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  • Monitor - 5x02: Sehnsucht nach Frieden

    Woils schwerste Stunden...
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    • TheOssi
    Der Chefingenieur der Monitor stürzt auf einem unbekannten Planeten ab und gerät in die Fänge einer Kriegspartei. Schon bald wird klar, dass dieses Volk längst den Grund und die Berichtigung für ihren Konflikt vergessen hat...

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    Monitor 5x02 "Sehnsucht nach Frieden"
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    Geschrieben unter Eindruck des Irak-Krieges...


    Auf geradezu beruhigende Art und Weise rauschten die Sterne an den Fenstern des kleinen Shuttles vorbei. Chief Jozarnay Woil, der Chefingenieur des Raumschiffs USS Monitor, genoss die Ruhe, die mit dieser Momentaufnahme einherging. Er befand sich ganz allein im Shuttle, welches sich auf dem Rückweg zur Monitor befand. Die letzten Tage hatte der Antosianer auf einer Technikmesse verbracht, um sich die neusten Entwicklungen auf dem Gebiet des Schiffsingenieurswesens anzusehen. Mehr als einmal hatte er bemerkenswerte Erfindungen gesehen, die ihn manchmal dazu verleitet hatten, einfach nur mit fasziniertem Blick und offenem Mund dazustehen und zu bewundern. Leider war es wie so oft leider so, dass frühestens in einigen Jahren diese Geräte den Weg an Bord der Sternenflotteschiffe finden konnten. Viele der ausgestellten Objekte, seien es Werkzeug, Software oder Geräte gewesen, waren noch höchst experimentell und es bedurfte noch einer ganzen Weile, bevor die Massenproduktion beginnen konnte.
    Es war schön gewesen, nach so langer Zeit wieder einmal auf einem Planeten zu sein und den freien Himmel über sich sehen zu können. Sein letzter Landurlaub hatte sehr lange zurückgelegen und es hatte einfach mal gut getan, richtige Luft zu atmen. Sicher, eigentlich bemerkte man keinen Unterschied bezüglich der Atemluft an Bord eines Raumschiffs oder auf einem Planeten, doch jemand der jahrelang im All gewesen war erkannte winzige Unterschiede. Es war so ähnlich wie bei repliziertem Essen, manchmal schmeckte man einfach, dass es nicht natürlichen Ursprungs war. Lächelnd schüttelte Woil den Kopf angesichts der infantilen Gedanken, die ihm durch den Kopf schwirrten. Anderseits war es wirklich angenehm, mal nicht über die Schiffssysteme oder über Crewbeurteilungen, sondern über etwas völlig banales nachzudenken. Vier Tage Urlaub, soviel hatte er das letzte Mal gehabt, als er wegen der Drogenüberdosis zusammengebrochen war und jene unglückseligen Stunden als Urlaub zu bezeichnen war natürlich übertrieben. Auch über dieses Thema hatte Jozarnay lange nachgedacht. Selbstverständlich war er froh, dass er nach über einem Jahr Sucht vom Ketracel-White losgekommen war und trotzdem (oder vielleicht sogar gerade deswegen) dachte er täglich darüber nach, was genau eigentlich einen Mann wie ihn, der so fest in seinem Glauben verankert war, dazu gebracht hatte, sich dieses Teufelszeug zu injizieren. Die Antwort darauf war ihm gekommen, als er einen Spaziergang über den belebten Marktplatz des Planeten gemacht hatte: eben jener Stress, der ihm keine Ruhe und keine Erholung gegönnt hatte, hatte ihn dazu verleitet das White zu nehmen. Immerhin machte es die Jem´Hadar-Soldaten des Dominion wilder, aggressiver und aufmerksamer und nach dem Krieg hatte der Schwarzmarkt des Alpha-Quadranten schnell das Potential dieses Stoffes erkannt. Nur einige wenige Modifikationen waren nötig gewesen, damit auch andere Spezies sich die Droge zuführen konnten. Zu jenem Zeitpunkt waren es lange und stressige Tage für den Chief gewesen. Beinahe ohne jede Unterbrechung hatte sich die Monitor im Einsatz gefunden und seine Fähigkeiten waren nahezu 24 Stunden am Tag benötigt worden. Hinzu war ein Gefühl gekommen, dass Woil seit Jahren nicht mehr verspürt hatte: Heimweh. Irgendwann war ihm aufgefallen, wie lange er schon keinen anderen Antosianer mehr gesehen hatte. Nur wenige seiner Rasse hatten sich dem Weltraumdienst verschrieben, die meisten blieben auf Antos und gingen ihrem normalen Tageswerk nach. Daher war die Wahrscheinlichkeit ein Mitglied seiner Spezies zu treffen äußerst gering. Dieser Umstand, diese Erkenntnis, war ein weiterer schwerer Schlag gewesen und irgendwann, ohne dass er heute so recht das Wie rekapitulieren konnte, war er in die Arme eines Drogenhändlers gestolpert, der ihm das White angedreht hatte. Von da an hatte das Schicksal seinen Lauf genommen. Aus dieser ganzen Affäre hatte er gelernt, dass er sich ab und zu auch mal eine Pause, etwas Ruhe gönnen musste und dass er öfters seinen Heimatplaneten besuchen sollte. Den ersten Punkt hatte er also durch den Besuch der Messe erledigen können. Was die Sache mit seinem Heimatplaneten betraf, so würde er sicherlich auch noch die Gelegenheit finden, um diesen zu besuchen.
    Und dann ging alles ganz schnell. Völlig unerwartet hörte Woil hinter sich einen Knall und das Shuttle schüttelte sich. Das Streifenmuster des Warpfluges verschwand und wurde durch das Bild von Sternen ersetzt.
    „Computer, Bericht!“
    „Achtung: Fehlfunktion bei Antrieb und Stabilisatoren.“
    Verdammt! Fluchte Woil und versuchte das außer Kontrolle geratene Gefährt wieder zu stabilisieren, was ihm jedoch nicht gelang. Sofern man überhaupt von solchen Bewegungen im All sprechen konnte überschlug sich das Shuttle immer wieder, drehte sich um die eigene Achse. Keuchend musste sich der Chief eingestehen, dass er wohl keine Möglichkeit hatte das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Irrationalerweise fragte er sich in diesem heiklen Moment kurz, was für diesen Ausfall verantwortlich war. Sabotage oder doch nur ein Unfall? Schnell schob er diesen Gedankengang hinfort, als ihm bewusst wurde, dass er auf einen Planeten zuraste.
    „Computer, was ist das für ein Planet?“
    „Zugriff auf interne Datenbanken nicht möglich...“ enttäuschte ihn die künstliche Stimme.
    In Windeseile schätzte Woil seine Chancen ein. Er hatte keinerlei Möglichkeiten das Shuttle auf einen anderen Kurs zu bringen, also blieb ihm nur Wahl einer Notlandung. Doch wie sollte er das schlingernde Schiff auf dem Planeten aufsetzen ohne sich dabei zu töten? Kurz kniff er seine Augen zusammen. Auch die Trägheitsdämpfer schienen von diesem spontanen Ausfall beeinträchtigt zu sein, denn ihm wurde von diesen Bewegungen übel. Ihm mutete geradezu an, dass er der Insasse einer Zentrifuge war und mit mehrfacher Schwerkraft in den Sitz gepresst wurde. Auch diese nutzlosen Überlegungen schob er beiseite. Es galt nun höchste Konzentration, denn das Shuttle tauchte in die Atmosphäre des unbekannten Planeten auf. Die Hülle flammte rot auf, als sich die Sauerstoffmoleküle an der Hülle rieben und machten so deutlich, dass es nicht mehr lange dauern würde, bevor Woil am Boden zerschellte. Der Antosianer bot all seine Kraft auf, versuchte das Shuttle Stück für Stück zu landen, doch das Ergebnis war eher mager. Immer näher kam der Boden und zumindest ansatzweise hatte er die Horizontallage erreicht. Nun hieß es beten, denn mit unglaublicher Geschwindigkeit raste das Shuttle auf die Erdoberfläche zu.
    Hilfe..., fuhr es Woil durch den Kopf, dann schlug das Gefährt mit einem ohrenbetäubenden Geräusch auf dem Boden auf.

    Das Wetter auf Antos war zur derzeitigen Jahreszeit eher mäßig. Es war natürlich nicht kalt oder dergleichen, doch der Sommer war noch einige Monate entfernt. Zur Zeit herrschten die so genannten „grauen Monate“, eine Zeit in der Antos nicht die helle, strahlende Welt war, die man sonst vorfand. Alles in der Umgebung schien die Farbe Grau angenommen zu haben: der Himmel, die Seen, sogar die Häuser, wobei dieser Eindruck natürlich eher subjektiv war. Die grauen Monate waren eine Zeit des Innehaltens und Nachdenkens, in denen man lange Stunden meditierte und über sich und seinen Platz im Universum nachdachte. Für Jozarnay Woil war es eine besonders intensive Zeit des Nachdenkens. Der junge Mann von 15 Jahren saß auf einem hölzernen Steg, der an einen Kanal angrenzte und dachte nach. Neben ihm saß Larla, seine Freundin aus Kindertagen und insgeheim die Frau die er liebte. Leider hatte sie bisher noch nicht seine Liebe erwidert und bisher schien sie auch keine Anstalten zu machen ihre Gefühle in Bezug auf ihn schlagartig zu ändern. Doch diesmal war nicht Liebeskummer der Grund, wieso Woil sinnierend an diesem Platz saß. Vor wenigen Minuten waren die beiden aus der Schule gekommen, ihren Abschluss in den Händen haltend. Für beide war eine Ära, die des Schullebens, zu Ende gegangen und eine neue würde bald beginnen. Für alle Antosianer begann nun die Suche nach einem Beruf, der ihnen am meisten zusagte. Woil hatte sich schon entschieden, genauso wie Larla. Sie hatten beide lange darüber gesprochen, was sie nun machen wollten und hatten erfreut zur Kenntnis genommen, dass sie anscheinend beide dasselbe Interesse verfolgten.
    „Hast du es schon deinen Eltern gesagt?“ fragte Larla ihren Schulfreund, doch dieser schüttelte traurig den Kopf.
    „Wieso nicht?“
    „Ich weiß nicht“, antwortete Woil und starrte auf das ruhige Wasser des Kanals. Um sie herum hörte man nur einige Vögel umherfliegen, doch ansonsten war es ein Ort der Ruhe.
    „Fürchtest du ihre Reaktion?“
    „Nein“, entgegnete Woil, wirkte aber nicht so sicher in seiner Antwort, wie er es beabsichtigt hatte. „Ich bin ein erwachsener Mann. Sie werden meine Entscheidung akzeptieren müssen.“
    „Dann sag es ihnen“, stichelte Larla.
    Wieder enthielt sich Jozarnay einer Antwort. Stattdessen erhob er sich ruckartig und blickte noch einmal zu seiner Freundin.
    „Ich erzähle dir dann heute Abend wie es gelaufen ist.“
    „Ist gut, aber ruf bitte erst nach 27:00 Uhr an.“
    „Mach ich“, meinte Woil und machte sich auf seinen Heimweg, der nur recht kurz war. In seinem Haus erwartete ihn schon seine Familie und gratulierte ihm zu seinem bestandenen Schulabschluss. Seine Mutter küsste ihn zärtlich und sein Vater klopfte ihm stolz auf die Schultern.
    „Unser Sohn ist nun endlich ein erwachsener Mann“, meinte sein Vater, Kolay, und blickte seine Frau mit derselben Liebe an wie noch vor zwanzig Jahren.
    „Ach, es ist doch nur ein Abschluss“, erwiderte Jozarnay und versuchte die ganze Sache herunterzuspielen.
    „Sag das nicht, mein Sohn!“ widersprach ihm seine Mutter Zorla, „du hast lange und hart für diesen Erfolg gearbeitet. Du darfst ruhig etwas stolz empfinden.“
    Der junge Mann brummte uns symbolisierte auf diese archaische Art und Weise seine Zustimmung. Seine Gedanken rasten und sein Herz pochte so wild, dass er befürchtete, es würde ihm gleich aus dem Bauch herausspringen. Seine innere Stimme drängte ihn, endlich zum wichtigen Thema zu kommen, aber immer noch zierte er sich. Wieso eigentlich? Immerhin war er nun ein erwachsener Mann und es würde seine Entscheidung werden, was er machen wollte und was nicht. Wieso also Angst haben?
    „Mama, Papa“, setzte Jozarnay mit trockener Kehle an und versuchte einigermaßen selbstsicher zu klingen, „ich möchte mit euch reden.“
    Seine Eltern schauten sich an und hörten dann ihrem Sohn aufmerksam zu. Während sie so da standen und auf seine Worte warteten, beneidete Jozarnay sie. Nach all den Jahren war immer nur diese Liebe zwischen den beiden, diese Zuneigung und Vertrautheit, die leider so selten in der hektischen Alltagswelt geworden war. Instinktiv wünschte sich der frischgebackene Absolvent, dass auch zwischen Larla und ihm dieses Band existieren würde, doch er zweifelte, ob es jemals dazu kommen würde. Larla war eine hinreißende, wundervolle und einfühlsame Person und er nur ein einfacher antosianischer Mann mit einem altmodischen Sinn für Religion. Welche Chancen würde er bei einer solchen Frau schon haben? Schnell verdrängte er diese Gedanken als ihm bewusst wurde, dass er schon zu lange schwieg und seine Eltern ungeduldig wurden. Er beschloss, dass er die Sache am Besten kurz und schmerzlos hinter sich bringen würde:
    „Ich werde auf die Sternenflottenakademie gehen.“
    Nun war also die Bombe geplatzt. Die Reaktion seiner Eltern fiel erstaunlich nüchtern aus:
    „Nun, das überrascht uns doch ein wenig, mein Sohn.“
    „Das kann ich mir vorstellen. Ich habe aber lange und intensiv über meine Zukunft nachgedacht und ich habe für mich selber entdeckt, dass es das ist, was ich machen möchte.“
    Kolay Woil nickte kurz und fragte:
    „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob du dir der Konsequenzen bewusst bist, Jozarnay. Immerhin sind nur eine Handvoll Antosianer zur Sternenflotte gegangen. Fürchtest du nicht, dass du isoliert sein könntest?“
    „Nein.“
    „Wie kannst du dir da nur so sicher sein?“
    „Larla wird mit mir kommen“, erklärte Jozarnay.
    „Also war es ihre Idee?“ fragte Zorla. „Jozarnay, du kannst doch nicht einfach einem Mädchen nachlaufen und...“
    „Ich laufe niemandem nach!“ ereiferte sich der junge Mann und fing sich dann wieder, als er seinen Fehler erkannte. „Ich laufe niemandem nach. Es ist wirklich meine alleinige Entscheidung. Natürlich ist es eine Art von... Bonus das sie mitkommt, das gebe ich auch unumwunden zu. Na und! Dann werde ich halt weniger isoliert sein!“
    „Bitte sieh uns nach, wenn wir dem Braten nicht so recht trauen“, erwiderte Kolay.
    „Dem Braten? Steht das Essen schon auf dem Tisch?“
    „Nein, “ entgegnete sein Vater und lächelte, „dies ist eine Redewendung der Menschen. Es heißt, dass wir uns noch nicht sicher sind. Du musst dir dies wirklich gut überlegen: du darfst nicht wegen einer Jugendliebe Hals über Kopf eine so wichtige Entscheidung treffen.“
    „Das tue ich nicht“, beschwichtigte Woil seine Eltern, „ich habe wirklich lange nachgedacht. Ich will Ingenieur werden und das All erkunden.“
    „Dein Idealismus ehrt dich, mein Junge, aber hast du an die weitreichenden Konsequenzen gedacht?“
    „Die da wären?“
    „Nun, zum einen bist du lange Zeit von Antos weg“, erklärte seine Mutter.
    „Wozu gibt es denn Kommunikationstechnologie und Hologramme?“ entgegnete Jozarnay und lächelte, weil er der Ansicht war, einen geeigneten Konter abgeliefert zu haben.
    „Was ist wenn es Krieg gibt?“ fragte Kolay. „Was ist, wenn du stirbst?“
    „Wenn es Krieg gibt würde ich von jedem erwarten, dass er bei der Verteidigung unserer Welt mithilft.“
    „Zitierst du nun aus dem Sternenflottenhandbuch?“
    „Nein, ich zitierte dich, “ antwortete Jozarnay seinem Vater, „das hast du vor zwei Jahren bei der Feier von Bürgermeister Talay gesagt.“
    „Punkt für dich“, gab Kolay Woil zu.
    Jozarnay war überrascht. Das Gespräch lief weitaus besser als erwartet. Er hatte mit Gezeter oder zumindest Enttäuschung gerechnet, aber nicht mit so viel Verständnis.
    „Was wird aus meinem Laden? Ich hatte immer gehofft, dass du ihn übernehmen würdest, “ stellte Zorla die Kardinalsfrage.
    „Mama, du müsstest doch schon längst gemerkt haben, dass ich mich nicht für Fotografie interessiere. Natürlich ist dein Beruf ehrenwert und ich zolle dir höchsten Respekt, dass du noch auf die althergebrachte Art und Weise Bilder machst, aber dies ist einfach nicht mein Gebiet.“
    Statt einer Antwort lächelten seine Eltern und fassten sich an den Händen. Kolay nickte ihm abermals zu.
    „Jozarnay, wir haben gesehen dass du tatsächlich deine Entscheidung mit Bedacht gefällt hast. Natürlich wäre uns eine andere Wahl lieber gewesen, doch es ist dein Leben und wir sind glücklich, wenn du glücklich bist. Wir wünschen dir alles Gute!“
    Erst begriff der junge Mann nicht, dass er den Sieg so schnell davon getragen hatte. Dann erhob er sich freudig und umarmte seine beiden Eltern und dankte ihnen so stumm für ihre Zustimmung.


    Sofort nachdem das fremdartige Signal auf dem Radarschirm aufgetaucht war, brach hektische Betriebsamkeit in der Überwachungsstation 14 aus. Obergefreiter Cherollo Kas, von seinen Freunden nur „Che“ genannt, hatte den Alarm ausgegeben, dass ein fremdes Flugobjekt in den Luftraum eingedrungen war. Alarmsirenen schrillten los und die wenigen Soldaten, die in der Station 14 stationiert waren, schnellten von ihren Geräten hoch und rannten zum Ausrüstungsraum. Auch Cherollo stand auf und rannte zu dem Ausrüstungsraum, wo er sich Weste, Helm und Sturmgewehr schnappte, welches er durchlud und sicherte. Leutnant Demmie Gof, der junge Kommandant von Station 14 und gerade erst eingeflogener Ersatz für den vor einer Woche verschiedenen Hauptmann Mel, sammelte die sechsköpfige Gruppe vor dem Hover-Hubschrauber und erklärte ihnen die Situation. Wie die anderen wirkte auch Gof viel zu jung für diesen Posten, ein weiteres Anzeichen für den derzeitigen Mangel an Offizieren.
    „Aufpassen und herhören! Vor wenigen Minuten ist ein unidentifiziertes Luftobjekt auf dem Radar aufgetaucht und dann wieder verschwunden. Wir vermuten aufgrund des nur kurzen Erscheinens des Objekts das es womöglich in der Steppe nur wenigen Kilometer von uns entfernt abgestürzt ist. Wir wissen zwar nicht, was dies ist, aber wir werden uns die Sache mal ansehen. Mit etwas Glück ist es der neue M-89 der Allianz und ein solcher Fang würde sich in unseren Personalakten gut machen. Irgendwelche Fragen?“
    Die Gruppe schüttelte synchron den Kopf.
    „Einsteigen!“ befahl Gof daraufhin und sie kletterten in den geräumigen Transportraum des Hover-Hubschraubers, der sich mit seinem charakteristisch leisen Brummen vom Boden erhob und dem Zielort entgegensteuerte. Cherollo saß an der offenen Einstiegsluke und ließ sich den Wind der pechschwarzen Nacht ins Gesicht wehen. Es tat gut, endlich mal wieder selbst aktiv zu werden. In den letzten Wochen hatten sie fast nur in der Station 14 ausharren und bangen müssen, doch nun konnten sie endlich einen Ausbruch warten. Kurz horchte der junge Gefreite in seine Umgebung hinein: wie so oft sagten seine Kameraden nichts und starrten nur die Decke oder den Boden des Hubschraubers an. Leutnant Gof war zu den beiden Piloten in die Kabine geklettert und ließ sich dort auf dem Laufenden halten. Und draußen? Dort war eigentlich nichts außer der tiefschwarzen Nacht. Die Steppe wirkte so ruhig wie schon lange nicht mehr, kein Lärm oder Geschrei war zu hören. Irgendwie empfand Kas diesen Umstand als geradezu beängstigend. Er hatte schon vor langer Zeit vergessen, was Stille bedeutete. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Gof wieder aus der Kabine hervor kroch und ein Magazin in sein Gewehr schob, ein deutliches Zeichen dafür, dass es bald losgehen würde. Natürlich waren sie nicht so blöd und setzten direkt vor dem vermeintlichen Wrack auf, sondern gut einen Kilometer davor. In diesen Zeiten sollte man besser auf Nummer Sicher gehen.

    Langsam lichtete sich der Schleier aus Dunkelheit vor Woils Gesicht und wurde durch ein tiefes und äußerst unangenehmes Brummen abgelöst, welches in seinem Kopf sein Unwesen trieb. Er blinzelte mehrmals mit den Augen und bemerkte erst nach einigen Sekunden, dass er unwillkürlich die Luft angehalten hatte. Hastig atmete er daraufhin etwas Luft durch den Mund ein und aus, versuchte so zu Kräften zu kommen. Es dauerte einige Zeit bis er realisierte, dass er und damit auch das ganze sich in einer Schräglage befanden. Langsam, wobei seine Glieder schmerzten, erhob sich der Antosianer und sah sich im Shuttle um. Die Beleuchtung flackerte ununterbrochen und die Anzeigen des Computers zeigten rein gar nichts an.
    „Computer, Bericht!“ befahl Jozarnay, doch der Sprachprozessor blieb ihm eine Antwort schuldig. Das Schiff schien wirklich schwer beschädigt worden zu sein, entweder bei dem Aufprall auf dem Planeten oder während der vorigen Sache. Was war nur geschehen? Woil überlegte, ob ein Anschlag stattgefunden hatte. Eine solch schwere Fehlfunktion war auf einem Schiff der Sternenflotte so gut wie unmöglich.
    So gut wie heißt nicht, dass es nicht passieren könnte, ermahnte ihn seine innere Stimme. War die Möglichkeit eines Anschlags überhaupt plausibel? Sicher, während seines Aufenthaltes auf dem Planeten hätte man genug Zeit gehabt eine Bombe an Bord zu verstecken, doch wer hätte schon so etwas tun sollen? Woils Gedanken wanderten zu dem Punkt vor der Explosion ab. Er hatte noch einmal über seine Drogenvergangenheit nachgedacht. War es möglich, dass ein ehemaliger Dealer sich an ihm rächen wollte, jemanden, den er verraten und den die Sternenflotte festgenommen hatte? Bis auf weiteres konnte eine solche Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, doch derzeit gab es wichtigeres zu tun. Der Chefingenieur der Monitor blickte aus dem Sichtfenster des Shuttles und blickte auf eine nachtschwarze, kahle Landschaft. Sofern er dies von dieser Position aus beurteilen konnte befand er sich in einer kleinen Talsohle, umgeben von gut zwei Meter hohen Hügeln. Oder waren dies die Überreste eines Kraters, den er durch seine Notlandung verursacht hatte? Egal, es galt das Überleben zu sichern. Vorsichtig hangelte sich der Chief aufwärts (das Schiff hatte sich mit dem Bug voran in den Boden gebohrt) zu der Ausrüstungskammer. Zuerst aktivierte er den Notsender, der auf allen Frequenzen ein SOS-Signal sendete. Er hatte sich auf seinem Rückflug in einem neutralem Raumsektor befunden, der von niemandem bisher beansprucht worden war und der nicht zu weit von der Föderation entfernt war. Es war höchste eine Sache von Tagen, bis man ihn finden würde. Als nächstes griff sich Woil einen Phaser und Tricorder und heftete diese an seinen Gürtel. Das Phasergewehr sowie die Rationspackungen, die für mehrere Wochen reichten, ließ er im Schrank liegen. Eine Talsohle war ein gutes Versteck, falls es da draußen Schwierigkeiten geben sollte und daher hatte er sich schnell dazu entschlossen das Shuttle zum Basislager umzufunktionieren. Woil warf einen kurzen paranoiden Blick auf den Notsender und vergewisserte sich, dass er auch wirklich funktionierte. Dann kletterte er vorsichtig nach draußen und sein erster Eindruck von der Ortschaft wurde bestätigt. Hier schien es wirklich gar nichts zugeben, nicht einmal Bäume oder Vögel. Vertrocknetes Gras knirschte unter seinen Füßen, als er sich um das Shuttle herumbewegte und den Schaden inspizierte. Nein, das ganze sah wirklich nicht gut aus. Er bezweifelte ernsthaft, ob er es ohne fremde Hilfe überhaupt in die Atmosphäre schaffen könnte. Also hieß es wohl warten, bis jemand sein Notsignal auffing und ihn wieder abholte. Instinktiv zückte der Chief seinen Tricorder und begann die Umgebung zu scannen. Glücklicherweise hatte er diese unbewusste Handlung unternommen, denn sonst wäre ihm fast das entgangen, was gerade auf ihn zukam.
    Jozarnay ging hinter dem Shuttle in Deckung und zückte seinen Handphaser. Auf dem Display des Tricorders waren deutlich 6 leuchtende Punkte zu sehen, die sich auf ihn zu bewegten. Dabei schien das Muster darauf hinzudeuten, dass man sehr wohl von dem Absturz wusste und vermutlich die Unglücksstelle untersuchen wollte. Es gab also doch Leben auf diesem Planeten, wobei er nicht so recht wusste, ob er diesen Umstand begrüßen oder doch nicht eher verfluchen sollte. Handelte es sich bei den Leuten, die in wenigen Minuten hier eintreffen würden, um ihm freundlich oder feindlich gesinnte Wesen?
    Die Antwort auf diese Frage ließ nicht lange auf sich warten. Der Chefingenieur der Monitor konnte noch gerade rechtzeitig den Kopf einziehen, als Projektile (!) am Shuttle abprallten.

    „Feuer einstellen, du Idiot!“ rief Leutnant Gof, doch es war schon zu spät. Das mühevolle Anschleichen und Gruppieren war für die Katz gewesen. Der völlig unerfahrene und übernervöse Gefreite Ark hatte in seinem jugendlichen Übermut sofort das Feuer eröffnet, als er bei dem Zielort eine schemenhafte Bewegung erkannt hatte. Der Rest der Gruppe hatte natürlich im Glauben, dass man angegriffen werde, sich flach auf den Boden geworden und ebenfalls das Feuer eröffnet, um so das weiße Gefährt, hinter dem sich wohl eine Person versteckte, mit Gewehrkugeln zu beharken. Erst als nach zwei Minuten die Ersten anfangen mussten ihr Gewehr nachzuladen bot sich Gof die Möglichkeit einige Befehle zu brüllen.
    „Hört auf eure Munition zu verballern! Ihr seht ihn doch nicht einmal…“
    Doch im nächsten Moment fauchte ein oranger Lichtblitz über die Steppe. Jozarnay Woil hatte nur wenige Millisekunden an den Gedanken verschwendet, dass es sich hier vielleicht um eine unterentwickelte Zivilisation handelte und daher das Verwenden eines Phaser ungeahnte Konsequenzen haben könnte. Doch sein eigenes Leben war ihm wichtiger und so hatte er das Feuer in die ungefähre Richtung erwidert, aus der die Schüsse gekommen waren. Erwartungsgemäß traf er nichts und erntete als Antwort den ohrenbetäubenden Knall weiterer Gewehrsalven.
    Die Gruppe fragte sich schockiert, was sie eben gesehen hatten. Natürlich war ihnen das Konzept von energetischen Waffen wie einem Laser bekannt, doch bisher hatte man angenommen, dass man sie nur als große, klobige Kanonen und nicht als Handfeuerwaffen verwenden konnte. Eine neue Weiterentwicklung der Allianz? In wenigen Sekunden war Leutnant Gof klar geworden, dass sie sich dieser Technologie bemächtigen mussten. Seine Untergebenen feuerten immer noch panisch auf den Angreifer, der sich hinter seinem Fahrzeug (ein Hubschrauber?) versteckte und ab und an zurück schoss. Gof blickte sich schnell um und erkannte erwartungsgemäß, dass „Che“ Kas als einziger die Ruhe zu behalten schien.
    Der Leutnant winkte den jungen Mann zu sich herüber.
    „Ja, Herr Oberleutnant?“ fragte Kas und kniff kurz die Augen zusammen, als neben ihm eine weiterer Feuersalve abgegeben wurde.
    „Dies ist eine Verschwendung“, brüllte Gof gegen den Lärm an und drückte Che seinen Taser in die Hand. „Schleichen sie sich heran und neutralisieren sie den Feind!“
    Kas nickte. Zwar gefiel ihm nicht gerade die Aussicht alleine einem unbekannten Gegner mit wunderlichen Waffen gegenüberzutreten, doch Befehl war Befehl und der junge Leutnant kannte seine Fähigkeiten. Er hätte ihn nicht ausgewählt wenn er nicht der Ansicht war, dass Kas diese Aufgabe schaffen konnte. Unter deckendem Sperrfeuer spurtete der junge Soldat los und versuchte das Tal zu umrunden, bevor er sich dem Gefährt näherte. Kas hatte höhere Erfolgsaussichten, wenn er sich aus einer anderen Richtung näherte.
    Immer wieder schlugen Kugeln gegen die schützende Hülle des Shuttles. Chief Woil feuerte abermals einen ungezielten Schuss auf die größtenteils verborgenen Angreifer ab und versteckte sich dann wieder. Die Situation war kritisch. Weit und breit war kein schützender Baum oder Felsen zu sehen, zu dem er hätte rennen und sich so aus dieser Falle befreien können. Stattdessen befand er sich hier in einer steppenähnlichen Landschaft, umringt von 6 Angreifern, die das ganze Gebiet mit gezieltem Sperrfeuer beharkten. Kurz erwachte im Antosianer der Wissenschaftler, der die Situation analysierte. Von allen möglichen Planeten, auf denen er hätte abstürzen können hatte er sich wohl den „Falschen“ ausgesucht. Wer immer auf ihn schoss benutzte veraltete Projektilwaffen, die auf chemischen Reaktionen beruhten und es gab nur eine handvoll warpfähiger Spezies, die noch diese Waffen benutzten. Es war daher wahrscheinlich, dass er es hier mit einer Präwarp-Zivilisation zu tun hatte. Dies erschwerte die Aussicht auf Rettung ungemein und verkomplizierte die Situation. Sollte er hier nämlich nicht bald verschwinden, so würde er womöglich einen immensen Schaden an dieser Kultur anrichten. Womöglich? Wahrscheinlich hatte er dies mit seinem Rumgeballere mit dem Phaser schon erreicht. Doch diese Gedanken durften jetzt nur sekundär sein, erst einmal galt es zu überleben!
    Leider war der Chief so in seinen Gedankengang vertieft, dass er nicht auf seinen Tricorder achtete. Dieser hätte ihm sonst mitgeteilt, dass sich ein einzelnes Individuum von hinten anschlich und ihm so überrumpeln wollte. Doch Woil konzentrierte sich mehr auf die Angreifer, was Cherollo Kas die Möglichkeit gab sich ganz nahe heranzuschleichen. Sachte hob er den Taser und zielte auf die normal aussehende Person. Er drückte ab und zwei Metalldioden lösten sich aus der Betäubungswaffe, drangen in Woils Körper ein und verursachten elektrische Entladungen. Die Elektrizität verursachte krampfhaftes Zucken beim überraschten Woil und er wollte um Hilfe röcheln, doch schon legte sich ein beunruhigender Schleier der Dunkelheit über ihn. Der Antosianer wurde bewusstlos und hatte so keine Chance mehr sich zu wehren.

    Der Flug zur Erde war eine atemberaubende Erfahrung gewesen. Natürlich hatte Jozarnay schon ein paar Ausflüge zu den Monden und Nachbarplaneten von Antos übernommen, doch nie eine solch lange Reise. Am kleinen Raumhafen der Hauptstadt hatten seine Eltern und die von Larla die beiden Jugendlichen verabschiedet und ihnen alles Gute für die Zukunft gewünscht. Die beiden waren die einzigen Antosianer an Bord des Passagierschiffes gewesen, denn Antosianer verließen nur sehr selten ihre Heimat und blieben stattdessen lieber unter sich. Und nun standen sie hier, im Vorgarten der Akademie in San Francisco und bestaunten den Himmel einer ihnen fremden Welt. Überall schwirrten junge Kadetten sowie andere Neuankömmlinge herum, die genau wie Jozarnay und Larla auf ihre Einweisung warteten. Der junge Mann blickte kurz zu Larla und sah das Funkeln in den Augen seiner besten Freundin. Schon während dem Flug zur Erde hatte sie kaum geredet und sich stattdessen vollkommen dem faszinierenden Muster des Warpfluges gewidmet. Sie konnte es noch immer nicht fassen, dass sie tatsächlich hier standen. Immerhin hatten sie beide sich daran gemacht eine der wenigen Antosianer zu sein, die in der Sternenflotte sein würden. Auf dem Akademiegelände selbst hatten sie die verschiedensten Spezies der Föderation gesehen, jedoch keine weiteren Antosianer. Gut möglich, dass sie derzeit die einzigen Vertreter ihrer Rasse auf diesem Planeten waren. Grund genug, um einen möglichst guten Eindruck und so eine Art Visitenkarte ihres Volkes zu hinterlassen. Endlich kam Bewegung in die Sache, als ein junger Fähnrich, der wohl selbst gerade erst die Ausbildung beendet hatte, auf die Gruppe der Neuankömmlinge trat und mit einigen bemerkenswert selbstsicheren Worten die Leute begrüßte. Im Anschluss brachte er die neuen Kadetten zu den Unterkünften, die zwar etwas abgelegen waren, jedoch sich immer noch auf dem Campus befanden und verlas eine Liste, wer in welches Quartier gehen sollte. Die Sternenflottenakademie hatte natürlich über alle ihre Kandidaten Erkundigungen eingeholt und anhand von Persönlichkeitsprofilen die Zimmeraufteilung gemacht. Wie er es erwartet hatte kam Jozarnay mit Larla sowie zwei weiteren jungen Frauen zusammen. Die eine war ein Mensch, die andere eine Andorianerin und nachdem sie sich einander vorgestellt hatten gingen sie zu ihrem Wohntrakt. Dieser bestand aus vier kleinen Einzelzimmern für die Kadetten, der an einen großen Hauptraum grenzte, in welchem sich Bad, Küche und Wohnraum befanden. Als erstes ließ sich Jozarnay Woil erst einmal auf sein gemütliches Bett fallen und musterte die Decke. Er hatte noch nie eine Nacht abseits seines Planeten verbracht und nun befand er sich mehrere Lichtjahre von seinem Elternhaus entfernt. Was für ein Abenteuer, auf das er sich eingelassen hatte! Woil schickte eine kurze Videobotschaft an seine Eltern, in der er versicherte, dass er gut angekommen sei und machte sich dann auf seinen ersten Termin an der Akademie wahr zu nehmen. Für den Vorabend war eine Begrüßung angesetzt und die vier neuen Kameraden gingen gemeinsam in den Hauptsaal der Akademie, welcher wahrlich riesig war. Mehrere hundert Männer und Frauen unterschiedlichster Spezies hatten sich hier auf ihren Plätzen niedergelassen und plauderten miteinander. Woil und Larla waren beeindruckt von der Vielfalt der Rassen, welche sich ihnen hier präsentierte. Die meisten Spezies, die sie hier sahen, kannten sie nur aus Büchern sowie von Fotos und nun standen diese leibhaftig vor ihnen. Unglaublich! Die Beiden ergatterten einen Sitzplatz ungefähr in der Mitte der Halle und schnell verstummte die Menge, als ein Bolianer die Bühne betrat, welcher sich als Leiter der Akademie vorstellte. Er sprach darüber, dass er sich darüber freue wie viele neue Offiziersanwärter sich auch dieses Jahr wieder eingefunden hatten und wie viel Glück er ihnen wünsche. Doch Glück sei nicht allein entscheidend, vielmehr würde das Können den Ausschlag geben. Nach dieser kurzen, aber prägnanten Rede bat er einige Professoren und Lehrer auf die Bühne, die meisten Offiziere der Sternenflotte, aber auch zivile Lehrkräfte und sogar einige Austauschoffiziere der Klingonen und anderer verbündeter Völker. Ein neuer Lebensabschnitt hatte begonnen, so viel stand schon einmal fest.

    Der antosianische Chief schlug die Augen auf und wünschte sich im Anschluss sie nicht geöffnet zu haben, um nicht Zeuge dieser Situation zu werden. Nur langsam gewöhnten sich seine gelben Augen an das grelle Licht, welches von der Decke strahlte. Im Anschluss sah sich der Chefingenieur der Monitor um: offenbar befand er sich in einem kleinen Raum mit nur einer Lichtquelle und ohne Fenster. Er selbst war auf einem Stuhl festgestellt worden und an der einzigen Tür standen zwei Personen, die ihn scheinbar überrascht musterten. Dann erzitterte Jozarnays Körper und er musste sich übergeben, was eine Nebenwirkung des Elektroschocks war, welchen ihn betäubt hatte. Dankbarerweise hielt ihm eine der Personen, ein junger Mann offenbar, einen Eimer hin, so dass er nicht den Boden beschmutzen musste. Langsam gewann er wieder die Kontrolle über seinen zittrigen Körper wieder. Er bemerkte, dass er immer noch seine Uniform sowie den Kommunikator trug. Wieso er nicht entfernt worden war konnte sich Woil nicht denken. Vielleicht wussten die Fremden nichts davon, dass es ein Funkgerät war und hielten ihn stattdessen für einen Ziergegenstand. Ihm sollte es recht sein, denn eine Kommunikation ohne den in den Kommunikator integrierten Universaltranslator hätte sich als schwierig erwiesen.
    Leutnant Demmie Gof musterte den mysteriösen Mann zum wiederholten Male und fand ihn immer noch merkwürdig. Kurz blickte er zu Che Kas, der sich ebenfalls in der Zelle befand. Cherollo war zwar nur ein einfacher Gefreiter, doch er hatte die mit Abstand meiste Erfahrung von den jungen Leuten, die hier in der Station 14 waren und so hielt er es für besser den Soldaten bei sich zu haben. Ein wenig hatte Gof natürlich auch Angst, doch das würde er seinen Untergebenen gegenüber natürlich nie eingestehen. Die Person, die vor ihm angekettet auf dem Stuhl saß, war eine der skurrilsten Erscheinungen, die ihm jemals untergekommen waren. Eine solche Uniform, wie sie der Fremde trug, hatte er noch nie gesehen und das Symbol, welches er an seiner Brust trug, konnte er keiner bekannten politischen Fraktion zuordnen. Und dann diese langen, zusammengebunden Haare! Welcher Soldat würde sich schon allein aus praktischen Gründen sein Haupthaar so lang wachsen lassen? Am gespenstischsten waren jedoch die Augen des Fremden. Anstatt das sie blau, grün oder braun wie üblich waren hatte diese Person gelbe Augen. Die Farbe war so grell, dass man sie schon getrost als neongelb bezeichnen konnte. Handelte es sich hier um Kontaktlinsen? Der Arzt, der den Gefangenen kurz vorher untersucht hatte, hatte nichts finden können. Merkwürdigerweise fehlten ihm auch die Stirnwölbungen. Handelte es sich hier um einen genetischen Defekt? Immerhin kam dies vor und war somit nichts Unbekanntes auf der Welt. Der Leutnant atmete noch einmal tief durch und trat dann einen Schritt vor, richtete so den Fokus des Gefangenen auf ihn. Gof trug zur Sicherheit in einem Holster eine Pistole, während Kas einen Schlagknüppel in den Händen hielt, der optional auch elektrisch geladen werden konnte. In solchen Zeiten war es einfach besser alle Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Leutnant Gof begann mit der üblichen Frage, die man Gefangenen stellte:
    „Name und Kennnummer?“
    Erfreut nahm Woil zur Kenntnis, dass der Translator tatsächlich zu funktionieren schien, denn er konnte sich kaum vorstellen dass diese ihm unbekannte Rasse englisch sprechen konnte. Er öffnete den Mund, spürte dabei jedoch eine große Trockenheit in seiner Kehle und hatte daher große Mühe, um seine Antwort zu formulieren. Gof sah natürlich das Bedürfnis des Fremden und hatte nicht vor, ihm etwas Wasser zu verweigern. Der Leutnant war niemand, der gerne Personen leiden ließ, doch er entschloss sich dazu noch etwas zu warten. Der temporäre Durst würde eine gute Verhandlungsbasis darstellen, um die von ihm benötigten Informationen zu erhalten.
    „Mein Name... ist Chief Jozarnay Woil. Ich bin Bürger der Vereinten Föderation der Planeten und Mitglied der Sternenflotte; Kennnummer 736927153.“
    Überrascht blickte Demmie Gof zu Kas, der ihn ebenso erstaunt anblickte. Die Föderation? Was hatte sie hier zu suchen?
    „Was haben sie als Soldat der Sendari-Föderation im Luftraum der Koalition zu suchen?“ fragte Gof mit etwas mehr Nachdruck, als er zunächst geplant hatte. Der Grund seiner inneren Anspannung war klar: falls die Föderation von Sendari in den Krieg eingetreten war würde dies eine beträchtliche Verschiebung der Konstellationen in diesem Konflikt bedeuten.
    Der Antosianer verstand nicht recht, worauf sein Gegenüber hinaus wollte. Sendari? War waren die? Von einem solchen Mitgliedsvolk der Föderation hatte er noch nicht gehört. Kurz blickte er in die Lampe an der Decke und kniff die Augen zusammen. Er ließ das Licht seinen Geist erhellen und eine Lösung finden. Nach den interstellaren Verträgen war er nur verpflichtet seinen Namen, Rang und Staatsbürgerschaft mitzuteilen. Doch hatte dieses Volk überhaupt diese interstellare Konvention unterzeichnet? Ganz sicher nicht, wenn es sich hier um eine Präwarp-Zivilisation handelte. Folglich wäre es also nur umso schädlicher, wenn er noch mehr sagen würde. Dieses Volk hatte schon seinen Phaser im Einsatz gesehen und aller Vorrausicht nach untersuchten sie schon das abgestürzte Shuttle. Als Sternenflottler hatte er von nun an die Aufgabe die Informationen über sich selbst und die Föderation zu minimieren, um eine stärkere Kontamination dieses jungen Volkes zu verhindern.
    „Mein Name ist Chief Jozarnay Woil. Ich bin Bürger der Vereinten Föderation der Planeten und Mitglied der Sternenflotte; Kennnummer 736927153.“
    Diese Antwort war gut genug. Sie sagte das Wichtigste aus und gleichzeitig gar nichts. Sollten sich die beiden doch selbst einen Reim aus diesen Worten machen, dies war nicht seine Aufgabe. Oh Gott, was er für einen Durst hatte! Seine Kehle brannte und machte jeden Gedankengang zu einer gewaltigen Anstrengung.
    Gof nickte Kas zu und die beiden verließen den Raum, um sich draußen vor der Tür zu unterhalten. Durch ein kleines Fenster in der Tür konnten sie den Gefangenen beobachten, wie er erschöpft und müde auf dem Stuhl saß und vor sich hin starrte.
    „Was meinen sie dazu?“ fragte Gof den Gefreiten. Es war zwar ungewöhnlich, dass ein einfacher Soldat direkt an dieser wichtigen Angelegenheit beteiligt war, aber die Überwachungsstation 14 war relativ klein und alle drei Unteroffiziere waren bedauerlicherweise während des letzten Gefechts getötet worden. Von allen Soldaten, die hier stationiert waren, hatte Che die mit Abstand meiste Erfahrung und daher beschloss Leutnant Gof in mit ins Vertrauen zu ziehen.
    „Ich bin genauso besorgt wie sie, Herr Oberleutnant,“ antwortet Cherollo Kas wahrheitsgemäß, „wenn die Sendari in diesen Krieg eingetreten sind, ohne dass uns der Geheimdienst oder die Regierung etwas davon gemeldet hat, dann muss in diesem Moment irgendwo in diesem verdammten Solarsystem die Hölle los sein.“
    „Er scheint mir etwas verwirrt zu sein... der Begriff Vereinte Föderation der Planeten ist mir für die Sendari nicht bekannt.“
    „Vielleicht Nachwirkungen des Elektroschocks?“ suggerierte Kas. „Vielleicht auch eine Gehirnerschütterung aufgrund des Absturzes?“
    „Möglich. Der Doktor soll sich ihn noch einmal genauer ansehen. Und geben sie ihm etwas zu trinken. Es gibt keinen Grund ihn unnötig leiden zu lassen, denn dann nutzt er uns auch nicht viel.“
    „Essen?“
    „Noch nicht. Eins nach dem anderen. Wir müssen versuchen eine Basis zwischen ihm und uns zu schaffen. Zu viele frühe Geschenke könnten diesen Prozess beeinträchtigen. Ich begebe mich mal in die Zentrale und informiere das Oberkommando. Wer weiß, vielleicht gibt es schon Gefechte auf Humana Prime zwischen den Sendari und uns.“
    „Wir können uns keinen Zwei Fronten-Krieg leisten, Herr Oberleutnant, “ merkte Kas niedergeschlagen an.
    „Ich weiß. Weitermachen, Gefreiter Kas!“
    Kas salutierte vor seinem Offizier und ging dann zurück in die Zelle. Es gab nur wenig Vorgesetzte, vor denen Che nicht nur der Pflicht wegen salutierte, sondern weil er sie wirklich respektierte. Leutnant Gof war einer dieser wenigen Ausnahmen. Er war zwar noch jung, aber hatte bisher ein bemerkenswertes Händchen bei der Führung seiner Soldaten gezeigt. Vielleicht würde aus ihm noch ein großer General werden, wer wusste das schon? Nun befand sich Che Kas alleine mit dem Gefangenen in dem kleinen Raum. Der Gefreite holte seine Wasserflasche hervor und hielt mit der anderen Hand den Knüppel. Auf keinen Fall wollte er dem seltsamen Mann eine Chance zur Flucht geben. Woil verstand die Geste des erhobenen Knüppels und nickte dem Soldaten zu. Dieser kam dann auf ihm zu und ließ, da Woils Hände immer noch gefesselt waren, etwas Wasser in die Kehle des Antosianers laufen. Erst nur wenige Schlucke, damit der Körper des Chiefs nicht irritiert wurde, dann etwas mehr. Das kühle Nass auf seiner Zunge zu spüren war wie eine Erlösung und Woil war dankbar, dass wer immer ihn auch in seiner Gewalt hatte ihn etwas trinken ließ. Che gestattete es dem Unbekannten die Hälfte der Flasche zu trinken, dann nahm er das Gefäß weg. Wie der Leutnant schon gesagt hatte, ein Schritt nach dem anderen.
    „Müssen sie auf die Toilette?“ fragte der Gefreiter Kas dann.
    Woil dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf.
    „Nein danke“, entgegnete der Unbekannte und als er den Kopf schüttelte wirbelte sein Pferdeschwanz hin und her.
    „Ich muss sie informieren, dass sie bald durch einen Mediziner untersucht werden.“
    Verdammt! fluchte Woil. Dies war der mit Abstand schlimmste Umstand, der hätte eintreten können. Bei einer Untersuchung würden diese Wesen ganz sicher merken, dass er kein Mitglied ihrer Spezies war, sondern ein waschechter Außerirdischer. Wenn dies eine Präwarp-Zivilisation war, dann hatten sie auch ganz sicher noch nie einen Extraterrestrier gesehen und dies könnte einige Probleme sowohl für ihn selbst wie auch für diese Spezies bedeuten. Wie konnte er in einem solchen Fall die erste Direktive schützen?
    „Ich möchte nicht untersucht werden“, verkündete Woil, ohne wirklich zu hoffen, dass dieser Einspruch etwas bringen würde.
    „Dies steht nicht zur Debatte. Der Arzt wird kommen, so oder so, “ antwortete Kas erwartungsgemäß.
    Einige Zeit schwiegen die beiden Männer, musterten sich gegenseitig. Jeder dachte vom anderen, dass sie nicht so sehr verschieden aussahen. Woil fragte sich, was der Mann nun dachte? Hielt er ihn für einen Außerirdischen oder für irgendeinen Fehler der Natur?
    „Mein Name ist Kas“, meinte schließlich der Gefreite überraschend. Er wusste auch nicht so recht, wieso er dies nun tat, vielleicht hoffte er so das Eis zu brechen. Auf jeden Fall war es nun heraus. Auch Chief Woil war überrascht und überlegte, was er nun tun sollte. Wenn sich hier der Chance eines Kontaktes auftat, so wäre es töricht gewesen ihn sausen zu lassen.
    „Ich heiße Jozarnay Woil.“
    „Jozarnay? Das habe ich noch nie gehört.“
    „Ich komme aus einer eher abgelegenen Provinz“, log Woil.
    „Ja, das muss es wohl sein. Darf ich etwas für sie tun?“
    Plötzlich hatte Woil dieses ganz starke Bedürfnis. Er wusste nicht, woher es kam, vielleicht war es die Angst, dass er nicht mehr heil aus dieser Sache heraus kam. Ihm verlangte es nun nach einem Ablass. Konnte er darum bitten oder war dies zu gefährlich in Hinsicht auf die Oberste Direktive?
    Ach was, sei´s drum! Wahrscheinlich bist du in einem Tag eh tot.
    „Kas, ich würde gerne beten.“
    Überrascht wölbte Che seine Augenbrauen. Beten? Die Sendari, falls es sich bei dem Unbekannten überhaupt um einen handelte, waren nicht gerade für ihre Spiritualität bekannt, ganz im Gegenteil. Konnte er aber diesen scheinbar aufrichtigen Wunsch verweigern? Che Kas setzte seinen Schlagstock unter Strom.
    „Wenn sie versuchen zu fliehen...“
    „Wohin sollte ich schon gehen?“ erwiderte Woil fast schon zynisch.
    Langsam löste Kas die Schnallen von Woils Armen und Beinen. Dieser erhob sich langsam und streckte sich erst einmal ausgiebig. Wie lange hatte er schon in dieser Position verbracht? Jozarnay wusste es nicht. Kurz sah er sich um. Nirgendwo ein Teppich, auf den er sich hätte niederwerfen können. Doch unter solchen Umständen musste er sich mit dem begnügen, was er hatte und wenn dies manchmal nichts war, dann musste halt auch nichts reichen. Woil begann die spirituellen Worte zu rezitieren und respektvoll trat Kas in den Hintergrund. Würde der Leutnant nun hier herunterkommen, so wäre er wohl begründeterweise etwas sauer über die Konzessionen des Gefreiten, doch Kas hatte keinerlei Grund gesehen diese Bitte zu verweigern. Wachsam beobachtete er den Unbekannten beim Beten und achtete darauf, dass er nicht doch Opfer einer Täuschung wurde. Ein faszinierendes Ritual, welches er vor sich sah. Ein solches hatte er noch nie gesehen. Höchst interessant!

    „Nein, ich kann ihre Vermutungen nicht bestätigen, Leutnant Gof“, antwortete das Gesicht auf dem verrauschten Bildschirm. Die Allianz setzte alle möglichen Störmittel ein, um Übertragungen zu beeinträchtigen und daher war von vorneherein keine großartige Bildqualität zu erwarten gewesen.
    „Es gab also keinen Angriff seitens der Sendari-Föderation?“ fragte Demmie Gof noch einmal nach.
    „Negativ.“
    „Das macht die ganze Sache nur noch mysteriöser.“
    „Da stimme ich ihnen zu, “ antwortete der Stabsoffizier, „daher hat sich Oberst Rul auf den Weg zu ihnen gemacht?“
    „Rul?“ fragte Gof überrascht. „Wie will er die orbitale Blockade durchbrechen?“
    „Er befindet sich auf einem neuartigen Tarnschiff, der Grüner November. Er ist zuversichtlich, dass er morgen auf Humana 3 eintreffen und das Verhör leiten wird.“
    Der Leutnant nickte, aber in Wirklichkeit war ihm das ganze überhaupt nicht recht. Oberst Rul war für seine Rücksichtslosigkeit bekannt. Er hatte einmal zwei ganze Batallione geopfert, um eine wertlose Miene zu erobern und dann die Schuld seinem Adjutanten zugeschoben, der dann hingerichtet worden war. Wieso war ein solcher Mann immer noch auf freiem Fuß? Demmie spekulierte, dass Rul ein oder zwei Verbindungen zur Regierung haben musste, ansonsten hätte man ihn schon längst abgesägt gehabt.
    „Verstanden. Ich bereite alles für seine Ankunft vor.“
    „Versuchen sie so viele Informationen wie möglich zu erlangen.“
    „Zu Befehl.“
    Die Kommunikationsverbindung wurde unterbrochen und Kas seufzte. Nein, dies alles war ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. Womit hatten sie es hier zu tun? Diese Frage zu beantworten war ihre dringlichste Aufgabe. Kurz sah er sich in der spärlich beleuchteten Zentrale um. Noch immer herrschte draußen tiefste Dunkelheit und ringsum waren Soldaten an ihren Geräten, verwerteten die neuesten Informationen über die Feindbewegungen.
    „Was macht die Analyse des Wracks?“ fragte Gof einen Ingenieur, der sich das ganze auf einem Monitor ansah.
    „Es verzögert sich leider alles, Herr Oberleutnant, “ antwortete die junge Frau enttäuscht. „Das Gefährt besteht aus einer uns unbekannten Legierung und ein Transport hierher gestaltet sich äußerst schwierig. Während unsere Leute das Ding verladen wollten wurden sie zweimal von der Allianz angegriffen: beim ersten Mal gab es einen Luftangriff, beim zweiten Mal einen Infanterie-Angriff.“
    „Verluste?“
    „Nur zwei, Herr Oberleutnant. Sieht so aus, als ist die Allianz genauso interessiert an diesem Objekt wie wir.“
    „Oder es gehört ihnen und sie möchten alle Beweise vernichten“, spekulierte Gof.
    „Meinen sie das wirklich?“
    „Es wäre zumindest eine Option. Halten sie mich auf dem Laufenden!“
    „Jawohl, Herr Oberleutnant.“
    Gemeinsam mit dem Arzt begab sich Gof in das kleine Untergeschoss, wo sich die Arrestzelle befand. Inzwischen fühlte er deutlich die Auswirkungen dieser schlaflosen Nacht. Doch er konnte derzeit einfach kein Auge zutun, nicht in dieser Situation. Hier hatten sie es vielleicht mit einer echten Sensation zu tun und er war hautnah dabei. Obwohl oder gerade weil er nicht wusste, was vor sich ging war diese Sache total spannend. Der Arzt und er stoppten kurz vor der Tür und blickten sich an.
    „Sind sie soweit?“ fragte Gof den Mediziner.
    „Es kann von mir aus losgehen. Wir haben entsprechende Betten präpariert, um ihn eventuell ruhig zu stellen. Ich muss ihnen aber von vorne herein sagen, dass die Testergebnisse auf sich warten lassen werden.“
    „Das macht nichts. Ich wette, dass sie die ganze Prozedur eh noch einmal wiederholen müssen, wenn Oberst Rul hier eintrifft.“
    „Was? Rul kommt hier her?“
    „Sie kennen ihn?“
    „Fragen sie lieber nicht“, entgegnete der Arzt und sein Blick sprach Bände.
    Gof nickte und holte kurz seine Pistole hervor und kontrollierte das Magazin. Dann schalt er sich einen Narren, als ihm bewusst wurde, dass er dies schon vor zwei Stunden getan hatte. Die Müdigkeit zeigte also ihre ersten Auswirkungen. Mit einem Kopfschütteln schob er die Waffe wieder in seinen Gürtel. Schlapp machen galt nun nicht, dachte er und öffnete die Zellentür.
    Woil hatte schon vor einiger Zeit das Gebet beendet und hatte Dankbarkeit gegenüber der Wache empfunden, die ihm dies gestattet hatte. In seinem Innersten warnte ihn eine Stimme, dass er erste Anzeichen des Stockholm-Syndroms zeigte: dies bewirkte, dass sich Geiseln mit ihren Kidnappern identifizierten und sogar zugehörig fühlten. Ja, solchen realen Sorgen musste man sich stellen. Doch ehrlich gesagt wusste Jozarnay nicht so recht, ob er sich noch mit diesem Problem beschäftigen musste, denn bald würde er tot sein. Sicher, er hatte den Notsender aktiviert und war inzwischen überfällig, doch wahrscheinlich hatten die Fremden das Gerät schon gefunden und es vermutlich unabsichtlich deaktiviert. War die Aussicht auf Rettung realistisch? Und wie sollte er seine Verpflichtungen gegenüber dem höchsten Gesetz der Föderation erfüllen und eine Kontamination dieser Rasse verhindern?
    Nach dem Gebet hatte sich Woil wieder unter den wachsamen Augen von Kas auf seinen Stuhl gesetzt. Dankbarerweise hatte er darauf verzichtet den Antosianer erneut zu fesseln und so hatten die beiden schweigend auf den nächsten Schritt gewartet. Die Metalltür öffnete sich knarrend und zwei Personen traten ein. Die eine war der Offizier, der ihn vorhin befragt hatte und der andere ein leicht älterer Mann, der neben den Camouflage-Hosen, wie sie die beiden anderen trugen, noch einen roten Kittel trug. Der Chief konnte Eins und Eins zusammenzählen, also erahnte er die Funktion dieses neuen Mannes.
    „Wir werden sie nun einer Untersuchung unterziehen“, verkündete Leutnant Gof.
    „Ich verweigere diese Untersuchung“, gab Woil selbstsicher zurück. Natürlich wusste er, dass er dies nicht verhindern konnte, jedoch wollte er versuchen so viel Widerstand wie möglich zu leisten.
    „Es ist auch zu ihrem Besten, Mr. Woil. Womöglich haben sie sich bei ihrem Absturz verletzt. Kommen sie bitte mit uns.“
    Kurz rechnete Jozarnay sich die Chancen aus die drei Personen zu überwältigen, doch er wusste, dass dies unmöglich war. Also leistete er auf die einzige Art und Weise Widerstand, mit der er sich minimale Chancen erhoffte: er setzte sich auf den Boden und verschränkte die Arme.
    Gof verstand natürlich sofort, dass der Gefangene sich so lange wie möglich wehren wollte. Also wollte er Woil am Arm packen, doch dieser schlug aus. Als Konsequenz nickte Gof dem Gefreiten Kas zu, welcher seinen Knüppel elektrisch lud und ihn blitzschnell in den Nacken des Gefangenen hielt. Woil wurde auf der Stelle bewusstlos und wurde von den drei Männern auf die Krankenstation getragen.

    Die automatische Tür schloss sich hinter Woil und der Antosianer atmete erst einmal tief durch. Was für eine Hammerprüfung, die er eben hinter sich gebracht hatte! Er hatte zu den letzten gehört, die ihre Aufgabenpadds abgegeben hatten, was hieß, dass er fast 6 Stunden in diesem Prüfungsraum verbracht hatte. Ob die ganze Sache gut ausgegangen war, konnte er beim besten Willen nicht sagen. Sein Gefühl sagte ihm, dass er entweder eine großartige Leistung vollbracht hatte oder ein Desaster. Nur die Zeit würde dies zeigen...
    In ihrem gemeinsamen Wohnquartier wartete schon Larla. In dem Moment, als Jozarnay die gemeinsame Wohnung betrat, wurde ihm wieder klar, dass seine langjährige Jugendfreundin das bezauberndste Geschöpf war, welches er je gesehen hatte. Ihre gelben Augen schienen heller zu strahlen als dies sonst bei Angehörigen ihrer Spezies der Fall zu sein schien und der Glanz ihrer inneren Werte schien noch um ein vielfaches stärker zu sein als der der irdischen Sonne. Was konnte er nur tun, um ihr Herz zu gewinnen? Tief in seinem Innersten wusste er, dass Larla nicht die Gefühle teilte, die er für sie hegte. Gott sei dank sah es nicht so aus, als ob sie von seinen Empfindungen wusste, dies wäre wohl eine hochpeinliche Sache gewesen. Allen Anschein nach musste sich der junge Jozarnay wohl damit begnügen, dass sie und er bis an ihr Lebensende die besten Freunde sein würden und nicht mehr. Dies war doch auch nicht schlecht, oder? Doch, das war es, flüsterte eine Stimme in seinem Hinterkopf.
    „Na, wie lief´s?“ fragte Larla ihn und zeigte dabei wieder ihr strahlendstes Lächeln.
    „Keine Ahnung. Entweder super oder miserabel, dazwischen ist wohl nichts. Bei dir schien es ja wohl ein Spaziergang gewesen zu sein.“
    „Wie kommst du darauf?“
    „Immerhin hast du schon nach vier Stunden abgegeben, “ erklärte Woil.
    „Ach, das Thema lag mir einfach. Pures Glück, “ spielte sie ihre Leistung herunter. Bescheidenheit war eine ihrer Eigenschaften, die Jozarnay am meisten mochte.
    „Tu doch nicht so! Du hast dich gut auf die Klausur vorbereitet und ich gönne dir den Erfolg...“
    „Hey, wir haben das dumme Ding gerade erst geschrieben!“
    „Ich wette mit dir, du wusstest bestimmt wer der klingonische Kanzler in der Zeit des Erwachens war!“ stichelte Jozarnay.
    „Ja“, gab sie zu und lächelte. Aus irgendeinem seltsamen Grunde schien es ihr fast schon peinlich zu sein, eine womöglich ausgezeichnete Klausur geschrieben zu haben.
    „Ich gehe nun beten“, murmelte Jozarnay und ging in das Bad, um sich zu waschen.
    Seine Freundin nickte ihm zu, zeigte dabei jedoch einen Blick des Unverständnisses, was Woil ein leichtes Seufzen abrang. Dies war einer ihren wenigen Fehler: sie konnte Jozarnays anachronistisches Festhalten an religiösen Traditionen überhaupt nicht verstehen und hatte mehr als einmal mit ihm hitzige Diskussionen zu diesem Thema geführt. Anders als man es vielleicht erwartet hätte war dabei die Aggressivität von ihr aus gegangen, während er selbst völlig ruhig auf seinem Stuhl gesessen und die Hände gefaltet gehabt hatte. Einmal hatte sie gesagt, sie könne sich niemals ein Zusammenleben mit einem Mann vorstellen, der an diesen altmodischen Mumpitz glaubte und Jozarnay war in diesem Augenblick innerlich gestorben. Natürlich hatte er sich äußerlich nichts anmerken lassen, nicht mal geblinzelt hatte er, als er diese vernichtenden Worte gehört hatte. Doch am Abend, als er allein in seinem Zimmer gewesen war, hatte er bitte Tränen vergossen und Gott um Rat gefragt. Musste eine solche Liebe dann nicht zwangsläufig unbeantwortet bleiben, wenn seine wichtigste und grundlegendste Philosophie von der Frau seiner Träume abgelehnt wurde? Und es war in diesem einen schwachen Moment der Qual gewesen, als er fast vom Glauben abgefallen wäre, weil er sich einredete, so bessere Chancen bei Larla zu haben. Doch nur wenige Minuten später hatte er seinen Fehler eingesehen und Gott um Vergebung für die aus seiner Sicht blasphemischen Gedanken gebeten. Ihm war klar geworden, dass er sich nicht ändern konnte nur um einer Frau zu gefallen. Sicher, Larla war seit Jahren die Liebe seines Lebens, aber Jozarnay war nun mal das, was er war. Er konnte einfach nicht einen wichtigen Teil von sich wegwerfen und so tun, als hätte es ihn nie gegeben, nur um ihr Herz zu gewinnen. So würde er selbst nie inneren Frieden finden. Wenn sie ihn eines Tages lieben würde und derzeit sah es so aus, als würde dieser Fall leider nie eintreten, dann nur so wie er selbst war. Seltsame Worte waren dies. Aus alten Filmen, Reportagen und Büchern hatte er gehört, dass ein solcher Ausdruck immer dann vorgekommen war, wenn Leute mit ihrem Äußeren unzufrieden gewesen waren. Früher hatten gesellschaftliche Schönheitsideale eine große Rolle in der antosianischen Gesellschaft gespielt und viele Leute waren unglücklich über ihre Figur, ihr Gewicht, ihre Zähne oder dergleichen gewesen. Woil konnte nur den Kopf schütteln angesichts solch kleinlicher Probleme, die die Leute damals gehabt zu haben schienen. Inzwischen war sein Volk weiterentwickelt und Menschen wurden nur nach dem beurteilt, nach dem, was wirklich im Leben zählte: die persönlichen Eigenschaften eines Antosianers. All die Stärke, die er besaß, bezog er aus seinem Glauben. Er würde für Larla in den Tod gehen, doch niemals für sie seinen Gott verleugnen. Zu der Erkenntnis war er nach langen wachen Nächten gekommen... und sie schmerzte ihm.


    Gof, Kas und der Stabsarzt der Station 14 standen in einer kleinen Gruppe zusammen und starrten immer wieder auf den Fremden, der bewusstlos auf einem Krankenbett lag. Was ging hier nur vor, wer war diese Person? Die Untersuchung des Arztes hatte mehrere Stunden in Anspruch genommen und immer noch waren sie keinen Deut schlauer geworden.
    „Was können sie uns sagen?“ fragte der Leutnant den Mediziner.
    „Ich habe alle mir zur Verfügung stehenden Tests gemacht,“ erklärte der Doktor und kratzte sich scheinbar ratlos an der Stirn, „Abstriche, Abklopfen, Ultraschall, Röntgen, wobei diese Ergebnisse noch auf sich warten lassen, denn ich lasse den Computer extra in einem hochsensiblen Bereich laufen. Das einzige was ich noch nicht versucht habe ist ihn zu öffnen.“
    „Sie meinen ihn aufzuschneiden?“ fragte Cherollo mit einem Stirnrunzeln.
    „Genau das meine ich“, antwortete der Stabsarzt und schien bei diesem Thema weniger zimperlich zu sein. Immerhin hatte er diese Prozedur schon tausendfach durchgeführt. „Ich wüsste nur zu gerne, wie es im Inneren dieses Burschen aussieht. Soweit ich das sagen kann haben wir es mit einer Sensation zu tun, mit einer höchst bedenklichen obendrein.“
    „In wie fern?“ fragte Demmie Gof.
    „Nun, uns allen sind Fälle von genetischen Drifts bekannt. Manche von uns haben Rudimente oder gar Atavismen, in seltensten Fällen gibt es bei einigen Kindern Deformationen, weil ihre Eltern, zumeist Matrosen, aufgrund von Reaktorschäden verstrahlt gewesen sind. Doch dieser Mann hier scheint ganz anders zu sein.“
    „Bitte werden sie spezifischer, Doktor.“
    „Sehen sie sich doch nur seine Stirn an, Herr Leutnant: es kann vorkommen, dass bei einigen von uns die Stirnhügel mehr oder weniger stark ausgeprägt sind, aber bei ihm sind gar keine zu erkennen. Dies ist, soweit ich dies in den Datenbanken nachschlagen konnte, ein bisher einzigartiges Vorkommen. Jeder, und ich betone dabei das Wort jeder, Humaner hat mindestens leichte Ausprägungen der Stirnerhebungen.“
    „Und weiter?“
    Abermals warf der Mediziner einen Blick auf den bewusstlosen Chefingenieur der Monitor, diesmal jedoch aus einem scheinbar mehr akademischen Interesse.
    „Seine Augen... so was habe ich noch nie gesehen! Gelbe Augen sind in der Geschichte unserer Spezies noch nie aufgetreten.“
    „Es gibt immer ein erstes Mal!“
    „Möglich, aber die Chancen sind verschwindend gering. Ich habe auch keine Operation oder dergleichen feststellen können, obwohl ich damit gerechnet hätte.“
    „Operation? Welche Art von Operationen?“
    Nun senkte der Arzt etwas seine Stimme, so als redete er über etwas Verbotenes, was nicht an die Öffentlichkeit gelangen durfte:
    „Es gab doch schon seit Kriegsanfang diese Gerüchte, dass die Allianz genetisch veränderte Soldaten einsetzen würde...“
    „Davon haben ich gehört“, unterbrach ihn Gof, „jedoch hat man nie einen solchen Fall gefunden.“
    „Was ist, wenn wir hier den lebenden Beweis haben, Herr Oberleutnant? Was, wenn dies hier einer der genetisch verbesserten Soldaten ist?“
    Auch Leutnant Gof schaute nun noch einmal zu dem bewusstlosen Woil und ließ sich einige Gedanken durch den Kopf gehen. Es galt Optionen und Fakten gegeneinander abzuwägen.
    „Welche Vorteile kann er uns gegenüber haben?“
    „Das weiß ich leider noch nicht. Es sind aber eine Vielzahl von Möglichkeiten existent. Diese gelben Augen... vielleicht sind sie dazu da in der Nacht zu sehen. Er könnte auch gegen Giftstoffe oder Strahlung immun sein.“
    „Können sie das überprüfen, ohne ihm Schaden zuzufügen?“
    „Augentests sollten machbar sein.“
    „Gut, dann machen sie das bitte!“ befahl Gof. Der Mediziner war zwar älter und ranghöher als Demmie, doch er akzeptierte den Leutnant als Kommandanten dieser Station.
    Cherollo Kas konnte deutlich in Gofs Gesicht die Sorge sehen. Hier hatten sie es mit einem vielleicht Kriegsentscheidenden Fall zu tun. Was, wenn die Gerüchte also wahr waren? Wie würde sich dies auf den Kampfverlauf auswirken? Oder war ihre Annahme nur zu voreilig? Hatten sie überhaupt alle Möglichkeiten ausgeschöpft?
    „Was ist, wenn es noch eine mögliche Erklärung gibt?“ dachte Kas laut.
    „Wie bitte?“ fragten Leutnant Gof und der Arzt gleichzeitig.
    „Ich habe nur laut nachgedacht, Herr Oberleutnant. Es tut mir Leid, “ entschuldigte sich der Gefreite und schüttelte den Kopf so als wolle er die Gedanken, die in seinem Kopf herumschwirrten, vertreiben.
    „Nein, nein, ist schon gut. Raus mit der Sprache, Che!“ forderte ihn Gof auf.
    „Herr Oberleutnant, ich bin der Meinung, dass wir uns noch einer alternativen Erklärung stellen müssen.“
    „Die da wäre?“
    Der junge Humaner stoppte kurz, um Luft zu holen und sich so auf seine peinliche Aussage vorzubereiten, doch leider kam er nicht mehr dazu. Alarmsirenen schrillten los und gelbe Leuchten fingen an der Decke an zu rotieren. Ohne ein weiteres Wort rannte Leutnant Gof aus der Krankenstation, gefolgt von Kas, und in die Kommandosektion, die sich im ersten Stock der kleinen Überwachungsstation befand. In diesem Raum, der dem Tower eines Flugplatzes ähnelte, operierte man unter Nachtlicht, welches man von außen durch die Fenster nicht erkennen konnte. Die Soldaten hatten ihre Plätze eingenommen und riefen von den Computern die neusten Daten ab.
    „Bericht!“ forderte Leutnant Gof als er in der Zentrale eintraf.
    Eine junge Soldatin an der Radarstation wandte ihren Kopf in seine Richtung.
    „Anfliegender Flugkörper entdeckt, Herr Oberleutnant. Laut den Computeranalysen wurde er von der Allianzstation 33-Zeta abgeschossen. Zeit bis um Einschlag 3 Minuten 48 Sekunden“
    Demmie schnaufte verächtlich. Die verdammte Station 33-Zeta machte ihnen schon seit einiger Zeit Schwierigkeiten. Nun griffen diese Allianzschweine im denkbar ungünstigsten Zeitpunkt an. Sahen die nicht, dass er mit wichtigerem beschäftigt war? Dann erfasste ihn eine innere Unruhe, als er die obligatorische Frage stellte. Obwohl er dies schon ein Dutzend Mal getan hatte fühlte er immer noch diese Panik in sich, als sich dieser Möglichkeit widmen musste:
    „Handelt es sich um einen Fusionssprengkopf?“
    Er schloss unwillkürlich die Augen, als er auf die Antwort wartete. Hoffentlich war es kein Nuklearangriff. Wieso sollte die Allianz dies überhaupt riskieren? Sie mussten doch wissen, dass sie dann mit all ihren Kapazitäten zurückschlagen und...
    „Negativ, “ unterbracht die Soldatin seine Gedankengänge, „es handelt sich nicht um einen Fusionssprengkopf, ich wiederhole: kein Fusionssprengkopf.“
    „Andere Stationen in der Umgebung bestätigen diese Einschätzung“, ergänzte der für die Kommunikation zuständige Soldat.
    „Identifizierung?“ fragte Gof nun. Es galt keine Zeit zu verlieren.
    „Es handelt sich um einen Gasangriff, Herr Oberleutnant, “ las Che Kas von seiner Konsole ab. „Es ist scheinbar die wöchentliche Rakete die sie schicken, um uns zu piesacken. Sollen wir sie abschießen?“
    Nur kurz überlegte der Leutnant und verfluchte noch einmal diesen ungünstigen Zeitpunkt.
    „Negativ. Ich werde keine millionenteuere Abwehrrakete für diesen Flugkörper verschwenden. Quarantänenalarm!“
    Grüne Warnleuchten sprangen nun überall in der Basis an und signalisierten, dass ein Chemieangriff bevorstand. Innerhalb weniger Sekunden flüchteten alle Soldaten in die Station, welche dann luftdicht verriegelt wurde. Wer nicht innerhalb von Sekunden im Gebäude war musste leider einen qualvollen Tod sterben. Die Aussichtsfenster der Zentrale wurden mittels einer Titanwand luftdicht verschlossen und der Computer stellte die Basisbelüftung so um, dass nun intern ein Generator den benötigten Sauerstoff produzierte.
    „Noch zehn Sekunden bis Einschlag“, verkündete die Soldatin und zählte die Zeit herunter. Demmie hoffte nur, dass er sich nicht verspekuliert hatte und der Angriff so ablief wie die hundert anderen davor auch. Ein Volltreffer würde die Basis angeblich aushalten, doch er war nicht gerade wild darauf sein Glück zu sehr zu strapazieren.
    „Eins... Explosion!“
    Leutnant Gof seufzte erleichtert auf. Wie er es sich gedacht hatte war die Rakete mit einem lauten Knall direkt über der Überwachungsstation 14 explodiert. Grüner Giftgasnebel rieselte nun vom Himmel herab und kontaminierte für mehrere Stunden das Gebiet rund um die Station. Glücklicherweise hatten sich alle Soldaten in Sicherheit bringen können und nun hieß es nur noch zu warten bis sich das Gift verzogen hatte. Ein anschließender Infanterieangriff der Allianz war zwar möglich, jedoch nicht wahrscheinlich. Es war einer der üblichen Terrorangriffe gewesen, die sie wachrütteln und ängstigen sollten, ohne dass dieser Effekt jedoch erzielt wurde.

    Stunden später ging Che Kas die wenigen Stufen ins kleine Untergeschoss hinunter um den Gefangenen zu sehen. Jozarnay Woil war wieder in seiner Zelle auf dem Stuhl festgeschnallt und schien zu dösen. Verständlich, denn die Ereignisse der letzten Stunden waren äußerst ermüdend gewesen. Che nickte den beiden Wachen zu, die ihn hineinließen. Müde blickte Chief Woil auf und erkannte den Eindringling als die Person von vorhin. Der junge Soldat ließ ihn etwas von der Wasserflasche nippen. Artig bedankte sich der Antosianer für diesen Gefallen und schwieg dann wieder. Auch Che Kas schwieg, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Wand. Was ging hier nur vor sich? Wer war diese Person?
    Er beschloss seine eigenen Untersuchungen durchzuführen.
    „Ich weiß, wer sie sind.“
    Woil blickte leidenschaftslos auf und musterte Kas, ohne etwas zu sagen. So fuhr der Soldat fort:
    „Die Testergebnisse sind zwar noch nicht da, aber ich habe meine eigene Theorie. Wir konnten inzwischen ihre Röntgenaufnahmen sehen und haben dabei ein völlig anderes Organsystem erkannt, als dies bei uns Humanern eigentlich üblich ist.“
    Woil schwieg weiter und versuchte weiterhin sklavisch die Oberste Direktive zu wahren, auch wenn er nicht so recht wusste, wie er dies noch anstellen konnte.
    „Mein Offizier ist ein guter Mann“, meinte Che und nahm selbst einen kleinen Schluck von der Wasserflasche, „ebenso der Arzt. Beiden würde ich mein Leben anvertrauen. Doch auch sie sind nicht vor Fehlern gefeit. Die beiden haben meiner Ansicht nach die falschen Schlüsse aus ihnen gezogen, Jozarnay. Beide meinen, dass sie Teil eines Programms der Allianz sind, um genetisch aufgewertete Soldaten zu erschaffen. Diese Gerüchte halten sich schon den ganzen Krieg über, ohne dass wir je Beweise dafür gefunden haben. Manche von uns spekulieren sogar dies sei der Kriegsgrund gewesen: unsere Angst vor den Gen-Soldaten, die uns zu einem Präventivschlag verleitet hätte. Leider konnte dies nie verifiziert werden. Ich jedoch teile nicht die Ansicht meiner Vorgesetzten.“
    Kas ging von der Wand weg und näherte sich nun Woil, begab sich zu ihm herab um ihm zuzuflüstern. Woil war verschwitzt und hungrig, doch immer bereit Widerstand zu leisten. Die letzten beiden Stunden hatte er damit zugebracht skurrilste Tests mitzumachen. So hatte ihn der Arzt in eine dunkle Kammer gesperrt, in der er sich orientieren sollte, um zu überprüfen ob er tatsächlich ein verbessertes Nachtsehen besaß. Dieses Experiment war natürlich gründlich in die Hosen gegangen. Und obwohl seine Lage hoffnungslos schien klammerte sich Jozarnay Woil an den einen Funken Hoffnung, den er noch besaß. Er betete, dass die Monitor oder irgendein anderes Schiff auf der Suche nach ihm war und ihn aus dieser Lage herausholen würde. Immer noch waren ihm diese Fremden, die sich scheinbar als Humaner bezeichneten, völlig fremd. Er hatte nur diesen Raum und die Krankenstation gesehen, konnte sich daher überhaupt kein Bild über ihre Gesellschaft oder Technologie machen. Scheinbar befanden sich diese Leute mit einer Allianz im Krieg, ohne dass es Jozarnay bisher gelungen war zu ergründen, wer die Allianz überhaupt war? Eine andere Rasse? Scheinbar nicht, denn sonst hätte man schon längst erkannt, dass er ein Außerirdischer war. Es musste eine andere Fraktion bzw. Nation sein. Vorhin hatte er kurz einmal Alarmsirenen gehört. Hatte ein Angriff stattgefunden? Unmöglich dies zu sagen.
    Wie konnte er sich in einer solchen Situation verhalten? Abstreiten, offenbaren oder schweigen? Was war, wenn er nichts sagte, hier starb und dann pathologisch untersucht würde? Wie würde sich dies auf die Entwicklung dieser Spezies auswirken? Der Chief hatte absolut keine Ahnung, was er noch tun sollte. Daher schwieg er und hörte dem jungen Soldaten Cherollo Kas weiter zu:
    „Vielmehr denke ich etwas gänzlich anderes. Ich bin bereit zu glauben, wie es so schön heißt und mich neuen Möglichkeiten zu stellen. Sie sind gar kein Humaner... sie sind außerirdischen Ursprungs!“
    Jozarnay prustete los, so als hätte er eben den größten Schwachsinn aller Zeiten gehört. Um jeden Preis musste er die Scharade aufrechterhalten und den Soldaten von der richtigen Fährte ablenken.
    „Wie kommen sie denn auf diesen Unfug?“ fragte Woil und schüttelte sich herzhaft vor Lachen.
    Auch Kas grinste.
    „Tun sie nicht so. Ich sehe es in ihren Augen, dass ich Recht habe. Natürlich kann ich mir denken, wieso sie ihre wahre Identität geheim halten wollen. Die Tatsache, dass es außerirdisches Leben gibt, könnte meine ganze Gesellschaft ins Chaos stoßen. Seit mehr als einhundert Jahren sind wir in der Lage fast mit Lichtgeschwindigkeit unser Sonnensystem zu bereisen und haben Nachbarplaneten wie diesen hier kolonisiert. Einige mutige Pioniere schafften sogar nach jahrzehntelangen Reisen ein benachbartes System zu erreichen, nur um Nichts vorzufinden. Doch ich habe mich schon immer der Möglichkeit gestellt, dass wir nicht allein sind.“
    „Und wie kommen sie darauf, dass ich kein Humaner bin?“ fragte Woil, wobei er es gerade noch rechtzeitig geschafft hatte den Namen dieser Spezies zu rekapitulieren.
    Che Kas richtete sich wieder auf und begann durch die kleine, spärlich beleuchtete Zelle zu wandern, so als doziere er an einer Universität.
    „Verschiedene Faktoren gaben den Ausschlag“, erläuterte Kas. „Zum einen wäre da ihr Name. Zwar behaupten sie ein Sendari zu sein, doch Untersuchungen haben ergeben, dass Jozarnay Woil kein bekannter Name dort ist.“
    „Meine Eltern mochten es halt exotisch. Sie wissen schon, diese neoliberalen...“
    „Dann bitten sie ihr Gebet verrichten zu dürfe, was ich ihnen billige. Die Art und Weise wie sie beten, ja sogar der Umstand, dass sie es tun bestätigt meine Vermutung. Sie sind kein Sendari, denn diese Nation ist bekannt für ihre atheistische Einstellung.“
    „Ausnahmen bestätigen die Regel“, entgegnete der Chief mit trockener Stimme, versuchte dabei sich nicht zu sehr anmerken zu lassen wie sehr er in die Enge gedrängt war.
    „Dann ihr Fluggerät! Die Komponenten, die Legierungen... unsere Experten ist es nicht möglich es zu analysieren. Wenn wir rausfinden, dass die Metalle nicht von Humana Prime oder einem der umliegenden Planeten stammen...“
    „Sie spinnen! Hat der Krieg bei ihnen einen Koller verursacht?“
    „Ich spinne?“ fragte Kas so bedrohlich, dass Woil diesen Satz bereute, „gut, dann nennen sie mir die Hauptstadt der Sendari-Föderation.“
    Kurz schwieg Jozarnay, dann:
    „Mein Name ist Jozarnay Woil...“
    „Beantworten sie meine Frage, verdammt noch mal!“ schrie Kas und erschrak über sich selbst. Wieso wurde er auf einmal so zornig, so ungeduldig? Erschöpft fuhr er sich über die Stirn und bemerkte, dass sie ebenfalls schweißnass war.
    Was ging hier nur vor?
    Wortlos verließ der junge Mann den Gefangenen. Jozarnay atmete tief durch und überlegte. Ob er gewonnen oder verloren hatte, dies konnte er beim besten Willen nicht sagen.

    Keiner hatte je daran gezweifelt, dass Oberst Rul nicht alle Tassen im Schrank hatte. Doch um einen solchen Wahnsinnsstunt zu riskieren musste man schon eine Macke haben, wie Leutnant Gof fand. Er und ein kleiner Einsatztrupp befanden sich im Gang vor einer Luke, welche die einzige Barriere zwischen frischer Atemluft und den giftigen Gasen des Raketenangriffs war. Die Soldaten hatten sich alle Gasmasken übergezogen, die sie hoffentlich vor den Auswirkungen des Stoffs schützen würden. Des Weiteren hatten sie alle Schutzwesten umgelegt und Gewehre in den Händen.
    Der Kerl ist verrückt, dachte sich Gof immer wieder, einfach irre!
    Seit Wochen schon war um den Planeten eine Blockade errichtet worden, bei der sich Koalition und Allianz erbittet bekämpften. Versorgungen waren nur äußerst schwerlich möglich und die Truppen auf dem Planeten liefen immer wieder Gefahr zu verhungern. Die einzige Möglichkeit die dringend benötigten Vorräte und Materialien auf den Planeten zu bringen war mit Hilfe von orbitalen Cargobehältern. Wahrscheinlich befand sich die Grüner November, das Tarnschiff auf dem sich der Oberst aufhielt, derzeit in ein heftiges Gefecht verwickelt mit dem Ziel für eine kurze Zeit in die Umlaufbahn des Planeten einzuschwenken. Sollte sie dies schaffen, so würde keine Zeit verloren und der orbitale Behälter ausgestoßen werden. An diesem Umstand gab es nichts zu beschönigen: es bremsten oder steuerten keine Triebwerke den großen Container, stattdessen würde er sich im freien Fall in Richtung Erdboden befinden. Hoffentlich erreichte das Ding dann eine ausreichend hohe Geschwindigkeit um nicht ins Visier der Flugabwehrstellungen der Allianz zu geraten. Mindestens 30 Prozent der monatlichen Ladungen fielen einer Abwehrrakete zum Opfer. Erst auf den letzten Metern würde sich ein Fallschirm öffnen, der jedoch eine unsanfte Landung nicht gänzlich verhindern konnte. Der helle Wahnsinn!
    Über einen in die Gasmaske integrierten Kopfhörer bekam Gof das Signal und nickte seinen Untergebenen zu. Die Luke wurde geöffnet und die ersten Sonnenstrahlen strömten in das Gebäude an, kündigten den Beginn eines neuen Tages an. Für dieses wunderschöne Naturschauspiel hatten sie jedoch leider keine Zeit. Die Koalitionssoldaten stürmten hinaus und riegelten einen Bereich von mehreren Quadratmetern ab. Dabei versuchten sie den Eindruck zu erwecken auf alle Eventualitäten gefasst zu sein, in dem sie ihre Gewehre hin und her schwenkten, quasi imaginäre Ziele anvisierten. Fast pünktlich auf die Minute rauschte der Container heran und prallte mit einem dumpfen Geräusch auf. Per Handzeichen befahl der Leutnant zwei Gefreiten den Container zu untersuchen, die wiederum keine Beschädigungen feststellten. Automatisch öffneten sich die Frachttüren und entließen Oberst Rul sowie zwei Begleiter, welche natürlich auch Gasmasken trugen. Ordnungsgemäß salutierte Gof vor dem Vorgesetzten und wunderte sich, wieso trotz der harten Reise Ruls Uniform noch so makellos wirkte. Innerhalb weniger Sekunden zogen sie sich in die Station zurück und verriegelten die Tür. Sekunden später rissen sich alle Beteiligten die Schutzmasken herunter und atmeten wiederaufbereiteten, jedoch ungiftigen Sauerstoff ein. Gof begrüßte den Neuankömmling abermals.
    „Willkommen in der Überwachungsstation 14, Herr Oberst!“
    „Wo ist der Gefangene?“ fragte der fast kahle Mann ohne Umschweife und ließ sich von Demmie in die Arrestzelle bringen.
    „Darf ich fragen, wie unsere Vorgehensweise aussehen wird?“ fragte Gof auf dem Weg dorthin.
    Rul musterte ihn kurz, so als hätte der Leutnant in einer anderen Sprache gesprochen, und antwortete dann:
    „Meine Vorgehensweise wird sein so viele militärische Geheimnisse der Allianz wie möglich aus unserem Gefangenen herauszuholen. Übrigens war es gute Arbeit, wie sie ihn festgesetzt haben.“
    „Danke, Herr Oberst“, bedankte sich Gof für eine der seltenen Belobigungen des als knallhart geltenden Oberst. „Sie gehen also davon aus, dass es ein Pilot der Allianz gewesen ist?“
    „Was glauben sie denn? Die Allianz hat seit sie die Nachricht von der Gefangennahme des Piloten abgefangen haben ihre Aktivitäten hier verstärkt. Sie scheinen recht nervös darüber zu sein, dass wir eines ihrer Geheimprojekte entdeckt haben. Ich würde sagen wir bekommen es bald mit einem Angriff zu tun.“
    Der junge Offizier nickte. Die ansteigenden Feindaktivitäten waren in der Tat besorgniserregend.
    „Hier ist der Gefangene“, erklärte Gof überflüssigerweise und öffnete die Tür zum Arrestbereich. Rul, Gof sowie seine zwei Begleiter betraten den dunklen Raum, in dem sich Woil und Kas befanden. Der Gefreite Kas salutierte ebenfalls.
    „Herr Oberst!“
    „Wer ist das denn?“ fragte Rul barsch.
    „Ich bitte um Verzeihung, aber Gefreiter Kas ist derzeit der erfahrenste Mann den wir haben. Ich habe ihn mit der Überwachung des Gefangenen betraut, “ erklärte Leutnant Gof schnell.
    „Na schön, danke für ihre Arbeit, Gefreiter. Sie können nun beide gehen. Wir kümmern uns um den Herrn hier.“
    Gof und Kas verließen beide die Zelle, wobei sie beide ein unangenehmes Gefühl bei der Sache hatten. Was würde hier nun geschehen?
    Auch Chief Woil blickte auf und schaute in das Gesicht dreier unbekannter Personen. Der kahlköpfige und scheinbar älteste blickte ihn mit einem harten Gesichtsausdruck an.
    „Ihr Name?“ fragte er unwirsch.
    Diesmal zog es der Antosianer vor zu schweigen. Was hätte er schon sagen können? Angesichts der ihm unbekannten politischen Situation hielt er es für falsch zu lügen und damit vielleicht alles nur noch schlimmer zu machen. Wenn man ihm etwas vorwarf, so würde er einfach nichts mehr dazu sagen. In seinem tiefsten Inneren wusste Jozarnay, dass er verloren war. Immer noch war niemand zu seiner Rettung eingetroffen und so galt es für ihn sein Geheimnis mit ins Grab zu nehmen. Denn die Konsequenzen einer Offenbarung wollte er sich nicht ausmalen.
    „Ihr Name?“ fragte der ältere Mann noch einmal, diesmal leiser, wobei er ganz nahe an das Gesicht von Woil heranging. Die beiden Männer musterten sich, ohne etwas zu sagen. Rul fand die bemerkenswerten Augen des Unbekannten höchst faszinierend und gespenstisch zugleich, während Woil innerlich erschauderte, als er die Kälte in den Augen des Humaners sah.
    Als Reaktion auf sein Schweigen erntete Jozarnay einen Fausthieb der ihm die Nase brach. Er biss die Zähne zusammen und versuchte gegen den Schmerz ankämpfen. Natürlich hatte er gewusst, dass sie eines Tages an diesen Punkt ankommen würden. Die ersten Stunden hatte man ihn noch einigermaßen gut und sogar höflich behandelt. Nun, wo man mehr Informationen aus ihm herausholen wollte, ging man zur Folter über. Natürlich war jedem Mitglied der Sternenflotte klar, dass bei einer Gefangenschaft genau dies geschehen könnte. Jeder besaß einen Punkt, an dem er brechen und alles sagen würde, nur um die Schmerzen stoppen zu lassen, dies war ihm klar. Wie lange würde er selbst es schaffen? Wann würde er selbst winselnd vor seinem Peiniger stehen und um Gnade flehen? Woil schüttelte sich innerlich bei dem Gedanken. Es stimmte, was seine Lehrer an der Akademie gesagt hatten: die Androhung von Schmerz war zumeist sogar noch effektiver als der Schmerz selbst.“
    „Schade, dass sie nicht mit uns reden wollen. Zumindest weiß ich, dass ihr Name Jozarnay Woil ist. Ein sehr ungewöhnlicher Name für einen Humaner und ganz besonders für einen Sendari. Zumindest habe ich gehört, dass sie sich für einen Sendari ausgeben.“
    Wieder sagte der Chief nichts, leckte sich stattdessen das Blut von den Lippen, welches aus seiner Nase lief. Der Unbekannte, der sich nun als Oberst Rul vorstellte, hielt nun einen mehrminütigen Monolog, der offenbar einschüchternd wirken sollte:
    „Ich bin kein Unmensch, Herr Woil. Mein gesamtes Leben lang habe ich schon in den Koalitionsstreitkräften verbracht und bin für meine Gnade bekannt geworden. Ein Privileg, welches ich auch gerne ihnen zuteil werden lasse. Alles was sie dazu tun müssen ist uns etwas Auskunft über sie erteilen und dann sind sie frei. Wer weiß, vielleicht werden wir sie dann auch gegen einen Kriegsgefangenen unserer Seite eintauschen. Sehen sie, es ist also gar nicht so unwahrscheinlich, dass sie nach Hause zurückkehren können. Sie können es natürlich auch vorziehen zu schweigen, was ich ihnen natürlich nicht empfehlen würde. Bisher habe ich nämlich noch alles erhalten, was ich haben wollte und ein eventueller Widerstand ihrerseits wäre daher sinnlos. Sparen sie uns doch allen etwas Zeit und erzählen sie uns mit welchem Geheimprojekt sie betraut waren!“
    Woil sagte nichts. Was hätte er auch antworten können?
    Rul nickte und legte seinen Uniformmantel ab. Dann nickte er seinen beiden Begleitern zu.
    „Ausziehen“, befahl er.
    Es war der erste Schritt der Demontage von Jozarnay Woil.

    Am Anfang hatten sie es sich nur schwerlich eingestehen können, doch das Gefühl von Heimweh war stärker als erwartet. Inzwischen waren zwei Jahre vergangen und sie beiden waren immer noch die einzigen Antosianer auf der Akademie. Vor allem Larla machte es schwer zu schaffen, dass Antos weit entfernt war und daher Besuche auf der Heimatwelt äußerst selten waren. Wann immer es Feste oder Traditionen gab, Larla und Jozarnay mussten sie gemeinsam begehen. Auch wenn sich der junge Mann freute, so viel Zeit mit seiner heimlichen Liebe verbringen zu können, so bereitete es ihm geradezu körperliche Schmerzen wenn er sah, wie Larla litt. In den letzten Wochen waren sie beide sehr oft durch die Parkanlagen der Akademie spaziert und hatten viele Erinnerungen über zuhause ausgetauscht. Eigentlich war dies ein Fehler, verstärkte es doch nur die Sehnsucht, aber es fiel ihnen kein besserer Weg diese Sehnsucht zu stillen. Heute war wieder einer dieser Tage, an denen es Larla äußerst schlecht ging. Woil hatte sie nicht in ihrem gemeinsamen Quartier vorgefunden, als er am Abend aus der Stadt wiederkam. Es dauerte nicht lange, bis er seine Freundin fand: sie befand sich an einem besonderen Art, an dem man die überwältigende Bucht von San Francisco beobachten konnte. Die Lichter der Sterne und des Mondes spiegelten sich auf der Oberfläche des Wassers wieder und das saftig grüne Gras raschelte leise, als er sich auf dem Weg zum Felsen machte, auf dem Larla saß. Wortlos setzte er sich neben sie und erkannte trotz der Dunkelheit, dass seine Freundin geweint hatte. Dies tat sie immer öfters in letzter Zeit, was ihn beunruhigte. Bisher hatte sich der Heimweh nicht auf die Akademieergebnisse ausgewirkt, doch nichtsdestotrotz bestand diese Gefahr. Genau wie er selbst war Larla eine ausgezeichnete Kadettin, die meistens nur Lob von den Lehrern erhielt. Ein Grund mehr wieso Jozarnay sich verpflichtet fühlte seiner ältesten Freundin zu helfen. Denn wenn nicht bald etwas geschähe könnte sie ihre ganze Karriere hinschmeißen und so weit wollte er es nicht kommen lassen.
    Nun blickte er sie an und sie erwiderte diesen Blick. Seine Vermutung wurde bestätigt, in der Tat hatte sie noch Tränen in den Augen.
    „Hallo“, sagte er und lächelte sanft.
    „Hi“, erwiderte sie verstockt und blickte wieder auf die sanften Wellenbewegungen der Bucht.
    In diesem Augenblick verstand Jozarnay, wieso sie hier war. Diese große Bucht, das sanfte Wasser erinnerten sie an zu Hause, an die unzähligen Male als sie beiden auf dem Steg saßen und über alle möglichen Sachen sprachen. Es war eine friedliche, unbeschwerte Zeit gewesen. Obwohl sie beide erst 17 waren hatte Jozarnay das Gefühl, dass diese Momente Jahrzehnte her waren. Damals waren sie noch Kinder gewesen, heute Erwachsene. Auch dies machte ihnen zu schaffen. Aufgrund der einzigartigen körperlichen Entwicklung der Antosianer waren sie beide die mit Abstand jüngsten Kadetten. Mit ihrem Eintrittsalter von 15 Jahren hatten sie einen antosianischen Rekord gebrochen, denn ihr Vorgänger hatte sich damals eine Auszeit von einem Jahr gegönnt und war mit 16 Kadett geworden.
    Man hatte es nicht leicht auf der Erde, doch was war schon leicht?
    All diese Gedanken schossen Jozarnay innerhalb von Bruchteilen in den Kopf. Fast schien es so als wäre dies sein persönlicher Moment der Erkenntnis. Mit einem Mal war ihm klar, wieso Larla während ihrer Spaziergänge immer wieder gerne hierhin gekommen war und wieso er sich auf einmal so alt fühlte. In ihm erwachte ein Beschützerinstinkt und gleichzeitig eine Gewissheit, wie er sie noch nie erlebt hatte. Es schien fast ein Geschenk Gottes zu sein. Jetzt, in diesem Moment des größten Schmerzes von Larla, wurde ihm bewusst, dass sie es schaffen würden. Dass sie beide diese harte Zeit hinter sich bringen und gestärkt aus ihr hervorgehen würden, was sie zu ausgezeichneten Offizieren machte. Und abermals setzte dieses innere Brennen ein, dieses Verlangen danach geliebt zu werden, ganz speziell von ihr. Er wünschte sich sie zu berühren, sie in seiner Nähe zu spüren, nicht als Freundin sondern als Gefährtin...
    Im Anschluss an diese Gedanken verflog die Erkenntnis und auch in ihm setzte Trauer ein. Nicht wegen seiner Heimat oder seinen Eltern, die Lichtjahre entfernt waren, sondern wegen einer Person seiner Art, die einen halben Meter von ihm entfernt saß. Was spielte das Universum ihm für Streiche? Auf der einen Seite Gewissheit, dass er es schaffen würde und gleichzeitig Unwissenheit über seine zukünftige Beziehung zu ihr.
    Dann schloss er wie so oft seinen inneren Frieden und redete sich ein, dass solche Überlegungen nichts bringen würden.
    „Eine schöne Nacht“, flüsterte Jozarnay Woil und spürte zu seiner Überraschung wie eine einzelne Träne seine Wange herunter lief, genährt von der Sehnsucht die in seinem Körper brodelte. Diesen Abend kämpfte er nicht gegen sie an, lies sie stattdessen über sein Gesicht laufen. Das salzige Wasser ran über die Oberfläche seiner Haut, bahnte sich scheinbar mühelos den Weg, seinem Ziel unbeirrt entgegen.
    Es war in jenem Moment, als Jozarnay etwas fühlte, was er niemals zu hoffen gewagt hatte. Eine Hand berührte die seine, drückte sie zärtlich. Ungläubig, so als ob er sich in einem Traum befände, drehte er seinen Kopf in die Richtung Larlas. Diese schaute weiterhin auf die Bucht hinaus und neuerliche Tränen rannen auch über ihre Wangen, während sie mit der linken Hand ihn drückte. Normalerweise hatte sie diese Geste schon oft unternommen, doch heute, an diesem speziellen Abend, fühlte es sich anders an.
    Abermals trat der Moment der Erkenntnis ein, der eben noch auf so magische Art und Weise verschwunden war, und öffnete Jozarnay eine Tür, die er nie zu durchreiten gehofft haben mochte. Auf einmal wusste er, dass Larla ihn liebte und ihn ebenso sehr brauchte wie er sie. Ihm war nicht klar, ob sie diese Empfindungen schon länger für ihn hegte oder erst seit wenigen Sekunden, was zählte war nur dass sie diese Empfindungen hatte. Jozarnay dankte Gott stumm für seine Güte und schwieg dann.
    So verbrachten Jozarnay und Larla mehrere Stunden: nebeneinander sitzend, sich durch einen Händedruck gegenseitig Trost spendend und in dem Bewusstsein, dass etwas Wunderbares begann.


    Niemals in seinem Leben hatte er sich mehr geschämt. Er saß da, auf dem kargen metallenen Stuhl und bedeckte mit seinen Händen seine Blöße. Den Blick hatte Jozarnay, obwohl er dies eigentlich nicht wollte, gen Boden gerichtet. Um ihn herum standen der Oberst und seine beiden Gehilfen. Woil war sich sicher, dass an der rückwärtigen Wand sich Kas befand, doch er blickte sich nicht um. Was für eine Demütigung für ihn. Vor fremden Männern war er zwangsweise entkleidet und ihn so schon unabsichtlich der schlimmsten psychischen Folter ausgesetzt, die man sich vorstellen konnte. Chief Woil fühlte sich in seinem Persönlichkeitsrechten verletzt, seiner Würde beraubt.
    Und doch plante er zu schweigen. Was hätte ihm auch ein Geständnis gebracht? Ganz sicher nicht die Freiheit, welche ihm Oberst Rul schmackhaft gemacht hatte. Nein, viel wahrscheinlicher war, dass er hier in dieser dunklen Zelle starb oder den Rest seines Lebens auf dem Planeten verbringen musste. Nachdem er seiner Würde beraubt worden war konnte sich Jozarnay nur noch an einem festhalten und dies waren die Ideale der Föderation.
    „Welchen Zweck verfolgte ihr Testflug mit dem unbekannten Flugobjekt, Mr. Woil?“ fragte Oberst Rul mit ruhiger, sachlicher Stimme und wartete auf eine Antwort. Erwartungsgemäß bekam er keine und quittierte dies mit einem Nicken zu einem seiner Untergebenen. Einer der beiden Männer verstand sofort und schlug Woil mit der blanken Faust ins Gesicht. Sofort spürte der Antosianer wie seine Nase brach und für Millisekunden wurde ihm wieder schwarz vor Augen. Erst dann setzte der Schmerz mit voller Wucht ein. Blut lief über sein Gesicht und tropfte auf seine blanke Brust. Grimmig kniff der Chief die gelben Augen zusammen und versuchte Oberst Rul zu fixieren, was nur schwerlich gelang, denn sein Sichtfeld war durch Blut getrübt.
    „Ich möchte sie noch einmal fragen, welchem Zweck diente ihr Flug? Sollten sie die Avionik testen, die Steiggeschwindigkeit oder möglicherweise gar die Waffensysteme?“
    Wieder wartete Rul einige Sekunden, ob sich Woils Lippen bewegen und so eine Antwort formulieren würden. Doch abermals geschah nichts. Der Humaner nickte dem anderen Soldaten zu, der mit voller Kraft Woil in die Nierengegend schlug. Tumber Schmerz brannte in Woil auf und er verzog das Gesicht, biss sich dabei auf die Zunge um einen Schrei zu unterdrücken. Bei allem was hier auch noch geschehen sollte hatte sich Jozarnay vorgenommen seinen Peinigern nicht die Genugtuung eines Schreies zu liefern. Ob er dieses Ziel schaffen konnte wusste er nicht. Er konnte es nur hoffen.
    Rul begann wieder in der Zelle auf und ab zu wandern. Aus seinen entsetzt dreinblickenden Augen musterte Che Kas die Szene und verstand die Welt nicht mehr. Eben war hier schreckliches geschehen und doch ließ sich der Oberst nicht aus der Ruhe bringen. Was war mit diesem Mann nur los? Merkte er nicht, dass Woil keine Antworten hatte? Oder machte es ihm einfach nur Spaß eine andere Person leiden zu sehen? Was geschah hier nur? Natürlich hätte Kas gerne die Sache aufgehalten, doch was hätte er schon tun können? Sollte er Protest einlegen und möglicherweise als nächstes auf diesem Stuhl sitzen? Soviel Courage besaß der Gefreite doch wieder nicht.
    „Lassen sie mich das Thema etwas anders angehen, “ fuhr Rul fort, „sie brauchen uns nichts über ihr Gefährt zu verraten, Mr. Woil. Ich bin sehr zuversichtlich, dass unsere Techniker uns schon bald all die Antworten liefern werden, die wir brauchen. Ich würde ganz gerne einen anderen Aspekt dieses Rätsels ansprechen und zwar sie. Ihre Physiologie scheint, betrachten wir die Röntgenbilder, recht einzigartig zu sein. Wie kommt dies?“
    Wie durch einen Schleier nahm Woil diese Frage wahr. Sein Verstand, betäubt durch den Schmerz, raste. Antworten oder nichts sagen? Lügen oder schweigen? Machte dies überhaupt einen Unterschied?
    „Ich wurde mit genetischen... Defekten geboren, “ stammelte Woil schwach.
    „Oh, das haben sie schon einmal gesagt und wir glauben ihnen das nicht. Leute mit ihren Eigenschafen sind noch nie zuvor vorgekommen. Ich glaube wir haben es bei ihnen mit einem anderen Phänomen zu tun.“
    Wieder sammelte Jozarnay all seine Kraft zusammen und blickte den Oberst an. Seine blutigen Lippen verschmierten sich sogar zu einem gezwungen Lächeln.
    Komm schon, erzähl mir von deinem Unsinn. Sag, dass ich ein genetisch manipulierter Soldat bin, deine Mutter oder Aschenputtel, sag irgendwas, du liegst eh falsch. Du machst mir keine Angst...
    Als Reaktion auf das aus Ruls Sicht respektlose Grinsen kassierte der Antosianer einen weiteren Schlag ein, der diesmal besonders schmerzhaft war, traf er doch seinen Intimbereich. Dann fuhr Oberst Rul fort, als sei nichts geschehen:
    „Es ist lange her, dass dieser Fall aufgetaucht ist, aber ich erinnere mich noch dunkel daran. Sie sind einer jener genetisch aufgewerteten Supersoldaten der Allianz. Ja, wir waren wirklich lange, sehr lange auf der Suche nach einem wie ihnen. Höchst erfreulich, dass wir sie nun gefunden haben. Bitte klären sie mich über ihre körperlichen Verbesserungen auf.“
    Das Schweigen brachte ihm wieder einen Schlag ein, der mehrere Rippen brach.
    „Mr. Woil, ich hätte gerne eine Antwort.“
    Der folgende Fußtritt ließ ihn nach Luft schnappen.
    „Machen sie es sich doch nicht so schwer. Erleichtern sie ihr Gewissen. Leisten sie Abbitte für all die Humaner, die durch sie getötet worden sind.“
    Die Worte drangen in Jozarnays Geist ein, ohne dass er sie recht verstand. Schon längst hatte der überwältigende Schmerz seine Denkprozesse beeinträchtigt. Was verlangte man hier von ihm? Würde er hier sterben? Was war, wenn er hier starb, allein und ohne seine Freunde? Seine Familie würde dann nicht hier sein und... vielleicht wäre es aber gut zu gehen und Larla endlich wieder zu sehen. Ob sie im Jenseits auf ihn wartete? Ja, das tat sie ganz sicher, oder etwa nicht?
    Wieder rauschte eine Faust heran, doch ihre Bewegung wurde durch einen energischen Ruf unterbrochen:
    „Halt!“
    Rul drehte sich entgeistert um.
    „Wie bitte?“
    Endlich trat Che Kas, der all seinen Mut zusammengenommen hatte, nach vorne. Sein Gesicht war zornesrot.
    „Sie müssen aufhören, Herr Oberst. Sie töten ihn ja noch! Was ist wohl ein toter Gefangener wert? Gar nichts!“
    „Belehren sie mich nicht, Gefreiter Kas! Ich weiß, was ich hier tue.“
    „Gönnen sie ihm doch eine kleine Pause, “ stammelte Che und versuchte so etwas Zeit zu gewinnen, „damit er sich ihr Angebot durch den Kopf gehen lassen kann.“
    Rul blickte ihn mit diesem seltsam kalten Blick an, der ihn innerlich erstarren ließ. Dann machte der Oberst auf dem Absatz Kehrt und wollte die Zelle verlassen. Che dachte schon, er hätte etwas erreicht, da drehte sich Rul zu seinen Untergebenen um.
    „Die übliche Prozedur. Bis er redet.“
    Die Soldaten nickten und schickten Che Kas nach draußen. Nun waren sie wirklich mit Woil allein.
    Wortlos begannen sie die Fesseln zu lösen und Jozarnay vom Stuhl zu heben. Dies alles nahm er nur noch wie durch einen Schleier war. Schmerzen jagten durch seinen Körper und grausamerweise wusste er, dass die wahre Pein noch nicht begonnen hatte. Unsanft hievten ihn die beiden Soldaten hoch, nackt wie er war. Der Antosianer blinzelte. Er wusste, dass dies seine einzige Chance war. Die Erfolgsaussichten tendierten gegen Null, doch er hatte die Pflicht es zu versuchen. Nicht nur der Föderation sondern auch sich selbst gegenüber. Er sammelte ein letztes Mal all seine Kräfte und rammte dem Soldaten neben ihm den Ellbogen ins Gesicht. Mit grimmiger Befriedigung hörte er ein Krachen und wirbelte an dem Opfer herum, griff sich die an der Seite steckende Pistole und richtete sie auf den zweiten Soldaten, der sich genau vor ihm befand. Auf dem Holodeck hatte Woil einige Male mit diesen altmodischen Waffen geschossen und konnte so einigermaßen den Rückstoß einschätzen. Fünf Kugeln lösten sich in rascher Folge aus der Waffe und durchschlugen den Körper des Soldaten, ließen ihn mit einem überraschten Keuchen zusammensacken. Chief Woil wollte dann herumwirbeln und sich wieder dem ersten Soldaten zuwenden, doch es war zu spät. Wieder entluden sich elektrische Signale in seinen Körper und Jozarnay ging zu Boden, verlor dabei die Waffe.
    Es war alles aus. Dies war seine einzige Chance gewesen und er hatte versagt. Nun konnte er nur noch für einen schnellen Tod beten.

    Für diesen wundervollen Moment waren sie zurück nach Antos geflogen. Um dies zu ermöglichen hatten sie das Ereignis in die Zeit der Semesterferien gelegt und Jozarnay war darüber sehr glücklich. Es war leider keine religiöse Zeremonie, doch er hatte schweren Herzens Larlas Wunsch entsprochen und eine bürgerliche Hochzeit arrangiert. Nun standen sich Jozarnay und Larla mehrere hundert Meter entfernt im Standesamt gegenüber und schritten langsam, andächtig aufeinander zu. Rechts und links von ihm standen Freunde und Familienmitglieder des Paares, um Zeuge dieser Hochzeit zu werden. Der Tradition entsprechend setzte Jozarnay immer nur den linken Fuß nach vorne und bewegte sich auf seine Braut zu, die wiederum den rechten Fuß voransetzte. Schritt für Schritt näherten sich die Beiden, während der Standesbeamte die üblichen Worte verlas und von Glück, Liebe, Hoffnung für die Zukunft sprach. Woil konnte nicht anders als zu weinen. Nie in seinem Leben hatte er es für möglich gehalten diese Frau, die er schon so lange liebte, zu ehelichen. Sie befanden sich nun im 3. Jahr auf der Akademie, alles lief hervorragend und nun würde er bald eine Ehefrau haben. Konnte es größeres Glück auf diesem Planeten geben? Endlich standen sich die beiden gegenüber.
    „Sofern es euer Wunsch ist, so schließt nun den Bund der Ehe.“
    Beide holten ein Halstuch hervor und legten es dem jeweils anderen um. Larla lächelte ihn an. Dann klatschte das Publikum, denn die Ehe war nun rechtskräftig. Zum ersten Mal überhaupt küsste er sie. Er wünschte sich, dass dieser Moment nie enden sollte.


    „Sie haben ihre Kompetenzen bei weitem überschritten!“ brüllte Rul in einem immensen Lautstärke. Alle anderen Soldaten, die im Kontrollraum der Station arbeiteten, versuchten den Disput zwischen Rul und Kas zu überhören, als ob dies möglich gewesen wäre.
    „Ganz im Gegenteil, sie sind es, der über die Stränge geschlagen hat!“ fauchte Che Kas zurück. Im Moment spielte er gerade mit seinem Leben, doch wann war dem nicht so? Er war es leid nur daneben zustehen und zu zusehen, wie ein Mann fast zu Tode gefoltert wurde. Che hatte den Mut gehabt Nein zu sagen und darauf war er sehr stolz. Leider würde ihm dieser Stolz nicht helfen aus lebendig aus dem Streit mit Rul herauszukommen. Was war wenn der Oberst einfach seine Waffe zog und ihn erschoss? Immerhin war dies die adäquate Strafe für Befehlsverweigerung in Kriegszeiten.
    „Was nehmen sie sich eigentlich heraus einem ihnen vorgesetzten Offizier zu widersprechen? Ich werde sie dafür persönlich zur Verantwortung ziehen, “ brüllte Oberst Rul und seine Augen funkelten dämonisch, so dass es Cherollo Kas kalt den Rücken runterlief. Doch nun hieß es keine Schwäche zu zeigen.
    „Und ich werde sie melden, Herr Oberst! Ihre Methoden stehen im direkten Widerspruch zu den Prinzipien der Allianz, für die wir angeblich kämpfen. Ihre Handlungsweisen sind kriminell und müssen geächtet werden.“
    „Mein Junge, glauben sie etwa, dass man nicht weiß was ich hier mache? WACHEN SIE AUF! Genau aus diesem Grund hat man mich hierher geschickt.“
    „Sie sind eine Schande für die Allianz...“
    Die Worte waren ausgesprochen worden, ohne dass Kas es so recht hätte verhindern können. Nur ein einziges Mal in seinem Leben hatte er gesprochen, ohne vorher über seine Worte nachgedacht zu haben und dieses eine Mal könnte ihm nun zum Verhängnis werden. Rul und er blickten sich starr in die Augen, Hass funkelte in ihnen. Aus den Augenwinkeln konnte der Gefreite sehen, wie Oberleutnant Gof hilflos in der Zentrale stand und nicht wusste was er tun sollte. Die Sekunden schienen sich zu Minuten zu ziehen, dann griff Rul blitzschnell zu seinem Holster und holte seine Pistole hervor, drückte sie gegen die Stirn von Che. Dieser wusste, dass sein Zug abgefahren war wie man so schön sagte. Ein letztes Mal machte er seinen Frieden mit sich und erwartete den Schuss, der seine Existenz auslöschen sollte. Welch Ironie. Sein ganzes Leben lang war er den Kugeln dieses Krieges ausgewichen und nun wurde er ausgerechnet durch einen seiner eigenen Leute umgebracht. Das Leben war schon sonderbar.
    „Herr Oberleutnant, wir haben auf einmal den Kontakt zur Heimatwelt verloren“, meldete auf einmal eine Radiotechnikerin. Schlagartig verlagerte sich der Fokus von dem Streit hin zu der neuen Nachricht. So als wäre nichts gewesen steckte Rul seine Waffe wieder weg und widmete sich der neuen Situation, ignorierte Kas völlig. Erst jetzt bemerkte Cherollo den Schweiß, der ihm von der Stirn tropfte. Er hatte einen abermaligen Aufschub bekommen. Vielleicht sollte er also zu einer anderen Zeit sterben.
    Gof und Rul stellten sich gemeinsam hinter die Radiotechnikerin und betrachteten ihre Konsole, die ihre Aussage bestätigte.
    „Es stimmt, “ murmelte Gof scheinbar mehr zu sich selbst denn zu dem Oberst, „vor 40 Sekunden haben alle Übertragungen von Humana Prime geendet.“
    „Bestätigen dies unsere Kriegsschiffe und andere Außenstationen?“ fragte Oberst Rul professionell nach.
    Die Technikerin drückte einige Knöpfe und gab einige Anfragen durch, bis sie schließlich antwortete:
    „Der Ausfall wird bestätig, Herr Oberst. Niemand hat mehr Kontakt zum Oberkommando oder zu Humana Prime generell.“
    „Sie müssen einen neuen Störsender einsetzen“, vermutete Rul.
    Doch Oberleutnant Demmie Gof hatte eine viel schlimmere Vorahnung. Seine Kehle wirkte auf einmal schrecklich trocken als er meinte:
    „Oberst Rul, vielleicht hat es auch stattdessen stattgefunden.“
    Rul musterte den jungen Offizier einen kurzen Moment und erkannte dann schließlich auch, dass jene Möglichkeit, so schrecklich sie auch war, durchaus im Bereich des Möglichen war.
    „Haben wir irgendwelche Nachrichten bekommen, kurz bevor die Sendungen aufhörten?“
    „Nein, gar nichts.“
    Zum ersten Mal zeigte sich nun tiefe Besorgnis in den Augen des Oberst. An eine solche Möglichkeit hatte er bisher in seinem Leben nie gedacht und nun könnte es tatsächlich passiert sein. Mit dunkler Stimme sagte er:
    „Dann wissen wir nicht wer den Erstschlag durchgeführt haben könnte.“
    „Nein“, entgegnete Gof und verstand das Problem. „Könnte die Koalition einen Angriff vorbereiten?“
    „Dies ist wahrscheinlich... lassen sie die Raketen auftanken und illuminieren sie die Ziele. Wir sollten uns bereithalten.“
    „Was ist wenn es alles nur ein Systemausfall ist?“ warf Che Kas plötzlich ein. „Was, wenn die Koalition die selben Probleme hat wie wir und aufgrund unserer Startvorbereitung ebenfalls reagiert?“
    „Ich denke sie haben schon genug gesagt“, herrschte Rul ihn an und verließ die Zentrale. Es wurde ernst.

    Auch wenn Woil es nicht für möglich gehalten hatte, die Situation hatte sich verschlimmert. Zuvor hatte man ihn nur kühl gefoltert, um Informationen aus ihm herauszubekommen. Sie hatten ihn nicht als Individuum gesehen, sondern als eine weitere Zahl in ihrer schier endlosen Liste der Leidenden. Doch nach dem gescheiterten Fluchtversuch des Chiefs war alles anders. Nun hasste ihn sein Peiniger abgrundtief für das, was der Antosianer gemacht hatte. Welle um Welle neuer Stromstöße rasten durch seinen Körper, setzten seine Neuronen in Brand und veranlassten ihn zu Schreien, die durch ein Holzstück gestoppt wurden, welches zwischen seinen Zähnen steckte. Seine Hände hatte man zusammengebunden und über seinem Kopf festgebunden, so dass Jozarnay wie ein Stück Fleisch in einer Metzgerei von der Decke baumelte. Ohne diese „Hilfe“ hätte er sich auch weiß Gott nicht mehr auf eigenen Beinen halten können.
    „Du Schwein! Du hast meinen Freund umgebracht!“ brüllte sein Folterknecht unentwegt, „ich werde dich leiden lassen!“
    Mit jeder neuen Gemeinheit, die er am Körper des Gefangenen ausprobierte, wuchs seine rasende Wut nur noch mehr. Inzwischen ging es nicht mehr um Informationen, sondern nur noch um Rache. Schon längst hatte der Chief das Zeitgefühl verloren. Er wünschte sich den seligen Frieden der Traumwelt zurück, in der er keinen Schmerz mehr verspürte, doch sein Peiniger hatte diese Fluchttür mittels Stimulanzien, die seinen Körper aufputschten, geschlossen. Nun blieb ihm nur die kalte, grausame Wirklichkeit. Der Elektroschocker wurde weggelegt und ein neues Instrument tauchte in Woils Sichtfeld auf. Mit einem höhnischen Grinsen präsentierte der Folterer ihm ein altmodisches Skalpell.
    Das wird doch weh tun, schoss es durch Woils betäubten Kopf, dann spürte er schon das kalte Metall, wie es durch seine Brust schnitt. Sein Körper erzitterte unter dem Schmerz und wäre nicht das Holzstück in seinem Mund gewesen, Woil hätte seine Zunge durchgebissen. Nie in seinem gesamten Leben hatte er größeren Schmerz verspürt. Er sehnte sich nach Erlösung, doch immer noch leistete er Widerstand, weigerte sich die Oberste Direktive zu verletzen.
    Du hast verloren, Jozarnay, flüsterte eine unangenehme Stimme in seinem Hinterkopf, gib es auf. Das hat doch alles keinen Sinn mehr. Sag ihnen einfach was sie hören wollen und dann wird dies alles vorbei sein. Du musst auch an dein Wohl denken.
    „Sag endlich, was ich wissen will!“ schrie der Soldat wie als ob er Woils Gedanken lesen konnte und führte einen weiteren kleinen Schnitt in der Brust Woils durch.
    Und der Chief kämpfte mit sich. So lange schon hatte er durchgehalten. Er konnte jetzt nicht aufgeben. Sie würden ihn sicherlich ohnehin töten, also durfte er ihnen nur so wenig Informationen wie möglich geben. Auch wenn diese penetrante Stimme in seinem Hinterkopf ihm befahl sein Schweigen zu brechen, so blieb Jozarnay stumm. Stumm natürlich nur im übertragenen Sinne, denn seine unterdrückten Schreie hallten durch den gesamten Raum.
    „AHHH!“ schrie der Peiniger, als ihm klar wurde, dass er immer noch nichts erreicht hatte. Sein Geduldsfaden riss. Seit unzähligen Stunden „verhörte“ er nun diesen Gefangenen und immer noch waren sie keinen Schritt weiter als zuvor. Was war mit seinem exzellenten Ruf? Was war mit seinem Freund, der von dieser Ratte getötet wurde? Er zog eine Pistole und schoss in Woils Bein. Der Schuss hallte im Raum lange nach und das Klimpern der auf dem Boden aufkommenden Patronenhülse stand in einem seltsamen Kontrast zur anschließenden Stille. Woils Augen weiteten sich, als der neuerliche Schmerz sein Sinneszentrum erreichte.
    „Sprich endlich!“
    Herr im Himmel, wache über mich und meine Familie...
    Ein neuer Schuss peitschte durch den Raum, durchschlug Woils Schulter und hinterließ eine klaffende Wunde.
    Gib mir die Kraft allen Versuchungen zu widerstehen...
    Neuerlich kam rasender Zorn in dem Soldaten auf und er holte wie zu Beginn den Elektroschocker hervor, drückte ihn gegen Woils Brust und drückte den Auslöser durch. Unzählige Voltladungen jagten in Woils Körper, der sich unter Krämpfen schüttelte.
    Du bist der Anfang und das Ende...
    Und dann sackte Jozarnay zusammen. Mit geschlossenen Augen baumelte er wie ein lebloses Stück Fleisch von der Decke. Sein Foltermeister bemerkte diesen neuen Zustand erst nach einigen Sekunden und drückte seine Wimpern hoch, erkannte jedoch keine Reaktion in den gelben Augen des Antosianers.
    Auf einmal zeigte sich Furcht in den Augen des Soldaten und er holte den Gefangenen von der Decke, legte den schlaffen Körper auf den Boden. Keine Atemgeräusche! Was hatte er nur getan? Man würde ihn an seiner Stelle umbringen, wenn er einen wertvollen Gefangenen getötet hatte. Sofort begann er mit einer Herzmassage, zumindest setzte er seine Hände dort an, wo bei Humanern zumeist das Herz war. Selbstverständlich schlugen diese Bemühungen fehl.
    „Epi!“ brüllte der Soldat, „ich brauche sofort Epi und einen Arzt!“
    Doch statt der erhofften Spritzen kam nun ein ganz anderes Problem auf sie alle zu: Alarmsirenen ertönten in der gesamten Station! Nur kurz blickte der Soldat zu den roten Warnleuchten und erlebte seine nächste Überraschung, als er danach den Gefangenen musterte. Dieser war auf einmal in eine blaue Lichtsäule gehüllt, seine Konturen begannen zu verschwinden und eh er überhaupt begriffen hatte was geschah, war der Gefangenen weg. Vor seinen Augen verschwunden.

    „Bericht!“ forderten Gof und Rul, die beide in die Kommandozentrale geeilt waren. Schutzluken schlossen sich und Soldaten eilten auf ihre Posten.
    „Multiple Raketenstarts der Koalition. Ich zähle 7 Flugkörper, die von unserer gegenüberliegenden Koalitionsstation abgefeuert wurden. Unsere Nachbarstützpunkte haben unabhängig voneinander mit Vergeltungsschlägen begonnen.“
    Die beiden Offiziere blickten sich an. Nun war also das Unvorstellbare eingetreten: das Ende ihrer Zivilisation stand kurz bevor.
    „Zeit bis zum Einschlag?“ fragte Leutnant Gof.
    „4 Minuten 23 Sekunden.“
    „Schicken sie unsere Vögel ebenfalls los. Und feuern sie Abfangraketen ab, sobald dies möglich ist.“
    Der Boden unter der Überwachungsstation 14 erzitterte als zwei der gewaltigen Fusionsraketen aus den Silos abgeschossen wurden und sich auf den Weg machten um einen nuklearen Vergeltungsschlag auszuführen, der die Koalitionskräfte vollständig zerstören würde. Keine der beiden Seiten würde es schaffen alle Raketen abzuschießen. Nachdem die beiden Flugkörper gestartet waren herrschte Stille in der Zentrale. Jeder einzelne von ihnen wusste, dass es zu Ende ging. Natürlich hatte jeder von ihnen damit gerechnet möglicherweise nicht lebendig nach Hause zurückzukehren, doch nun würde es gar kein Zuhause mehr geben. Würden einige Humaner überleben oder würde sich ihre gesamte Spezies in diesem Moment gegenseitig ausrotten. Wie würde die Welt hinterher aussehen? Doch vielleicht, so dachte Demmie Gof stumm, war es besser so. Der Krieg, er ging schon viel zu lange. Wussten sie überhaupt noch weswegen sie kämpften? Zweihundert Jahre des Tötens, Vernichtens und der Angst. In wenigen Sekunden würde alles vorbei sein. Für immer.
    „Abfangraketen werden gestartet!“
    Kleinere Marschflugkörper schossen los, versuchten die anfliegenden Sprengköpfe zu zerstören, was ihnen jedoch nicht gelang. Das letzte was sie sahen, war ein gewaltiger Blitz und dann nichts mehr...

    Die Schiffsgeräusche zu hören war beruhigend. Für einen Ingenieur konnte es einfach nichts Schöneres geben als in der Koje zu liegen und all die kleinen Hintergrundgeräusche wahrzunehmen. Noch fiel es Woil schwer sich völlig schmerzfrei zu bewegen, doch in einigen Tagen war er wieder voll einsatzfähig. Bis dahin schob er nur halbe Schichten. Sein Türsummer klingelte.
    „Herein!“
    Captain Lewinski betrat sein Quartier und lächelte ihm aufmunternd zu.
    „Ich wollte mich nur noch einmal erkundigen, ob alles mit ihnen in Ordnung ist, Chief.“
    Langsam nickte Jozarnay und dankte Gott still noch einmal dafür, dass die Monitor im letzten Moment erschienen und ihn auf die Krankenstation gebeamt hatte. Wenige Sekunden später und es wäre wahrscheinlich zu spät gewesen.
    „Sie hatten verdammtes Glück, dass wir doch noch den Ursprungsort ihres Rettungssignals haben bestimmen können“, meinte Lewinski und atmete tief durch. „Es war verdammt schwierig.“
    „Und ich danke ihnen für ihre Anstrengung, Captain. Ich hatte eigentlich schon die Hoffnung aufgegeben... was ist mit den Humanern?“
    Nun verdüsterte sich die Miene des Captains und er sagte leise:
    „Soweit wir das sehen hat es einen atomaren Schlagabtausch im gesamten Humana-System gegeben. Möglicherweise gibt es einige Überlebende, doch der nukleare Winter... wir können mit dem Untergang ihrer Kultur rechnen.“
    Eine tiefe Trauer zeichnete sich nun in Woil ab. Eine gesamte Rasse zerstört, ohne dass sie je das letzte Geheimnis erfahren hatten, dass sie nicht allein im Universum waren. Welch schreckliches Ende. Und in Anbetracht des momentanen Krieges zwischen Romulanern und Talarianern erschien es ihm fast wie eine dunkle Vorahnung. Würden sich diese beiden Völker auch gegenseitig auslöschen?
    „Schade. Ich hätte gerne mehr über diese Leute erfahren.“
    „Da könnte ich was für sie haben“, erklärte Lewinski und reichte ihm ein Padd. „Ich habe mich etwas schlau gemacht. Es hat zwar ziemlich lange gedauert, doch letztendlich habe ich hier was. Sie können es sich bei Gelegenheit mal ansehen.“
    Woil dankte dem Captain und bat dann um etwas Ruhe, so dass er sich dem Padd widmen konnte. Auf ihm war ein Bericht aufgezeichnet, der schon sehr alt war:

    Logbuch des Captains
    Captain Jonathan Archer, NX-01

    Gerade rechtzeitig hat uns die Enterprise vor der Hinrichtung durch eine Präwarp-Spezies retten können. Wir haben nicht allzu viel über diese Zivilisation erfahren können, doch es handelt sich um eine Spezies, die sich ungefähr auf dem Stande der 1940er befindet. Auf dem Planeten scheint ein Kalter Krieg abzulaufen. Zwei Gruppen, die Allianz und die Koalition, scheinen kurz vor einem Krieg zu stehen. Ich befürchte dass unser unfreiwilliges Einmischen in die internen Angelegenheiten die Situation verschlimmern wird. Die Allianz scheint uns für genetisch aufgewertete Soldaten zu halten und unsere Tarntechnologie sowie die Phasenkanonen könnten für sie wie Geheimtechnologie des Feindes aussehen. Ich schlage eine weitere Beobachtung vor...


    Nun verstand Woil. Oder auch nicht. Diese Sache muss wohl irgendwann einmal unter den Tisch gefallen sein, nur so war es zu erklären, dass niemand von den Humanern wusste. War es tatsächlich möglich, dass das Einmischen eines menschlichen Captains vor über 200 Jahren einen furchtbaren Krieg und schließlich das Ende einer Zivilisation ausgelöst hat? Immerhin gab es damals keine Oberste Direktive, die eine Einmischung hätte verhindern können. Abermals erklomm Trauer in ihm. Um sich selbst, um die Humaner... und um Larla. All diese Momente noch einmal zu erleben war so schmerzhaft gewesen. Wieso hatte er sie nur verlieren müssen? Der Schmerz in seinem Herzen war so groß, so unheilbar.
    Mit fast schon mechanischen Schritten erhob sich Woil und öffnete ein Fach unter seiner Koje. Dort holte er einen Injektor hervor, den er lange betrachtete. Diesen hatte er sich damals als warnendes Beispiel aufbewahrt, als Zeichen was er alles erreicht hatte. Und nun? War dies alles nicht egal? Immerhin hatte er die schrecklichsten Dinge erlebt, die man nicht einmal zu Träumen wagte. Stand ihm nicht etwas Trost und Erholung zu? Konnte einmal schaden?
    Nein, fand Woil und legte den Injektor an seinen Hals, betätigte den Auslöser und fühlte wie das Ketracel-White in seinen Körper strömte. Fast sofort fühlte er sich freier und leichter. Wenigstens nur für einen kurzen Moment. Mehr verlangte er auch nicht.

    - Ende -


    ...und die Reise geht weiter - am Samstag, dem 27.03.2004
    Ältere Episoden findet ihr in unserem Episodearchiv...

    SEHNSUCHT NACH FRIEDEN
    based upon "STAR TREK" created by GENE RODDENBERRY
    produced for TREKNews NETWORK
    created by NADIR ATTAR
    executive producer NADIR ATTAR
    producer SEBASTIAN OSTSIEKER lektor OLIVER DÖRING
    staff writers CHRISTIAN GAUS & THOMAS RAKEBRAND
    written by NADIR ATTAR
    TM & Copyright © 2004 by TREKNews Network. All Rights Reserved.
    "STAR TREK" is a registered trademark and related marks are trademarks of PARAMOUNT PICTURES
    This is a FanFiction-Story for fans. We do not get money for our work!
    Episode #502

    Quelle: treknews.de
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