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Das Propagandawerkzeug der Reichen
  • Monitor - 3x11: Das Ende

    Season Finale
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    • TheOssi
    John Lewinski plant den großen Coup: die entgültige Aufdeckung der Machenschaften von Sektion 31 und ihrer Agenten. Dummerweise hat er eine sehr drastische Maßnahme im Sinn und so kriegt die USS Monitor den Auftrag, ihren alten Kommandanten zu stoppen.

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    Monitor 3x11 "Das Ende"
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    Die Geräusche von schweren Frachtkisten, die von automatischen Greifarmen in Raumschiffe verladen wurden, hingen in der Luft. Mit entschlossenem Blick stand John Lewinski, ehemaliges Mitglied der Sternenflotte im Range eines Captains, vor seinem eigenen kleinen Runabout und beobachtete, wie kleine Wartungsroboter sein spärliches Gepäck an Bord brachten. Auch wenn die tatsächliche Menge an Kisten, die die kleinen Helfer mittels Antigrav-Schlitten an Bord bringen mussten, beim besten Willen nicht groß war, so hatten sie doch einiges zu tragen. Denn ließ sein gesamtes Hab und Gut verfrachten. Er plante nicht mehr an diesen Ort, einen ausgehöhlten ehemaligen Minenasteroiden, zurückzukehren. Diese Entscheidung war ihm, um ganz offen zu sein, nicht gerade schwer gefallen. Auch wenn ihm in den letzten Monaten dieser Ort ein sicherer Hafen, ein guter Unterschlupf gewesen war, so war dies nicht sein zu Hause; im Gegensatz zu dem Ort, wo er hin wollte: die Erde! Seit fast einem Jahr war er schon nicht mehr dort gewesen, er wusste nicht wie es um seinen Vater, seine Schwester oder seine Wohnung stand. Er konnte nur hoffen, dass irgendjemand mal ein wachsames Auge auf seinen dortigen Besitz warf. Sicher, Diebstahl als Verbrechen existierte auf der Erde, im Herzen der Föderation eigentlich so gut wie nicht mehr, doch nachdem sich John so lange Zeit auf der dunklen Seite des Alpha-Quadranten aufgehalten hatte, entwickelte man nun einmal diese Gedanken. Gespannt strich sich Lewinski durch seinen Vollbart, den er sich in seinem Quasi-Exil hatte wachsen lassen. Nicht nur diente er der wirkungsvollen Tarnung seiner eigenen Person, nein, der Grund seines Vorhandenseins war einfach der Umstand, dass John nicht mehr so häufig zur Körperpflege kam.
    Eine Person trat neben ihn. Der Kanadier erkannte den kleinen, leicht untersetzten Mann sofort an seinem aufgesetzten Lächeln, dass ihm schon seit seinem Beginn hier so sehr auf die Nerven ging.
    „Sicher, dass du uns verlassen willst?“ fragte Bill und lächelte dieses Grinsen, für das ihm John am liebsten die Zähne ausgeschlagen hätte. Doch bevor er diese Gedanken weiter ausformulieren konnte, erschrak Lewinski innerlich vor sich selbst. Was war nur aus sich geworden? Wie war es nur dazu gekommen?
    „Ja. Es gibt kein Zurück mehr“, antwortete John ruhig und besonnen.
    Seit einem Jahr versuchte er Sektion 31 aus dem Untergrund heraus zu bekämpfen, nur mit mäßigem Erfolg. Diese Organisation existierte schon seit Jahrhunderten, wie konnte er sich also anmaßen, sie bezwingen zu können? In all den Monaten war ihm nur ein knapper Erfolg vergönnt gewesen, als er Nathan Sloan, dem Sohn des verstorbenen ehemaligen Agenten dieser Gruppe auf die Schliche gekommen war. Doch auch Sloan war es möglich gewesen, sich seinem Zugriff zu entziehen. Wofür kämpfte John eigentlich? Er wollte seinen Namen wieder reinwaschen. Er brauchte irgendeinen handfesten Beweis, dass Sektion 31 ihn aus dem Weg haben wollte. Sicher, er konnte wieder in die Sternenflotte eintreten und weitermachen wie zuvor, doch dann würde die ganze Crew der USS Monitor darunter zu leiden haben, dass ihr Kommandant in Misskredit gebracht werden sollte. Nein, er brauchte Beweise, mit denen Schritt für Schritt Sektion 31 verfolgt und ausgeschaltet werden konnte. Irgendein PADD, irgendeine Person, die zur Gruppe gehörte und schon wären sie einen Schritt weiter. Und John hatte sich schon eine Person ausgesucht: Admiral Edward Jellico. Schon lange wusste er, dass dieser Mensch, der sich langsam in die höchsten Ebenen des Geheimdienstes begeben hatte, mit den Verschwörern unter einer Decke befand. Am besten war, er erwischte den Admiral in Flagranti. Andernfalls wäre er sonst nicht zu einem Geständnis zu bewegen.
    „Wir werden ihre Fähigkeiten bei der Abteilung vermissen“, sagte Bill.
    John würde dies nicht tun. Die Arbeit bei der Zombie-Abteilung war schmutzig gewesen. Zu sehr hatten sie, hatte er sich am Rande der Legalität befunden. Mehr als einmal hatten die Vorstellungen der Gruppe nicht mit seinen eigenen korreliert. Doch ein gutes hatte die Sache: er hatte einen heißen Tipp erhalten können, von einem Informanten, der sich innerhalb der Sektion aufgehalten hatte. Zwar hatte sich das Treffen mit ihm als schwierig herausgestellt, doch er hatte was bekommen. Koordinaten. Dummerweise war der Kerl bei einem anschließenden Feuergefecht getötet worden, sonst hätte er noch mehr von Nutzen sein Können. Doch er hatte John damit geholfen. Lange hatte er die Koordinaten, die auf einen Planeten zutrafen, analysiert und sie dann herausgefiltert, was Monate gedauert hatte. Schließlich hatte er des Rätsels Lösung: die Angaben bezogen sich auf die Erde und zielten genau auf einen Ort innerhalb Paris.
    Das Bürogebäude des Präsidenten.
    „Ja“, antwortete Lewinski einfach nur, als seine letzte Fracht verladen worden war. Dann begab er sich hoch zu seinem Runabout, welches nirgendwo registriert war und er sich in monatelanger Arbeit zusammengeschnorrt hatte. Kurz bevor sich das Schott hinter ihm schloss, rief ihm Bill, dieser kleine Bulle, den er eigentlich nie so richtig leiden konnte und trotzdem irgendwie sein Vorgesetzter bei der Zombie-Abteilung gewesen war, zu:
    „Viel Glück, John. Meine Gedanken sind bei dir, bei was auch immer du tust.“
    So sollte doch eigentlich nichts mehr schief gehen oder?

    Ein großer Konvoi von Föderationsschiffen raste mit mehrfacher Überlichtgeschwindigkeit durch die Tiefen des Alls. Die besten Schiffe der Sternenflotte waren dafür ausgesucht worden, um das Transportschiff des Föderationspräsidenten auf dem Weg zu seinem Ziel zu beschützen. Auch die USS Monitor war dabei und bekam dabei das ungewöhnliche Vergnügen, eine Mission einmal ungetarnt durchführen zu können. Es war eine ruhige Mission, fast schon entspannend für die Besatzungen.
    Lieutenant-Commander Land erhob sich ruhig von dem Kommandantensessel, in dem er noch die letzte Stunde Platz genommen hatte und begab sich in den Bereitschafstraum des Kommandanten, um seinen stündlichen Bericht abzugeben. In dem kleinen Büro angekommen, fand er seinen Kommandanten Matthew Price in einer sehr ungewöhnlichen Haltung. Der Halbbetazoide stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen vor seinem Fenster und beobachtete die anderen Schiffe, die mit der Monitor das Schiff des Präsidenten flankierten. So nachdenklich hatte Land noch nie den Captain erlebt. Allgemein versuchte sich Price immer in eine Atmosphäre von Lässigkeit zu hüllen, so als ob ihn nichts so richtig überraschen könnte. Doch ihn nun hier zu sehen, wie er fast schon den Wundern des Universums gedenkend nach draußen blickte, war schon ein ungewohnter Anblick.
    Ohne sich zu seinem ersten Offizier umzudrehen, fragte Price:
    „Lassen sie mich raten: selber Status wie immer?“
    „So ist es“, antwortete Bruce Land und setzte sich auf den Sessel vor den Schreibtisch. Nun löste sich auch Matthew Price von seiner Faszination und setzte sich in seinen Stuhl; legte zusätzlich noch seine Füße auf dem Schreibtisch ab. Diese Marotte würde der Mann wohl nie loswerden.
    „Wir leben in aufregenden Zeiten, Commander.“
    Land zuckte die Schultern und meinte:
    „Vermutlich denkt dies jeder über seine Zeitperiode.“
    „Dies trifft sicherlich zu“, entgegnete Price und deutete mit einer Hand auf das Fenster, vor dem er eben noch gestanden hatte, „aber denken sie nur einmal daran: wir sind nur noch einige wenige Tage von dem größten Tag in der Geschichte des Alpha- und Betaquadranten entfernt! Ein Jahr lang haben wir die Verhandlungen rund um die Multiplanetare Allianz verfolgt und nun scheint dieser Traum vom Frieden endlich in greifbare Nähe gerückt zu sein.“
    Unwillkürlich musste Bruce Land lächeln.
    „Matt, ich muss sagen, sie überraschen mich. Ich habe sie ja noch nie so melancholisch erlebt.“
    Langsam nickte Captain Price und strich sich über die schwarzen Haare.
    „Ja, ich kann es selber kaum glauben, wissen sie? Aber als ich hier so stand und die letzten Jahre meines Lebens so Revue passieren ließ, so wurden mir doch einige Sachen klar. Ich habe auch in den Kriegen der Föderation mitgekämpft, Commander, und auch meine Kindheit auf Rigel waren sicherlich kein Pappenstiel. Es ist nur richtig, wenn wir uns endlich unsere Hände zum Frieden reichen.“
    „Dem kann ich bedenkenlos zustimmen, Matt.“
    Kurz schwiegen beide Männer, so dass Land den Eindruck bekam, die Sitzung wäre beendet und er könne wieder aufstehen, da brachte Price noch ein weiteres Thema zur Sprache.
    „Commander... Bruce, wie stehen sie nun zu mir?“
    Land war doch etwas überrascht von dieser Frage und so blieb ihm nichts anderes übrig, als auf fast schon vulkanische Art und Weise die Augenbrauen zu wölben.“
    „Wie meinen sie dies, Matt?“
    Der Kommandant der Monitor faltete die Hände vor seiner Brust und wählte die folgenden Worte mit Bedacht.
    „Ich bin nun seit einem Jahr ihr Captain und habe dabei auch noch ihren besten Freund abgetaucht, von dem wir nicht einmal mehr wissen, wo er eigentlich ist. Am Anfang traten sie doch recht ablehnend mir gegenüber auf, was vollkommen verständlich ist. Auch mein Führungsstil, der, wie sie sicher zugeben werden, sehr einzigartig ist, bereitete ihnen und der Mannschaft einiges an Kopfzerbrechen. Jetzt, fast am Ende dieses Jahres, quasi am Vorabend des galaktischen Friedens, frage ich mich, wie ich bei ihnen stehe. Akzeptieren sie mich? Oder bin ich ihnen und den anderen eine Last?“
    Überrascht von dieser Frage legte Lieutenant-Commander Land den Kopf schief und dachte nach. Er brauchte wirklich eine lange Zeit, um eine geeignete Antwort zu formulieren.
    „Ich nehme mal an, dass ich ihnen die Wahrheit sagen soll.“
    Price nickte.
    „Ich bin Betazoid. Ich weiß, wenn sie lügen, also probieren sie es nicht einmal.“
    „Okay“, Land atmete tief durch. „Ja, ich war mit ihnen am Anfang unzufrieden. Und ja, ich würde Captain Lewinski immer noch als meinen Kommandanten vorziehen. Doch wenn ich eines im Laufe des letzten Jahres über sie gelernt habe, dann das: wenn John Lewinski nicht zur Verfügung stünde, dann wären sie sofort meine nächste Wahl.“
    Price nickte und grinste sogar leicht. Anscheinend stellte ihn diese Antwort voll und ganz zufrieden.
    Der erste Offizier erhob sich von seinem Sessel und meinte:
    „So, nach diesem Verhör brauche ich mal was zu Essen.“
    „Oh“, meinte Price und hob hastig die Hand, „ich möchte sie doch bitten, nicht jetzt in das Casino zu gehen.“
    „Wieso?“
    „Sagen wir mal so, es ist gerade nicht zugänglich.“
    Schulterzuckend nahm Land diese Tatsache zur Kenntnis und verließ den Bereitschaftsraum. Es gab sicher mehr als einen Ort an Bord des Schiffes, an dem man etwas zu Essen bekommen konnte.

    Als Arena Tellom das Casino betrat, stockte ihr, trotz ihrer jahrelangen wissenschaftlichen Erfahrung, der Atem. Denn etwas so wunderschönes hatte sie in ihrem Leben noch nie gesehen. Zaghaft trat sie weiter in den Raum ein und begutachtete dieses Wunder, nachdem sie es am Anfang nur gewagt hatte, im Türrahmen stehen zu bleiben. Das ganze Casino, und wenn sie meinte das ganze, dann hieß dies, das kein einziger Bereich des Bodens frei geblieben war, war von roten Rosen bedeckt. Das leicht gedämpfte Licht und das feine Rascheln, wenn man über die Blumen ging, verstärkte diese romantische Atmosphäre nur noch mehr.
    „Gefällt es dir?“
    Die Frage war von der gegenüberliegenden Tür gekommen. Ohne auch nur hinsehen zu müssen, wusste Arena, wer dies gesagt hatte. Langsam kam ihr große Liebe auf sie zu. Der Andorianer Ardev, Einsatzoffizier der Monitor, lächelte sanft, als er vor ihr stehen blieb. Fähnrich Tellom schwieg. Welche neue Überraschung würde nun auf sie zukommen. Ardev flüsterte nun fast die nächsten Worte, doch trotzdem war er bestens zu verstehen:
    „Arena, die letzten beiden Jahre mit dir waren die schönsten meines Lebens. Ich kann mir ein Leben ohne dich gar nicht mehr vorstellen. Du bist die wundervollste Person, die ich kenne und ich wünsche mir, dass dies auch für immer so bleiben wird. Daher frage ich dich: möchtest du meine Frau werden?“
    Tellom antwortete nicht sofort. Als Terellianerin hatte es lange gebraucht, bis sie das Konzept der Ehe verstanden hatte. In ihrer Kultur gab es nichts Vergleichbares. Und daher fragte sie auch:
    „Muss es in einer andorianischen Ehe nicht vier Personen geben?“
    Ardev zögerte keinen Augenblick bei seiner Erwiderung.
    „Ich brauche keine anderen Personen. Ich habe dich.“
    Dies waren wirklich de wundervollsten Worte, die sie jemals in ihrem Leben gehört hatte. In seinen großen blauen Augen konnte die junge Frau deutlich sehen, dass er es ernst meinte. Vielleicht war es gar nicht so verkehrt, es zu wagen.
    „Ja, ich möchte deine Frau werden.“
    Überglücklich nahm Ardev seine Verlobte in den Arm und wirbelte sie durch die Luft. Schöner konnte der Tag nun nicht mehr werden.

    Das erste Drittel der Reise war geschafft. Etwas müde entstieg John Lewinski seinem Runabout, welches er an die Boyard-Raumstation angedockt hatte und begab sich in eine etwas zwielichtige Kneipe, um Nahrung zu sich zu nehmen. Überhaupt war alles in dieser Raumastation zwielichtig, ja, die Station selbst konnte sich mit diesem Adjektiv schmücken und unter normalen Umständen hätte John niemals einen Ort wie diesen besucht. Normale Umstände. Waren dies nicht inzwischen die normalen Umstände seines Lebens geworden? Zu weit weg schien inzwischen sein altes, glückliches Leben als rechtschaffener Offizier der Sternenflotte zu sein, ein Leben, dass er gezwungen worden war abzulegen. Wo würde er jetzt stehen, wenn alles seinen normalen Gang verlaufen, wenn Sektion 31 niemals aufgetaucht worden wäre? Der große Mensch schüttelte diese überflüssigen Gedanken ab, als er sich an die Theke setzte und den schlecht riechenden Orioner um einen Synthehol bat. Es brachte nichts, über fiktive was-wäre-wenn-Szenarien nachzudenken. Stattdessen galt es, die momentane Situation zu meistern und weiter zielstrebig seine Ziele zu verfolgen. Die dunklen Machenschaften von Sektion 31 mussten endlich gestoppt werden. Natürlich war es naiv zu glauben, dass John alleine dieses Organisation besiegen konnte. Doch zumindest einen heftigen Nadelstich wollte er ihr versetzen, damit sie es nie wieder wagen sollte, ihn anzugreifen. Er wollte die Beweise und Möglichkeiten ausgraben, damit man einen groß angelegten Feldzug gegen diese illegale Organisation starten konnte. John konnte erst wieder auf den Kommandantensessel der Monitor zurückkehren, wenn zumindest die Mittelsmänner der Sektion innerhalb der Sternenflotte aufgedeckt worden waren. Einen kannte John schon, auch wenn er noch keine stichhaltigen Beweise gegen ihn vorbringen konnte. Admiral Jellico, das Schwein der Sternenflotte. Welcher Mann passte besser in diese Gruppe als der alte Griesgram. Zumindest ihn wollte Lewinski ausschalten. Und dann konnte er wieder ins normale Leben zurückkehren.
    Zurückkehren.
    War dies überhaupt noch möglich? Wurden seine Dienste auf der Monitor überhaupt noch benötigt? Nur einmal innerhalb des letzten Jahres, auf dem Weg zur Trauerzeremonie um Admiral Kashari, hatte sich John auf seinem ehemaligen Schiff blicken lassen. Und dabei mitbekommen, wie gut seine ehemaligen Offiziere mit ihrem neuen Kommandanten Matthew Price harmonierten; einem Mann, von dem John nicht gerade die besten Sachen gehörte, ganz im Gegenteil. Er und Price waren im selben Jahrgang gewesen und schon damals, einfach nur als sie im selben Vorlesungssaal saßen, hatte Lewinski merken können, dass aus dem Halbbetazoiden nie ein wirklicher Sternenflottenoffizier werden konnte. Abgesehen von John musste Price wohl am meisten überrascht gewesen sein, dass er zum Captain befördert worden ist. Wie Price schon selber ihm ins Gesicht gesagt hatte, verdächtigten sie beide abermals Admiral Jellico, diese Sache eingeleitet zu haben. Die Monitor-Crew, die geschworen hatte, ihren ehemaligen Captain zu unterstützen, konnte zu viele unangenehme Fakten aufdecken und wie konnte man besser dies verhindern, mit einem mehr oder weniger befähigten Kommandanten auf diesem Schiff. Doch wie es schien, steckte in Matthew Price mehr als Lewinski und wohl auch Sektion 31 erwartet hatte. Diesmal jedoch konnten sie nicht einfach so gegen Price vorgehen, denn zwei gescheiterte Kommandanten auf einem Schiff innerhalb eines Jahres wäre viel zu auffällig.
    John kippte sein Getränk in einem Zug herunter.
    Oder spielte Price ihnen allen dies nur vor? War er in Wirklichkeit auch nur ein ergebener Diener von Sektion 31, der sie alle zum Narren hielt? Lewinski konnte diesen Punkt auf keinen Fall mit Gewissheit ausschließen. Daher war es um so mehr wichtig, harte Fakten zu erlangen.
    Der Mensch erhob sich, bezahlte mit seinem Kreditchip und begab sich in Richtung Bad dieses Etablissements, um sich frisch zu machen. Klares, wunderbares Wasser ergoss sich über seine Hände und er fuhr sich mit ihnen durch sein kurzes braunes Haar. In seinem Spiegelbild erkannte John die Strapazen eines ganzen Jahres. Er konnte, er wollte dieses Leben nicht mehr führen. Entweder schaffte er es endlich oder er wollte bei dem Versuch sterben...
    Sein Körper reagierte instinktiv, noch bevor der Geist alle Informationen verarbeitet hatte. Diese Fähigkeiten musste man sich zwangsläufig aneignen, wenn man für die Zombie-Abteilung arbeitete, es sei denn, man wollte ein Messer im Rücken haben. Und genauso war es in diesem Fall: ein Tiburoner wollte ihn hinterrücks mit einem Messer angreifen, doch John trat gezielt nach hinten aus und erwischte den Solarplexus des Angreifers, der sich in voller Vorwärtsbewegung befunden hatte. Die ganze Geschwindigkeit wandte sich gegen den Tiburoner, der wahrscheinlich von Sektion 31 geschickt worden war und er prallte gegen die gegenüberliegende Kachelwand. Lewinski beugte sich langsam zu ihm nach unten zu dem schwer atmenden Angreifer und flüsterte ihm zu:
    „Ich dachte mir schon, dass sie mir auf den Fersen waren.“
    Trotz seiner riesigen Schmerzen, die Johns Volltreffer verursacht hatte, verzog der glatzköpfige Außerirdische deine Lippen zu einem Grinsen.
    „Wir wissen, dass sie auf dem Weg sind...“
    „Aber sie wissen nicht, was ich vorhabe. Und ich muss dafür sorgen, dass dies auch so bleibt.“
    Auch wenn er sich vor dieser Aktion mehr als ekelte, musste er es tun. Andernfalls würde dieser Albtraum niemals enden. Es musste sein. Mit geschlossenen Augen rammte John dem Angreifer sein eigenes Messer in den Bauch.

    Lange hatte er dies nicht mehr getan, doch er befand sich auf einmal, ohne dass er so richtig erklären konnte, warum, in einer sentimentalen Stimmung. Gespannt wartete Matthew Price in seinem Quartier vor dem Kombildschirm darauf, dass eine Verbindung hergestellt wurde. Er hatte sich schon lange nicht mehr gemeldet, zu lange, doch nun hatte er einfach mal wieder das Bedürfnis, sie zu sprechen.
    Der Bildschirm erhellte sich und zeigte eine alte Dame, so um die sechzig, die jedoch noch ausgesprochen vital aussah. Ihre blauen Augen strahlten eine vitale Wärme aus und auch ihr Haar hatte immer noch, ungewöhnlicherweise, einen jugendlichen blonden Schimmer.
    „Hallo, Mama“, begrüßte Price sie glücklich und war selbst über die Emotionen überrascht, die sich in ihm austobten.
    „Matthew“, erkannte ihn auch Birgit, seine Mutter wieder, und lächelte überglücklich, „schön, dass du dich wieder einmal meldest.“
    „Ja, Mama, es ist einfach viel zu lange her, dass wir miteinander gesprochen haben. Es tut mir leid.“
    Auch wenn sie keine Betazoidin war, kannte Birgit Price ihren Sohn gut genug, um seine manchmal turbulente Gefühlswelt zu verstehen. Es war manchmal schwer als menschlich-betazoidischer Hybrid.
    „Wie geht es dir, mein Sohn? Was macht dein erstes Kommando?“
    Prices Augen funkelten, als er davon erzählte.
    „Oh, es ist wundervoll, Ma. Du müsstest dabei sein. Weißt du, ich hatte nie damit gerechnet, dass ich es wirklich einmal zu Captain bringen könnte und nun habe ich es geschafft.“
    „Und deine Besatzung? Ist sie gut?“
    „Die beste, die du dir vorstellen kannst.“
    Birgit freute sich aus vollem Herzen für ihren Sohn. Endlich hatte er sich seinen alten Traum erfüllt. Die nächsten Stunden verbrachten sie damit, sich Neuigkeiten zu erzählen und alte Erlebnisse wieder aufzuwärmen. Am Ende ihres langen und wunderbaren Gespräches meinte sie:
    „Du musst mal wieder nach Rigel kommen. Es hat sich hier viel verändert seit deiner Abreise.“
    Price schwarze Augen funkelten, als er den Namen seiner Heimat hörte. Ja, er musste mal wieder zurück.
    „Du hast recht. Ich werde mir so bald wie möglich Urlaub nehmen und dann zu dir kommen.“
    „Ich freue mich darauf. Bis dann.“
    Und dann war auch dieses Gespräch beendet. Price lehnte sich in seinem Sessel zurück. So oft hatte er schon versprochen, seine Mutter zu besuchen und es doch nicht gehalten. Doch diesmal musste er es wahr machen, nur um seiner Mutter zu zeigen, dass er dazu in der Lage war. Sobald diese Mission zu Ende war, würde er seinen Antrag auf Urlaub einreichen!

    Der Planet Parliament war eine kleine, nichtsdestotrotz jedoch eine bemerkenswerte Welt. Seinen Namen erhielt diese schöne Welt aufgrund seiner primären Aufgabe: Parliament sollte als diplomatischer Verhandlungsort dienen. Obwohl er von der Föderation eingerichtet worden war und sich sogar in ihrem Raumgebiet befand, galt Parliament als strikt neutrale Welt. Schon viele wichtige Abkommen zwischen ehemals verfeindeten Parteien waren hier besiegelt worden, doch das wichtigste Ereignis sollte erst heute hier stattfinden. Die bedeutendsten Völker des Alpha- und Beta-Quadranten hatten ihre Repräsentanten entsandt, was zu einer bemerkenswert hohen Anzahl von Schiffen im Orbit führte. Diese Tatsache wäre vielleicht ein Grund zur Sorge gewesen, doch interstellares Recht, dass vor Jahrhunderten beschlossen worden war, verbat den Einsatz von Waffen in der Nähe des Planeten und bisher hatte sich noch jeder an diese Regelung gehalten. Auf dem Planeten selbst existierte der schönste und größte Sitzungssaal in der Galaxis. In einem etwas altmodischen, mit viel aus Holz bestehenden, Stil, war eine beeindruckende Anlage erschaffen worden, wo sich gleichzeitig Tausende von Zuhörern und Repräsentanten aufhalten konnten. Vertreter der Föderation, Gorn, Klingonen, Romulaner, Tamarianer und Cardassianer hatten sich hier eingefunden, um den letzten Schritt in Richtung dauerhaften Frieden zu unternehmen. Alle Fraktionen hatten an einem lang gezogenen Tisch auf der Bühne Platz genommen, vor dem noch einmal ein Rednerpult stand. Die Zuhörer bei diesem Ereignis bestanden größtenteils aus den mitgereisten Wachsoldaten und Journalisten. Auch ein Großteil der Monitor-Crew hatte sich hier nun eingefunden, um dem Präsidenten der Föderation zu lauschen. Der alte Mann, der sich schon in seiner zweiten Amtszeit befand, erhob sich langsam und schritt bedächtig zum Pult, ordnete dabei noch einmal seine Notizen. Langsam verstummten die Gespräche der Anwesenden und alle Aufmerksamkeit richtete sich nun auf den Führer der Föderation.
    „Ehrenwerte Repräsentanten der hier anwesenden Völker, verehrte Gäste“, begann der weißhaarige Präsident ruhig seine Rede, „ich bin glücklich und stolz, dass wir uns alle hier an diesem historischen Ort, der schon so oft Schauplatz von großen Ereignissen war, zusammengefunden haben, um etwas wahrlich... großes zu vollbringen. Sie müssen mir verzeihen, dass mir in der Tat die Worte fehlen, um dieses Ereignis zu beschreiben, welches hier hoffentlich in wenigen Stunden stattfinden wird. Ich hoffe, sie alle hier sehen es mir nach, dass auch ich etwas nervös bin, angesichts der Größenordnung dieses Treffens hier.“
    Während der kurzen Pause, die der Präsident machte, klatschten die anwesenden Zuhörer.
    „Zum aller ersten Mal in der Geschichte unserer Quadranten haben sich die größten und auch bedeutsamsten Völker dieser Galaxis hier, auf Parliament, zusammengefunden, um den letzten und größten Schritt in Richtung dauerhaften Frieden zu tätigen. Der Weg hierher war in der Tat kein leichter. Schon unsere Vorfahren, unsere Eltern und als letzter in der Kette mein direkter Vorgänger Jaresh-Inyo haben lange und hart dafür gearbeitet, dass dies hier möglich sein kann. Das letzte Jahr war natürlich, das schwierigste dieser Bemühungen. So viele letzte Streitigkeiten, so viele letzte Kritikpunkte mussten innerhalb der letzten zwölf Monate beseitigt werden, damit wir uns nun endlich hier treffen können und den größten Vertag der Geschichte unterschreiben können: der Vertrag, der die Gründung der so genannten Mulitplanetaren Allianz ratifiziert.“
    Frenetisches Klatschen der Beteiligten, während sich einige Offiziere der USS Monitor wissende Blicke zuwarfen. Nicht zuletzt sie hatten innerhalb des letzten Jahres viel dafür tun müssen, dass dieses Unternehmen nicht in einer Katastrophe endete.
    „So viele Jahrhunderte lang trennten uns unsere kleinen, unbedeutsamen Streitigkeiten. Doch nun haben wir endlich die Chance, die gesamte Galaxis zu einem besseren Ort zu machen, zu einem lebenswerten Ort. Bitte helfen sie alle mir, uns, dieses Ziel zu erreichen.“
    Stehende Ovationen für den Präsidenten des interstellaren Völkerbundes, der sich mit einem knappen Kopfnicken von der Bühne verabschiedete und den Platz für den nächsten Redner freimachte. Es war Kanzler Martok, das nominelle Oberhaupt des klingonischen Reiches. Während sich der große Krieger zum Pult bewegte, raschelte sein großer Umhang und ein metallisches Klimpern ließ die ungefähre Zahl von Orden erahnen, die er trug. Doch für den ehemaligen General war die größte Auszeichnung das fehlende linke Auge. Während seiner Gefangenschaft in einem Internierungslager des Dominions hatte Martok sein Auge verloren und bisher darauf verzichtet, sich ein künstliches Implantat einsetzen zu lassen. Noch ein letztes Mal ordnete der Kanzler seine Notizen und schlug dann urplötzlich mit der Faust auf den Tisch. Alle Gespräche verstummten schlagartig und der Klingone hatte nun die gesamte Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich gezogen. Martok lächelte.
    „Kahless der Unvergessliche wird mir zustimmen, dies wird ein großer Tag für das Reich werden!“
    Zustimmend stampften die anwesenden Klingonen mit den Füßen auf dem Holzboden auf und bekundeten so ihre Zustimmung. Mit sorgfältig formulierten Worten fuhr Martok fort:
    „Wir stehen heute an einem Scheideweg der Geschichte, meine verehrten Kameraden. Die politischen Gegner dieses historischen Abkommens, zu Hause auf Qo’nos, haben mir vorgeworfen, dass ich mit diesem Vertrag, einem Vertrag des Friedens, die Ziele und die Bestimmungen unseres Volkes verrate. Unsere Bestimmung ist der Kampf!“
    brüllte Martok und blickte sich dabei mit strengem Blick zu der romulanischen Abgeordneten um. Diese Aktion verursachte einiges Stirnrunzeln bei den Repräsentanten der Föderation.
    „Schaut sie euch an“, fuhr der Kanzler fort, „schaut sie euch an, unsere ehemaligen Feinde sind hier an diesem Tisch versammelt. Gegen jedes einzelne dieser Völker haben wir mindestens einen bedeutenden Krieg geführt. Und nun sitzen wir hier und wollen einen Friedensvertrag abschließen. Verraten wir so unsere klingonische Bestimmung?“
    Alle Aufmerksamkeit richtete sich auf den Kanlzer, der die nächsten Worte nur flüsterte.
    „Ich sage nein.“
    Und lauter:
    „ICH SAGE NEIN! Ich sage, das klingonische Volk sieht sein Schicksal immer noch im Kampf. Doch es wird in Zukunft eine andere Art von Kampf sein. Nicht mehr der auf dem Schlachtfeld oder im Orbit eines Planeten, ein Kampf, der Millionen von Leben beeinflusst. Nein, unser neuer Kampf ist anders und bestimmt doch das Leben von Millionen Bürgern: in Zukunft kämpfen wir auf dem Feld der Diplomatie. Wir kämpfen nicht mehr mit Waffen, sondern mit Worten. Und wer mir nicht glauben will, dass dies ebenfalls klingonisch ist, den möchte ich an Kahless erinnern, der nicht nur ein großer Krieger, sondern auch liebevoller Vater und ein bedeutender Philosoph gewesen ist. Kahless der Unvergessliche verstand es, alle klingonischen Lebensarten zu vereinen, ohne einer bestimmten dem Vorzug zu geben. Es ist mein größter Wunsch, dass wir uns mit diesem historischen Vertrag einen weiteren Schritt an Kahless großer Vision annähern.“
    Im Anschluss an diese brilliante Rede schmetterten die Klingonen ihre ureigene Hymne, als Zeichen der Zustimmung. Sie waren so laut, dass man noch in den prächtigen Gärten Parliaments den Gesang wahrnehmen konnte.

    Für die Crew der USS Monitor war diese kurze Pause leider wieder vorbei. Nach und nach hatte sich die Mannschaft wieder auf dem Schiff versammelt, denn ein neuer Auftrag war gerade hereingekommen. Wie immer hatten sich die Führungsoffiziere des Schiffes im Bereitschaftsraum des Captains versammelt, der, wie man inzwischen zugeben musste, eine architektonische Meisterleistung darstellte. Wie sonst war es zu erklären, dass mühelos in das kleine Büro so viele Personen passten. Captain Price saß an seinem Schreibtisch, die Ärmel wie so oft hochgekrempelt und hatte eine Hand auf dem Monitor seines Tisches abgelegt, der in Richtung der anderen Offiziere zeigte.
    „Admiral Jellico hat uns einen neuen Auftrag zugeteilt“, erklärte Price ruhig. „Vorgestern wurde dieses Bild auf einer privaten Raumstation aufgenommen.“
    Der Bildschirm erhellte sich und zeigte die Standbildaufnahme einer Sicherheitskamera, die eine Person zeigte, wie sie gerade den Raum verließ. Die Anwesenden weiteten überrascht die Augen. Lieutenant-Commander Land formulierte die Erkenntnis in Worte:
    „Das ist John Lewinski!“
    Mit einem Kopfnicken bestätigte Price diese Erkenntnis.
    „Hier verlässt er gerade das Bad, in dem er einen Menschen getötet hat.“
    Ungläubiges Staunen bei den Anwesenden. Diesmal war es Lieutenant Danny Bird, der für alle sprach:
    „Unmöglich. John Lewinski ermordet nicht einfach so jemanden.“
    „Ich habe auch nicht von Mord gesprochen, Lieutenant. Ich habe nur gesagt, dass er jemanden getötet hat“, belehrte Price den taktischen Offizier. „Er hat an dieser Station einen kurzen Reisestop durchgeführt, bevor er mit seinem Runabout weiterflog.“
    „Wohin?“ fragte Land aufgeregt, auch wenn er sein bestes gab, um diese Gefühlsregung zu verbergen. Als Betazoid konnte Price ganz deutlich die innere Unruhe seines ersten Offiziers spüren.
    „Wir wissen es nicht. Was wir wissen ist jedoch, dass John Lewinski etwas in seinem Schiff transportiert: jede Menge Sprengstoff.“
    Die anwesenden Offiziere schauten sich beunruhigt gegenseitig an. Diese letzte Information schien nichts gutes zu verheißen. Chief Woil versuchte die Lage irgendwie noch zu retten:
    „Wir haben doch gerüchteweise gehört, dass unser ehemaliger Captain für eine geheime Organisation innerhalb des SFI arbeitet. Diese konnten zwar niemals bewiesen werden, aber vielleicht entsprechen sie ja den Tatsachen und Lewinski hat einen Auftrag bekommen... für den er halt den Sprengstoff braucht.“
    „Wie sie selbst sagen, sind dies nur Gerüchte gewesen“, widersprach ihm Matthew Price und stand von seinem Stuhl auf, einem Stuhl, der früher einmal Captain Lewinski gehört hatte. „Wir reden hier von einer Organisation, die angeblich von dem Geheimdienst der Föderation unterhalten wird. Also, wo ist diese Gruppe bitte? Ich habe, bevor ich dieses Treffen hier einberufen habe, mich daran gemacht, Informationen über solche Einheiten zu finden, aber die Datenbanken geben nichts her. Vielleicht müssen wir uns mit der Tatsache abfinden, dass John Lewinski ein Terrorrist geworden ist.“
    Waren die Offiziere vorhin nur überrascht gewesen, so waren sie nun offenkundig verärgert. Verärgert über den Mann, der ihnen ein Jahr lang ein passabler Kommandant gewesen war, dem sie jedoch nichtsdestotrotz nie ganz vertraut haben. Diese Empfindungen spürte Price sofort und sie machten ihn unglücklich. Er selbst wusste, dass er nur so etwas wie ein Platzhalter war, eine Übergangslösung, bis John Lewinski zurück kam. Price hatte davon gehört, dass Sektion 31 Lewinski loswerden wollte und Matthew hatte sich in einer Zwickmühle befunden: wenn er der Crew half, ihren alten Kommandanten zurückzubekommen, was moralisch das richtige war, so würde er sein erstes Kommando schnell wieder verloren haben. Wenn er hingegen nichts tat, würde er Captain der Monitor bleiben, jedoch mit einer Crew, die nicht hinter ihm stand und mit dem Gewissen, dass er dieses Kommando nur auf höchst irreguläre Weise erhalten hatte. Price hatte gedacht, dass sich die Crew irgendwie an ihn akklimatisiert hatte, doch war dem wirklich so? Land hatte bei ihrem vorherigen Gespräch nicht gelogen, okay, aber wie sah es bei den anderen aus.
    Lieutenant Ardev riss den Kommandanten mit seinem skeptischen Gesicht aus seinen Gedanken.
    „Matt, mir fällt es etwas schwer zu glauben“, erläuterte der Andorianer, „dass Starfleet Intelligence uns zwar sagen kann, wo Lewinski gewesen ist und was er mit sich transportiert, aber nicht, was sein Ziel ist.“
    „Ein Indiz, wie clever John ist“, entgegnete Bird ruhig und kam so einer Erwiderung seines Captains zuvor. „Keiner in diesem Raum darf vergessen, dass Captain Lewinski schon mit Geheimoperationen zu tun hatte, als er noch nicht einmal offiziell beim Geheimdienst angefangen hatte. In den vier Jahren, die wir unter ihm gedient haben, haben wir doch alle gelernt, dass ein John Lewinski sehr wohl weiß, wie er untertauchen kann. Wie sonst ist es zu erklären, dass wir niemals mit ihm haben Kontakt aufnehmen können. Wenn Lewinski nicht will, dass wir ihn finden, dann schaffen wir das auch nicht.“
    Die anderen Offiziere nickten ob dieser Begründung, doch Price hob schnell seinen Zeigefinger, um die Unruhe einzudämmen.
    „Glücklicherweise hat Command uns einen Hinweis geben können, wie wir Lewinskis Reiseziel erfahren können. In einem aufgegeben Minenasteroiden im Sektor P-23 soll sich eine Person aufhalten, die unter dem Decknamen Bill bekannt ist. Er könnte uns weiterhelfen.“
    „Gehört er zu uns?“
    Angesichts der vielen Überraschungen am heutigen Tage schien Telloms Frage nur vernünftig.
    „Unbekannt.“
    „Das gefällt mir alles nicht“, murmelte Bruce Land und schüttelte unruhig den Kopf. „Was sind das hier für Scheininformationen, die man uns hier liefert? Mit denen können wir kaum was anfangen. Wieso weiß SFI seltsame Details seiner Fracht, aber nicht seinen Ankunftsort? Wieso steht nirgendwo, was mit John während des letzten Jahres passiert ist? Das gefällt mir nicht, Matt!“
    Price beugte sich auf seinem Schreibtisch vor und diesmal strahlten seine vollkommen schwarzen Augen eine Härte aus, die für den Betazoiden völlig ungewöhnlich war.
    „Mir ebenso wenig, Bruce“, erwiderte der Kommandant und jedes einzelne Wort davon klang wie ein Donnerschlag. „Doch wenn wir eins wissen, dann das: John Lewinski ist dabei, eine große Dummheit zu begehen und wenn wir ihn nicht aufhalten, dann wird er so schnell nicht wieder auf die Monitor zurückkehren können.“
    Mit grimmigem Gesichtsausdruck blickte Captain Price seine Untergebenen an und wartete auf irgendeinen weiteren Einwand, der jedoch aus blieb. Schließlich erhob er sich wieder und klatschte in die Hände.
    „Dann wollen wir uns mal auf den Weg machen. Tarnen sie das Schiff und bringen sie uns den Sektor P-23, Maximum-Warp. Mal sehen, ob uns Bill weiterhelfen kann.“
    Und damit machte sich die Crew der USS Monitor auf den Weg, ihren alten Kommandanten vor dem größten Fehler seines Lebens zu bewahren. Nur würden sie es rechtzeitig schaffen können?

    Für einen weltraumerfahrenen Mann, wie es John Lewinski war, schien es absolut unbegreiflich, daß sich solche Schiffe überhaupt im Dienst befinden durften. Die Rede war von dem Passagierschiff der Z-Klasse, ein kleines Schiff, daß gerade einmal gut einhundert Personen mit Warp 4 durch die Weiten des Alls befördern konnte. John hatte auch diese Passage lange im Voraus, selbstverständlich unter falschem Namen gebucht. Auch dieser Aspekt war einer der wenigen Vorteile des letzten Jahres in der Zombie-Abteilung gewesen: da es zum Naturell dieser Gruppe gehörte, unbekannt zu bleiben, gab sie jedem einzelnen Mitarbeiter die Möglichkeit, mehrere falsche Namen zu führen, die auf keinen Fall zurückzuverfolgen waren. John hatte diesen Service für diese letzte Mission reichlich in Anspruch genommen und sich so eine Passage auf diesem Transporter besorgt. Müde, aber auch dankbar für diese kleine Pause, lehnte sich Lewinski in seinem Sessel zurück und streckte seine langen Beine aus, zumindest so weit, wie es bei dieser geringen Beinfreiheit überhaupt möglich war. Der ehemalige Captain hatte auch gleich die Möglichkeit wahrgenommen, dem selbstgefälligen Bill eins auszuwischen und hatte das Spesenkonto der Zombie-Abteilung belastet, indem er mit deren Credits die beiden Plätze zu seiner linken und rechten gebucht hatte. Auf dieser Reise konnte sich John keine Sitznachbarn leisten, die ihn möglicherweise in ein Gespräch verwickelten konnten und wobei er sich möglicherweise auch noch verplapperte. Und außerdem genoß er diese Ruhe vor den Sturm. Verträumt blickte er aus dem kleinen Fenster zu seiner rechten, beobachtete die Sterne, die sich, typisch für den Warptransfer, zu einem Schlierenmuster verzogen hatten. Nur noch wenige Sekunden und der nächste Schritt seines Planes trat in Kraft...
    Kaum merklich summten die Trägheitsabsorber, als das Schiff auf Unterlicht-Geschwindigkeit verlangsamte. Die Passagiere an Bord, die den Raumflug nicht so gewohnt wie Lewinski waren, fingen aufgeregt an zu murmeln und deuteten mit dem Finger durch ihre Fenster nach draußen auf eine beeindruckende Föderationsraumstation, die im Orbit von Delta Serpentis majestätisch ihre Runden drehte. Es war, in der Tat ein beeindruckender Anblick, auch wenn in diesem Moment John mit seinen Gedanken völlig woanders war. Das Deck wackelte etwas, als die schweren Frachttore, die sich an der Unterseite des Passagierschiffes befunden hatten, geöffnet wurden. Wie der Pilot am Anfang mitgeteilt hatte, wurden ab und zu Zwischenstopps eingelegt, um so Privatmaschinenbesitzern die Möglichkeit zu geben, die Reise auf eigene Faust fortzusetzen. Bisher hatten sie schon dreimal gehalten und nun war es auch für ihn an der Zeit, daß Schiff zu verlassen.
    Mit schwungvollen Wendemanövern verließ Johns Runabout den Hangar des Schiffes und raste auf die Raumstation zu. Doch das kleine Schiff kam nicht sehr weit. Die Passagiere an Bord des Z-Klasse Schiffes kreischten entsetzt, als das Runabout plötzlich ins Trudeln geriet und anfing, sich zu überschlagen. Sekunden später explodierte es in einem blendend heißen Feuerball. Entsetzt drückten die schaulustigen Personen an Bord ihre Nasen gegen die Fenster des Schiffes, während die Raumstation Rettungsschiffe zu dem Unglücksort lossandte, obwohl jede Hilfe schon zu spät kam. Die meisten größeren Teile des Runabouts waren in der Antimaterie-Explosion atomisiert worden. Sektion 31 hatte zugeschlagen!


    Im getarnten Zustand flog die USS Monitor in das Hauptsystem des Sektors P-23 ein. Mit Überraschung stellte die Crew fest, wie leicht der ehemalige Minenasteroid zu orten war. Wollten die Leute, die dort waren, nicht verhindern, daß man sie aufspürte? Doch schnell wurde allen klar, daß nur diejenigen diesen Ort fanden, die tatsächlich auch wußten, wonach sie suchen sollten. Und wer genau wußte dies schon? Auf der Brücke des Geheimdienstschiffes drehte sich Lieutenant-Commander Land zu seinem kommandierenden Offizier, nachdem er einen vollen Stop durchgeführt hatte.
    „Und was jetzt?“ fragte er frei heraus. Wie alle anderen an Bord brannte der erste Offizier, der immer noch John Lewinskis bester Freund war, darauf, endlich das Mysterium um den verschwunden Offizier zu lösen.
    „Jetzt“, begann Captain Price und erhob sich aus dem Kommandosessel, „werde ich mal unseren Freund Bill aufsuchen und ein Gespräch mit ihm anfangen.“
    „Soll ich einen Kanal öffnen, Matthew?“ fragte Lieutenant Ardev frei heraus.
    „Nein, ich werde diese Unterhaltung nicht von der Monitor aus führen. Ich werde mir ein Shuttle nehmen.“
    Da diese Idee absolut seltsam war, drehten sich erwartungsgemäß alle Köpfe auf der Brücke, inklusive dem von Price, zu Commander Land, der, wie es seine Pflicht war, einen Einwand formulieren mußte. Und natürlich tat der Engländer auch seine Pflicht:
    „Ich muß sie ja wohl nicht darauf hinweisen, daß wir es hier mit einer Raumstation mit unbekannten Verteidigungspotential zu tun haben, welches unter dem Kommando einer streng geheimen Organisation der Föderation steht. Unter diesen Umständen ist es wohl viel zu gefährlich, sich nur mit einem Shuttle dorthin auf den Weg zu machen.“
    „Sie haben recht“, antwortete Price und Bruce Land hoffte schon, daß zum ersten Mal sein Protest Gehör fand, wurde dann jedoch leider enttäuscht, „sie müssen mich nicht darauf hinweisen. Aber ich bin nicht bereit, schon zu Beginn dieser noch nicht stattgefunden Unterhaltung all unsere Karten auszuspielen. Sie werden sich hier etwas im Hintergrund halten und mir im Fall der Fälle zu Hilfe eilen.“
    Jeder wußte, daß Protest an dieser Stelle sinnlos war und so ließ man den Kommandanten ziehen. Er schnappte sich eines der kleinen Shuttles und ließ ein Vernebelungsfeld errichten, welches verhindern sollte, daß man ortete, daß das Shuttle aus dem Nichts, also aus dem getarnten Bauch eines Schiffes erschien. Viel eher sollte der Eindruck erweckt werden, daß Price mit seinem kleinen Gefährt gerade erst den Warpflug beendet hatte.
    Selbstbewußt, ohne Furcht, dirigierte Price sein kleines Gefährt durch das Vakuum des Alls, in Richtung des Minenasteroiden. Sie mußten einfach herausfinden, was John Lewinski vorhatte, was sein geheimer Plan war. Der Betazoid hatte gehofft, daß er ungestört an Bord der Raumstation landen und sich etwas umsehen, vielleicht sogar mit den sich dort befindlichen Personen ins Gespräch kommen konnte. Doch diese Hoffnungen mußten leider enttäuscht werden, denn nur knapp eine Minute nach dem Start von Matthew Price´ Shuttle verließ ein weiteres Raumgefährt den Hangar der Station. Um nicht zu aufdringlich und vor allem nicht zu nervös zu erscheinen, nahm der Kommandant der Monitor nur einen passiven Scan vor. Und das Ergebnis paßte ihm ganz und gar nicht in den Plan. Bei dem anderen Raumschiff handelte es sich um einen kleinen Kampfjäger, der genug Feuerkraft besaß, um Price´ kleines Shuttle innerhalb einer Minute gänzlich zu atomisieren. Der Betazoid nahm langsam Fahrt herunter, tat dies jedoch nicht ruckartig, um nicht ängstlich zu erscheinen. Der Kampfjäger unbekannter Bauart verlangsamte ebenfalls sein Tempo und blieb schließlich vor dem Shuttle der Monitor stehen, seltsamerweise ebenfalls darauf bedacht, nicht bedrohlich zu wirken. Und dann warteten sie. Keiner von beiden wollte als erstes eine Kom-Verbindung herstellen und Captain Price hatte nicht vor, es zuerst zu tun. Zwar stand die gesamte Mission unter einem Zeitdruck unbekannten Ausmaßes, doch ein mit-der-Tür-ins-Haus-fallen würde nur die prekäre Lage, in der sie sich befanden, verraten. Irgendwann würde der unbekannte Pilot des Kampfjägers schon wissen wollen, was der Grund für diesen seltenen Besuch war. Und tatsächlich, nach Sage und schreibe zwanzig Minuten leuchtete auf Price Armaturen ein gelbes Licht auf und ein akustisches Signal verriet ihm, daß er von dem Jäger gerufen wurde. Ein kurzes Lächeln spielte sich auf seine Lippen, das er jedoch schnell wieder verschwinden ließ; immerhin wollte seinen Gegenüber mit so einem banalen Sieg nicht beschämen.
    Der Kom-Bildschirm an der Seite des Shuttles erhellte sich und zeigte einen kleinen, untersetzten Mann, der sich alleine im Cockpit seines Jägers befand. Seine wenigen blonden Haare waren zerzaust, ein Zeichen dafür, daß er sehr plötzlich hatte starten müssen.
    „Was wollen sie hier?“ fragte der Pilot weder besonders höflich, noch unhöflich.
    Entgegen seiner Vorlieben und Gewohnheiten beschloß Price, schon zu Beginn alles auf eine Karte zu setzen.
    „Sie sind Bill, nehme ich an?“ fragte er frei heraus.
    Bill nickte und sein Gesichtsausdruck verriet Anerkennung darüber, daß man ihn gefunden hatte.
    „Das ist richtig. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“
    „Matthew Price, Captain der Sternenflotte“, stellte sich der Kommandant der Monitor knapp vor, dabei sorgsam darauf bedacht, keine Anzeichen über die Präsenz seines Schiffes zu geben.
    „Ah, Mr. Price“, sagte Bill fröhlich und hob freundlich seine beiden Hände, „ob sie es glauben oder nicht, ich habe schon einiges über sie gehört!“
    „Tatsächlich? Ich hoffe doch gutes, oder?“
    „Ich erspare ihnen lieber Einzelheiten, die ihnen Kummer bereiten könnten.“
    „Sehr freundlich von ihnen.“
    Nun nahm Bill einen ernsten Gesichtsausdruck an und er beugte sich nach vorne, in den Erfassungsbereich der Kamera und signalisierte so, daß die Zeit für Smalltalk vorüber war.
    „Ich möchte sie nochmals nach dem Grund ihres Aufenthaltes im Sektor P-23 fragen“, fragte der kleine Mann und wieder war nichts bedrohliches in seiner Stimme.
    „Ist es wahr, daß sie für eine hochgeheime Organisation der Föderation arbeiten?“ fragte Matthew abermals frei heraus. Die Zeit war zu knapp, um aufwendige Bluffs durchzuführen und bisher hatte sich die direkte Art als wirkungsvoll erwiesen.
    „Ich weiß leider nicht, wovon sie sprechen“, kam die Antwort aus den Lippen des Menschen und würde man nicht wissen, daß er log, Price hätte es ihm glatt abgekauft, sogar als Betazoid.
    „Als Bürger der Föderation sind sie mir gegenüber, einem Mitglied eines Organs der Vereinigten Föderation der Planeten verpflichtet, nach bestem Wissen und Gewissen zu helfen. Nur falls sie dies vergessen haben sollten“, fügte der Kommandant hinzu.
    Wieder lächelte Bill auf diese hassenswert künstliche Art und Weise.
    „Ich freue mich immer, wenn ich meine Bürgerpflicht erledigen kann.“
    Wieder alles auf eine Karte, sie mußten endlich weiter kommen:
    „Ich bin auf der Suche nach einem männlichen Menschen. Er heißt John Lewinski.“
    Abermals setzte Bill sein künstliches Lächeln ein, doch hinter seiner Stirn begann es zu arbeiten. Mit der Nennung des Namens von Lewinski hatte Price unabsichtlich eine fatale Ereigniskette in Gang gesetzt, die sich für die weitere Untersuchung als unvorteilhaft erwies. Auch wenn John Lewinski nie viel von seinem Arbeitgeber, der sich immer am Rande der Legalität bewegt hatte, gehalten hatte, so war er sich nie der Loyalität bewußt gewesen, die Bill jedem einzelnen seiner Untergebenen entgegengebracht hatte. Oh nein, der untersetzte Mann war kein Dummkopf gewesen. Er hatte gründlich über die Vergangenheit und der aus ihr resultierenden Motivationen Lewinskis Bescheid gewußt. Es war kein Geheimnis gewesen, daß John besessen von dem Wunsch gewesen warf, es Sektion 31 heimzuzahlen oder zumindest seinen Namen reinzuwaschen. Dies war wohl auch der wahrscheinliche Grund für die Abreise Johns gewesen. Und aus irgendeinem verkappten Loyalitätsgefühls heraus, welches er nie vor John oder irgendeinem anderen Mitarbeiter gezeigt hatte, war es Bill ein Bedürfnis, diesem Mann, den er für ein gutes Jahr gekannt hatte, zu helfen. Nur zu dumm, daß er gerade Matthew Price für einen derjenigen Personen hielt, die Lewinski zerstören wollten. Und obwohl er ganz genau wußte, daß Price der Kommandant eines Schiffes der Defiant-Klasse war, tat er genau das, was ihm in diesem Moment am besten erschien, um dem Mann, der ihm nie ein Freund gewesen war, zu helfen: er aktivierte seine Bordwaffen.
    Völlig überrascht von dieser abrupten Wendung des Gespräches fuhr Lieutenant-Commander Land, der in Vertretung von Captain Price auf dem Kommandosessel Platz genommen hatte, aus selbigem Hoch, als Ardev von dem akuten Energieanstieg in den Waffensystemen des Jägers berichtete.
    „Roter Alarm, alle Mann auf die Kampfstationen“, rief er mit schweißnasser Stirn und sofort wurde die gesamte Brücke in rotes Licht getaucht, während Alarmsirenen auf dem ganzen Schiff die Crew darauf hinwiesen, sich auf ihre Notfallstationen zu begeben. Das Shuttle des Captains war derzeitig dem Jäger Bills völlig unterlegen und sie mußten ihm so schnell wie möglich zu Hilfe eilen.
    Auch Price hatte sofort die sich verändernde Situation bemerkt und instinktiv, ohne überhaupt darauf zu warten, was ihm sein Gehirn befahl, sein Raumgefährt zur Seite gerissen, was die absolut beste Lösung gewesen war; entging er so doch nur knapp einer vollen Salve von Bills Plasmakanonen. Wie ein Berserker stürzte sich der Mann, der eine der höchsten Ebenen innerhalb der geheimen Zombie-Abteilung bekleidete, auf seinen Gegner, ohne zu wissen, daß sie beide doch nur das selbe Ziel hatten: John Lewinski vor Schaden zu bewahren! Der untersetzte Mann gab seine ganze Zurückhaltung auf und klemmte sich hinter Price, feuerte dabei aus allen Rohren auf das kleine Shuttle. Der Kommandant der Monitor wußte, daß er ihm offenen Raumkampf keine Chance hatte und tat das einzig ihm vernünftig vorkommende; er hielt auf den Minenasteroiden zu. Auf der einen Seite hatte er dadurch noch mehr Arbeit, denn als er sogleich in die Reichweite der Abwehrgeschütze kam, eröffneten diese das Feuer auf ihn und er hatte große Mühe, nicht zu stark getroffen zu werden. Doch auf der Habenseite konnte er verbuchen, daß er mit seinem kleineren Fahrzeug die Möglichkeit hatte, die Unebenheiten des Asteroiden als Deckung zu benutzen. Bill, der immer noch wie wild hinter ihm herjagte, hatte sichtlich Mühe, unter diesen Umständen zu navigieren und der Abstand zwischen den beiden vergrößerte sich merklich. Und dann kam die erhoffte Rettung: in naher Entfernung waberte der Raum, ein deutliches Anzeichen für ein sich enttarnendes Schiff. Die Monitor war jedoch außerhalb der Geschützreichweiten des Asteroiden geblieben und Price zog abrupt seine Maschine nach oben, raste seinem Schiff entgegen. Dadurch bot er jedoch für einige Sekunden ein perfektes Ziel und eine der Phaserzungen, die durchs All leckten, streifte die Schilde seines Shuttles. Konsolen an Bord explodierten und Matthew Price bedeckte sein Gesicht, um sich vor Verbrennungen zu schützen. Seine Sensoren flackerten bedenklich, gaben ihm nichtsdestotrotz die erhoffte Information. Bill war ihm weiterhin auf den Fersen und feuerte aus allen Rohren. Wieder erbebte das Shuttle unter den Einschlägen und abermals flogen Funken, als im hinteren Bereich ein Feuer ausbrach. Automatische Löschsysteme nahmen sich des Feuers an und verhinderten, daß es sich dem Piloten näherte. Ein paar Mal noch versuchte der Betazoid den wild gewordenen Bill zu rufen, doch er antwortete nicht und so blieben ihnen beide die Möglichkeit entsagt, dieses Missverständnis aufzuklären. Und dann waren sie nahe genug. Price flog eine scharfe Linkskurve; so scharf, daß seine Trägheitsabsorber aufgrund der Belastung aufheulten. Der Kampfjäger war, trotz seiner geringeren Größe im Vergleich zur Monitor nicht in der Lage, ein ebensolches Manöver durchzuführen und entblößte so den gesamten Bug.
    Auf diese Gelegenheit hatten sie alle gewartet. Mit gereckter Faust und zusammengebissenen Zähnen, eine Geste, die vollkommen untypisch für ihn war, befahl Commander Land, das Feuer zu eröffnen. Die Phaserkanonen entluden sich, gefolgt von vier Quantentorpedos und durchbrachen mühelos die Schilde von Bills Jäger. Einem kleinen Sternenflottenshuttle war er überlegen gewesen, einem Raumschiff der Defiant-Klasse war er jedoch hoffnungslos unterlegen. Der kleine Chef von John Lewinski biß noch auf obskure Art und Weise die Zähne zusammen, als rund um ihn herum das Cockpit in Flammen aufging; so als ob er sich selber dazu animieren wollte, durchzuhalten. Doch nur die Willenskraft eines Mannes allein war nicht im Stande, die Waffentechnik des 24. Jahrhunderts aufzuhalten. Die Waffen der Monitor zerstörten Bills Hülle und innerhalb von Sekunden, einer unglaublich makabren Zeit, war das Leben von Bill beendet. Doch seine Geheimnisse und die seiner Organisation nahm er mit ins Grab. Sekunden nach seinem Ableben explodierte auch die Mienenstation in einem lodernden Feuerball, der die beiden Schiffe der Sternenflotte gehörig durchschüttelte. Es blieb unklar, ob die Station bemannt oder nicht gewesen war, auf jeden Fall blieben keine Überreste zurück, die untersuchbar gewesen wären. Der kleine, dickliche Mann names Bill hatte die Geheimnisse seiner Organisation gewahrt. Und dies alles nur wegen eines kleinen Mißverständnisses...

    „Verdammt!“ brüllte Captain Matthew Price mit einer unbändigen Wut, nachdem er sein Shuttle in dem kleinen Hangar der USS Monitor gelandet hatte. In einer solchen Verfassung hatte Lieutenant-Commander Bruce Land seinen Kommandanten, ja noch nicht einmal irgendeinen anderen Betazoiden gesehen. Dieses Volk war überall im Quadranten dafür bekannt, sehr ausgeglichen und ruhig zu sein. Schon sehr früh in ihrer Geschichte hatte die Rasse der Betazoiden zu einem einigenden Frieden gefunden. Doch im Moment war Captain Price weit von den Idealen seiner Vorfahren entfernt, auch wenn er „nur“ ein halber Betazoid war. Er hatte sich schon immer mehr dieser anstelle seiner menschlichen Seite verbunden gefühlt. Mit erhobenen Händen, die beschwichtigend wirken sollten, näherte sich Bruce Land dem Kommandanten:
    „Ruhig, Matt; es war nicht ihre Schuld gewesen.“
    Doch der sonst so cool wirkende Price, der unter normalen Umständen immer so wirkte, als wäre er jederzeit Herr der Lage, war außer sich. Mit rot angelaufenem Gesicht lief er von einer Ecke des kleinen Vorraumes zum Hangar zur anderen.
    Land wußte, daß sie dies nicht weiterbrachte und wollte einen Schlußstrich ziehen:
    „Matt, wir kommen so nicht weiter...“
    „Ich entscheide, wann ich meine Wut dämpfe!“ brüllte plötzlich der Kommandant und holte mit seiner Faust aus. Im ersten Moment, sehr zu seiner Verwunderung, nahm Land an, daß Price ihn schlagen wollte, doch nur Millisekunden später registrierte er, daß nicht er das Ziel dieses Kraftaktes war, sondern eine Computerkonsole rechts vom Captain. Diese zersplitterte funkenstobend, als die geballte Faust auf ihr auftraf. Auch wenn er glücklich darüber war, daß nicht er das Ziel dieses Angriffes gewesen war, so war Bruce Land nichtsdestotrotz entsetzt. Mit ungläubigem Gesichtsausdruck musterte er Price und erschrak: das Gesicht seines Captains war zu einer wilden Fratzes verzerrt und für den Bruchteil eines Augenblickes meinte er, ein rotes Glühen in den Augen Price´ zu sehen. Und dann... war es wieder weg. Price entspannte sich, schien auf einmal sogar überrascht darüber, was er getan hatte. Er spannte und lockerte seine Finger, als er den Schmerz spürte, denn die Zertrümmerung des Terminals verursacht hatte.
    „Gehen wir in die Krankenstation“, murmelte der Betazoid und es schien ihm nun wirklich peinlich zu sein.
    Bruce Land nickte beflissen, immer noch irritiert über das, was er eben gesehen hatte. Doch im Moment gab es wichtigeres. Sein bester Freund war dabei irgendeine Dummheit zu begeben und die Verhinderung dieser Sache hatte oberste Priorität. Schweigend begaben sich die beiden in den Turbolift, der sie auf die Krankenstation brachte. Dor angekommen zeigte Captain Price seine Verletzung der Bordärztin Dr. Frasier. Die aparte Frau machte inzwischen gar keinen Hehl mehr aus ihrer Zuneigung Price gegenüber und obwohl der Betazoid die Dame ganz sympathisch fand, schien es noch nicht an der Zeit für eine ernsthafte Beziehung zwischen den beiden. Vielleicht, wenn er noch etwas länger an Bord gewesen war, konnte sich daraus etwas entwickeln. Mit einem fragenden Blick stellte die Frasier fest, dass Price´ Hand gebrochen war, doch die beiden Männer blieben ihr eine Erklärung schuldig. So justierte die Ärztin den medizinischen Regenerator und fuhr damit mehrere Minuten lang über die verletzte Hand des Kommandanten. Der Betazoid spürte ein starkes Kribbeln in seiner Hand, als mittels kompliziertester Technologie die hauteigene Regeneration angeregt und beschleunigt wurde. Innerhalb weniger Minuten waren die gebrochenen Fingerknochen wieder verheilt. Als Matthew Price die Hand abermals anspannte und lockerte, fühlte sie sich wieder so normal an wie eh und je.
    Was für eine Zeit, in der wir leben, dachte er dankbar.
    Er nickte Dr. Frasier dankend zu, welche den Dank mit einem strahlenden Lächeln erwiderte. Vielleicht bahnte sich ja doch irgendetwas zwischen ihnen an. Bisher waren nur Lieutenant Ardev und Fähnrich Arena Tellom das offizielle „repräsentative“ Liebespaar des Schiffes gewesen; vielleicht war es für sie an der Zeit, etwas Konkurrenz zu bekommen.
    Das Schott zur Krankenstation öffnete sich zischend und ließ so Lieutenant Ardev eintreten (welch Zufall!). Argwöhnisch drehten sich alle Anwesenden zum Andorianer um. Noch bevor der Einsatzoffizier die ersten Worte gesprochen hatte, wusste Price, dass etwas Schlimmes, etwas sehr Trauriges vorgefallen war.
    „Was?“ fragte Commander Land, der selbst als Nicht-Empath die seltsame Stimmung des jungen Mannes registrierte, „was ist geschehen?“
    Der Lieutenant hob ein Datenpadd in die Höhe. Noch vor einigen Tagen war er in einem Hochgefühl aufgrund der kommenden Hochzeit gewesen und nun diese Schicksalsbotschaft. Stand diese Beziehung etwas unter keinem guten Stern?
    „Ich habe gerade eine Nachricht vom Oberkommando reinbekommen“, erklärte Ardev und schluckte dabei missmutig. „Heute morgen, im Orbit von Delta Serpentis, ist ein Runabout der Föderation explodiert. Es war auf den Namen John Lewinski zugelassen. Es gab keine Überlebenden.“
    Die Atmosphäre veränderte sich schlagartig. Alle Anwesenden, doch am meisten Bruce Land, fühlten auf einmal eine tiefe Leere, die ihren Körper durchströmte. Nein, dies konnte dich nicht wahr sein! John Lewinski konnte doch unmöglich tot ein!
    Ungläubig griff sich Land noch vor seinem Kommandant das Padd und las sich den Bericht abermals durch. Dort stand es, Wort für Wort: das Runabout war vollkommen atomisiert worden. Es gab nicht einmal Leichen- oder Maschinenteile, die man hätte untersuchen können.
    Der erste Offizier der Monitor kniff seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Das Gefühl von Leere wurde von einer Emotion verdrängt, blanker Wut. Es war doch glasklar, auf wessen Konto dieses Unglück ging: Sektion 31! Also hatten sie es doch geschafft. Ein Jahr lang war Lewinski untergetaucht, ohne ihm irgendwie Bescheid zusagen. Er musste dies tun, um seine eigene Sicherheit zu gewährleisten. Und nun hatten sie ihn doch erwischt.
    Eine Hand legte sich auf die Schulter Lands; es war die von Captain Price. Auch der Betazoid war nicht in der Lage, einen Kommentar zu dieser schlagartigen Wendung der Ereignisse abzugeben. Er hatte John Lewinski nur flüchtig gekannt und war bei ihrem ersten Treffen gleich heftig mit ihm aneinander geraten, doch er respektierte und achtete die Motive des ehemaligen Captains der Sternenflotte. Und wieder fühlte er diesen unbändigen Zorn in sich aufsteigen. Nur diesmal war er in der Lage, ihn zurückzuhalten.

    Erst im Falle eines immensen Verlustes, wie es nun der Fall war, konnte einem klar werden, wie sehr man an einer Person gehangen hatte. Überall an Bord konnte Captain Price den Schmerz fühlen, den die Crew dieses Schiffes derzeit durchmachte. Sicher, im letzten Jahr hatte er viel über John Lewinski gehört und auch nachvollziehen können, was er für die Besatzung bedeutet hatte, doch richtig nachvollziehen konnte er diese Wichtigkeit Lewinskis erst jetzt. Er bedauerte es, dass ihre erste und bisher einzige Begegnung unter solch schlechten Umständen stattgefunden hatte. Gerne hätte er diesen Mann besser kennen gelernt, um den Schmerz besser nachempfinden zu können. Als er die Brücke der Monitor betrat, sprach niemand. Einige Offiziere blickten stumm zu Price herüber, der sich langsamen Schrittes zu seinem Kommandosessel begab und sich setzte. Niemand wagte es, die Stille zu durchbrechen. Selbst die normalen Hintergrundgeräusche des Schiffsbetriebes schienen irgendwie gedämpft worden zu sein. Kurz blickte Lieutenant-Commander Land den Betazoiden an und Price konnte seine Pein spüren. Zu wissen, dass der beste Freund tot war, war furchtbar. Nur zu deutlich erinnerte sich Price daran, dass er selbst damals auf Rigel etwas Ähnliches durchgemacht hatte. Irgendwann, niemand von ihnen war in der Lage, die verstrichene Zeit genau einzuschätzen, fragte Land in möglichst neutralem Tonfall:
    „Ihre Befehle, Matt?“
    Der Captain überlegte nur kurz. Der Anstand gebot es, mit einer ganz bestimmten Person Kontakt aufzunehmen.
    „Stellen sie eine Kom-Verbindung zur Erde her. Ich möchte mit Luke Lewinski sprechen.“
    Falls Lieutenant Ardev von diesem Befehl überrascht war, so ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Er nickte stumm und stellte die Leitung her. Nach wenigen Sekunden erschien der Vater von John Lewinski auf dem Hauptsichtschirm der Monitor. Price hatte noch nie diesen Mann gesehen und war daher auch überrascht, wie sehr dieser Mann in das Klischee eines Menschen passte. Der ältere Herr, der immer noch recht jugendlich wirkte, hatte graumeliertes Haar und ein kleiner Schnäuzer zierte seine Oberlippe. Seine stahlblauen Augen wirkten bedrückt. Scheinbar hatte er schon die Nachricht vom Tode seines Sohnes erhalten.
    „Mr. Lewinski, ich bin Captain Matthew Price von der USS Monitor, ... Johns altes Schiff“, fügte der Betazoid noch etwas verspätet hinzu.
    Bedächtig nickte Luke Lewinski und schien für einen kurzen Moment die Tränen zurückhalten zu müssen.
    „Es freut mich... sie kennen zu lernen“, sprach der alte Mann und seine Stimme klang bemerkenswert stark, trotz des immensen Verlustes, den er gerade erlebt hatte.
    „Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite“, versicherte Price mitfühlend. „Ich möchte ihnen noch einmal persönlich kondolieren. Obwohl ich ihren Sohn leider nur flüchtig kannte, war er ein außergewöhnlicher Mann.“
    „Ich danke ihnen für ihr Mitgefühl.“
    Langsam erhob sich Price aus seinem Sessel und machte einen leichten Schritt nach vorne.
    „Bitte nehmen sie sich meine folgenden Worte zu Herzen: egal was man ihnen in den nächsten Wochen und Monaten über ihren Sohn erzählen wird, er war und bleibt ein Held der Föderation, der nur das beste für seine Familie, Freunde und sich selbst wollte.“
    „Danke für ihre Worte“, sagte Luke leise und schien gerührt zu sein, „ich fühle mich gerührt. Haben sie dank.“
    „Falls sie irgendetwas brauchen“, ergänzte Price, „so zögern sie nicht, mit mir oder Lieutenant-Commander Land Kontakt aufzunehmen.“
    Schon am Anfang des Gespräches hatte Luke den besten Freund seines Sohnes am unteren Sichtfeld erkannt und nun nickte er ihm aufmunternd zu. Er freute sich wirklich über diesen Anruf.
    „Dies werde ich machen. Ich bedanke mich für ihren Anruf. Bitte verstehen sie, wenn ich nun die Verbindung beenden muss.“
    „Selbstverständlich.“
    Der Bildschirm erlosch und zeigte stattdessen wieder das vertraute Sternenbild des Weltraums. Dies war immer das Zuhause von John Lewinski gewesen. Viel zu selten war er in seinem irdischen Heim, bei seinen Eltern gewesen. Und trotzdem hatte sein Vater die Pflicht verstanden, die seinen Sohn gerufen hatte. Welch eine Tragödie für die Familie!
    Direkt nachdem das Gespräch beendet war, befahl Matt Price mit fester Stimme:
    „Setzen sie Kurs auf die Erde; Maximum-Warp!“
    Überrascht, ja geradezu irritiert wandten sich alle Blicke zum Kommandanten des kleinen Kampfschiffes. Price richtete seine Antwort in Richtung Bruce Lands:
    „Luke Lewinski lügt. Sein Sohn lebt noch.“
    Sekunden später hatte die Monitor auf Überlichtgeschwindigkeit beschleunigt...

    Luke drehte sich von dem Bildschirm weg in Richtung der kleinen Ecke rechts von ihm. Dort, im Halbschatten verborgen, stand sein Sohn John. In diesem Moment konnte niemand mehr wie ein Agent auf der Flucht aussehen wie John Lewinski, fand sein Vater.
    „Danke, dass du für mich gelogen hast“, sagte John leise und trat aus dem Schatten heraus. Er hatte so lange seinen Vater gesehen, ja er war schon seit fast einem Jahr schon nicht mehr auf der Erde gewesen.
    „Ich weiß nicht“, entgegnete Luke und seufzte, „ob dieser Price überhaupt diese Sache geschluckt hat.“
    „Und wenn schon. Die können sowieso niemals rechtzeitig da sein.“
    „Bist du dir sicher, dass du dies machen willst?“
    Anstelle einer verbalen Antwort nickte John nur. Er hatte sich diesen Schritt gründlich überlegt und ihn vorbereitet. Er hatte so viel Zeit und so viel Mühen aufgebracht, um an diese Informationen ranzukommen und nun wollte er sie auch einsetzen. Sein Vater richtete seinen Blick auf den Rucksack, der neben John stand, in dem der Sprengstoff war.
    „Wie willst du dies überhaupt in das Präsidentenbüro bringen? Dies ist doch einer der bestbewachtesten Orte der Föderation.“
    „Vater“, erwiderte John schmunzelnd, „du vergisst, was mein Beruf ist. Ich habe Mittel und Wege...“
    „Dann solltest du diese nun auch einsetzen“, meinte sein Vater leise. Er hatte natürlich versucht, seinem Sohn diese wahnwitzige Idee auszureden. Doch er war gescheitert. Im Grunde konnte er die Beweggründe Johns verstehen. Doch diese Idee war viel zu riskant.
    Ruhig ging John zu einem Computerterminal, an das er jede Menge Zeugs angebracht hatte, welches Luke noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Wahrscheinlich gab es dieses Material auch gar nicht offiziell. John Lewinski loggte sich in das interne Netzweck der Föderation ein du überspielte den Virus. Dieser würde verhindern, dass ihn irgendein Sicherheitssystem innerhalb des Komplexes des Föderationspräsidenten entdecken konnte. Oh, natürlich war diese Maßnahme nicht so leicht, wie sie einem nun erscheinen mag. John hatte viel Schweiß und Geld hingeben müssen, um an diesen Virus zu gelangen, der höchst selten war. Nur wenige Programmierer hatten ihn und boten ihn zudem noch zum Verkauf an. Doch nach langem Suchen war er fündig geworden. Dies war der Schlüssel, der alle Türen für ihn öffnen würde. Nur noch wenige Minuten, dann wurde die Wahrheit enthüllt. John Lewinski schulterte seinen Rucksack mit der Ausrüstung und griff seinen Gürtel, an dem der Phaser hing. Kurz überprüfte er das Energiemagazin und stellte dann die Waffe auf Betäubung. Er konnte sich bei dieser Sache keine Toten leisten. Und dann, als letzte Aktion, drückte er seinen Vater, der ihn bis jetzt, nachdem er seinen vermeintlichen Tod inszeniert und damit sogar Sektion 31 ausgetrickst hatte, versteckt hatte. Diese Umarmung war mehr wert als Hunderte von Worten, Taten oder sogar die Wahrheit selbst. Auch wenn alles schief ging, John konnte sich der Liebe seines Vaters sicher sein und dies gab ihm Kraft. Ohne ein letztes Wort des Abschiedes stellte sich John auf die hauseigene Transporterplattform.
    „Computer, Energie!“ befahl er und langsam verschwanden die Konturen des Hauses seines Vaters. Es ging los.

    Um noch mehr Energie in die Maschinen jagen zu können, hatte die Monitor sich inzwischen enttarnt. Sie folgen mit der maximal möglichen Geschwindigkeit, ein Umstand, der Chief Woils Besorgnis erregte. Doch sie waren immer noch nicht schnell genug. Noch mehrere Stunden brauchten sie zur Erde. Simultan pressten Price und Land die Zähne zusammen. Sie konnten es nie im Leben rechtzeitig schaffen...

    Er war drin. Kurz sah sich John Lewinski im Präsidentenkomplex, der sich in Paris befand, um. Tatsächlich, der Virus war sein ganzes Geld wert gewesen; niemand hatte sein Ankunft bemerkt. Das Geniale war, dass der Computer noch nicht einmal wusste, dass er infiziert worden war. In der gesamten Galaxis gab es nur gut vier dieser Programme und er hatte davon eins. Zu dumm, dass es sich nach einer bestimmten Zeit selbst auflöste und jede Spur nach dem Erzeuger vernichtete. Nur wenige Personen, geschweige denn Sicherheitskräfte waren derzeit hier. Kein Wunder, denn gerade in diesem Moment unterzeichnete der Präsident der Föderation und seine Amtskollegen das Dokument zur Unterzeichnung der Multiplanetaren Allianz. Ein großartiger Schritt in Richtung Frieden, nur leider hatte John im Moment keine Zeit, sich um diese politische Angelegenheit zu kümmern. Er huschte von Schatten zu Schatten, nutzte entweder gezielt die Deckung oder, wenn er mal doch gesehen worden war, setzte eine selbstsichere Miene auf, um deutlich zu machen, dass kein Zweifel daran bestand, dass er hierher gehörte. Die Sicherheitsvorkehrungen waren bemerkenswert lasch. Und dann stutzte der ehemalige Kommandant: wusste Sektion 31 dass er kam? Räumten sie ihm gerade den Weg zu seinem größten Fehler frei? John schüttelte den Kopf. Und wenn schon. Er war schon so nahe, er musste nun die Sache durchziehen, koste es was es wolle. Er ging zu den Koordinaten, die ihm von einem Informanten gegeben worden waren, einem Aussteiger der Sektion 31. Wieder strömten paranoide Gedanken durch sein Gehirn. War es tatsächlich ein Aussteiger gewesen oder war der Kerl noch höchst aktiv? Wurde er gerade gesteuert? Nein, er konnte sich jetzt keine Gedanken darum machen. Entweder jetzt oder nie. Er stand vor den Koordinaten: einer Wand wie jeder anderen. Kein Mensch weit und breit zu sehen...
    Sie warten auf dich...
    RUHE!

    Seine innere Stimme zu Schweigen bringend, klopfte John kurz die Wand vor ihm ab. Sie hörte sich völlig normal an. Der dahinterliegende Geheimraum, der seit Jahrhunderten von Sektion 31 versteckt wurde, war genial versteckt worden. Genau vor der Nase der Föderation, deklariert als einfache Wand. Ein Konferenzraum, der auf keiner Karte zu finden war. Welche Macht besaß diese Gruppe von Verschwörern wirklich? John Lewinski kannte den Weg nach drinnen nicht, also führte er seinen Plan durch: an den wichtigsten Stellen der Wand brachte er flugs Sprengstoff an. Immer noch keine Person auf dem Gang. Er verkabelte den Sprengstoff und bereitete sich darauf vor, die Zündung auszulösen. Seine Hand zitterte. Hier endete es also. Entweder beging er gerade den Fehler seines Lebens oder er konnte seinen Namen reinwachen. Dazwischen gab es nichts. Alles oder nichts, dies war die Devise. Kurz schloss er die Augen und schickte ein stummes Gebet in Richtung Himmel. Dann drückte er den Auslöser.
    Ein ohrenbetäubender Knall ertönte, als die massive Wand durch die exakt berechnete Menge Sprengstoff heruntergerissen wurde. Im ganzen Gebäude war der Knall zu hören und Sicherheitsleute machten sich auf den Weg zur Unglücksstelle, ohne jemals rechtzeitig eintreffen zu können. Der Virus hatte geschickt nach Johns Ankunft eine Transportblockierung um seinen Bereich aufgebaut. Für die nächsten Minuten würden zudem Kraftfelder die Wachmannschaften aufhalten. Doch nur für eine kurze Zeit...
    Die Wand fiel in sich zusammen. Rauch stieg von en Trümmern auf und Lewinski wollte die Gunst des Augenblicks nutzen, zog seinen Phaser und sprang rein. Und tatsächlich, es befand sich tatsächlich ein Raum hier. Nur er war komplett leer. Keine Tische, keine Stühle, keine Akten. Nur zwei Personen, die ihn überrascht anstarrten. Er erkannte sie sofort: links war, in eine Sternenflottenuniform gekleidet, Admiral Edward Jellico. Er Verräter. Rechts von ihm ein jüngerer Mann, der noch nicht einmal dreißig war: Nathan Sloan. Der Mann, der ihm, John Lewinski dies alles eingebrockt hatte. Nur kurz musste John entscheiden, welche Beute wichtiger war und richtete den Phaser auf Sloan. Er drückte ab und wie in Zeitlupe raste der Strahl auf Sloan zu. Doch die Energiezunge ging glatt durch ihn hindurch; gerade noch rechtzeitig hatte der Verschwörer einen Transporter aktiviert, der ihn sonst wo hin brachte. Mit entsetztem Blick blickte Jellico erst zu dem verschwindenden Sloan und dann zu Lewinski. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, hier zurückgelassen zu werden. Lewinski markierte sofort sein nächstes Ziel und feuerte auf den Admiral. Der Phaserstrahl riss den großen Mann von den Füßen und mit einem unsanften Knall landete er auf dem Rücken. Voll von Adrenalin, dass durch seinen Körper gepumpt wurde, näherte sich John dem Verräter an der Sternenflotte. Der alte Mann mit den grauen Haaren blickte keuchend zu ihm auf; Panik zeigte sich in seinem Gesicht.
    „Jetzt habe ich dich, du Schwein“, meinte Lewinski grimmig und sein Blick fiel auf einen Gegenstand neben Jellico. Ein Datenpadd. Der einzige Gegenstand in diesem Raum.

    Admiral Ali Waseri blickte aus seinen müden Augen auf John Lewinski, der vor ihm stand. Er wusste nicht, was er von dieser Sache halten sollte. Der Mann, der vor wenigen Stunden eine Sprengung innerhalb des Präsidialkomplexes und eine Sondersitzung des Parlaments verursacht hatte, stand in einer Sternenflottenuniform vor ihm, die Rangabzeichen eines Captains an seinen Kragen geheftet. Still musterten sich die beiden. Was sollte er dazu sagen?
    „Captain Lewinski, ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll. Obwohl ihre Handlungsweise extrem und widerrechtlich war, sind wir ihnen zu dank verpflichtet. Dieses Padd, was sie gefunden haben, enthüllt eine ganze Menge verschwörerischer Aktivitäten von Admiral Edward Jellico und anderer Funktionäre der Sternenflotte und Föderation, darunter auch der Plan von Sektion 31, sie zu diskreditieren. Es hat in den letzten Minuten Massenverhaftungen gegeben. Viele dieser Verschwörer haben Selbstmord begangen. Andere, wie auch Edward Jellico, haben ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Eins ist sicher, dies ist die größte Konspiration in der Geschichte der Föderation.“
    Lewinski nickte nur und wartete darauf, dass Admiral Waseri weitersprach:
    „Sie, Captain Lewinski, haben geholfen, diese Sache aufzudecken. Ich darf ihnen gratulieren, sie sind mit sofortiger Wirkung wieder in den aktiven Dienst der Sternenflotte versetzt. Sie werden zudem ausreichenden Schutz vor Manipulationen durch Sektion 31 erhalten. Doch ich muss ihnen sagen, dass ihre Aktion noch Konsequenzen für sie haben wird. Nur leider haben wir im Moment so viel um die Ohren, dass wir uns vielleicht erst in ein paar Wochen um sie kümmern können. Genießen sie also den neuen Frieden, den sie und alle anderen Bürger der Föderation haben.“
    John sagte nichts, sondern nickte abermals nur und verließ das Büro Waseris. Es war vorbei.

    Er war vor wenigen Wochen schon einmal auf der Monitor gewesen, als er auf dem Weg zu Admiral Kasharis Beerdigung war, doch dieses Mal war es etwas ganz anderes. Dieses Mal war es nicht nur eine temporäre Passage, sondern eine wirkliche Heimkehr. Die Frage, ob er wieder das Kommando über die Monitor erhalten würde, schob er beiseite. Im Moment wollte er nur diesen Augenblick genießen. Im ganzen Schiff nickten ihm Crewmitglieder zu und grüßten ihn. Ein Gefühl des Glücks durchströmte ihn. Er betrat endlich wieder die Brücke. Dort saßen sie alle, seine Kameraden, seine Freunde. Captain Matthew Price stand neben dem Kommandosessel, während alle anderen Führungsoffiziere ihn von ihren Stationen musterten. In ihren Mienen spiegelten sich Glück, Freude und Erleichterung wieder. Nach so vielen Monaten trug John wieder eine Uniform der Sternenflotte und es fühlte sich herrlich an. Mit der leichten Andeutung eines Lächelns ging Lewinski zu Price, der ihm die Hand gab.
    „Willkommen zurück auf ihrem Schiff, Captain“, meinte der Betazoid freundlich.
    Sein Schicksal würde noch in den kommenden Wochen geklärt werden, genau wie das von John Lewinski, doch im Moment wollte auch er nur den Moment genießen.
    Lieutenant-Commander Bruce Land kam auf Lewinski zu. Der erste Offizier hatte Tränen in den Augen. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Und dann tat er dies, was ihm im Moment als am richtigsten erschien: er drückte Lewinski fest. Nach einer endlos erscheinenden Zeit ließ ihn sein bester Freund wieder los und begab sich zurück an seine Navigationskonsole. Lewinski blickte sich noch einmal auf der Brücke um. So viele bekannte Gesichter. Er konnte gar nicht glauben, dass er ein Jahr lang fort gewesen war. Mit einem tiefen Gefühl der Erleichterung setzte er sich in seinen Kommandosessel. Zum ersten Mal nach einem langen Jahr. Er roch den Duft des Polsters, er spürte die Energie des Schiffes. Mit wässrigen Augen blickte er auf den Projektionsschirm, der die Erde und die Sterne zeigte. Ein wunderschöner Anblick. Captain John Lewinski nickte. Er war endlich zu Hause.

    - Ende Season 3 -


    Quelle: treknews.de
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    • Hallo Gast - Aufgrund des vielen Spams müssen leider ein paar Fragen beantwortet werden.

      Bitte der Reihe nach durchführen, sonst kann das Captcha nicht erfolgreich abgeschlossen werden...
      Schritt 1: Wenn Picard ein Captain ist, sollte hier ein Haken rein...
      Schritt 2: und wenn es in der Nacht nicht hell ist, sollte hier der Haken raus!
      Schritt 3:

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