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Monitor 3x08 "Trauer" Zip File Rating Größe: 160 kB |
Ein absolutes Meisterwerk. Es wurde einem nie langweilig, es zu betrachten und macht dies schließlich nicht das Großartige aus? Egal aus welchem Blickwinkel man es betrachtete, immer wieder fielen ihm neue Nuancen und Farben an dem Bild auf. Admiral Kashari seufzte, als der das Gemälde Frau in vier Dimensionen mit hinter dem Kopf gefalteten Händen betrachtete. Zu schade, dass der inzwischen unbekannte Zeichner dieses Bildes nie ein zweites Werk hatte zeichnen können, dass auch nur ansatzweise an die Qualität seines Erstlings herangereicht hätte. Welch Liebe und Zuversicht musste der Künstler bei der Erschaffung des Bildes investiert haben und wie groß mag wohl die Enttäuschung gewesen sein, die er empfunden hatte, als keines seiner anderen Kunstwerke richtig berühmt wurde. Ja ja, die Kunst war schon eine Wissenschaft für sich...
Vor einigen Monaten hatte der Zakdorn dieses Gemälde in seinem Büro aufgehängt, während seiner Bemühungen, seinen Arbeitsplatz etwas einladender zu gestalten. Sein ganzes Leben lang hatte er keine besonderen Bedürfnisse gehabt und stattdessen in spartanischen Unterkünften gelebt. Doch nun, nach fast fünfundsechzig Jahren seines beachtlichen Lebens war er eines Morgens aufgestanden und hatte den Wunsch verspürt, dass sich etwas ändern sollte. Und so hatte er begonnen, sein Büro auf Starbase 67 zu verschönern. Zu schade, dass John Lewinski nicht die Chance bekommen hatte, dieses neue Ambiente zu begutachten. Er fehlte Kashari noch immer, auch wenn schon fast acht Monate seit seinem Verschwinden vergangen waren. Wie mochte es seinem alten Schüler, Freund und nicht zuletzt besten Kommandanten in diesem Sektor gehen? Kashari hatte natürlich seine Ressourcen eingesetzt, um den Menschen ausfindig zu machen, doch er war an dieser Aufgabe gescheitert. Wenn John nicht gefunden werden wollte, so geschah dies auch nicht. Er war einfach zu lange dabei, um sich einfach so leicht aufspüren zu lassen.
Seit Lewinskis Verschwinden hatte der Zakdorn ein tiefes Gefühl der Trauer in sich. Erst wenn eine Person verschwunden war, wusste man erst, wie viel sie einem bedeutet hatte. Und nun? Die Monitor flog zwar immer noch, wurde aber von einem Weltraumcowboy kommandiert, dessen Loyalität sich der Admiral immer noch nicht sicher war. Sicher, Price hatte schon viel getan und merkwürdigerweise schien er ein fähiger Captain zu sein, aber man durfte ihm noch nicht vollends vertrauen. Konnte es überhaupt jemals eine Rückkehr für John Lewinski geben? Oder war Sektion 31 unschlagbar?
Plötzliche Übelkeit machte sich in ihm breit. Überrascht griff sich der Zakdorn an die Kehle, als ihm auch die Luft scheinbar zugeschnürt wurde. Was geschah hier? Mit der einen Hand schlug er auf seinen Kommunikator und wollte seinen Sekretär rufen, doch statt genauer Worte konnte er nur ein Röcheln zustande bringen. Seine Kräfte schwanden dahin und er fiel vom Stuhl, fiel mit einem lauten Knall zu Boden. Ihm wurde schwarz vor Augen.
Er kommt.
...
Wie es wohl für jedes Mitglied der Sternenflotte üblich war, weckte um 6:30 der Bordcomputer den ersten Offizier der USS Monitor, Bruce Land. Auch wenn er natürlich gerne ein paar Stunden länger als andere Menschen schlief, so hatte er sich inzwischen doch daran gewöhnt, „mitten in der Nacht“, wie er es scherzhaft ausdrückte, aufzustehen. Langsam, ohne übertriebene Hast, entstieg er langsam seiner Koje und ging zu einer kleinen Wandnische, deren Trennwand automatisch eingezogen wurde und wo ein kleines Bad zum Vorschein kam. Lieutenant-Commander Land genoss eine gründliche Wasserdusche und spürte, wie langsam neue Energie in seinen Körper strömte, als das Wasser an selbigem herunterlief. Er hasste einfach die Schallduschen, die es auf den meisten Raumschiffen der Föderation gab und er hatte penibel darauf geachtet, dass in seine Quartier eine altmodische Wasserdusche angebracht wurde. Danach trocknete er sich selbstverständlich ab und rasierte sich gründlich. Schließlich zog er seine säuberlich zusammengelegte Uniform ab und kämmte sich als letzten Schritt seine dunkelblonden Haare. Kurz betrachtete der Commander sein Ebenbild im Spiegel. Dieser Tag begann wie jeder andere. Doch diese hier war anders. Heute nämlich würde das Oberkommando eine Antwort auf seine Beschwerde bekannt geben. Als verantwortungsvoller Offizier hatte Land selbstverständlich einen Bericht an die Admiralität geschickt, wie Captain Matthew Price einfach eine Drogenfabrik bei ihrem letzten Einsatz bombardiert hatte. Das Schlimme an dieser Sache war, dass sich der betazoidische Kommandant immer noch keiner schul bewusst war, im Gegenteil, er beharrte darauf, zum Wohle aller gehandelt zu haben. Doch obwohl Bruce diesen Bericht abgeschickt hatte, der die sowieso recht ramponierte Karriere von Matthew Price zerstören konnte, ließ sich der Captain keinen Groll anmerken. Im Gegenteil, er schien sogar Verständnis für die Handlung seines ersten Offiziers zu zeigen. Und dies erschien Land irgendwie suspekt.
Kurz vor Schichtbeginn ging der Commander noch einmal ins Kasino, um zu frühstücken. Dabei grüßte er einige Kollegen und Freunde und machte sich dann über seine kleine Mahlzeit her. Er hatte noch nie viel morgens essen können und auch dieses Mal beschränkte er sich nur auf einen Fruchtsaft und ein belegtes Brötchen, bevor er seinen Dienst auf der Brücke antrat. Um exakt 7:00 Uhr ließ er seine Anwesenheit im Brückenlogbuch notieren und begab sich dann in den Bereitschafstraum des Captains. Dort, in seinem Stuhl am Schreibtisch sitzend, befand sich Captain Price und winkte ihm stumm als Begrüßung zu. Der menschliche erste Offizier nahm wie so oft in dem Stuhl gegenüber seinem Kommandanten Platz und musterte ihn. Wie so oft trug Price einen leichten Dreitage-Bart und seine schwarzen Haare waren zwar nicht unordentlich, aber doch ein wenig zerzaust. Gespannt richtete er seinen Blick auf sein Terminal und wartete.
„Ist eine Antwort schon eingetroffen?“ fragte Bruce Land überflüssigerweise und Price schüttelte den Kopf, wobei er ein Gähnen nicht unterdrücken konnte.
Einige Sekunden lang trommelten beide unterbewusst einen Rhythmus auf ihren Armlehnen, bis sich das Terminal auf Price Schreibtisch erhellte und das Föderationslogo samt der Unterschrift Eingehende visuelle Mitteilung erschien. Kurz trafen sich die Blicke von Price und Land. Wurde nun das Ergebnis bekannt gegeben, dass Captain Price´ Karriere zerstören konnte? Gespannt aktivierte der Kommandant sein Terminal, auf dem eine Person erschien, mit der er nicht gerechnet hatte. Admiral Edward Jellico blickte mit traurigem Gesicht in die Kamera.
„Captain Price,“ begann der Mensch und klang dabei schwer schockiert, „ich muss sie umgehend bitten, zurück zu Starbase 67 zu fliegen. Etwas sehr tragisches ist geschehen; Admiral Kashari wurde heute tot in seinem Büro aufgefunden. Jellico Ende.“
Unfähig, irgendwelche Worte zu artikulieren, blickte Commander Land zu seinem Kommandanten und stellte fest, dass dieser ebenso schockiert wie sein erster Offizier war. Schwungvoll erhob sich der Captain von seinem Sessel und betrat, gefolgt von seinem Navigator und Stellvertreter, die Brücke.
„Bringen sie uns zur Starbase, Commander. Warp 9!“
Auch Price wusste, dass der Tod von Admiral Kashari eine schwere Niederlage im Kampf für die Rückkehr von John Lewinski war. Denn nun war einer der wenigen, die um die Machenschaften Sektion 31 innerhalb der Sternenflotte wussten, tot.
Schnell verbreitete sich die Kunde dieser Nachricht auch auf dem restlichen Schiff. Die Brückenoffiziere hasteten gerade zu auf ihre Stationen, als würden sie so hoffen, irgendetwas unternehmen zu können, um das eben gehörte ungeschehen zu machen. Doch diese Hoffnungen, die jeder einzelnen von ihnen hegte, mussten zerstört werden. Admiral Kashari, der geniale Stratege und jahrelange direkte Befehlsgeber der USS Monitor war tot. Wie mochte er gestorben sein? Eines natürlichen Todes? Immerhin hatte der Zakdorn ein langes und erfülltes Leben gehabt. War es also für ihn Zeit gewesen, von der Bühne des Lebens abzutreten? Diese Frage würde wohl noch lange in ihrem Köpfen nachhallen.
Irgendwann schlug Lieutenant Bird mürrisch mit der Faust auf seine Konsole.
„Verdammt, nun haben die Schweinehunde auch noch ihn ausgeschaltet?“
Die Aufmerksamkeit aller auf der Brücke wandte sich in Richtung des taktischen Offiziers.
„Wie meinen sie das?“ fragte Ardev und runzelte die Stirn. „Wollen sie etwa andeuten, dass der Admiral getötet wurde?“
„Getötet? Ermordet wurde er! Beseitigt!“ meinte Bird missmutig und schüttelte den Kopf.
„Es lässt sich tatsächlich hier ein Muster feststellen,“ warf Fähnrich Tellom von ihrer wissenschaftlichen Konsole ein, „jeder, der auch nur ein wenig von Sektion 31 weiß, wird beseitigt. Ein Anzeichen dafür, dass diese Geheimorganisation um großen Rundumschlag ausholt.“
„Noch haben wir keinen Mord hier bewiesen,“ meinte Captain Price sachlich und würgte so diese sinnlose Diskussion ab.
Auch Lieutenant-Commnader Land stimmte seinem Kommandanten zu:
„Wir müssen einen Schritt nach dem anderen machen, Leute. Wir werden selbstverständlich die Umstände von Kasharis Tod untersuchen. Aber wir alle hier müssen uns auch mit der Möglichkeit anfreunden, dass der Admiral eines natürlichen Todes starb. Immerhin war er ein alter Mann gewesen und die Zakdorn haben leider nicht die selbe Erwartung wie wir sie erwarten dürfen.“
Die anderen verstummten daraufhin und konzentrierten sich wieder auf ihre Stationen, was sich als richtig erwies, denn Danny Bird meldete überrascht:
„Matt, ich habe hier ein Shuttle auf den Anzeigen, dass sich auf Abfangkurs befindet.“
Irritiert drehte Captain Price seinen Kommandosessel in Richtung technische Station und fragte Chief Woil:
„Funktioniert unsere Tarnvorrichtung nicht?“
Der Antosianer, der nun einen schwierigen und kraftraubenden Entzug durchmachte, um von der Droge Ketracel-Whte wegzukommen, weigerte sich, seine normalen dienstlichen Pflichten aufzugeben und hatte bisher keinen einzige Sekunde versäumt.
„Ganz im Gegenteil, sie funktioniert einwandfrei. Ich weiß auch nicht, wieso das Shuttle uns sehen kann.“
„Vielleicht nur ein Zufall?“ fragte Lieutenant Ardev in den Raum hinein, wusste aber selber, dass dies so gut wie unmöglich war.
Captain Price tippte sich zweimal kurz ans Kinn, bevor er eine Entscheidung traf:
„Sehen wir doch mal, ob dies alles nur ein Zufall ist. Mr. Land, fliegen sie bitte eine Linkskurve.“
Der Navigator gab die Befehle in die Steuerkonsole vor ihm auf und das Schiff wendete. Doch dieses Manöver schien das Shuttle nicht zu beeindrucken. Immer noch hielt es auf die Monitor zu und seltsamerweise schien es den Abstand zwischen den beiden immer mehr zu verringern. Nun galt es eine Entscheidung zu treffen. Was sollten sie nun machen? Immer noch den Anschein waren, als wären sie nicht existent oder sich enttarnen? Immer näher kam das Shuttle, welches Ardev als Runabout der Föderation identifizierte.
„Voller stopp! Enttarnen sie uns und Schilde hochfahren,“ befahl Price schließlich.
Das Kampfschiff stoppte abrupt ab und ließ die Tarnung fallen. Der Raum um die Monitor waberte kurz auf und dann war das Schiff wie aus dem Nichts erschienen.
„Wir werden von dem Shuttle gerufen!“
„Na dann lassen sie uns doch mal hören, was man von uns will.“
Der Anrufer wurde auf den Hauptschirm gelegt und provozierte ein ungläubiges Aufkeuchen der Brückenmannschaft. War dies möglich?
„Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?“ fragte John Lewinski und verzog seine Lippen zu der Andeutung eines Lächelns. Der ehemalige Captain war an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt.
Die Spannung an Bord war fast zum Zerreißen gespannt. Man stelle sich doch dies einmal nur vor: acht Monate lang war eine der wichtigsten Personen, die die meisten Personen an Bord der Monitor gehabt hatten, wie vom Erdboden verschluckt. Verschwunden, absolut nicht auffindbar. Und dann, nach so vielen Wochen, erschien mir nichts, dir nichts, diese Person und wollte an Bord kommen. Natürlich wollte niemand ihm diese Bitte abschlagen. Price und Land befanden sich beiden im Transporterraum des Schiffes und waren bereit, den Besucher an Bord zu beamen. Beide waren gespannt, jeder auf seine ganz persönliche Art und Weise. Bruce Land, weil er endlich wieder nach langer Zeit seinen Freund wieder zu Gesicht bekam und so zumindest definitiv wusste, dass diesem nicht schlimmes zugestoßen war. Und Matthew Price konnte sein Interesse nicht verhehlen, die Person endlich zu treffen, um die es letztendlich ging; eine Figur innerhalb der Verschwörung, die er selber nur aus Berichten und von Fotos kannte, jedoch nie selbst getroffen hatte. Nervös kaute Lieutenant-Commander Land auf seiner Unterlippe herum und nickte dann Fähnrich Bolder zu. Der Transporterchef, der selbst äußerst aufgeregt über das Auftauchen seines ehemaligen Vorgesetzten war, fuhr die Energie hoch und achtete, mehr noch als sonst, dass der ganze Materialisierungsvorgang reibungslos vonstatten ging. Langsam manifestierte sich aus der blauen Lichtsäule heraus John Lewinski. Sein Gesundheitszustand hielt einer ersten, oberflächlichen Untersuchung stand. Der ehemalige Kommandant schien keine körperlichen Defizite aufzuweisen. Doch sein Aussehen hatte sich gewandelt. Lewinski trug eine abgewetzte Lederjacke und bequeme Jeans, die aber auch einmal dringend ausgetauscht werden mussten. Genau wie bei Captain Price zeigte sich auf John Lewinskis Gesicht ein Bartschatten, doch bei ihm wirkte dies leider etwas ungepflegt. Doch dies alles spielte für Bruce keine Rolle. Sobald der Materialisierungsvorgang abgeschlossen war, stieg er die Treppenstufe zur Plattform hoch und umarmte seinen Freund fest. Dieser erwiderte die Willkommensgeste, klopfte ihm dabei noch auf den Rücken. Schließlich blickte ihn Land glücklich an.
„Gut, dass du noch am Leben bist,“ erklärte der Navigator, „nachdem du verschwunden warst, befürchteten wir schon das Schlimmste.“
„Gerüchte, mehr nicht,“ entgegnete Lewinski mit einem Lächeln; eine Geste die natürlich wie bei jedem anderen auch von leichter Trauer über das Ableben des Vorgesetzten Kashari gefärbt war. Noch einige Sekunden lang musterten sich die beiden Freunde ausgiebig. Jeder von ihnen fragte sich innerlich, was der jeweils andere in den letzten Monaten erlebt hatte. Und dann löste John Lewinski den Blick seiner blauen Augen, die er von seinem Vater geerbt hatte und wandte seine vollste Aufmerksamkeit Captain Price zu. Dieser erwiderte den Blick mit seinen für Betazoiden typischen schwarzen Augen. Beide schienen sich für kurze Zeit ein Blickduell liefern zu wollen, dann lächelte John abermals auf und reichte dem Kommandanten seines ehemaligen Schiffes die Hand. Der Betazoid ergriff diese.
„Captain Matthew Price,“ stellte er sich vor.
„John Lewinski. Sie haben sicherlich genug über mich genug gehört.“
„Nur positives. Ich hoffe, das gleiche gilt auch für mich.“
Der Kanadier nickte. Natürlich hatte er schon einiges von dem Betazoiden vernommen. Nachdem er in die Zombie-Abteilung gekommen war, hatte er sogleich die Dienstakte von Price ausgemacht, um zu überprüfen, ob es sich bei dem neuen Captain um einen Gefolgsmann der Sektion 31 handelte. Derartige Zweifel waren zwar immer noch nicht ganz ausgeräumt, doch zumindest entkräftigt, denn ganz ehrlich, wieso sollte die Geheimorganisation einen Mann mit so miserabler Dienstakte einstellen?
„Ich bin sicher, dass sie nicht auf dem Boden dieses Transporterraumes schlafen wollen,“ schlussfolgerte Price schließlich, „also werden wir ihnen selbstverständlich ein Quartier zuweisen. Bitte sehen sie es mir nach, dass ihr altes ihnen nicht mehr zur Verfügung steht.“
„Selbstverständlich. Was ist mit meinem Runabout?“
„Ich denke, wir können es per Traktorstrahl in Schlepptau nehmen, nicht wahr Matt?“ erwiderte Land, bevor sein Kommandant auch nur die Gelegenheit bekam, über diesen Punkt nachzudenken. Wie auch immer, dieser Vorschlag klang vernünftig. Mit einladender Geste führte er den neuen Gast nach draußen.
Das Casino war gut gefüllt. Nun gut, eigentlich kein ungewöhnlicher oder gar irritierender Zustand, doch das besondere daran war, dass schon der späte Abend angebrochen und die Essenzeit schon lange vorbei war. Der Grund dafür, dass sich die Führungsoffiziere des Raumschiffes Monitor im Aufenthaltsraum befanden, war ein anderer. Denn zum ersten Mal seit einer undenkbar langen Zeit bekamen sie die Gelegenheit, wieder einmal mit ihrem alten Captain in Kontakt zu treten. Alle waren sie da, um John Lewinski ihre Fragen stellen zu können... alle bis auf Captain Price, der von diesem Treffen eigentlich nichts zu wusste. Er hätte ohnehin nicht geplant, an selbigem teilzunehmen, wenn er davon Kenntnis genommen hätte. Nicht aus Unhöflichkeit Lewinski gegenüber, sondern vielmehr deswegen, weil er dieses Vertrauensverhältnis, dass sich hier aufgebaut hatte, nicht stören wollte.
Die Anwesenden hatten zwei Tische zusammengestellt und sich an sie gesetzt. Wie es sich für eine Respektsperson gehörte, saß John Lewinski am Kopf dieser improvisierten Runde.
„Captain, es ist schön, dass sie wieder hier sind!“ meinte Lieutenant Bird und seine Kameraden nickten zustimmend.
Der ehemalige Kommandant hob abwehrend seine Hände.
„Danny, ich bin nicht mehr in der Sternenflotte. Ab sofort laufe ich unter Mr. Lewinski oder John, wenn sie wollen.“
Ardev lachte auf.
„Sie beim Vornamen anzusprechen würde mich viel zu sehr an Captain Price erinnern. Ich für meinen Teil werde es beim Mr. Lewinski belassen.“
„Ich ebenso,“ stimmte Woil zu.
Lewinski grinste
„Ich bin hier wohl die einzige Person, die John lang genug kennt, um das Privileg zu haben, ihn beim Vornamen zu rufen,“ meinte Commander Land schmunzelnd und fragte: „John, wir haben uns seit deinem Verschwinden gefragt, was du machst. Wo du bist. Wie du dich über Wasser hälst?“
„Das darf ich leider nicht sagen.“
„Wieso? Dürfen sie dies nicht?“ fragte Fähnrich Tellom.
„Unter anderem. Außerdem würde dieses Wissen sie und mich in Gefahr bringen, also fragen sie besser erst gar nicht. Sie können sich aber alle sicher sein, dass sich alles in meiner Macht stehende tue, um Sektion 31 auf die Spur zu kommen.“
Die Anwesenden nickten. Diese Argumentation klang logisch.
„Was ist mit ihrer Wohnung? Steht sie nun schon seit acht Monaten leer?“
„Mein Vater kümmert sich um sie. Falls sie also gehofft haben, dort einzuziehen, so muss ich sie leider enttäuschen!“
Zustimmendes Gelächter erklang von allen. In den nächsten zwei Stunden tauschten alle ihre Gedanken und Erlebnisse aus und gegen Mitternacht beschlossen sie, ihre Runde aufzulösen. Denn trotz aller Fröhlichkeit, die der Besuch des ehemaligen Kommandanten auslöste, durften sie nicht den traurigen Anlass vergessen, zu dem sie unterwegs waren und wo sie morgen eintreffen würden. Alle bereiteten sich darauf vor, in ihre Quartiere zurückzukehren, nur Bruce Land blieb mit seinem besten Freund noch im Casino zurück. Zu lang war die Zeit ihrer Trennung gewesen, als das sie nun auseinander gehen konnten. Einige Zeit saßen sie nur da und schwiegen, genossen einfach das gemeinsame Gefühl der Vertrautheit, dass beide umgab.
„Beschäftigt dich sein Tod sehr?“ wollte der erste Offizier wissen.“
John seufzte.
„Ich habe die Nachricht von seinem Ableben aus heiterem Himmel erfahren. Wie du dir vorstellen kannst, war es für mich ein Schock. Ich musste weinen. Admiral Kashari und ich kannten uns seit mehr als zwanzig Jahren und wir haben einiges zusammen durchgemacht. Ich würde nicht soweit gehen, ihn einen Vater zu nennen, doch er war in der Tat so etwas wie ein Onkel für mich. Ich werde ihn vermissen.“
Der englische Navigator nickte. Eine logische Antwort.
„Denkst du, er starb eines natürlichen Todes?“
Müde und gestresst fuhr sich Lewinski erst durch das Gesicht, dann durch die Haare. Er ließ sich mit seiner Antwort viel Zeit.
„Ich weiß es nicht. In den letzten Monaten habe ich so oft über die Ereignisse, die uns alle betrafen, nachgedacht, dass ich manchmal befürchte, ich bin paranoid geworden. Verstehst du? Mein ganzes Innerstes, mein Gefühl sagt mir, dass der Admiral umgebracht worden ist und zwar von Sektion 31. Und immer dann, wenn ich so etwas denke, meldet sich mein Verstand zu Wort, der mich darauf aufmerksam machen will, dass Sektion 31 nicht für alles in diesem Universum verantwortlich sein kann. Jeden Tag sterben Personen auf völlig natürliche Art und Weise. Kashari war ein alter Mann, dies dürfen wir nicht vergessen. Um deine Frage zu beantworten: ich weiß nicht, was ich denken soll.“
Nach dieser Antwort entschieden sie, dass es Zeit für die Bettruhe war. Für den folgenden Tag würden sie ihre gesamte Kraft brauchen.
Der schicksalsschwere Tag hatte begonnen. Wie jede Person, die jemanden in seinem Leben lieb gewonnen hatte, hatte sich John Lewinski vor diesem Tag gefürchtet: der Tag, den diese Person nicht mehr erleben würde. Wie vermutlich jeder Erwachsene hatte John schon einmal diese Erfahrung durchgemacht, als seine Mutter verstorben war. Glücklicherweise lebte sein Vater noch und erfreute sich bester Gesundheit, doch wer konnte schon sagen, wie viel Zeit einem noch auf der Uhr des Lebens blieb?
Die Monitor war endlich bei der gigantischen Starbase 67 eingetroffen, eine Anlage, die vollständig unter dem Kommando des Sternenflottengeheimdienstes stand. Die ganze Atmosphäre auf der Brücke war gedämpft, als sich Navigator Bruce Land die Landeinstruktionen abholte und das Schiff vorsichtig an den größeren Kreuzern vorbei ins Dock manövrierte. Wie immer zeigte sich das geniale Können des ersten Offiziers, als er behutsam das Schiff an den Landeschacht anschloss. Nach und nach wurden die Systeme der Monitor heruntergefahren. Für die meisten Crewmitglieder, die nicht direkt vom Tode Kasharis betroffen waren, bot sich das Glück eines kurzfristigen Landeurlaubs. Für die Führungsoffiziere hieß es jedoch, an der Abschiedszeremonie für den Zakdorn teilzunehmen. Die Monitor war auf irgendeine geheimnisvolle Art und Weise immer schon das Zugpferd für den Admiral gewesen und so erschien es nur fair, wenn der ganze Stab sich zur Trauer einfand. Und auch für die Brückenbesatzung hatte Kashari etwas bedeutet, dies konnte Price selbst spüren. Er hatte eigentlich nur zwei-, dreimal den Admiral getroffen, als dieser ihm neue Aufträge zugeteilt hatte. Die Möglichkeit zu einem einfachen Plausch hatte sich ansonsten nie ergeben. Nun bereute er diesen Umstand natürlich. Gerne hätte er diesen Strategen, der für so viele etwas bedeutete, kennen gelernt. Abermals wurde sich der Captain der schmerzlichen Vergänglichkeit des Seins bewusst.
„Dann wollen wir mal. Gesamte Mannschaft wegtreten,“ befahl Price ungewöhnlich förmlich und erhob sich im Anschluss aus seinem Kommandosessel. Die Führungsoffiziere folgten ihn zur Andockluke, von wo aus sie das Schiff verlassen würden. Dort wartete schon John Lewinski auf sie. Der ehemalige Befehlshaber dieses Schiffes hatte sich nun frisch rasiert und dunkle, dezente Kleidung angelegt. Auch wenn seine momentane Lebenssituation nicht gerade rosig aussah, so wollte er doch für seinen alten Mentor und Freund posthum einen guten Eindruck machen. Als sich ihre Blicke abermals trafen, nickten sich Price und Lewinski zu. Immer noch nicht waren sie zu der Möglichkeit eines Gespräches gekommen und wenn man ehrlich war, sträubten sich beide ein wenig davor. Jeder wusste nicht, wie er auf die Anwesenheit des anderen reagieren sollte. Vielleicht bot sich ja später eine Gelegenheit.
Fast schon hatte Matthew Price damit gerechnet, dass sein Vorgänger als erstes das Schiff verließ, doch dieser entsann sich des guten Benehmens und reihte sich neben seinem Freund Bruce Land hinter Price ein. So bekam der Captain die Gelegenheit, eine spezielle Tradition der Monitor wahrzunehmen: der Captain ging immer mutig als Erster voraus, ganz gleich, was einen in der harten Welt draußen erwartete. Es war von je her eine moralaufbessernde Geste und auch dieses Mal erfüllte sie ihren Zweck; die Mannschaft mit Zuversicht auf die kommenden Ereignisse einzustimmen. Die Luke war leider etwas klein, so dass sich jeder den Kopf einziehen musste, doch nach Überwindung dieses kleinen, unbedeutenden Hindernisses waren sie entgültig auf Starbase 67 oder genauer: in einem der Zugangstunnel. Dort erwartete sie schon ihre erste Überraschung. Niemand geringeres als Admiral Edward Jellico stellte das Begrüßungskomitee dar. Price, der ihn als erster bemerkte, richtete sofort seinen mentalen Fokus auf den hinter ihm laufenden Lewinski. Er wusste, dass Admiral Jellico nicht ganz sauber war und auch etwas mit John Lewinskis Austritt aus der Sternenflotte zu tun hatte, also rechnete er, wenn nicht schon mit einem tätlichen Angriff, so zumindest mit einer starken Welle des Hasses. Doch zu seiner Überraschung blieb der kanadische Mensch völlig ruhig und ließ sich nichts anmerken. Er schien überhaupt keine Wut auszustrahlen, zumindest oberflächlich und Matt Price hatte im Moment kein Interesse, eine tiefergehende emotionale Sondierung seines Vorgängers durchzuführen. Er stellte sich vor den Mann, der seit einigen Monaten eines der höchsten Positionen innerhalb des Geheimdienstes bekleidete.
„Captain Price und die Monitor melden sich zur Stelle,“ gab der Betazoid bekannt. Unter normalen Umstände würde er sich niemals dieser förmlichen Sprache bedienen, schon gar nicht vor einem Mann, den er verabscheute. Doch dies waren keine normalen Umstände und es war keine Zeit für seine Spielchen. Hier war ein Leben zu Ende gegangen und er wollte es würdigen, so gut es ging.
Und was war mit Jellico? Der Mensch, der möglicherweise eine Schlüsselrolle bei der Verschwörung von Sektion 31 innerhalb der Sternenflotte bekleidete, wirkte seltsam geistesabwesend und ... ja, fassungslos; eine Emotion, die man bei diesem Menschen niemals erwartet hatte.
„Schön, dass sie gekommen sind,“ meinte Jellico, und mit einem Blick zu Lewinski, „es ist auch gut zu sehen, dass sie es hierher geschafft haben, John.“
Der Exil-Captain ersparte sich eine Antwort, ja gar eine Geste und starrte stattdessen Jellico an, so als ob er nicht glauben wollte, dass seine Trauer echt war. Mit einer einladenden Handbewegung deutete Jellico auf den Rest des Verbindungstunnels und forderte die Gruppe so auf, ihm ins Innere der Raumstation zu folgen. Die Offiziere taten wie ihnen befohlen und trotteten hinter der Spitze, bestehend aus Jellico und Price, hinterher.
„Ich weiß nicht, ob dies der richtige Zeitpunkt ist, Captain, also bitte ich, mir zu verzeihen,“ begann der Admiral und abermals klang er seltsam mitgenommen. „Wir haben selbstverständlich von ihrem ersten Offizier, Lieutenant-Commander Land, den Bericht ihrer Tätigkeiten bei der Lösung der Ketracel-White Krise bekommen. Natürlich war es unsere Pflicht, ihre Handlungsweise zu untersuchen unter dem Gesichtspunkt, ob ihre Taten angemessen waren?“
„Und das Ergebnis?“ fragte Price mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, wobei er sich bemühte, eine relativ teilnahmslose Miene zur Schau zu stellen.
„Mr. Price, wir haben beschlossen, sie nicht wegen ihrer Taten zur Verantwortung zu ziehen. Wir begrüßen zwar nicht ihre Tat, doch sie kommt uns, ganz ehrlich gesagt, nicht ungelegen. Es wird also auch kein Eintrag in ihre Personalakte geben, was sie wohl freuen wird.“
„Ja, Sir. Danke, Sir.”
Tja, was sollte man dazu nun sagen? Wenn Matt ehrlich war, hatte er mit diesem Ausgang gerechnet, ja diese Sache gar provoziert. Natürlich hatte er im ersten Moment im Affekt gehandelt. Er hatte diese Drogenfabrik samt ihrer Hersteller zerstören wollen, aufgrund seiner eigenen persönlichen Erlebnisse während seiner Jugend. Doch was immer man auch von ihm halten sollte, Matthew Price war ein erwachsener Mann. Er führte keine Kurzschlussreaktionen durch. Nein, diese Tat hätte er niemals begangen, hätte er nicht zumindest geahnt, dass sie keine Konsequenzen für ihn haben würde. Es war in gewissen Hinsicht also ein Test gewesen. Jeder andere Offizier der Sternenflotte wäre für diese Tat vor einem Gericht gelandet, doch er, Captain Matthew Price, der Kommandant mit dem wohl schlechtesten Ruf in der gesamten Sternenflotte, durfte so weitermachen wie bisher. Dies bestätigte nur die Annahmen, die er schon mehrere Monate gehabt hatte: man wollte ihn nicht entfernen. Aus irgendeinem Grund sollte er auf der Monitor bleiben und Fehler wie diese begehen. Und der Umstand, dass immer öfter die Einsatzbefehle von Admiral Jellico kamen, ließen nur den Schluss nahe, dass der Mensch für diese Ereignisse verantwortlich war. Und deswegen hasste er ihn insgeheim. Jellico hatte ihn zum Captain eines Raumschiffes befördert, doch nicht aufgrund seiner tatsächlichen Taten, sondern nur, weil er eine Schachfigur war, die er als Platzhalter eingesetzt hatte. Ein deprimierender Gedanke. Bei jedem Befehl, jedem Einsatz.... wie konnte er sich sicher sein, dass er nicht durch seine Ergebnisse Admiral Jellico und den Leuten hinter ihm nur noch mehr in die Hände spielte?
Dies war eine schwere Nuss für ihn, soviel stand fest.
Müsste nicht dieser Umstand aus John Lewinski und ihm so etwas wie Seelenverwandte machen? Immerhin saßen sie mehr oder weniger im selben Boot. Doch aus irgendeinem Grund schien sich eine Schranke zwischen ihnen aufgebaut zu haben und Price konnte sich den Auslöser dafür denken: John Lewinski war neidisch auf ihn und dies konnte er ihm nicht einmal verdenken. Immerhin kommandierte er nun das Schiff, in das Lewinski so viel Zeit und Kraft gesteckt hatte, mitsamt seiner Crew. Matt konnte nur hoffen, dass sich vielleicht noch einmal die Möglichkeit zu einem klärenden Gespräch gab.
Schließlich kamen sie an ihrem Ziel an: die Kapelle der Raumstation. Vorbei an den noch unbesetzten Bänken gingen sie nach vorne, wo, erleuchtet von einem einzelnen Scheinwerfer, ein Photonentorpedo aufgebahrt war, verhüllt mit der blauen Flagge der Vereinigten Föderation der Planeten: die letzte Ruhestätte für Admiral Kashari. Und wie sie sich so diesem improvisierten Sarg näherten, konnte Price mittels seiner Fähigkeiten den Schmerz und die Trauer fühlen, die nun in den Köpfen der anderen tobten. Allen voran natürlich John Lewinski, der sich nicht seine Tränen verkneifen konnte, aber auch die anderen Offiziere, die es einfach gewohnt gewesen waren, von dem Zakdorn die Befehle zu erhalten und seine schützende Hand über sich zu spüren. Auch Price war natürlich traurig. Jeder Tote war bedauerlich, auch wenn er ihn nicht so sehr gekannt hatte. Diese Erkenntnis hatte ihn letztendlich der furchtbare Krieg und die Ereignisse rund um die Schlacht um Betazed gelehrt, in der er gekämpft hatte.
Kurz musterte Jellico die Anwesenden, nachdem sie sich um den Toten gesammelt hatten, und dann, nach einem ungewohnt klingenden Seufzen, ging er wieder, um die Trauernden allein zu lassen. Alle Augen der Anwesenden waren wie gebahnt auf den schwarzen Torpedo gerichtet, so als könnten sie durch die Duraniumhülle auf die Leiche blicken. Leise konnte man Chief Woil hören, wie er ein Totengebet auf antosianisch sprach und jeder bedauerte, dass sie diese Sprache nicht verstehen konnten. John Lewinski fühlte sich aus irgendeinem Grund, obwohl er keine Konfession angehörte, verpflichtet, auch ein Gebet aufzusagen, dass ihm gerade in den Sinn kam, so dass sich der Glaube Kasharis an ein mögliches Leben nach dem Tod erfülle. Und die anderen schwiegen. Jeder nahm auf seine eigene Art und Weise Abschied. In wenigen Stunden würde es noch einmal eine offizielle Trauerfeier geben. Langsam löste sich John Lewinski von der Gruppe und trat zu der gegenüberliegenden Wand, musterte sie starr. Sein Freund Bruce Land kam zu ihm und flüsterte ihm zu:
„Wie fühlst du dich?“
Der ehemalige Kommandant wartete lange auf seine Antwort. Schließlich kam sie:
„Ich will, dass Dr. Frasier die Leiche untersucht.“
„Was?“
Land hatte Mühe, seine Stimme im Zaun zu halten.
„Du hast gehört, was ich gesagt habe. Frasier soll sich mal die Ergebnisse ansehen.“
„Und wieso?“ Bruce konnte immer nicht ganz glauben, was er gehört hatte.
„Ich bin nicht bereit zu glauben, dass Kashari einfach so von uns gegangen ist.“
„Du willst sagen, dass Sektion 31 seine Finger im Spiel hat, oder?“
„Ich will sagen, dass jemand seine Finger im Spiel hat. Wer, das kann ich noch nicht sagen.“
Land blickte sich kurz hilfesuchend um. Die anderen Offiziere, inklusive Price, schienen nicht von ihrer Unterhaltung Notiz genommen zu haben.
„Du weißt, dass es verboten ist, einfach so den Leichnahm aus dem Torpedo zu beamen? Wie sollen wir...“
Lewinski musste dafür nicht lange überlegen:
„Auf dieser Raumstation gibt es Tausende von Personen. Wenn einer der unzähligen Transportervorgänge stattfindet, beamen wir ihn selbst raus. Bevor die merken, dass sich unser Strahl unter den ihrigen versteckt hat, ist die Sache schon wieder vorbei.“
„Das ist Wahnsinn, John, und verdammt das weißt du.“
„Wir sind es ihm schuldig, Bruce. Ich kann es dir nicht mehr befehlen, also bitte ich dich als Freund darum.“
Land überlegte und blickte dann kurz zu seinem derzeitige Kommandanten. Captain Price bemerkte den Seitenblick und erwiderte ihn.
„Soll Price davon wissen?“ fragte Land schließlich.
„Nein. Lass ihn aus dem Spiel.“
Es hieß also nun, den eigenen Kommandanten zu betrügen. Scheinbar war Bruce Land gerade dabei, auf die dunkle Seite zu wechseln.
Na klasse
Das Warten auf das Ergebnis war am schlimmsten. Unter großen Mühen hatte Lieutenant Ardev es geschafft, den Leichnam des Zakdorn herauszubeamen und in die Krankenstation der Monitor zu transportieren. Gut eine Stunde hatte Elizabeth Frasier, die Chefärztin des Schiffes Zeit, die Autopsie durchzuführen. Und schließlich wurde John Lewinski zur Ergebnisverkündung hereingebeten. Auch für die zweifelsohne attraktive Ärztin war es beruhigend zu sehen, dass ihr ehemaliger Befehlsgeber wohlauf war. Nur zu dumm, dass sie eine heimliche Leidenschaft für Captain Matthew Price hegte. Doch dies tat nichts zur Sache. Sie nahm zur Kenntnis, wie Lewinski mit hoffnungsvollem Gesichtsausdruck fragte:
„Und? Was haben sie herausgefunden?“
Die Ärztin seufzte und betrachtete die nun leere Untersuchungsliege. Unmittelbar nach dem Ende der Autopsie hatten sie die Leiche wieder an ihren Platz im provisorischen Sarg zurückgebeamt. Mit etwas Glück würde niemand seinen kurzen Ausflug bemerkt haben.
„Ich habe mir natürlich zuerst den ersten Autopsiebericht des hiesigen Arztes durchgelesen,“ erklärte Frasier ruhig, „der eine natürliche Todesursache festgestellt hatte. Also habe ich noch einmal eine gründliche Untersuchung durchgeführt und ebenfalls eine natürliche Todesursache festgestellt. Doch da ich weiß, dass sie diese Antwort nicht zufrieden stellen wird...“
„Ganz richtig!“
„...habe ich noch eine Untersuchung durchgeführt. Und noch eine. Keinerlei ungewöhnliche Sachen festzustellen. Ich wollte schon abbrechen, als ich mich einer Reihe von Giften entsann, die nach ihrer Injektion nicht mehr im Körper auffindbar waren.“
„Und?“ fragte Lewinski ungeduldig.
„Na, wenn die Gifte mir bekannt sind, dann hätte ich nun eine Möglichkeit gehabt, sie zu identifizieren. Ich befürchtete schon, dass diese Überlegung in einer Sackgasse enden würde, doch dann erinnerte ich mich einer romulanischen Forschungsreihe, die ein Gift namens Riboll so modifizieren sollte, dass man es unmittelbar nach der Injektion, also noch vor dem Tod, nicht mehr nachweisen konnte. Der Nachteil...“
„Ja?“ fragte Lewinski ungeduldig, was ihr ein leichtes Seufzen der Ärztin einbrachte.
„Der Nachteil ist, dass dieses Gift nicht gerade schnell wirkt. Um genau zu sein, bis es seine Wirkung entfaltet, dauert es Wochen, sogar Monate. Daher hatten es die Romulaner als nicht verwendungsfähig eingestuft.“
„Und könnte dieses Riboll dem Admiral injiziert worden sein?“
„Haben sie mir nicht zugehört?“ fragte Frasier leicht gestresst. „Ich weiß es nicht. Möglicherweise ist Admiral Kashari, wie es für einen Zakdorn seines Alters üblich war, eines natürlichen Todes gestorben. Aber wenn er vergiftet worden ist, dann käme mir nur diese eine Art von Gift in den Sinn.“
„Wie kann dieses Gift verabreicht worden sein?“
„Auf alle möglichen Arten. Injektion, ins Essen mischen,... Die Möglichkeiten sind unbegrenzt.“
Ohne irgendein anderes Wort zu sagen, hastete Lewinski davon. Dr. Frasier konnte ihm nur verdutzt nachsehen und sich ärgern, dass er nicht einmal Danke gesagt hatte.
Admiral Jellico war einigermaßen überrascht, als es an der Tür seines temporären Quartiers klingelte. Denn der Mensch hatte nun mal nicht den besten Ruf bei seinen Mitmenschen und so waren Besuch von Freunden nicht gerade an der Tagesordnung. Ihm war es jedoch recht so. Schon von je her war er ein Einzelgänger gewesen, der sich von anderen Personen mehr abgelenkt als begünstigt fühlte. Er war gerade dabei, seine Gala-Uniform für die Abschiedszeremonie Kasharis anzulegen, als der unbekannte Besucher an seiner Tür geläutet hatte. Und noch mehr war der Admiral über seinen Besuch überrascht.
„Mr. Lewinski, mit ihnen hätte ich ja gar nicht gerechnet!“
Ungefragt betrat der ehemalige Captain der Sternenflotte die Residenz des Admirals und schien leicht aufgebracht zu sein. Seine Uniformjacke zumachend, fragte Jellico gehässig den Mann, den er praktisch aus der Sternenflotte gekegelt hatte:
„Normalerweise fragt man den Hausbesitzer, ob es gestattet ist, einzutreten.“
Von dieser Spitze lies sich John nicht im mindesten einschüchtern. Zu viel hatte er in den Monaten im Untergrund durchmachen müssen, als das er sich nun von bloßen Worten einschüchtern lassen würde. Er nahm in einem der prächtigen Sessel des Admirals Platz und genoss für einen Sekundenbruchteil den angenehm weichen Stoff, bevor er schließlich verkündete:
„Ich weiß Bescheid.“
„Ach ja? Toll, ich weiß auch so einiges. Jeder Mensch tut das. Was wissen sie denn so?“
Lewinski konnte im Moment nicht einschätzen, ob sein Erzfeind ihn einschüchtern wollte oder tatsächlich nicht wusste, was hier los war. Er beschloss, die Karten offen auf den Tisch zu legen.
„Ich weiß, dass Kashari vergiftet worden ist.“
Nun gut, er wusste es nicht wirklich. Die Chance lag bei vielleicht 50 Prozent, dass dieser Sachverhalt zutraf. Möglicherweise machte er sich hier gerade zum Narren und sein alter Mentor war wirklich eines natürlichen Todes gestorben. Doch John Lewinski war es nicht mehr gewohnt, dass in seiner unmittelbaren Umgebung nur noch Zufälle geschahen.
„Vielleicht erklären sie mir mal, wie?“ fragte Jellico seltsam lässig und legte den letzten Part der weißen Gala-Uniform an, die jeder Sternenflottenoffizier zu diesem Anlass tragen würde. Mit Ausnahme John Lewinskis, denn er war leider nicht mehr in diesem Verein.
„Sie haben ihm ein Gift namens Riboll verabreicht. Dies gehört zwar eigentlich in das Arsenal der Romulaner, aber da sie ja zu Sektion 31 gehören, konnten sie sicher ganz leicht an diese Substanz kommen.“
„Du lieber Himmel,“ rief Jellico schockiert auf und setzte sich in den Sessel gegenüber Lewinskis. Er schlug seine Beine übereinander, faltete seine Hände und schien nicht im mindesten Angst davor zu haben, dass ihm Lewinski etwas antat. „Nun soll ich auch noch für diese abscheuliche Tat verantwortlich sein, John? Ich weiß nicht, ob sie es vielleicht heute nicht gemerkt haben, doch ich war über den Tod meines lieben Kollegen genauso entsetzt wie sie alle. Der Vorwurf, dass ich ihn ermordet haben soll, finde ich absurd.“
„Ach ja? Ich habe den Terminplaner Kasharis überprüft. Sie hatten in den letzten Monaten mehrere Termine mit ihm und dann bis zum heutigen Tage keinen mehr. Das war der Zeitraum, den sie verstreichen ließen, damit man sie nicht als Mörder verdächtigen konnte.“
Jellico legte leicht seinen Kopf zur Seite und überlegte. Er schien seine Worte sorgfältig zurechtlegen zu wollen.
„Das ist kein Beweis. Ich habe auch die Terminplaner überprüft, im Gegensatz zu ihnen jedoch nicht widerrechtlich, und es gibt einige weitere Leute, auf die genau dasselbe zutrifft wie auf mich. Darunter eine Person, die ihnen als Captain Matthew Price bekannt sein dürfte.“
Für eine winzige Millisekunde versteinerte sich Johns Miene. Dann lächelte auf, als er die vermeintliche Falle erkannte.
„Sie wollen ja wohl nicht behaupten, dass Captain Price ihn umgebracht hat? Unmöglich, er ist Offizier der Sternenflotte.“
„Das bin ich auch,“ konterte Jellico kühl ab. „Vor drei Monaten traf Price das letzte Mal Admiral Kashari, als er den Auftrag bekam, auf Vulkan einige Morde zu untersuchen. Wäre dies nicht der perfekte Zeitpunkt gewesen, um Kashari zvergiften? Immerhin dient Price auf einem Schiff, ihrem Schiff, und war so dem Tatort weiter entfernt als ich es jemals sein könnte.“
„Das ist ein Scherz. Sie versuchen nur von sich abzulenken...“
„Meinen sie?“ fragte Jellico gefährlich und beugte sich nach vorne. „Denken sie wirklich, dass in einer groß angelegten Verschwörung, in der ich ihrer Meinung nach eine hohe Position bekleiden soll, hohe Beamte sich selbst die Hände schmutzig machen? Nein, sie haben Lakaien, die solche Aufträge erledigen. Denken sie doch nur mal darüber nach: erst nahm ihnen Price die Monitor weg, nun auch ihren Freund. Für mich klingt das schlüssig.“
„Sie gaben doch Price mein Schiff; ergo gaben sie auch den Befehl zur Eleminierung Kasharis,“ widersprach Lewinski.
„Klingt zwar logisch,“ gab der Admiral zu, „aber ich war es nicht. Nicht in diesem Fall. Ich weiß selbst, Mr. Lewinski, dass ich ein schlechter Mensch bin. Doch ich begehe keine Morde. Entweder glauben sie mir oder nicht.“
Langsam erhob sich Jellico und verließ einfach so sein Quartier, ließ dort Lewinski zurück, so als müsste er keine Furcht vor ihm haben. Und in diesem Fall war es tatsächlich so. John saß sinnierend im Sessel und dachte nach. All die Monate war Edward Jellico sein Feindbild gewesen. Der Mann, der ihn gezwungen hatte, aus der Sternenflotte auszutreten und der für Sektion 31 den Esel spielte. Doch was war, wenn er wirklich einen fatalen Logikfehler begangen hatte? Denn auch wenn es ihm widerstrebte, dies zuzugeben, Jellicos Argumentation hatte etwas für sich. Wieso sollte er sich selbst mit einer für Lewinski so offensichtlichen Tat in Gefahr bringen. Es war viel cleverer, jemand anderes morden zu lassen. Jemand, der schon einmal Lewinski etwas genommen hatte. Wie von einem Automatismus betrieben, erhob sich John langsam. Nun hatte er ein Ziel. Und dieses wollte er erreichen. Um seines Freundes willen. Um Kasharis willen...
Die weiße Galauniform gefiel ihm einfach nicht. Während Captain Price durch einen der unzähligen Gänge von Starbase 67 lief, verzweifelt darauf bedacht, nicht zu spät zur Beerdigung zu kommen, ärgerte er sich über die Farbgebung dieses Kleidungsstückes. Weiß! Wieso im Gottes Namen hatten sie eine weiße Uniform, die bei jeder Kleinigkeit dreckig wurde, hergestellt? Dies war doch verrückt. Mehrfach bog der Betazoid um einige Ecken, bevor er die Nase vollhatte und eine Abkürzung nehmen wollte: er ging schnurstracks in einen der Frachträume, der unfreiwillig einen Verbindungsgang zwischen zwei Sektionen darstellte. Schon bei seinem ersten Besuch hier war ihm diese Möglichkeit aufgefallen und er empfand es als äußerst clever, diese auch bei dieser Gelegenheit zu nutzen. Mit einem leichten Pfeiffen, um seine Nervosität zu überbrücken, durchquerte er den riesigen Saal. Dann spürte er plötzlich, ohne Vorwarnung, einen riesigen Hass, der ihn stocken ließ. Unmittelbar darauf raste ein Schraubstock auf seinen Rücken herunter, der große Schmerzen verursachte. Sofort brach der Betazoid unter der Wucht des Einschlages zusammen und musste entsetzt feststellen, dass das Werkzeug ein weiteres Mal auf ihn zuraste, dummerweise direkt in Richtung seines Gesichtes. Mit einem geistesgegenwärtigen Reflex rollte er sich unter der Waffe hindurch, die mit einem ohrenbetäubenden Krachen auf den Boden aufschlug. Eins war klar, hätte ihn dieser Schlag erwischt, er hätte seinen Schädel gespalten. Sofort floss Adrenalin in seinen Körper, gaben ihm neue Kraft und Zuversicht. Mit einer unglaublich eleganten Bewegung richtete sich Price auf und nahm seinen Angreifer ins Visier. Und erstarrte: vor ihm stand John Lewinski, mit dem Schraubstock in der Hand und verschwitzten Haaren. Als Empath spürte er sofort: der ehemalige Kommandant der Monitor war zornig. Hasserfüllt. Zu allem bereit. Nur wenige Augenblicke blieben ihm für diese Analyse, dann machte der Mensch abermals eineSchlagbewegung in seine Richtung. Dank seiner immer noch exzellenten Reflexe, die ihm das harte Straßenleben auf Rigel eingebracht hatte, konnte sich Price gerade noch rechtzeitig wegdrehen, doch zu seinem Unglück tuschierte das Werkzeug seinen Kommunikator und schleuderte ihn in unerreichbare Ferne.
„John, dies müssen sie nicht...“
Er bekam nicht einmal die Gelegenheit, seinen Satz zu beenden. Wie eine Furie trat Lewinski noch ihm aus und diesmal erwischte er ihn an der Brust, schleuderte ihn so ein paar Meter von sich fort. Price wusste, dass er sofort aufstehen musste, wenn er nicht abermals schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Schraubstock machen wollte. Langsam drehten sie die beiden in einer kreisenden Bewegung, schwer atmend, auf den nächsten zug des jeweils anderen wartend. War schon Hilfe unterwegs? Oder wusste niemand von dem Kampf, den die beiden hier ausfochten? Er musste diese Kampfpause nutzen. Betazoiden waren dafür bekannt, dass sie gerne redeten, was auch der Grund dafür war, dass sie gerne als Counsellors eingesetzt wurden. Matthew Price hatte zwar noch nie in seinem Leben einen Fuß auf Betazed gesetzt, doch vielleicht konnte er sein genetisches Erbe zu seinem Vorteil nutzen.
„Wieso tun sie das, verdammt noch mal?“ fragte er keuchend und spürte abermals diese unbändige Mischung aus Schmerz und Haß in John Lewinski.
„Sie haben ihn umgebracht, sie Schwein,“ presste Lewinski schwer atmend hervor, „einen alten Mann töten...“
Und abermals preschte der ehemalige Kommandant der Monitor hervor, um den derzeitigen anzugreifen. Diesmal jedoch war Captain Price vorbereitet und wehrte den ersten Schlag ab und antwortete seinerseits mit einem Fausthieb, der Lewinski zu Boden warf. Sofort erkannte Price seine Chance und warf sich auf Lewinski, schlug noch einmal und nocheinmal. Der Schraubstock glitt dem Menschen aus den Händen und er wollte, vom Boden aus, einen Satz zu ihm machen, doch mit einem schnellen Fußtritt beförderte Price das Werkzeug weit weg. Nun waren sie nur noch auf den Kampf Mann gegen Mann angewiesen, welchen Lewinski mit einem gekonnten Fußfeger eröffnete.
„Warten sie...“
Doch der Mensch wollte nicht hören. Mit glänzen Augen warf er sich auf Price und schlug ihm mehrfach ins Gesicht, bevor sein Gegenüber die Möglichkeit bekam, mit einem Tritt beider Füße den Angreifer von sich wegzustoßen. Die schöne Uniform, die ihm vorhin noch so weiß vorgekommen war, war nun schmutz- und blutverschmiert, zudem noch an einigen Stellen eingerissen. Wieder entstand eine kleine Kampfpause, als die durchtrainierten Männer ihre Kräfte sammelten und eine Angriffsmöglichkeit suchten.
„John, sie glauben also, dass ich Admiral Kashari getötet habe?“
Eine völlig falsche Antwort, wie sich herausstellte. Wieder griff Lewinski an, rammte seinen Kopf in die Magengrupe von Price. Dieser keuchte auf, als ihm kurzzeitig die Luft wegblieb, packte dann die Haare des Menschen und schleuderte ihn wieder von sich weg. Lewinski stolperte und prallte gegen eine Frachtkiste. Innerhalb von Sekunden rappelte er sich auf und stürzte sich mit Gebrüll auf den vermeintlichen Mörder und sie rollten über den Boden, immer darauf bedacht, den jeweils anderen nicht in die Reichweite des eigenen Gesichtes zu lassen. Sie rangelten sich, beinahe wie kleine Schuljungen, wenn dies hier nicht auf Kampf um Leben und Tod gewesen wäre.
„Verdammt, sie tun genau das, was die von uns wollen...“
Dieser Satz ließ Lewinski innehalten, was Price die Möglichkeit gab, ihn abermals abzuwerfen. Beide posititionierten sich wieder für einen Angriff, doch diesmal war der Captain nicht bereit, es zu einem solchen kommen zu lassen. Und auch Lewinski schien diesmal bereit zu sein, zu reden.
„Was sagen sie da?“ fragte er und spuckte kurz etwas Blut aus.
„Ich meine, sehen sie uns an,“ argumentierte Price und wischte sich Schweiß von seiner Stirn, „wir sind hier und kämpfen gegeneinander, während die Verschwörer, diejenigen, die sie schon so lange jagen, über uns lachen.“
„Was?“ Lewinski schien nicht zu verstehen.
„Wieso wollen sie mich töten, John?“
„Sie haben Kashari umgebracht,“ entgegnete John und echte Emotionen spiegelten sich auf seinem Gesicht wieder. „Einen alten Mann, der wie ein Familienmitglied für mich gewesen war. Einer meiner letzten Freunde und Säulen, auf die ich mich hätte im Fall der Fälle verlassen können. Und nun haben sie ihn umgebracht, für diese verdammte Sektion 31.“
Price presste ein humorloses Lachen aus sich heraus. Die Vorwürfe waren absurd.
„Ich hätte Kashari umgebracht; wer sagt das? Sicher hat ihnen das Jellico gesagt...“
„Es klang vernünftig, was er gesagt hat.“
„Was? Dass ein Offizier der Sternenflotte, der mehrfach sein Leben für die Föderation und ihrer Schiffskameraden eingesetzt hat, einen vorgesetzten Offizier getötet hat? Denken sie doch mal nach, John! Wenn dem so wäre, hätte ich heute morgen schon die Gelegenheit genutzt, sie zu töten. Immerhin gehören sie zu den Hauptzielen der Verschwörung. Welchen Nutzen hätte Kashari, wenn ich sie hätte erledigen können.“
Immer noch keuchen, nickte John. Dies klang schlüssig. Aber die Argumentation von Jellico auch. Was für eine furchtbare Situation.
„Bruce vertraut ihnen,“ meinte er schließlich.
„Ja,“ antwortete Price, „und ich hoffe, dadurch vertrauen sie auch mir. Ich war es nicht, dies müssen sie mir glauben. Wir müssen zusammenarbeiten und gemeinsam die Verschwörer entlarven, die ihnen dies alles angetan haben. Einverstanden?“
Langsam machte Price einen Schritt auf den Mann zu, über den er schon so viel gehört hatte. Es bestand zwar noch immer die Chance eines Angriffs, doch Price glaubte daran, dass nun ein Waffenstillstand zwischen ihnen geschlossen worden war. Und dann ergriff auch Lewinski die Hand, die ihm zum zweiten Mal während dieser Reise angeboten worden war. Beide lächelten sich an.
„War es Jellico?“ fragte Lewinski, doch er musste leider enttäuscht werden.
„Nein. Ich habe seine Emotionen gründlich sondiert und er der Tod hat ihn wirklich selbst überrascht. Er war es nicht.“
„Also werde ich hier nicht den Mörder finden.“
Price nickte. Es war vorbei und wieder hatten sie nichts in der Hand. Noch nicht.
„John, ich empfehle ihnen dringenst, auf der Stelle die Station zu verlassen. Wer weiß, ob Sektion 31 nicht doch die Gelegenheit nutzt und sie aus dem Weg räumt.“
Der ehemalige Captain nickte. Es war besser so. Er konnte nicht Kasharis Tod rächen, wenn er nicht mehr am Leben war. Langsam bewegte er sich in Richtung Frachtausgang, schlurfend aufgrund er im Kampf davongetragenen Wunden. Bevor er durch das Schott trat, drehte er sich noch einmal zu Price um und nickte ihm zu. Dieser erwiderte das Nicken.
Die Bänke waren in der Kapelle nun gfüllt. Überall wo man nur hin sah, sah man Offiziere, in das Weiß ihrer Galauniformen gekleidet. In der ersten Reihe saßen die Offiziere der USS Monitor, doch zwei Plätze blieben merkwürdigerweise frei; die von Captain Price und John Lewinski. Deren Untergebenen fragten sich, wo die beiden Herren blieben. Irgendwann konnte man nicht mehr auf sie warten und so musste die Zeremonie ohne sie begonnen werden. Langsam verstummte die Menge, als ausgerechnet Admiral Jellico an das Rednerpult ging und sich kurz räusperte.
„Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde. Wir haben heute hier aus traurigem Anlass zusammengefunden, um Admiral Kashari die letzte Ehre zu erweisen. Uns alle trifft sein Verlust sehr. Ich persönlich kannte den Admiral schon seit vielen Jahren und stets war er für mich ein Beispiel für Integrität und Pflichtbewusstsein gewesen. Ob in Kriegs- oder Friedenszeiten, sei es bei Forschungsmission oder bei Aufträgen diplomatischer Natur gewesen, Kashari war immer ein Musterbeispiel für Soveränität und Sorgfalt gewesen. Doch wie so oft ist es leider so, dass uns erst bewusst wird, wie sehr wir an Personen gehangen haben, wenn sie nicht mehr da sind. Und so fühlen wir uns nach dem viel zu frühen Ableben des Admirals von einer tiefen, tiefen Trauer beseelt. Wir alle hier können nur hoffen, dass Kashari nun an einem besseren Ort ist, einem Ort, wo er frei von Schmerzen und Furcht in ewigem Frieden existieren kann. Danke für ihre Aufmerksamkeit.“
Jellico trat einen Schritt von seinem Rednerpult zurück und der Zapfenstreich wurde von einem Trompeter der Sternenflotte gespielt. Während die Musik erklang, öffneten sich leise die Türe der Kapelle und Matt Price betrat den Raum. Seine Anwesenheit wurde nur von wenigen registriert, darunter der Monitor-Crew, die verwundert das abgewetzte Auftreten ihres Vorgesetzten musterten. Doch der Captain achtete gar nicht darauf. Er richtete seinen Blick nur auf Jellico, der ihn ebenfalls überrascht ansah. So gut wie niemand in dem Raum nahm von dem Blickkontakt der beiden Notiz, doch diese beiden Individuen wussten genau, welche Botschaft Captain Price dem Admiral übermittelte:
Ich werde sie kriegen.
- Ende -
Quelle: treknews.de
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