaresi, der anders war.
Abnormal.
Das Wort an sich war schon eine Beleidigung. Doch Dr. Tares Belh fiel kein besseres ein. Der junge Mann hatte eine leicht bläuliche Haut (obwohl Zaresi nur weiß sein konnten!) und noch etwas Unglaublicheres: die ansonsten pechschwarzen Haare waren schneeweiß!
Schnell überprüfte der bajoranische Wissenschaftler seine Datenbanken: nein, in dieser Region des Planeten waren ihm keine Fälle von Albinismus bekannt. Und selbst wenn dieser Zaresi ein Albino war, wie kam er dann zu leicht bläulicher Haut? Ein genetischer Defekt in der zaresianischen DNA? Es half nichts. Diese Mysterium fesselte ihn so sehr, daß er die tägliche Konferenz mit seinen Mitarbeitern absagte und statt dessen den Tag am Computer verbrachte. Und dann fand er die Lösung.
PIEEEP....PIEEEP....
In all den Jahren der interstalleren Raumfahrt hat man immer noch keinen Summer erfunden, der nicht nervtötend ist!
Frustriert erhob sich Ardev aus seinem Sessel und legte den Schiffsbericht zur Seite. Eigentlich hatte er angewiesen, daß man ihn nicht stören sollte und die Crew hatte eigentlich auch versichert, ihm diese Ruhepause zu gönnen. Ardev brauchte nun einmal diese eine Stunde am Tag, um sich zu entspannen, sonst drohte der Streß Überhand zu nehmen. Und kein guter Offizier sollte nun mal zulassen, daß ein solcher Fall eintrat.
PIEEEP... PIEEEP....
Das Geräusch war immer noch da. Der Anrufer schien also einer von der hartnäckigen Sorte zu sein. Der Andorianer schaute sich kurz in seinem Bereitschaftsraum um und überlegte, ob er den Anruf einfach ignorieren sollte. Schließlich entschloß er sich doch dagegen. Mochte ja vielleicht was wichtiges sein...
"Ja?"
Das Föderationslogo verschwand und ein Ardev bekannter Mensch erschien auf dem Display. Er war etwas dicker geworden und auch sein lichter werdendes Haar wurde von Mal zu Mal grauer, doch ohne Zweifel, es war der Mensch, für den Ardev ihn hielt.
"Admiral Land! Wie geht es ihnen?"
Mit einem Mal war Ardevs Ärger verflogen, als er den alten Freund wiedererkannte. Erfreut mußte er zudem feststellen, daß die knallrote Uniform am ehemaligen ersten Offizier der Monitor auch nicht besser aussah als an Ardev selbst. Sie war einfach zu eng, zu bunt...
"Gut, Ardev und ihnen?"
Auch der Admiral lächelte erfreut. Viel zu lange war ihr letztes Gespräch schon her. Die Kopfantennen des Andorianers bewegten sich erfreut hin und her.
"Auch gut, wenn man mal vom Streß absieht."
"Ja, das kenne ich gut. Ein eigenes Kommando ist nun mal auch harte Arbeit, Captain."
"Das können sie laut sagen."
Der Andorianer hatte es sich also immer noch nicht angewöhnt, seinen Vorgesetzten mit der korrekten Anrede Sir anzusprechen. Nun gut, Bruce Land wollte es ihm im Augenblick nicht krumm nehmen. Auch Ardev verstummte. Er lächelte zwar immer noch, aber leicht mißtrauisch fragte er:
"Admiral, was ist der wirkliche Grund für ihren Anruf? Ich denke ja nicht, daß sie nur über alte Zeiten reden wollen."
Land faltete die Hände und beugte sich etwas nach vorne.
"Ich habe eben eine Nachricht von Command bekommen. Sie und die Midway sollen zum Planeten Zaresia fliegen und sich dort mit einem archäologischen Team treffen, daß aus Mitgliedern der Föderation und anderen Mitgliedern der MPA besteht."
Nun war der Andorianer vollends verwirrt. Er hob eine Augenbraue, als er anmerkte:
"Soweit mir bekannt ist, Admiral, sind die Zaresi ein Volk auf prä-Warp Stand!"
"Dies ist korrekt, Captain."
"Und was sollen wir dann dort?"
Die Antwort schien dem Admiral irgendwie unangenehm zu sein. Immerhin sprach er die Wahrheit, als er sagte:
"Da habe ich leider keine Ahnung, Ardev. Ich denke, man wird sie beim Eintreffen instruieren."
Ardev nickte resigniert. Er mußte sich wohl damit zufriedengeben.
"Gut. Noch etwas?"
"Ja." Wieder ziemte sich Admiral Land. Das, was er nun sagen mußte, schien ihm mehr als unangenehm zu sein. "Die von Braun befindet sich ebenfalls dort."
Das änderte alles. Kein Wunder, daß sein ehemaliger Vorgesetzter auf der Monitor so verlegen war. Wenn das Schiff des Captains auch im Spiel war, so war dies ein unberechenbarer Faktor, den man nicht einfach so außer Acht lassen durfte.
Ardev beendete die Verbindung. Es gab eh nichts mehr zu sagen. Anschließend aktivierte der Andorianer den Kommunikator, der das neue Symbol der Sternenflotte darstellte. Seltsam. Auch er gefiel ihm im Vergleich zu früher nicht besonders. Naja, die alten Zeiten...
"Lieutenant Stebby, setzen sie Kurs auf Zaresia, Warp 6."
"Pardon, Sir, welcher Planet?"
Die Navigatorin klang ehrlich verwirrt. Ardev konnte es ihr nicht verdenken.
"Zaresia. Schlagen sie es in den Datenbanken der Föderation oder gleich der MPA nach."
"Danke, Sir."
Zaresia, schnaubte er innerlich, zur Hölle, wenn interessiert schon dieser Planet?
Zaresia selbst war ein verhältnismäßig kleiner Planet. Er besaß für M-Klasse Planeten typische Atmossphäre und Umwelt. Bemerkenswert war zudem, daß auf ganz Zaresia es nur eine Handvoll Gebirge gab. Ansonsten war das Land flach. Ein Grund für die mangelnde Größe der Zaris? Oder hatten vielmehr die fünf Monde etwas damit zu tun? Darüber stritten die Experten und würden es mit Sicherheit noch für eine lange Zeit tun.
Das archäologische Team der Multiplanetaren Allianz jedoch hatte zur Zeit ganz andere Sorgen. Tares Belh hatte eine Sonderkonferenz einberufen, um über den Fall zu sprechen. Am Tisch saßen alle Mitglieder der MPA, friedlich vereint: Föderation, Klingonen, Romulaner, Cardassianer, Tamarianer und Gorn. Jede Fraktion stellte zwei Forscher, um Ausgeglichenheit zu wahren und Streiterein vorzubeugen, doch dies wäre eigentlich nicht nötig gewesen, denn die anwesenden Forscher verstanden sich prächtig, sogar die klingonischen Wissenschaftler schienen inzwischen alle früheren Streitigkeiten vergessen zu haben. Tares seufzte bei diesem Gedanken erleichtert, denn genau aus diesem Grund war die Mulitplanetare Allianz vor gut fünfundzwanzig Jahren gegründet worden: um den Krieg ein für alle mal aus dem Alpha- und Beta-Quadranten zu vertreiben. Der Bajoraner schob diese Gedanken beiseite. Sie hatte nun andere Probleme.
"Geschätzte Kollegen“, begann er die Konferenz und stand auf, "sie alle wissen, was wir vor einigen Tagen entdeckt haben. Es ist genauso so unglaublich wie einfach zu beschreiben: im Laufe der letzten Tage haben wir Dutzende, Hunderte, von Zaresi entdeckt, die neben ihrer zaresianischen DNA noch einen zweites DNA-Profil haben, was auch zu einer Veränderung ihres äußeren Erscheinungsbildes führt."
Belh machte eine dramatische Pause, um sich auf die gleich folgenden Emotionen vorzubereiten. Dann teilte er seine Entdeckung mit:
"Ich habe den zweiten Strang isoliert und ihn durch den PC laufen lassen. Er ist andorianisch."
Gemurmel brach unter den Beteiligten aus. Jeder schaute den anderen überrascht an und schließlich kristallisierte sich die Stimme von Gorn-Professor Hac´cc heraus:
"Dieser Planet ist innerhalb des Raumgebietes der Föderation. Die Andorianer sind Mitglieder der Föderation. Hat also schon einmal eine Föderationsexpedition nach Zaresia stattgefunden, bei dem es schließlich zu einer Kontamination kam?"
Die Anwesenden richteten ihre Aufmerksamkeit wieder auf Tares Belh. Dieser hatte geahnt, daß man diese Frage (oder war es ein Vorwurf?) stellen würde und hatte sich die Antwort schon herausgesucht:
"Negativ. Es ist nirgendwo verzeichnet, daß ein Schiff der Föderation jemals bei Zaresia halt gemacht hat."
"Vielleicht hat man die entsprechenden Dateien verschlüsselt“, suggerierte jemand von der romulanischen Abteilung und fachte damit die Diskussion neu an. Belh hob die Hand und langsam verstummten die Gespräche.
"Ich habe mich mit der Sternenflotte in Verbindung gesetzt. Sie schicken ein Schiff, daß ... sagen wir mal die entsprechenden Möglichkeiten hat, auch eben solche verschlüsselten Akten zu untersuchen."
"Noch ein Schiff“, stöhnte Arer, der cardassianische Arzt, "kann uns die von Braun nicht helfen? Müssen wir etwa noch ein Schiff im Orbit haben?"
Gute Frage, dachte Belh und wußte keine Antwort. Schon seit langem hatten sie alle das Gefühl, daß die Sternenflotte ihnen mittels der von Braun über die Schulter schaute. Zwar hatten sie sich bisher noch nicht eingemischt, doch ihre Anwesenheit wirkte... als ob man schnellere Resultate von ihnen haben wollte.
"Ich kümmere mich darum“, antwortete Tares schließlich und beendete die Konferenz.
Tares war als Besucher angekündigt gewesen, um so mehr überraschte es ihn, als er den Bereitschaftsraum der von Braun in vollständige Dunkelheit gehüllt vorfand. Wären da nicht die Sterne im großzügigen Panoramafenster gewesen, er hätte den Mann, der im Sessel saß, nicht erkannt.
"Captain?"
Die Gestalt bewegte leicht die Hände und entgegnete in einem neutralen Tonfall.
"Doktor? Bitte, kommen sie herein."
Leichter gesagt als getan. Aufgrund der mangelhaften Beleuchtung dauerte es sehr lange, bis er sich in den Gästestuhl gesetzt hatte, obwohl keinerlei Hindernisse in seinem Weg gestanden hatten und es eigentlich ein gerade Weg gewesen war. Endlich hatte er es geschafft. Der Kommandant der von Braun machte immer noch keine Anstalten, sprichwörtlich etwas Licht in das Dunkel zu bringen. Tares hatte ihn nur einmal kurz getroffen, als das Nova-Klasse Schiff die Expedition vor drei Wochen nach Zaresia gebracht hatte. Er hatte einige... Gerüchte über ihn gehört, Vermutungen über Pflichtverletzungen und Befehlsverweigerungen. Es waren natürlich keine bewiesenen Tatsachen, doch wie alle Gerüchte hinterließen auch diese einen unangenehmen Beigeschmack.
"Sie wollten mich sprechen?" fragte der Kommandant ruhig und man konnte trotz der Dunkelheit sehen, daß er die Hände faltete. Trotz seines Alters von fast siebzig Jahren hatte er immer noch eine bemerkenswert sportliche Figur.
"Captain, ich möchte nicht aufdringlich sein, aber ich hatte gehofft, daß sie mir ein paar Fragen beantworten könnten?"
"Nur zu."
Belh holte kurz Luft.
"Ich habe gehört, daß ein weiteres Sternenflottenschiff hierher unterwegs ist."
"Die Midway. Ja, sie ist auf dem Weg hierher."
"Wieso kommt sie?"
"Sie sind überrascht?" fragte der Kommandant seinerseits selbst überrascht. "Immerhin haben sie selbst darum gebeten, in einige Akten einsehen dürfen zu können."
"Ja, aber muß dazu ein ganzes Schiff hierher kommen? Das kann man doch auch vom Computer aus machen."
Der Captain seufzte leicht.
"Die Arten, die sie einsehen wollen, stehen unter einem besonderen Schutz. Ich weiß nicht, ob sie es wußten, doch man gestattet ihnen, die Akten des Geheimdienstes einzusehen."
"Achso." Tares versuchte seine Überraschung zu verbergen. Was ihm nicht all zu gut gelang.
"Und die Midway..."
"...ist ein Schiff des Geheimdienstes der Sternenflotte, ja“, komplettierte der Kommandant den Satz.
Belh nickte. Er verstand zwar immer noch nichts, aber er nickte. Er stand auf und wollte gehen, entsann sich dann jedoch noch einer Frage:
"Captain Lewinski, was ist die Midway für ein Schiff?"
Nun stand John Lewinski vom Sessel auf und blickte ihn aus von der Dunkelheit verhüllten Augen an. Als er antwortet, klangen seine Worte schärfer als erwartet:
"Ein gutes Schiff. Sovereign-Klasse. Kommandiert wird es von einem ganz speziellen Freund von mir."
Irgendwo gefiel Tares nicht diese Wortwahl und verließ den Bereitschaftsraum der von Braun.
Zurück ließ er einen sinnierenden Captain John Lewinski.
Als Ardev sein Quartier betrat, fand er einen festlich gedeckten Tisch vor. Allerlei Speisen standen auf ihm und mehrere erlesene Synthehol-Sorten. Lächelnd blickte sich der Captain der Midway um und erblickte schon die Person, die sich so viel Mühe gemacht hatte.
"Hallo“, begrüßte er seine Frau fröhlich und sie erwiderte diesen Gruß mit einem Kuß.
"Na, schweren Tag gehabt?" fragte Arena Tellom fröhlich und ging zum gedeckten Tisch. Ihr andorianischer Ehemann folgte und setzte sich ebenfalls.
"Vorsicht“, witzelte er mit einem erhobenen Zeigefinger, "du sprichst hier immer noch mit deinem Kommandanten."
Beide lachten und begann das Mahl. Es war irgendwie zu einem Ritual in ihrer Ehe geworden, einen langen Tag mit einem ausgiebigen Essen zu feiern. Keiner von beiden wußte, ob es wirklich stimmt, aber vielleicht war dies der Grund, wieso ihre Ehe seit über zwanzig Jahren so harmonisch verlief.
"Also“, fragte Arena noch einmal, "wie war dein Tag gewesen?"
Kurz bevor er die Frage beantwortete, betrachtete Ardev seine Frau ausgiebig. In all den Jahren hatte sie nichts von ihrer Schönheit verloren, ganz im Gegenteil. Es war wirklich verdammtes Glück, daß die Sternenflotte es durchgehen ließ, daß sie beide auf dem selben Schiff dienten. Es lag wohl wahrscheinlich an der gehobenen Stellung Ardevs innerhalb der Flotte. Ab und zu hatte er sogar sie zu überreden versucht, eine Kommandolaufbahn einzuschlagen und womöglich sogar sein erster Offizier zu werden, doch immer wieder schlug sie dieses Angebot aus. Als Chefwissenschaftlerin an Bord der Midway im Range eines Lieutenant-Commanders fühlte sie sich pudelwohl und hatte so also überhaupt kein Interesse, diesen Zustand ändern zu wollen.
"Wie du gemerkt hast, haben wir unseren derzeitigen Auftrag abgebrochen."
"Ja“, entgegnete sie und nahm einen Schluck von ihrem Synthehol, "wohin geht´s denn?"
"Nach Zarisia."
Tellom blickte verdutzt.
"Ist das nicht dieser kleine unbedeutende Planet, wo nur eine Prä-Warp Zivilisation existiert?"
"Ja. Woher weißt du davon?"
Lieutenant-Commander Tellom schaute amüsiert ihren Mann an.
"Hör mal, ich bin Wissenschaftlerin und habe so natürlich die Nachrichten über die erste Expedition zu diesem Planeten selbstredend mitbekommen."
"Klingt fast so, als hättest du dich gerne für diese Stelle beworben!"
"Wer weiß?"
Sie lächelte verschmitzt. Ardev lächelte zurück.
"Wie auch immer“, fuhr er fort, "wir sollen dem Expeditionsteam bei der Sichtung einiger Daten und Akten helfen."
"Aha."
Mit dieser Antwort gaben sich beide zufrieden. Die nächsten fünf Minuten aßen sie schweigend ihr köstliches Abendessen, bis schließlich Ardev abermals das Schweigen brach.
"Der Captain ist dort."
Auch Tellom blickte nun auf und betrachtete ihren Mann. Sicher, er war älter geworden, wer wollte ihm dies auch mit seinen fast fünfzig Jahren verdenken, doch er sah immer noch jünger aus als manch anderer seines Alters. In all den Jahren hatte sie natürlich herausgefunden, wie man manche Gesichtsausdrücke und Sprechweisen ihres Mannes interpretieren konnte. Dieser Satz hörte sich nach einer heiklen Sache an.
"Wie denkst du darüber?" fragte sie vorsichtig und Ardev zuckte die Achseln.
"Keine Ahnung. Immer wieder rede ich mir ein, daß es eigentlich kein Problem darstellen sollte, aber andererseits haben wir uns so lange nicht mehr gesehen. Und dann das was damals vorgefallen war... er ist damals oft enttäuscht worden."
Arena Tellom nickte. Sie verstand das Problem.
"Du bist dir unsicher, wie du ihm gegenüber treten sollst. Dies ist vollkommen natürlich. Mach dir keine Sorgen. Ich glaube, er hat die selben Ängste."
Ardev blickte sie an, als ob ihre tröstenden Worte ihm nur wenig halfen.
"Ich fühle mich genauso wie bei Jozarnays Beerdigung. Auch da habe ich mich gefragt, ob wir ihm nicht hätten mehr helfen können..."
Sie berührte ihn liebevoll am Arm und spendete ihm Trost, auch wenn sie selber mit sich rang, als sie sich an den Tod von Woil erinnerte.
"Ardev, es gab nichts, was wir hätten tun können. Der Chief hat damals einen Rückfall bekommen. Die Dosis war einfach zu stark für ihn. Ketracel-White ist nun mal nichts für Personen, die nicht Jem-Hadar sind."
Der Captain der Midway nickte. Mehr konnte er eigentlich auch nicht sagen. Er würde ganz einfach bis morgen warten müssen, bis sie bei Zarisia eintrafen. Und dann quälte ihn dann noch dieser andere Vorfall, den er schnell wieder in die hinteren Ecken seines Bewußtseins schob, als er den Namen des Planeten hörte. Nicht daran denken...
Tares Belh, Captain Lewinski und natürlich der Transportertechniker der von Braun warteten im einzigen Transporterraum des kleinen Nova-Klasse Schiffes. Tares kaute nervös auf seiner Unterlippe herum und fragte sich ein weiteres Mal, ob ihm die betreffenden Daten weiterhelfen konnten. Der Logik zufolge mußten sie eine wichtige Antwort für ihn bieten, wieso sollte sonst ein ganzes Schiff zur Übermittlung geschickt werden?
„Captain“, meldete der Techniker, „die Midway ist bereit.“
Kurz blickte der bajoranische Wissenschaftler zum Kommandanten der von Braun. Lewinski wirkte schon seit Tagen angespannt und verschlossen. Nein, korrigierte sich Tares dann selbst, dies stimmte so nicht. Genau genommen war John Lewinski schon seit ihrer ersten Begegnung so. Nur die Propheten selbst wussten, was geschehen war, daß Captain Lewinski zu einem solch niedergeschlagenen Mann werden konnte. Das Summen des Beamens erklang und auf der Plattform erschien langsam eine Gestalt. Groß, eindeutig männlich, selbstbewußte Züge. Und dann stockte Tares innerlich, wobei er sorgsam darauf bedacht war, seine Überraschung nicht nach außen zu zeigen. Was für Zufälle es doch im Leben gab! Da fand er auf einem Planeten seltsamer Weise die DNA eines Andorianers und dann war der Kommandant der Midway selbst einer!
Der schlanke, etwa fünfzig Jahre alte Captain (obwohl es schwierig war, bei außerirdischen Kulturen menschliche Maßstäbe anzulegen) trat mit einer eleganten Bewegung von der Plattform herunter und reichte Lewinski die Hand.
„Captain“, begrüßte er den Menschen und Lewinski schüttelte die ihm dargebotene Hand. Eine seltsame Geste bemerkte Tares. Es war mehr als ungewöhnlich, daß ein Außerirdischer von selbst ein irdisches Begrüßungsritual anwandte. Eigentlich eine Geste des Vertrauens. Hatte Captain Lewinski nicht davon gesprochen, daß der Kommandant der Midway ein Freund von ihm war? Wenn dem so war, dann fiel die Begrüßung doch überraschend kühl aus. Erst als er sich Tares Belh zuwandte, lächelte der Andorianer.
„Doktor, ich bin Captain Ardev von der USS Midway. Ich habe ihnen die Akten mitgebracht, die sie brauchen. Allerdings ist es ihnen nur erlaubt, sie von meinem Schiff aus abzurufen. Sie dürfen jederzeit rüberbeamen, wenn sie möchten.“
„Auch jetzt?“
„Sicher!“
Der Bajoraner blickte erfreut kurz zu Lewinski, der ihm mit einem Nicken erlaubte, das Schiff zu verlassen. Mit kaum zu verbergendem Enthusiasmus stellte sich Tares auf die Transporterplattform und wurde rübergebeamt. Schweigend blieben Lewinski und Ardev in dem Raum zurück und sagten nichts. Kühl schauten sich beide an.
„Chief, bitte lassen sie uns allein“, befahl Ardev dann und der Mann verließ den Raum, auch wenn er etwas überrascht war, daß er einen solchen Befehl nicht von seinem eigenen Kommandanten erhalten hatte. Und nun waren die beiden Offiziere wirklich allein. Ardev hatte keine Lust mehr auf dieses alberne Warten und sagte:
„Es ist lange her.“
„Stimmt“, attestierte Lewinski und verschränkte die Arme vor der Brust. Mit Besorgnis mußte Ardev feststellen, daß sein alter Kommandant erschreckend alt geworden war. Er wußte, daß die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen bei 130 Jahren lag, doch obwohl Lewinski eigentlich nur um die 70 war, sah er doch bedeutend älter aus. Sein ehemals braunes Haar hatte fast seine ganze Farbe verloren und wirkte nun so weiß wie Ardevs eigene. Der ehemalige Kommandant der Monitor war nicht dick, ganz im Gegenteil, man konnte eher sagen, daß er dürr war. Spindeldürr. Sicher, er war sportlich. Aber kräftig? Innerlich seufzte der Andorianer.
Was war nur aus diesem Offizier geworden?
„Schönes Schiff“, bemerkte Ardev und blickte sich kurz in dem Transporterraum um.
„Wie wollen sie das wissen? Sie kennen ja nur diesen Raum“, antwortete Lewinski kalt. In seiner Stimme erklang überhaupt keine Emotion oder sonstige Regungen. Mit den blauen Händen fuhr sich Ardev durch sein Gesicht.
„John, wir haben uns so lange nicht mehr gesehen und das beste, was sie zu tun haben, ist mich mit Nichtbeachtung zu strafen?“
„Ich beachte sie doch. Schließlich rede ich ja mit ihnen, Captain.“
Ardev trat näher auf seinen ehemaligen Kommandanten zu. Während bei Ardev die Uniform fast schon zu eng war, hing sie an Lewinskis Körper fast schon schlaff herunter. Der Mann sah aus wie ein Gespenst, stellte Captain Ardev fest.
„John, es ist nicht unsere Schuld, wie alles gelaufen ist.“
„Finden sie?“ entgegnete John Lewinski und zum ersten Mal hatte seine Stimme einen Hauch von Zorn in sich. „Es waren also nicht sie alle, die mich fallen gelassen haben? Als man mir den Strick drehte, wo waren sie dann?“
„John, wir hatten diese Situation nicht erwartet. Wir alle dachten doch, wir hätten Sektion 31 geschlagen.“
„ICH hatte Sektion 31 ausgeschaltet“, schrie Lewinski nun so stark, daß Ardev zurück wich. „Ich habe die Arbeit gemacht. Ich habe dieses eine Jahr in der Gosse verbracht und Informationen gesammelt, während sie auf ihrem bequemen Raumschiff Dienst geschoben haben.“
Dies reichte. Ardev hatte viel Verständnis für dies, was damals vorgefallen war, doch er wollte sich nicht als alleinigen Schuldigen da stehen lassen.
„Und es hat etwas gebracht. Sie kamen wieder zurück auf die Monitor. Sie hatten ihr Ziel erreicht.“
„Sie wollten mich danach nicht mehr akzeptieren!“
Ardev richtete einen Hilfe suchenden Blick in Richtung Decke. Genau dies hatte er befürchtete. Nach all den Jahren, in denen er Captain Lewinski nicht mehr gesehen hatte, verfielen sie nun in einen Streit.
„Wir haben sie akzeptiert. Sie haben sich nur eingeredet, daß wir sie nicht mehr haben wollten.“
„Nein, sie haben von Anfang an versucht, mich wieder los zu werden. Ich habe es genau gespürt. Matthew Price war ihnen lieber gewesen, daß hatte ich spätestens bemerkt, als sie ihn alle verabschiedet hatten. Diese ganze feierliche Zeremonie. Pah! Sie wären doch alle am liebsten mit ihm gegangen!“
„Sie tun ihm Unrecht!“
„Ach ja?“ rief Lewinski und richtete einen finsteren Blick auf den Andorianer. Welch Ironie. Ardev war Jahre lang sein Schützling gewesen. Wäre Ardev niemals auf Lewinski gestoßen, wer wußte schon, ob er heute selbst Kommandant eines Raumschiffs geworden wäre? Und nun stritten sie über Ereignisse, die Jahrzehnte zurück lagen.
„Ich verstehe sie nicht“, sagte Ardev schließlich und seine Stimme klang schon fast mitfühlend, „sie haben doch ihre Ziele erreicht: sie sind wieder aufgenommen worden, sie kommandieren wieder ein Raumschiff. Ist es nicht das, was wir alle wollen?“
Lewinski schüttelte langsam seinen Kopf. Es sah aus wie das Eingeständnis einer lange zurückliegenden Niederlage.
„Nein, ich habe nichts erreicht. Im Gegenteil, ich habe alles verloren: mein Schiff, meine Freunde, mein Leben. Ja, ich bin noch Captain. Genauso gut könnte ich einen alten Fischkutter befehligen, dessen Aufgaben kommen in etwa dem Gleich, was ich hier zu tun habe. Ich weiß nicht, wie oft ich mir gewünscht habe, Captain Price wäre niemals auf die Monitor gelangt. Und daß ich niemals diesen Deal angenommen hätte.“
Der andorianische Kommandant beschloß, aufzugeben. Sein ehemaliger Mentor war einfach nicht in der Lage, mit der Vergangenheit abzuschließen. Irgendwie bemitleidete er ihn. Und dafür haßte er ihn auch. Ardev programmierte den Transporter darauf ein, daß er ihn auf die Mdway zurück brachte und stellte sich auf das Transporterfeld. Bevor er verschwand, sagte er noch etwas zu seinem alten Kommandanten:
„Price ist übrigens tot. Er war vor acht Jahren in seiner Wohnung erschossen worden. Irgend jemand hatte wohl noch eine Rechnung mit ihm offen gehabt.“
Mit diesen letzten Worten verschwand er zurück auf sein Schiff.
Majestätisch schwebte der Planet Zaresia unter den beiden Raumschiffen. Wie so viele andere Welten war er aus dem Orbit von einer fast schon erschreckenden Schönheit. Millionen von Wesen lebten auf ihr, gingen ihrem Tageswerk nach, lebten, ohne von all en Wundern zu wissen, die sich draußen abspielten. Doch wie weit sich das Leben auch weiter entwickelte, manche Schicksale blieben immer gleich und schienen sich nicht zu ändern.
Captain John Lewinski lag in seinem Quartier und dachte nach. Er konnte nicht schlafen, da er im Geiste immer wieder die Ereignisse der letzten zwanzig Jahre durchging und dabei sein Schicksal verfluchte, das ihn zu dem gemacht hatte, was er heute war: ein mißmutiger, alter Mann, der so gut wie keine Freunde hatte und jedem die Schuld an diesem Leben gab, nur nicht sich selbst. Sein Herz blutete, weil er sich mit seinem alten Untergebenen gestritten hatte, anstatt sich für ihn zu freuen, daß er es so weit gebracht hatte.
Ardev war zur selben Zeit in seinem Bereitschaftsraum und beobachtete den Planeten, dabei kreisten seine Gedanken um die Ereignisse, die ihn das erste Mal nach Zaresia gebracht hatten. Dann verdrängte er es wieder. Nein, er hatte doch nichts gemacht, wie konnte also dies möglich sein? Wie würde seine Frau darauf reagieren? War dies womöglich der Ort, an dem sein Leben schließlich eine unangenehme Wendung nahm?
Dr. Tares Belh verbrachte die Nacht schließlich an Bord der Midway und studierte die mitgebrachten Daten. Dabei mußte er jedoch enttäuscht werden. Selbst laut den Akten des Geheimdienstes war nie ein Föderationsschiff auf Zaresia gewesen. Auch andere Raumfahrzeuge hatte angeblich nie den Boden dieses Planeten betreten. Doch wie kam dann die andorianische DNA in das Erbgut der Bevölkerung? Fragen über Fragen und er wußte immer noch keine Antwort darauf.
Zischend öffnete sich die Tür zu Ardevs Bereitschaftsraum. Der Captain blickte von seinem Terminal auf und stellte erfreut fest, daß seine Frau, Lieutenant-Commander Tellom, sein Büro betrat.
„Was gibt´s Liebling?“ fragte Ardev verschmitzt und verletzte so wohl wissend das Protokoll.
Seine terellianische Frau setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber und reichte ihm ein kleines Datenpadd.
„Das ist einfach unglaublich“, meinte sie, „die Dorfbewohner dort unten tragen tatsächlich andorianische Merkmale und DNA in sich, obwohl bisher noch kein außerirdisches Schiff dieses Planeten besucht haben soll. Es ist eine Sensation und ein Mysterium zugleich.“
„Da stimme ich dir zu“, meinte Ardev und begutachtete kurz die auf dem Padd dargebotenen Informationen. Dabei stutzte er über eine Fußnote:
„Lese ich dies hier richtig?“ fragte er.
„Dir ist es also auch schon aufgefallen?“ erwiderte seine Frau kummervoll. Ardev nickte. Laut diesen Untersuchungen waren die betreffenden Zaresi bei den anderen Dorfbewohnern alles andere als beliebt.
„Die Todesrate der Mischlinge ist außerordentlich hoch“, bemerkte Ardev.
Seine Frau brachte es auf den Punkt.
„Sie werden gezielt ermordet.“
Captain Ardev legte das Padd zur Seite und seufzte traurig. Wie konnte eine Kultur überleben, die ihre eigenen Mitbürger nur aufgrund ihres Aussehens, ihrer Hautfarbe verfolgte und ermordete.
„Die betreffenden Zaresi haben sich in eine isolierte Gemeinde etwas außerhalb des Dorfes zurückgezogen. Doch beinahe jede Woche kommen Dorfbewohner und randalieren in ihrer Siedlung. Ich wünschte, wir könnten etwas tun.“
„Das dürfen wir nicht“, entgegnete Ardev und Tellom war überrascht, wie hart ihr Mann bei dieser Aussage klang, „die erste Direktive hindert uns daran.“
„Offensichtlich wurde die erste Direktive jedoch schon gebrochen.“
„Wir können aber nicht genauso wie die betreffende Person handeln“, antwortete Arrdev und seine Frau schwieg. Dann, nach ungefähr einer halben Minute verließ sie wortlos den Raum. Dabei fragte sich, wie Captain Ardev zu der Aussage die betreffende Person kam. Woher wußte er, daß es nur eine Person war. Dann verwarf sie diese Überlegungen. Sie sollte nicht immer jedes Wort auf die Goldwaage legen. Ihre Zweifel wären jedoch größer gewesen, hätte sie die Gedanken ihres Mannes lesen können. Denn tief in seinem Innersten hörte er immer wieder die selbe Stimme:
Du bist schuld! Du bist schuld! Du bist schuld! Du bist schuld!
Von: Doktor Tares Belh, Leiter Zaresia-Forschungsstation
An: Mitarbeiter des wissenschaftliche Teams
Für die nächsten Tage sind umfangreiche genetische Untersuchungen angesetzt. Ich möchte, daß von jedem Zaresi, der die andorianischen Merkmale in sich trägt, eine DNA-Probe genommen wird. Ich weiß, daß dies eine riesige Arbeit ist und sie mehrere Tage in Anspruch nehmen wird. Daher werden uns wissenschaftliche Teams der Sternenflotte helfen. Ich bitte darum, die Ergebnisse in den zentralen Rechner zu übertragen. Viel Erfolg!
John Lewinski setzte sich in seinem Quartier auf das Sofa, daß vor einem Monitor plaziert war, hin und räusperte sich. Kurz blickten seine Augen durchs Zimmer und er holte tief Luft. Ein letztes Mal fuhr er sich mit der faltigen Hand durch sein annähernd weißes Haar und befahl dann:
„Computer, Aufzeichnung starten!“
In der rechten unteren Ecke des Displays erschien die kleine Aufschrift Record und abermals holte John tief Luft. Dabei hatte er es sich so fest vorgenommen, diese Aufnahmen zu machen! Es war mehr als ärgerlich, daß ihm nun die Worte fehlten; es war ihm peinlich! Schließlich fand er einen geeigneten Anfang:
„Hallo.“
Gut! Sicherlich würde er dafür nicht den Nobelpreis für Literatur erlangen, aber es war besser als nichts. John Lewinksi schloß kurz die Augen und langsam kamen ihm die Worte, die er sorgsam zurecht gelegt hatte, wieder in den Sinn.
„Wie geht es ihnen? Oder sollte ich sagen wie geht es dir? Ich bin mir da auch nicht so sicher, welche Anrede nun die passende ist. Ich denke mal, da ich der ranghöhere Offizier bin, sollten wir beim förmliche Sie bleiben, okay? Wie geht es ihnen? Oh, Verzeihung, dies fragte ich schon. Dies müssen sie einem alten Mann wie mir verzeihen. Was macht ihre Ehe? Ich habe gerüchteweise gehört, daß sie beide immer noch sehr glücklich miteinander sind. Wissen sie, ich beneide sie! Ja, ganz ehrlich, ich beneide sie beide wirklich. Ich sehe sie beide immer noch vor mir, wie sie da standen und ich die Ehre hatte, sie in den heiligen Stand der Ehe zu versetzen. Von allen Pflichten und Privilegien, die ein Raumschiffkommandant hat, ist diese natürlich meine Liebste. Ach, hatte Ardev auch inzwischen Mal das Vergnügen? Ich meine, er ist doch Captain und da ist es doch möglich... Ich habe ihm nie gratuliert. Zu seiner Beförderung, meine ich. Es tut mir ja auch leid. Ich freue mich für ihn. Ganz ehrlich. Aber irgend etwas in mir ist nicht in der Lage, mit ihm zu sprechen. Ja, ja, ich weiß, was sie jetzt sagen werden, das ist doch paradox! Niemand von ihnen hatte Schuld an meiner Lage. Das stimmt. Und trotzdem ist da etwas in mir, das mir das Gegenteil verkünden will. Es ist wie ein Krebsgeschwür, daß sich in mir einnistet, das ich nicht lokalisieren kann und dabei meine Gedanken vergiftet. Darum fällt es mir so schwer, in den Nähe von ihnen allen zu sein? Wie geht es Bruce? Eigentlich müßte ich ja ihn Admiral Land nennen, aber ich glaube nicht, daß er mich wohl wegen Insubordination anklagen wird, oder? Ich habe lange nichts mehr von ihm gehört, was ja wohl nicht zuletzt auch an mir lag. Es tut mir auch leid, daß ich nicht bei Jozarnays Beerdigung gewesen bin. Ich konnte einfach nicht da hin gehen, weil es diesmal ich war, der sich schuldig fühlte. Wie hatten wir es so lange übersehen können? Das frage ich mich heute immer noch. Würde er noch leben, wenn wir es früher entdeckt hätten? Ich habe mitbekommen, daß er eine Frau und zwei Töchter zurück läßt. Zumindest hatte er auch das Glück, für ein paar Jahre eine Familie zu haben. Ist bei euch denn eigentlich Nachwuchs unterwegs? Ich würde zu gerne wissen, wie eines eurer Kinder aussehen würde. Sicherlich hätte es schneeweißes Haar, genau wie Ardev selbst. So ist das nun mal, wenn andorianische Gene dominant sind. Ich, ich... ich würde mich sehr über eine Antwort freuen. Bitte. Und sagen sie ihrem Mann, das es mir Leid tut.
Aufnahme beenden.“
Der Schriftzug an der Seite des Monitors erlosch und Lewinski erhob sich von seinem Sofa, rückte dabei seine Uniform zurecht.
„Computer“, befahl er, „schicke diese Nachricht an Lieutenant-Commander Arena Tellom, USS Midway.“
„Bestätigt.“
Intuitiv hoffte John, daß sie nicht darauf antworten würde. Und er hoffte, daß sie es tun würde. Was für eine Dialektik!
Anhand des massiven Schattens, der über seine Computerkonsole geworfen wurde, erkannte Tares Belh den Besucher sofort als den massiven Gorn Professor Hac´cc. Der Bajoraner drehte sich von seinem Display und den auf ihm erscheinenden Proben weg und musterte das große graue Reptil. Für jemanden, der nicht mit dieser Spezies vertraut war, mochten die zischenden Laute, die Hac´cc fast die ganze Zeit über ausstieß, beängstigend sein, doch inzwischen hatte sich jeder der hier anwesenden daran gewöhnt. Auch dies war einer der Gründe für die Multiplanetare Allianz gewesen, ein gemeinsamen Forschungsrat zu gründen. Nicht nur, um gemeinsam fremde Welten und Rassen zu erkunden, sondern auch, um sich selbst näher kennen lernen zu können. Denn der Frieden war ein brüchiges Gerüst und mußte in mühsamer Kleinarbeit erkämpft werden.
„Wir haben die Hälfte der Proben fertig“, zischte Hac´cc und sein Gesichtsausdruck verriet Erschöpfung. Tares konnte dies sagen, denn er kannte den Gorn schon lange. Jeder andere hätte nichts aus der steinern scheinenden Maske interpretieren können.
„Gut“, lobte Tares. Eine solch immense genetische Überprüfung war kein Zucker schlecken und daher gebührte jedem seiner Mitarbeiter nach Beendigung dieser Aufgabe eine lange Pause. „Ich möchte nun, daß wir anfangen, die genetischen Proben der Mischlinge mit denen der MPA-Schiffe zu vergleichen.“
Hac´cc erstarrte.
„Alle? Dies kann ewig dauern!“
„Nicht unbedingt“, erläuterte der Bajoraner. „Zaresia liegt weit abseits aller Handelsrouten, oder? Also fallen schon mal alle Frachtschiffe weg. Dann liegt der Planet mitten im Raumgebiet der Föderation. Die Logik diktiert also, daß wenn schon nur ein Schiff der Sternenflotte hier mal abgestiegen sein kann.“
„Das ist ein Schuß ins Blaue!“
„Mag sein. Aber wir können es trotzdem versuchen.“
„Und wie kommst du an die Erlaubnis, die medizinischen Dateien aller Sternenflottenoffiziere überprüfen zu dürfen?“
Nun lächelte Belh.
„Die habe ich schon. Ein gewisser Admiral Land, der für diesen Sektor zuständig ist, hat mir die Erlaubnis erteilt, sofern wir gewisse Richtlinien beachten. Daher muß der wissenschaftliche Offizier der Midway uns zur Hand gehen. Ich denke, du kennst sie ja schon.“
„In der Tat.“
Tares stand auf und klatschte in die Hand.
„Also, dann wollen wir mal, was?“
Und abermals machten sie sich an die Arbeit. Wie hätten sie zu dem Zeitpunkt ahnen können, zu was für einem Ergebnis sie kamen?
„Sagen sie mal, Sir, finden sie das nicht langweilig?“
Die Frage des jungen Fähnrich Sorrop an der Navigationskonsole kam so unerwartet und spontan, daß Captain Ardev und sein erster Offizier losprusten mußten. Eine solche Frage an Bord eines der wichtigsten Raumschiffe der Föderation zu stellen, war einfach... schamlos.
„Ganz im Gegenteil“, antwortete Ardev lächelnd und machte es sich in seinem Kommandosessel noch bequemer. „Fähnrich, sie sind jung und sollten daher folgenden Rat beherzigen: nehmen sie eine Pause wahr, wann immer die Gelegenheit dazu ist, denn man weiß nie, was im nächsten Moment geschehen wird. Eine neue Mission, ein Krieg... dies kann alles innerhalb von Sekunden passieren.“
„Pah! Es hat seit mehr als fünfundzwanzig Jahren keinen Krieg mehr gegeben!“ spöttelte Sorrop und fixierte mental wieder die Navigationskonsole. Nun gut, auch als Captain des Raumschiffes Midway konnte Ardev niemanden zu seinem Glück zwingen. Wenn der junge Argellianer keine Ruhe haben wollte, dann war dies halt sein Problem. Im Gegensatz zu ihm nämlich genossen die anderen eintausend Crewmitglieder die Pause vom Arbeitsalltag. Zu dumm nur, daß Zaresia ein unterentwickelter Planet war, er hätte sich ausgezeichnet für einen kleinen Landurlaub geeignet. Ardev seufzte wieder und genoß die Ruhe auf seiner Brücke. Keine Notfälle, keine Pannen. Alles lief normal. Der Traum eines jeden Kommandanten halt. Gerne hätte er natürlich die freien Minuten mit seiner Frau verbracht, doch
Lieutenant-Commander Tellom, wie ihre offizielle Bezeichnung während des Dienstes lautete, weilte noch immer auf dem Planeten und kümmerte sich um irgendwelche Untersuchungen. Es war irgendwie traurig, daß er nur noch sehr wenig Interesse für die Wissenschaft an den Tag legte, denn immerhin hatte Ardev seine Karriere in eben jenem Bereich gestartet. Doch ein eigenes Kommando nahm schon so genug Zeit in Anspruch, so konnte er nicht auch noch seiner Frau, die eigentlich hervorragende Arbeit leistete, unter die Arme greifen. Seine ganze wissenschaftliche Karriere lag einfach zu lange zurück, als daß er sie hätte noch einmal aufgreifen können.
Die Türen des Turbolifts öffneten sich und entließen einen inzwischen wohlbekannten Mann: Doktor Tares Belh! Mit einem seltsam neutralen Gesichtsausdruck näherte sich Captain Ardev und beugte sich schließlich verschwörerisch zu ihm hinunter, um ihm etwas zu zuflüstern.
„Ich denke, wir sollten besser in ihrem Büro miteinander sprechen.“
Ardev, wie immer Herr der Lage, blickte ihn mit keiner Spur von Überraschung an.
„Wieso sollten wir dies tun, Doktor?“
Der Bajoraner erwiderte nun mit etwas mehr Nachdruck, ohne dabei unhöflich zu werden:
„Ich bin mir sicher, Captain, das sie gerne diese Angelegenheit genauso diskret wie ich klären möchten.“
„Ich weiß zwar nicht, wovon sie reden“, murmelte Ardev und erhob seinen sportlichen Körper aus dem Kommandosessel, „aber ich werde ihrer Bitte entsprechen. Anscheinend kennen sie ja den Weg.“
Belh ging voraus und Ardev folgte ihm in sein recht geräumiges Büro. Mit einer eleganten Bewegung umkreiste der Andorianer seinen Schreibtisch, ließ sich in den Stuhl fallen und legte die Füße auf den Tisch. Eigentlich keine freundliche Geste, doch das Jahr unter Captain Price hatte seine Spuren hinterlassen. Der bajoranische Wissenschaftler schien ihm diese Geste ohnehin nicht krumm zu nehmen, war er doch schon die klingonischen Eskapaden gewohnt.
„Also“, eröffnete Ardev das Gespräch, wobei sich sein Fühler neugierig hin und her bewegten, „was kann ich für sie tun?“
Während der nun folgenden Sätze blickte Tares den Kommandanten der Midway emotionslos an. Es klang weder ein Vorwurf, noch Überraschung in seiner Stimme, als er erklärte:
„Wie sie vermutlich wissen, haben wir in den letzten Tagen umfangreiche genetische Analysen von den Zaresi gemacht, die die ominösen andorianischen Merkmale aufweisen. Es war eine mehr als mühevolle Arbeit, dies kann ich ihnen versichern, wobei das Ergebnis mehr als seltsam ist.“
„Na kommen sie schon! Jetzt wird´s spannend!“
Der Bajoraner ließ sich von dieser Unterbrechung nicht stören.
„Nach einigen Scans“, fuhr er fort, „fanden wir heraus, daß in einigen wenigen Betroffenen ein bestimmtes genetisches Profil enthalten ist. Mit der Erlaubnis von ihrem Vorgesetzten, Admiral Land, haben wir die DNA mit der Datenbank der Sternenflotte verglichen. Als wir das Ergebnis hatten, haben wir zur Sicherheit es noch einmal mit der Datenbank der gesamten MPA verglichen. Und dann bestand kein Zweifel: SIE sind Schuld an diesen Halb-Andorianern!“
„Ich?“ Mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Spott erhob sich Ardev aus seinem Stuhl und trat zu dem Wissenschaftler. „Ich? Wieso sollte ich? Ich war nie auf diesem Planeten gewesen...“
„Lügen sie mich bitte nicht an, Captain!“
„Ich war nie dort! Die Akten beweisen dies.“
„Dann müssen die Akten falsch sein. Akten, die sie vor fünfundzwanzig Jahren bewußt falsch geschrieben haben. Sie gehören zu den ganz wenigen Offizieren der Sternenflotte, der in den letzten Jahrzehnten durch diesen Sektor hat fliegen müssen. Das beweisen sogar die Akten von Starfleet Intelligence!“
„Sie hatten Einsicht in die Akten des Geheimdienstes?“ fragte Ardev empört. Diese Sache nahm ja immer ungeheuerlichere Ausmaße an.
„Haben sie es vergessen, Captain? Sie haben mir diese Akten überhaupt erst gebracht! Na los, geben sie es doch zu: sie sind mal aus irgendeinem Grund, sei es Unfall oder persönlicher Wille gewesen, auf diesem Planeten gelandet und waren nicht einmal in der Lage gewesen, für eine kurze Zeit ihre körperlichen Triebe zu beherrschen. Nein, sie schwängerten statt dessen eine Zaresi und erzeugten so Nachkommen, die andorianisches Erbgut in sich tragen!“
„Ich...habe...niemanden...geschwängert!“ preßte Ardev zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch und jedes einzelne Wort klang wie ein Donnerschlag.
„Sie lügen! Sie sind schuld, daß es da unten nun eine neue Rasse von Zaresi gibt, die systematisch von den anderen ihres Volkes ausgerottet werden sollen. Sie haben die Entwicklung einer ganzen Spezies beeinflusst.“
„Nein!“ schrie Ardev und schlug mit einer unglaublichen Wucht auf seinen Tisch, „ich habe dies nicht getan! Ja, ich war auf dem Planeten gewesen. Ja, es war ein Unfall gewesen. Doch nein, ich habe niemanden geschwängert!“
Nun herrschte Schweigen zwischen den Beiden, niemand wußte so recht, was er als Nächstes sagen sollte. Schließlich entfernte sich Tares langsam und setzte sich auf die bequeme Pritsche, die im Bereitschaftsraum aufgestellt worden war. Mit einer fast schon nachsichtigen Stimme, als ob ein Lehrer eine Schüler den Sinn des Nachsitzens erklärte, sagte der Bajoraner:
„Captain, bitte erzählen sie mir einfach alles. Ich verspreche, daß ihre Frau nichts von alledem erfahren wird. Ich kann sie zwar nicht vor einem möglichen Prozeß schützen...“
„Wieso sollte es einen Prozeß geben?“
„...dann erzählen sie mir doch bitte, was geschehen ist!“
Ardev seufzte. Er gab auf. Das Geheimnis, daß so lange Zeit in ihm geschlummert hatte, kam nun zum Vorschein. Es hatte keinen Zweck mehr, zu lügen. Statt dessen packte er aus...
Vor fünfundzwanzig Jahren...
Alle Dorfbewohner, die sie getroffen hatte, hatten Angst vor dem Objekt gehabt. Ein Objekt, daß in der Nacht zuvor in einem lodernden Feuerball vom Himmel gestürzt war, ein Flucht, geschickt von Gott selbst, um die Zaresi für ihre Sünden zu strafen. Nur Cirah hatte keine Angst gehabt, ganz im Gegenteil: sie war fasziniert gewesen. Von Kindesbeinen an hatte sie versucht, so viel wie möglich über ihre nähere Umwelt zu erfahren, sei es Natur, Technik oder Wissenschaft gewesen. Die Bewohner des Dorfes waren jedoch alles andere als begeistert darüber gewesen, daß eine solch ketzerische junge Dame in ihrer Nähe wohnte und so war sie eines Tages gezwungen gewesen, einige Kilometer vor das Dorf zu ziehen. Glücklicher- oder unglücklicherweise (je nach dem, aus welchen Blickwinkel man die Situation betrachtete) war der Feuerball in der Nähe Cirahs nieder gegangen, wobei er nicht den ohrenbetäubenden Knall gemacht hatte, den Asteroiden sonst immer verursachten. Nein, dieses Objekt schien letztendlich sanft zur Erde geglitten zu sein und hatte dabei tiefe Schlieren im Gras hinterlassen. Noch in der Nacht war Cirahs Neugierde geweckt worden und die junge Frau war zu dem vermeintlichen Asteroiden geeilt. Leider war dies kein Asteroid gewesen. Statt dessen schien es eine Art Gefährt zu sein, daß in einem beruhigenden Weiß schimmerte. Cirah hatte die Außenhand berührt und überrascht festgestellt, daß die extreme Hitze, die ein Asteroid normalerweise nach dem Eintritt in die Atmosphäre besaß, bei diesem Objekt fehlte. Und sie fand noch etwas. Eine Art Luke, ein Eingang in das Innere. Vorsichtig, doch eher furchtlos kletterte Cirah, nur mit einer Fackel bewaffnet in das Innere und zuckte zusammen, als sie sich in einer hell erleuchteten Umgebung wiederfand. Ein geschlossener Ort, an dem es Licht gab, ohne das Fackeln oder Kerzen ihn erhellten? Dies war einfach unglaublich! Staunend blickte sich Cirah um und sah weitere blinkende Lichter, die flackerten und scheinbar versuchte, sie zu hypnotisieren. Dann fiel ihr Blick in den vorderen Bereich des Objekts. Dort war eine Person! Langsam näherte sich Cirah der Person und erhellte sie mittels einer Fackel. Und erschrak. Dies war kein Wesen, wie sie es zuvor gesehen hatte. Es war kein Tier und auch kein Zaresi selbst. Eine Mischung aus beidem? Die junge Frau wußte es nicht. Sorgsam musterte sie das Wesen: blaue Haut, schneeweißes Haar und seltsame Stengel an seinem Kopf. Ob es Lichtquellen waren? Eine grüne Flüssigkeit klebte am Kopf und am schwarzen Oberkörper des Wesens. Oder war es nur seine Kleidung? Es stöhnte leise auf, ohne sich zu rühren. Fasziniert betrachtete Cirah noch eine Weile das Wesens und begriff schließlich, daß es Schmerzen hatte. Es schien verletzt zu sein. Doch was sollte sie tun? Konnte sie es mitnehmen, es berühren? Was ist, wenn seine Haut giftig war, wie das mancher Fische? Oder war er eine wilde Bestie, die sie anfallen würde, sobald er zu Bewußtsein kam? Es galt, eine Entscheidung zu treffen. Die junge Zaresi kaute nervös auf ihrer Unterlippe und entschied sich dann, das Wesen nach Hause zu tragen. Es kostete sie all ihrer Kraft, das Wesen auf die Schultern zu stemmen, denn es schien fast 50 cm größer als sie selbst zu sein. Daher dauerte der Weg zurück zu ihr nach Hause auch eine Stunde, statt der sonst üblichen fünf Minuten, so groß war die Anstrengung. Zuhause, in ihrer Baracke, legte sie das Wesen auf ein Strohbündel und betrachtete es. Nach einigem Überlegen entschied sie sich dafür, die Flüssigkeit als Blut und daher die Öffnungen als Wunden zu interpretieren. Aber was konnte sie dagegen tun? Wieder überlegte Cirah hin und her und entschied sich schließlich, einen traditionellen Heilverband anzulegen. Wenn dies nichts half, dann wußte sie auch nicht weiter.
Warme Sonnenstrahlen strichen über seine blaue Haut. Langsam, mit dröhnenden Kopfschmerzen, erhob sich Ardev langsam und sah sich um. Dies hier war nicht sein Shuttle. Es sah mehr aus wie eine Scheune oder eine Hütte. Deutlich spürte er das Heu, daß ihn scheinbar ohne Gnade pikste. Ein Holztisch, zwei hölzerne Schemel, ein Kamin. Die Wände waren aus Lehm und die Decke aus Heu und Strohballen. Insgesamt keine sehr ansprechende Behausung. Kurz fragte sich der Andorianer orientierungslos, wo er war, dann fielen ihm langsam wieder die Details des letzten Tages ein. Die Konferenz, von der er zurückkehrte. Die Maschinenprobleme. Der Absturz auf dem Planeten. Zaresia. Ja, so hieß der Planet.
Es raschelte. Eine sehr kleine Frau, Ardev schätzte sie auf ungefähr 1,40 m, stand in lumpigen Gewändern in der Tür und betrachtete ihn leicht verängstigt.
„Hallo“, sagte Ardev und rieb sich den Kopf. Aufgrund seiner Kopfschmerzen hingen seine Kopffühler lose herab. Die Frau antwortete nichts und bestaunte Ardev weiter. Schnell wurde ihm der Grund klar. Natürlich, dies hier mußte eine Prä-Warp Gesellschaft sein. Ein Umstand, der die momentane Situation nicht gerade erleichterte. Denn die Oberste Direktive band ihn nun daran, sich so wenig wie möglich, am besten gar nicht, in die Entwicklung dieses jungen Volkes einzumischen.
„Wie lautet deine... ihre Bezeichnung?“ fragte die Frau schließlich.
Der Lieutenant lächelte und wieder dröhnte sein Schädel.
„Meine Bezeichnung lautet Ardev. Dies ist mein Name, zumindest lautete er gestern noch so.“
Die Frau lächelte nun, obwohl der Witz wirklich mies gewesen war. Zaghaften Schrittes traute sie sich näher an den Andorianer heran und musterte weiter sein fremdartiges Aussehen.
„Sind sie ein Gott?“ fragte die Zaresi unschuldig.
Die Frage war so unerwartet, daß Ardev sie im ersten Moment gar nicht begriff.
„Nein, nein ich bin kein Gott.“
„Aber sie kommen doch vom Himmel?“
„Ja, aber nicht vom Himmel, so wie sie ihn verstehen.“
Mehr konnte er nicht sagen. Das fehlte ihm noch, daß er auf einmal der neue Messias einer Zivilisation wurde. Die allmächtige Oberste Direktive schwebte in seinem Kopf herum, gleich neben den rasenden Kopfschmerzen. Abermals wollte sich Ardev aufrichten und stieß gegen die Decke. Das Haus war natürlich aufgrund der geringen Körpergröße de Zaresi viel kleiner gebaut. Dabei fielen ihm die angelegten Verbände auf.
„Waren sie das?“
Die Zaresi nickte ehrfürchtig.
„Danke. Meine Wunden sollten wohl Beweis genug sein, daß ich nur ein einfacher Sterblicher bin.“
„Einer wie ich?“ fragte die Frau ungläubig.
„Natürlich“, erwiderte Ardev lächelnd und versuchte, sich etwas die Beine zu vertreten; sorgsam darauf bedacht, nicht gegen etwas zu stoßen. „Sie haben mir noch nicht ihren Namen verraten.“
„Wieso sollte ich ihnen den nennen?“
„Ich weiß halt gerne, wem ich zu danken habe.“
Die Frau blickte kurz gen Boden.
„Cirah.“
„Ein schöner Name.“
„Danke. Wieso verstehen sie überhaupt die Worte, die ich spreche?“
„Eine lange Geschichte, die ich nicht erklären kann.“
„Dann sind sie doch ein Gott.“
„Nein, bin ich nicht“, entgegnete Ardev, immer noch bemerkenswert geduldig. „Cirah, auch wenn ihre Gastfreundschaft hervorragend ist, wüßte ich gerne, wo mein Gefährt ist, aus dem sie mich vermutlich gerettet haben. Ich möchte nämlich so schnell wie möglich wieder ihren Ort verlassen, was übrigens nichts gegen sie ist. Können sie mir den Fundort zeigen?“
„Sicherlich“, antwortete die junge Frau und schien nun langsam Vertrauen in das seltsame Wesen zu fassen, daß einfach so hier in ihrem Haus stand. Nach einem kurzen Marsch durch schlammige Gräser erreichten sie das abgestürzte Shuttle und der Lieutenant inspizierte die Schäden.
„Cirah, ich möchte sie nun bitten, nach Hause zurückzukehren. Es wird hier etwas dauern.“
Ardev war überrascht, daß sie keinen Einspruch einlegte.
„Ist gut. Ich werde eine Suppe für sie vorbereiten, damit sie wieder zu Kräften kommen.“
„Sehr liebenswürdig. Danke.“
Zwar überkam ihn ein kurzzeitiger Anflug von Paranoia, doch nachdem sich Lieutenant Ardev gefragt hatte, wieso sie ihn vergiften sollte, nachdem sie ihn zusammen geflickt hatte,
verwarf er diese Bedenken.
Mit einem gewissen Selbstlob musterte er die geringen Schäden am Shuttle. Er wußte zwar immer noch nicht, wieso die Systeme zu plötzlich versagt haben, doch er hatte eine bemerkenswerte Landung hingelegt. Nur einige Leitungen und Relais mußten repariert werden. Vielleicht war dies einer dieser ungeklärten Shuttleabstürze, die einmal alle dreißig Jahre vorkamen. Trotz der geringen Schäden machte sich Ardev Sorgen. Er war einige Tage zu früh von der Konferenz für Black Ops-Technologie heimgekehrt, also brauchte er sich keine Hoffnungen darauf machen, daß die Monitor ihn suchte. Und da er nicht plante, sich einige Sehenswürdigkeiten anzusehen, wollte er so schnell wie möglich Zaresia wieder verlassen, einen Planeten, der auf den meisten Flugrouten ohnehin nicht eingezeichnet war. Es hatte ihn nur durch Zufall hier hin geführt und nun bereute er diesen Trip. Aber, es half nun mal kein Jammern und so machte sich der Einsatzoffizier an die Arbeit. Erst einmal verabreichte er sich einige schmerzunterdrückende Medikamente. Dann zog er sich eine frische Uniform an und aß einen Notrationsriegel. Und schließlich ging es an die richtige Arbeit, die noch die ganze Nacht dauern würde.
Cirah saß an ihrem einfachen Tisch und löffelte ihre Suppe, immer noch ungläubig darüber, was am heutigen Tage geschehen war. Sie wußte nicht, was er war, sie wußte nur, daß er ausgesprochen sympathisch und ungemein nett war, eine Eigenschaft, die Cirah schon seit längerer Zeit nicht mehr miterlebt hatte. Das natürliche Mißtrauen, daß die anderen Dorfbewohner ihr entgegenbrachten, war schon so schwer genug zu ertragen, doch dieses Wesen erinnerte sie daran, daß es auch freundliche Geschöpfe gab. Inzwischen waren die Monde aufgegangen und Ardev, so nannte er sich jedenfalls, war immer noch nicht zurückgekehrt. Ein Grund, sich Sorgen zu machen? Sie wußte es nicht. Sie konnte jedoch davon ausgehen, daß er zurecht kam.
Plötzliches Stimmenwirrwarr von draußen erweckte ihre Aufmerksamkeit. Mißtrauisch trat sie an die Haustür und sah einige Männer, die mittels Fackeln die Umgebung erhellten und vor ihrem Haus Stellung bezogen hatten. Sorgenvoll bemerkte sie, wie der helle Stahl von Schwertern im Mond- und Fackellicht glänzte. Ein korpulenter Mann, der noch kleiner als die meisten Zaresi war, trat langsam vor. Es war Onak, der übliche Unruhestifter.
„Dämonisches Wesen, daß sich Cirah nennt! Wir wissen, daß du ein seltsames Untier bei dir Zuhause hast. Gib es raus und wir werden dich verschonen. Ansonsten wirst du Mätze in deinem eigenen Blut ersaufen!“
Die anderen Anwesenden, die meisten waren Männer, stimmten in ein zustimmendes Geheul ein. Obwohl sie wußte, daß es klüger gewesen wäre, schrie sie zurück:
„Okon, ich habe hier niemanden. Du hast dich mal wieder verhört! Passiert ja nicht zum ersten Mal!“
„Du lügst“, schallte es zurück, „ich habe selbst gesehen, wie du diese Bestie zu dir gebracht hast! Was für teuflische Experimente hast du diesmal vor?“
Und bevor Cirah etwas erwidern konnte, stürmte einer der Vandalen los, was die anderen mitriß. Mit einem Mark erzitternden Schlachtgeheul rannten sie auf Cirahs Hütte zu, die Schwerter bedrohlich erhoben. Die junge Zaresi fürchtete um ihr Leben, hatte sie doch selber keine Waffen zu Hause und war auch sonst nicht in der Lage, sich zu verteidigen. Also konnte sie nur Frieden mit ihrem Schöpfer machen und versuchen, sich so gut wie möglich zu verstecken. Doch dann hielt sie inne, als sie ein zischendes Geräusch vernahm: Blitze, obwohl keine Wolken zu sehen waren, zuckten über das Gras und warfen einen Zaresi nach dem anderen zu Boden. Cirah sah genauer in die Dunkelheit und erkannte erfreut Ardev, aus dessen Hand Blitze die Angreifer zu Boden warfen. Innerhalb von Sekunden war es still, denn länger hatte der Widerstand gegen den Mann (?) nicht angedauert. Erleichtert rannte Cirah nach draußen.
„Was war das? Magie?“
„Nein, im Gegenteil, aber ich kann es nicht erklären, antwortete der Andorianer und blickte sich um.
„Sind sie tot?“
„Nein, sie schlafen nur für eine Weile. Zeit genug für dich, zu verschwinden.“
„Danke.“ Und in Ermangelung einer Alternative, und obwohl dies aufgrund ihrer Größe sehr schwer war, küßte sie ihren Retter. Ardev war viel zu überrascht, um zu reagieren und obwohl er in einer Beziehung war, mußte er zugeben, daß dies der verdammt beste Kuß war, denn er jemals erlebt hatte. Dann, nach langen Sekunden, riß sich Ardev los.
„Ich muß nun fort“, sagte er und Cirah nickte. Langsam entfernte sich Lieutenant Ardev ins Gebüsch und wurde nie wieder gesehen.
In der Zukunft...
„Und sie wußte nicht, daß Zaresi durch simples Küssen schwanger werden?“
Ardev antwortete mit der Wahrheit:
„Natürlich nicht. Wie denn auch? Zu dem Zeitpunkt waren die Zaresi kaum erforscht und ich war kein Experte für Exobiologie. Nein, ich verschwand einfach mit dem Shuttle, daß ich repariert hatte und kehrte zu meinem Schiff zurück, ohne mir weitere Gedanken darüber zu machen. "
„Und warum leugneten sie den Absturz?“ fragte Belh.
„Ein Fehler von mir, ich weiß. Als junger Offizier war ich natürlich auch auf meine Karriere bedacht. Ich befürchtete, die Oberste Direktive gebrochen zu haben. Also veränderte ich das Computerlogbuch und log meine kommandierenden Offiziere an.
„Aber sie haben die Direktive gebrochen“, antwortete Tares und klang dabei sogar verständnisvoll, „sie schufen quasi einen neuen Teil einer Spezies. Eine Art von Halb-Andorianern, die nicht zuletzt aufgrund ihrer angeblich ketzerischen Fähigkeiten, die auf sie zurückgehen, gejagt und getötet werden.“
„Es ist nicht meine Schuld.“
„Ich glaube ihnen das. Aber ich muß sie melden. Und sie werden sich aufgrund dieser Lüge verantworten müssen.“
„Ich weiß.“
Er wußte es tatsächlich. Er hatte in der Vergangenheit einen Fehler gemacht, der ihn nun, fünfundzwanzig Jahre später einholte. Es war irgendwie eine gerechte Strafe.
„Ich möchte sie nur bitten“, bat Ardev ein letztes Mal, „dies alles noch nicht meiner Frau zu sagen. Dies werde ich selber tun müssen.“
Tares nickte verständnisvoll.
Gemeinsam verließen Kommandant und Wissenschafter das Büro, um die Berichte einzureichen. Während der nun folgenden schweren Monate hatte sich Ardev jedoch nie eine Frage gestellt: wieso war eigentlich ausgerechnet die Midway hierher nach Zaresia geschickt worden?
- Ende -
Quelle: treknews.de
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