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In unserer hedonistischen Gesellschaft neigen wir dazu einzelne Individuen nur anhand ihres Aussehens zu definieren. Der eine hat schönes Haar, die andere einen wohlgeformten Körper und der dritte schöne Augen. Doch ist es nicht ebenso wichtig, wenn nicht gar wichtiger, den Anderen anhand seiner charakterlichen Werte zu definieren? Ist es nicht viel eher das, was eine Person ausmacht: seine Ethik, seine Träume, Hoffnungen und Ziele?
- Heras Krùl
betazoidischer Philosoph
Auszug aus „Reflexionen des Lebens“
Das einzig stabile Wurmloch im Quadranten öffnete seinen gewaltigen blauen Schlund und schien eine Einladung aussprechen zu wollen: „nur zu, nutzt diese Passage auf die andere Seite dieses Universum“. Energieblitze zuckten aus der Öffnung hervor und ermöglichten eine Ahnung was für eine pure Kraft hinter dem ganzen Phänomen steckte. Das alles beobachtete Captain John Lewinski auf dem Wandschirm der Brücke. Um ich herum hatte die Kommandocrew der Monitor ebenfalls ihre Blicke auf das Wurmloch gerichtet. Natürlich auch aus dem Grund, weil es sich einfach um ein unglaubliches Ereignis handelte es zu passieren, doch auch deswegen, weil man sich an die Ereignisse des letzten Aufenthalts im Gamma-Quadranten erinnerte. Vor fünf Jahren war das Schiff dort gestrandet, gefangen in einem Bürgerkrieg zwischen verschiedenen Dominion-Fraktionen. Es hatte Dutzende von Toten an Bord gegeben und nur mit viel Mühen war es der Monitor gelungen zurückzukehren.
Captain Lewinski selbst hatte von diesen Ereignissen unfreiwillig Schaden genommen, sowohl physisch als auch psychisch. Mehrere Wochen hatte er in einer Nervenheilanstalt der Sternenflotte auf der Erde verbringen müssen, bis man ihn von seinen Selbstzweifeln und Vorwürfen befreit hatte.
Und nun, fünf Jahre später, sollten sie als erstes Schiff der Sternenflotte wieder in den Gamma-Quadranten einfliegen. Die elektronische Sperranlage, die das Wurmloch von der anderen Seite aus blockiert hatte, war entfernt worden und eine Passage nun wieder möglich.
Schließlich bemerkte der Captain, dass sich alle Augenpaare auf ihn gerichtet hatten. Die Crew brauchte nun seine sichere Führung und seinen unerschütterlichen Glauben an die Zukunft. Daher setzte John ein beruhigendes Lächeln auf und befahl:
„Bringen sie uns hinein, Commander Price!“
Das kleine Schiff der Defiant-Klasse, welches diesmal auf seine Tarnung verzichtete, flog durch das Wurmloch hindurch und nach der kurzen Passage befanden sie sich schließlich im Gamma-Quadranten. Gleich auf der anderen Seite erwartete sie ein kleiner Jem-Hadar Angriffsjäger. Noch vor fünf Jahren wäre dies ein Grund für Besorgnis gewesen, doch die Beziehungen zwischen den beiden Supermächten hatten sich zum Glück aller verändert.
„Sie rufen uns“, informierte Lieutenant Ardev von seiner Einsatzstation aus den Captain.
„Auf den Schirm.“
Ein Vorta erschien auf dem Bildschirm, Johns Eindruck nach schien er recht jung zu sein.
Der Unterhändler lächelte vertrauen erweckend und meinte:
„Im Namen des Dominion heiße ich sie im Gamma-Quadranten willkommen. Ich bitte sie sich unserem Schiff anzuschließen, wir werden sie zu dem Ort unserer Verhandlungen bringen. Seien sie unbesorgt, während ihres Aufenthalts garantieren wir für ihre Sicherheit.“
„Im Namen der Vereinigten Föderation der Planeten bedanke ich mich für die herzliche Einladung, “ entgegnete Captain Lewinski ebenso freundlich wie sein Gegenüber, „und wir fühlen uns geehrt durch ihr Angebot. Selbstverständlich werden wir uns ihnen anschließen.“
Gemeinsam drehten die beiden Schiffe bei und beschleunigten auf Warp. Nun war es nur noch eine Sache von Stunden, bis sie am Ziel ihrer Reise angelangten.
Sogleich nachdem er den Türsummer betätigt hatte wurde Commander Price in das Quartier hineingebeten. Scheinbar hatte der darin befindliche Gast nur auf seine Nachricht gewartet, anders war diese flotte Reaktion nicht zu erklären. Der erste Offizier des Schiffes betrat das spartanische Gästequartier von Dr. Dr. Arsani Parul, dem Spitzendiplomaten der Föderation. Der Betazoid war mit ihnen in den Gamma-Quadranten aufgebrochen, um neue Beziehungen mit dem Dominion aufzubauen. Persönlich hatte Price bisher nicht mit Parul zu tun gehabt, doch anhand seines Rufes stand für ihn außer Frage, dass der Botschafter dieser Aufgabe mehr als gewachsen war.
„Botschafter, wir werden in Kürze das Ziel unserer Reise erreichen“, unterrichtete ihn Matt höflich.
„Vielen Dank, Commander“, entgegnete der Gesandte ebenso höflich und erhob sich, wobei er seine elegante Kleidung in einer beiläufigen Geste glatt strich. Dabei war diese Bewegung alles andere als Zufall, sondern sorgsam abgestimmte Körpersprache, die er dazu einsetzte bei seinem Gegenüber ein Gefühl von Vertrauen und Sicherheit zu erwecken.
Auch Price bewunderte diesen Mann, doch wer tat dies nicht? Arsani Parul hatte schon so viele komplexe Verträge ausgearbeitet, dass er schon zu Lebzeiten eine politische Legende war. Wie würde erst die Nachwelt über ihn sprechen?
Der erste Offizier wollte sich schon daran machen zu gehen, als Parul sich räusperte.
„Mir ist da etwas aufgefallen, Commander“, meinte der Betazoid.
„Bitte nennen sie mich Matt, Botschafter. Dies tut jeder hier an Bord, “ entgegnete Price lächelnd.
„Aber nur wenn sie mich Arsani nennen. Dies tut auch jeder. Der Titel Botschafter ist ein wenig zu steif für diese Atmosphäre, finden sie nicht?“
„Ich bin da wohl der falsche Ansprechpartner... immerhin sehe ich so ziemlich alles locker.“
Amüsiert lachte Parul.
„Ja, dies habe ich schon gehört, Matt. Obwohl wir nun das erste Mal miteinander zu tun haben spüre ich dennoch eine gewisse Vertrautheit zwischen uns. Vielleicht liegt es an ihrem betazoidischen Erbe?“
„Gut möglich“, entgegnete Commander Price.
„Sind sie denn noch in der Lage mental zu kommunizieren?“ sandte ihm der Botschafter plötzlich eine telepathische Botschaft.
„Nur mit Betazoiden“, antwortete Matt daraufhin, „und auch nur dann, wenn der Gegenüber sehr ausgeprägte Fähigkeiten hat.“
„Oh, das ist schon mehr als ich erwartet habe. Dass sie in der Lage sind mir eine telepathische Antwort zu schicken ist bemerkenswert. Viele Halbbetazoiden vernachlässigen ihre Fähigkeiten, sie verkümmern und werden kaum genutzt.“
„Ich war vor einigen Monaten auf Betazed, um mich einer Fortbildung zu widmen“, antwortete Price mental, ohne auch nur eine einzige Silbe auszusprechen. „Auch wenn ich am Anfang skeptisch war, so hat es mir einiges gebracht... in mehrfacher Hinsicht.“
Bei Erwähnung des letzten Satzes flammte ein kurzes Bild von Marissa vor Price´ innerem Auge auf. Was sie wohl gerade machte?
„Ich hörte sie sind Vater geworden?“ fragte Parul, der keinerlei Anstalten machte zur verbalen Kommunikation zurückzukehren. Anscheinend genoss er es mit einem Artgenossen sich wieder auf diese Art und Weise zu unterhalten.
„Ja, eine kleine Tochter. Leider habe ich noch keine Gelegenheit bekommen sie zu besuchen. Vielleicht ergibt sich nach dieser Mission eine Besuchsmöglichkeit.“
„Ich selber habe zwei Kinder, die beide ungefähr in ihrem Alter sein müssten, vielleicht etwas jünger. Sie werden bemerken, dass es eine lohnenswerte Erfahrung ist Vater zu sein. Aber ich möchte sie nicht zu lange belästigen. Wie eingangs gesagt möchte sie etwas fragen.“
„Bitte?“
„Die Crew scheint seit kurzem unter großem emotionalen Stress zu stehen. Sehe ich dies richtig?“
„Das kommt nicht von ungefähr“, entgegnete der Commander und stieg nun wieder auf sprachliche Kommunikation um. Er wollte nicht „hinter dem Rücken“ der Crew darüber reden. „Die Crew strandete vor fünf Jahren im Gamma-Quadranten, ohne Möglichkeit auf Rückkehr. In jener Zeit waren sie massiven Angriffen ausgesetzt gewesen und gut die Hälfte der Besatzung ließ ihr Leben bei dem Versuch die Rückkehr zu gewährleisten. Captain Lewinski selbst musste in psychiatrische Behandlung, um diese Sache zu verdauen.“
„Dies klingt gar nicht gut“, kommentierte Parul mit ehrlicher Betroffenheit.
„Und nun fühlt sich die Crew an diese Zeit erinnert. Ich war damals noch nicht an Bord, doch mittels meiner empathischen Fähigkeiten spüre ich diese Verunsicherung bei allen. Es ist der erste Aufenthalt im Gamma-Quadranten seit jenen Ereignissen.“
„Verständlich.“
„Nun ja, es wird schon alles gut gehen“, schloss Price seine Erklärungen ab, „wir sollten uns jetzt auf dem Weg zum Transporterraum machen. Verhandlungen warten auf sie.“
Nach einem kurzen Flug war die Monitor zu einer gewaltigen Raumstation gebracht worden.
Dies war das erste Mal überhaupt, dass man eine solche Einrichtung des Dominion zu Gesicht bekam und dementsprechend beeindruckt war man von dem Bau. Ein kurzer Blick auf die Scanner bestätigte die Vermutungen: in dem riesigen Komplex arbeiteten über 10.000 Personen. Dezent wies Captain Lewinski seine Crew an so viele Daten wie möglich über diese Einrichtung zu sammeln, dabei jedoch auf Diskretion zu achten. Im Anschluss begab er sich in den Transporterraum, von dem sie auf die Station hinübertransferieren wollten. Dort wartete schon Dr. Parul auf sie. Neben ihm und dem Captain würde auch Lieutenant Bird hinüber beamen.
Früher, vor dem Krieg wäre man nur schwer bewaffnet von Bord gegangen, doch als neuerliches Zeichen des Vertrauens hatte Lieutenant Bird auf das Tragen einer Seitenwaffe verzichtet. Er konnte nur hoffen, dass sie sich nicht mit ihrem Vertrauen verschätzten.
Glücklich lächelte Arsani Parul dem Captain zu.
„Sind sie soweit, Mr. Lewinski? Bereit den ersten Schritt in einer neuen Art von Beziehung zwischen Föderation und Dominion zu tun?“
„Für den Frieden bin ich immer bereit“, entgegnete John Lewinski gutgelaunt. Seine Freude und Stolz waren ehrlich gemeint, denn ab heute würde wirklich ein neuerliches Kapitel zwischen den beiden Supermächten geschrieben werden. Die drei Personen begaben sich auf die Transporterplattformen und Lewinski nickte dem an den Kontrollen stehenden Fähnrich Bolder zu. Der junge Techniker bekam von der Station die erforderlichen Koordinaten übermittelt und beamte im Anschluss das Außenteam an Bord.
Sie materialisierten in einem langen Gang, wo sie von einer weiblichen Vorta und zwei Jem-Hadar empfangen wurden. Die Vorta verneigte sich, während die Jem-Hadar Krieger so neutral wie eh und je dreinblickten. Bemerkenswerterweise trugen sie nicht wie üblich ihre Gewehre, sondern nur Phaser. Offensichtlich wollten auch sie bei diesem Treffen nicht allzu aggressiv auftreten. Die Station schien, ging man von diesem Gang aus, in ruhigen Pastelltönen getaucht worden zu sein, hinzu kamen lila und grünliche Farben, die für das Dominion so charakteristisch waren. Der Bau war recht großzügig und erklärten so die Größe der Station. Der Gang war recht breit und hoch gebaut und scheinbar schien dies auch für die Diensträume zuzutreffen.
„Ich bin Captain Lewinski von der Vereinigten Föderation der Planeten, “ stellte sich der Kommandant der Vorta vor, „und dies sind meine Begleiter: Dr. Dr. Arsani Parul, Botschafter der Föderation und mein Sicherheitschef Lieutenant Danny Bird.“
Abermals verneigte sich die junge Vorta und entgegnete freundlich:
„Ich heiße sie im Namen der Gründe an Bord unserer bescheidenen Station willkommen, Captain. Bitte folgen sie mir, ich werde sie unverzüglich zum Gründer bringen.“
Höflich folgten sie der Vorta durch die langen Korridore der Station und bewunderten die Architektur. Die Station schien Jahrhunderte alt zu sein, wenn nicht sogar älter und dennoch war sie in bemerkenswertem Zustand. So etwas hatte es im Alpha-Quadranten nie gegeben.
Schließlich erreichten sie eine Tür, die zum großen Konferenzraum führte. Nach einigen einleitenden Worten öffnete sie die Tür und der Blick des Außenteams fiel auf die Personen in dem Raum. Die erste war eine in braune Leinengewänder gehüllter Wechselbalg, der ihnen nur allzu bekannt sein durfte.
„Captain, ich freue mich, dass sie da sind. Mein Name ist Odo und ich werde das Dominion bei dieser Gesprächsrunde repräsentieren, “ stellte sich der ehemalige Sicherheitschef von
Deep Space Nine vor.”
Viel interessanter war jedoch die zweite Person, die sich im Raum befand. Fast augenblicklich lief John Lewinski zornesrot an. Was ging hier vor? Waren sie etwa nicht das erste Föderationsschiff hier?
Odo gegenüber saß, mit übereinander geschlagenen Beinen und mit gestenreichen Handbewegungen, Edward Jellico und lächelte sie an.
„Ah, schön, dass sie da sind. Ich habe Odo schon einiges von ihnen erzählt, “ begrüßte sie der (ehemalige?) Verschwörer von Sektion 31 gestenreich.
Das Außenteam traute seinen Augen nicht.
„Was... zum... Teufel... machen sie hier?“ presste Lewinski zwischen seinen Zähnen hervor.
Demonstrativ stellte sich Lieutenant Bird neben seinen Captain, um ihm so Beistand zu bieten. Arsani Parul war zu verwirrt um eine Reaktion zeigen zu können.
Abermals lächelte Jellico ihnen zu und schien ganz den Unschuldigen mimen zu wollen.
Scheinbar schien er die Aufregung um seine Präsenz nicht verstehen zu können.
„Ich habe mich hier ganz nett mit Odo über die mögliche Zukunft von Dominion und Föderation unterhalten und dabei auf ihr Eintreffen gewartet.“
Nur mit Mühe konnte Lewinski seine Wut unterdrücken. Was sollte er nun tun?
Zu diesem Zeitpunkt durfte er sich keine Blöße geben und Odo brüskieren. Also riss er sich zusammen und sagte zu Odo:
„Wir freuen uns auf die gemeinsamen Gespräche. Wenn sie mich nun entschuldigen würden, ich muss noch einiges auf meinem Schiff in Ordnung bringen. Dr. Dr. Parul wird sich von nun an mit ihnen unterhalten.“
„Ich freue mich auf unsere Gespräche“, ergänzte der Botschafter ehrlich.
Unmittelbar darauf verließ Captain Lewinski das Konferenzzimmer, Lieutenant Bird folgte ihm nach kurzem Zögern.
Unruhig wanderte Captain John Lewinski in seinem Quartier auf und ab. Was sollte das alles? Wie konnte das nur möglich sein? Nach allen Informationen, die sie zur Verfügung hatten, nach allem was das Oberkommando ihnen gesagt hatten waren sie das erste Sternenflottenschiff seit dem Dominion-Bürgerkrieg, welches wieder in dem Gamma-Quadranten geflogen ist. Möglicherweise, da waren die Informationen des Geheimdienstes leider nicht so intakt, waren sie sogar das erste Schiff aus dem Alpha-Quadranten, welches seit dieser Zeit wieder hier war.
Wie um alles in der Welt konnte Edward Jellico also hier sein und was machte er hier?
Als sie den Raum betreten hatten erweckte der alte Mann den Eindruck als hätte er sich in einem lockeren Plausch mit Odo befunden. Haben sie möglicherweise über etwas Wichtiges gesprochen? Nicht auszudenken was geschähe, wenn sich Jellico als Unterhändler der Föderation vorgestellt hätte.
Nach diesem langen Jahr, in dem der ehemalige Admiral ihn mehr als einmal versucht hat zu überzeugen, dass er nicht mehr der Verschwörergruppe namens Sektion 31 angehörte, glaubte ihm John Lewinski immer noch nicht. Zu viel war einfach zwischen ihnen beiden vorgefallen, als dass er Jellico jemals wieder vertrauen könnte. Wieder? Hatte er ihm jemals vertraut?
An eine solche Zeit konnte sich John beim besten Willen nicht mehr erinnern. Ja, Edward Jellico hatte ihm mit seinen Bruder bekannt gemacht, aber sonst? Und er hatte ihm angeboten seinen nun verstorbenen Vater zu heilen. Es war ein unmoralisches Angebot gewesen, aber ein verführerisches. Dennoch hatte Captain Lewinski es ablehnen können. Seinen Vater gegen seinen Willen behandeln zu lassen wäre nicht nur egoistisch gewesen, sondern hätte auch gegen alle Regeln der Ethik verstoßen.
Ich vermisse dich, Papa.
Was machte er nur hier? So konnte es nicht weitergehen. Es durfte nicht sein, dass sich all seine Gedanken nur um Edward Jellico drehten. Bald würden sie zurück nach Deep Space Nine aufbrechen. Mit an Bord würde der Verräter sein, der laut eigener Aussage keinerlei Möglichkeit der Rückkehr hatte. Am liebsten hätte John ihn natürlich im Gamma-Quadranten gelassen, wo er keinerlei Schaden anrichten konnte, aber das Oberkommando hatte ihm befohlen Jellico mitzunehmen. Wieso nur? Wieso?
Er musste sich ablenken. Am besten mit einer Sache, die er schon lange tun wollte, zu der er aber noch nicht gekommen war. Der Captain wandte sich der internen Kommunikationsdatenbank des Wandterminals zu und ging die Liste eingehender Gespräche durch. Die von ihm gesuchte Datei befand sich etwas weiter unten, da seit dem letzten Mal schon etwas Zeit vergangen war. Schließlich wählte John diese an und wartete, während eine Verbindung aufgebaut wurde. Eine Unmenge an Gedanken ging ihm durch den Kopf, Fragen und Vermutungen, gepaart mit Ängsten und Unsicherheiten. Es dauerte seine Zeit und fast schon fürchtete John Lewinski es wäre niemand da gewesen, dann jedoch erschien auf dem Kommunikationsbildschirm das Gesicht von Martin Lewinski. Und trotz allem was bisher geschehen war freute sich John seinen jüngeren Bruder wieder zu sehen. Der Anflug eines unsicheren Lächelns erschien auf seinem Gesicht und er sagte fast schon flüsternd:
„Hallo.“
„Kann ich dir irgendwie helfen?“ war die Antwort seines Bruders. Im Gegensatz zu John hatte er viel helleres, fast schon blondes Haar und beginnende Geheimratsecken. Sie beide waren vom Alter und den Erlebnissen ihres Lebens gezeichnet. Doch im Gegensatz zu John zeigte sich in Martin Lewinskis Zügen keinerlei Freude darüber seinen Bruder wieder zu sehen. Seit ihrem letzten Gespräch waren einige Monate vergangen und schon damals hatte es kaum etwas zwischen ihnen gegeben, was man hätte sagen können. Noch immer schauderte John, wenn er darüber nachdachte wie gleichgültig sein Bruder die Nachricht vom Tod seines Vaters aufgenommen hatte.
„Eigentlich wollte ich nur etwas mit dir reden“, erklärte John, überrascht von der freudlosen Begrüßung, die nicht einmal eine richtige gewesen war.
„Und worüber, John?“
Irritiert zuckte der Captain seine Schultern und lächelte unsicher.
„Ich weiß es nicht, “ erklärte er, „vielleicht einfach nur darüber, was wir so machen. Oder über Vater.... irgendetwas.“
Doch sein Bruder zerstörte seine Hoffnungen mit der lapidaren Antwort:
„Ich habe keine Zeit für so etwas, John. Wenn du noch etwas möchtest dann raus damit, ansonsten habe ich derzeit sehr viel zu tun.“
Angesichts dieser Worte war Captain Lewinski viel zu irritiert, um eine vernünftige Antwort von sich geben zu können. Was sollte das? Wieso sperrte sich sein Bruder so gegen ihn und was konnte es wichtigeres geben als nach so langer Zeit mal wieder den Kontakt aufzunehmen.
„Wie ich sehe gibt es nichts mehr. Damit beende ich die Verbindung.“
Bevor John auch nur ein Wort dieses Widerspruches von sich geben konnte hatte sich Martin nach vorne gebeugt und einen Schalter betätigt, der die Kommunikationsverbindung beendet hatte. Ratlos blieb er zurück, ohne die geringste Ahnung darüber, was er nun tun sollte.
War es das gewesen? War seine Familie nun nach dem Tod seines Vaters für immer zerbrochen? John war nicht bereit diese Möglichkeit hinzunehmen. Für ihn stand fest, dass er irgendwie seinen Bruder dazu überreden konnte wieder die Beziehungen aufzunehmen.
Er musste nur einen Weg finden!
Sichtlich gut gelaunt wanderte Edward Jellico durch die Gänge der USS Monitor.
Dass ihn dabei die Crewmitglieder, die ihm auf den Weg durch das Schiff begegneten, nicht sonderlich viel Sympathie entgegenbrachten war ihm eigentlich recht egal. Sollten sie doch von ihm halten was sie wollten. Keiner von ihnen würde den wahren Menschen hinter der Fassade erblicken, den sensiblen Mann, der vor nicht allzu langer Zeit seine Familie verloren hatte. Seitdem befand er sich auf der Jagd. Auf der Jagd nach Stella Tanner, die letzte übrig gebliebene Anhängerin Nathan Sloans. Sie war untergetaucht, schon vor einiger Zeit,
und doch gelang es ihm langsam ihren Aufenthaltsort einzukreisen. Irgendwann würde er sie finden und Rache nehmen; und auf diesen Tag freute er sich schon mehr als alles andere.
Er hatte vor seinem inneren Auge die Methoden ausgebreitet, mit der er ihr unglaubliche Schmerzen beibringen würde. Oh ja, es würde Tage dauern, bis sie endlich von ihrem Leiden erlöst werden würde, Tage der Agonie und der Qualen.
Vorfreude war bekanntlich die schönste Freude und so lächelte der ehemalige Admiral der Sternenflotte vor sich hin, gespannt auf den Tag, an dem er seinen vollen Zorn entladen würde. Doch derzeit hatte er etwas anderes zu tun. Heute galt es anderen Personen eine Freude zu machen. Ihnen bei ihrer Wegfindung zu helfen und sie über die Wahrheit zu informieren. Edward hatte schon immer eine altruistische Ader besessen. Die erste Person, welche er gesucht hatte, lief ihm schon im Korridor auf den Weg.
„Commander Price! Was für ein Zufall, ich war gerade auf der Suche nach ihnen, “ begrüßte Edward den Halbbetazoiden freundlich. Dieser musterte ihn mit unverhohlenem Misstrauen, verlangsamte jedoch seinen Schritt und blieb schließlich vor ihm stehen.
„Was wollen sie, Jellico? Ich habe nicht viel Zeit!“
„Wer wird denn gleich so grob sein? Man sollte den Überbringer von Nachrichten nicht köpfen, bevor er nicht seine Nachricht übermittelt hat. Man könnte es schließlich bereuen.“
Genervt rollte Price mit den Augen.
„Raus mit der Sprache!“
„Eine gute Nachricht für sie, Matt: wie der Zufall es so will fliegen wir ja gerade nach
Deep Space Nine zurück. Wie ich eben erfahren habe dockt die USS Community dort auch gerade an. Ich dachte sie würde dies vielleicht interessieren, denn so würden sie die Gelegenheit bekommen ihre Tochter zu besuchen.“
Der Ausdruck in Price´ Gesicht nahm, trotz seiner offensichtlichen Ablehnung von Edward Jellico, einen freudigen Grundton an. Offenbar war er nicht über diese zufällige Begegnung informiert worden. Ohne ein Wort des Dankes ( welches ihm niemals über die Lippen gekommen wäre ) eilte der erste Offizier an ihm vorbei und begab sich zum Bereitschaftsraum des Captains, um nach Landurlaub zu fragen.
Edward Jellico war zufrieden. Seine erste gute Tat hatte er damit vollbracht, nun galt es eine zweite zu vollbringen. Dazu musste er ein ganz bestimmtes Quartier aufsuchen, nämlich jenes von Sicherheitschef Danny Bird.
Der noch junge Sicherheitschef des Föderationsraumschiffs Monitor stand ratlos in seinem kleinen Quartier und sinnierte über die Ungereimtheiten des Lebens. Er war derzeit alles andere als zufrieden mit seiner persönlichen Ausbeute. Vor gut einem Jahr hatte er damals seine aufkeimenden Gefühle für Elisabeth Frasier entdeckt und diese auch während einer gemeinsamen Außenmission der Ärztin offenbart. Doch seitdem war er keinen Schritt weiter gekommen. Ganz im Gegenteil, in den letzten Wochen und Monaten kam es ihm so vor als hätten sie und er sich nur noch weiter voneinander entfernt und dies machte den Lieutenant alles andere als glücklich. Sicher, sie war seine Vorgesetzte und ein wenig älter als er, doch was hätte gegen eine Beziehung gesprochen? Denn im Gegensatz zu Commander Price, der anscheinend der Kern des Problems war, war sich Danny Bird über seine Gefühle zu der Ärztin voll im Klaren gewesen. Dennoch hatte Elisabeth ihn verschmäht.
Vielleicht galt es nun nach einem Jahr des Werbens und des Wartens einen Schlussstrich zu ziehen. Die traurige Wahrheit war wohl leider, dass sie absolut nicht an ihm interessiert war, auch wenn es ab und an Situationen gegeben hatte, bei denen es danach ausgesehen hatte.
Es sagte sich jedoch immer so leicht, wenn man loslassen sollte, doch wenn man selber einmal in einer solchen Situation gewesen war, so wusste man um die Verfahrenheit der Situation. Danny war über diese ganze Sache sehr, sehr unglücklich. Wann würde er sein persönliches Glück finden?
Plötzlich wurde der Summer seines Quartiers betätigt und nachdem er nach kurzem Zögern die Tür geöffnet hatte war er überrascht Edward Jellico vor selbiger zu sehen.
„Guten Abend, Lieutenant“, begrüßte ihn der ehemalige (?) Verschwörer der Sektion 31.
„Was kann ich für sie tun, Mr. Jellico?“ fragte Lieutenant Bird so misstrauisch wie jeder andere auch.
„Ich bin eigentlich nur hergekommen, um ihnen etwas zu übergeben. Es handelt sich um einen Datenchip, der interessant für sie sein könnte; zumindest ist dies meine Ansicht.
Es könnte nicht schaden einen Blick darauf zu werfen.“
Als Bestätigung seiner Worte hielt Jellico ihm einen Chip entgegen und Danny betrachtete ihn zögerlich. Was wollte der alte Mann mit dieser Aktion bezwecken und was war auf diesem Datenträger gespeichert?
„Wieso wollen sie mir dies geben?“ stellte Bird schließlich die entscheidende Frage.
„Die Informationen, die darauf gespeichert sind, könnten sie interessieren“, entgegnete Edward Jellico scheinbar aufrichtig.
„Und wieso helfen ausgerechnet sie mir dann?“
„Weil sie ein Anrecht auf die Wahrheit haben.“
„Welche Wahrheit?“ hakte Bird überrascht nach.
„Sie können es sich selbst ansehen. Hier, nehmen sie!“
Mit noch mehr Nachdruck hielt er ihm den Datenchip hin und schließlich ergriff Danny ihn, schloss im Anschluss ohne jegliche Vorwarnung die Tür. Ob er damit Jellico vor den Kopf stieß oder nicht war ihm vollkommen egal, dem alten Mann vertraute er eh nicht. Umso überraschter war er also darüber, dass er den Chip entgegengenommen hatte.
Gespannt legte er den Chip in ein Lesegerät ein und Buchstaben begannen auf dem Bildschirm zu erscheinen. Buchstaben, die beunruhigende Worte formten.
Während die Crew der Monitor das Wurmloch abermals passierte und schließlich an
Deep Space Nine andockte begannen im Gamma-Quadranten die Verhandlungen.
Odo und Arsani Parul hatten sich für ihre erste Gesprächsrunde ein zwangloses Ambiente gewünscht und so schritten sie beide durch die Korridore der riesigen Dominion-Weltraumstation. Odo vermisste diese Spaziergänge, die er damals oft als Sicherheitschef von DS9 gemacht hatte. Dabei konnte er sich in seinem Denken entspannen, Ruhe finden und neue Möglichkeiten finden. Auch Dr. Parul empfand ehrlich und so waren sie beide froh einen Partner zu finden, der scheinbar auf derselben Wellenlänge lag.
„Es freut mich sehr zu hören, dass also der schreckliche Bürgerkrieg vorbei ist“, begann Arsani Parul die Unterhaltung.
Dankbar seufzte Odo und entgegnete freundlich:
„Ja, das fünfjährige Chaos, welches auf das Kriegsende folgte, ist vorbei. Nun endlich kann ich mit meinem Ziel beginnen das Dominion zu reformieren.“
„Und wie kommen sie voran?“
„Die Politik ist ein hartes Unterfangen“, gab der Formwandler zu. „Natürlich war ich naiv gewesen, als ich damals mit dem Ziel zu meinem Volk zurückgekehrt bin, mit dem Ziel,
ihnen die Ideale der Solids zu erläutern und um klar zu machen, dass die anderen Völker keine Gefahr sind. Das Dominion existiert jedoch seit Tausenden von Jahren. Nur wenigen fällt es leicht ihre alten Gewohnheiten aufzugeben. Der Bürgerkrieg inmitten des Dominions war wohl ein direktes Resultat meiner Bemühungen. Einigen Jem-Hadar und Vorta gefiel wohl meine Absicht nicht die Gründer von ihrem gottartigen Status zu befreien und sie zu dem zu machen, was sie eigentlich sind: normale Lebewesen.“
„Ich verstehe das Problem“, bestätigte Parul unumwunden und hörte weiterhin aufmerksam zu. Nachdem damals die Rebellen das Wurmloch blockiert und damit eine Rückkehrmöglichkeit der Monitor verhindert hatten waren die Informationen über den Konflikt nur noch spärlich zu der Föderation gedrungen.
„Es hat viele Tausend Leben gefordert, doch nun endlich herrscht ein wackliger Friede im Dominion. Als letzte Aktion haben wir den Generator abgestellt, der das Wurmloch blockiert und uns so von den Völkern des Alpha-Quadranten abgeschnitten hatte. Nun endlich kann der Erneuerungsprozess beginnen.“
„Die Föderation wünscht ihnen auf diesem Wege alles Gute; wobei wir natürlich ein gewisses Eigeninteresse an der Sache nicht verhehlen können.“
Odo lachte kurz auf.
„Sie müssen sich dafür nicht schämen“, meinte er aufmunternd, „ihre Ansicht ist nur zu verständlich. Jedoch werden sie viel Geduld zeigen müssen. Der Umbau des Dominions von einer Diktatur zu einem freien System wird Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte dauern.
Alte Systeme und Prinzipien müssen behutsam verändert werden, darunter fällt auch die Abgewöhnung des Ketracel-White für die Jem-Hadar.“
„Sie werden die Züchtung nicht komplett einstellen?“ fragte der Betazoid mit leichter Überraschung.
„Wie könnten wir? Seit Jahrtausenden sind die Jem-Hadar für die Verteidigung (und gewaltsame Expansion) des Dominion verantwortlich. Dies kann nicht einfach über Bord geworfen werden. Auch hier werden wir Schritt für Schritt eine Lösung finden.“
„Gut zu wissen.“
„Und was gibt es neues aus dem Alpha-Quadranten zu berichten? Ist der entzweiende Konflikt auf ihrer Seite endlich beendet?“
„Ja, “ erklärte Arsani Parul, „die Romulaner haben die talarianische Heimatwelt vor einiger Zeit vollständig erobert und so einen Siegfrieden errungen.“
„Die Nachrichten über diese Angelegenheit haben auch das Dominion beunruhigt. Einige Gründer sagen sich in ihren Ansichten bestätigt, dass die Solids ein streitsüchtiges Volk sind, die schon bald eine Invasion des Gamma-Quadranten planen.“
„Es war kein glückliches Jahr für die Diplomatie, dies gebe ich zu. Die gerade erst neu gegründete Multiplanetere Allianz ist vor eine schwere Zerreißprobe gestellt worden.“
Proben und Prüfungen, überall gab es sie im Leben. Egal wo man sich befand, der Frieden war brüchig. Nur wenn man sich dies bewusst wurde konnte man effektiv Diplomatie betreiben.
Persönliches Computerlogbuch
Commander Matthew Price
Ich habe den Captain vor wenigen Minuten um einen unbefristeten Landurlaub
gebeten und als Begründung angegeben, dass ich dringende private Probleme regeln müsse. Die Wahrheit also und zu meiner großen Überraschung hat der Skipper ohne Widerworte den Urlaub gewährt. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht allzu sicher, ob er überhaupt meine Absichten vollkommen verstanden hatte. Er wirkte abgelenkt, beunruhigt durch etwas, was ihm durch den Kopf ging.
Der Captain tut mir leid. Es war ein hartes Jahr gewesen, doch für wen nicht? Der Tod seines Vaters nagt immer noch schwer an ihm, vor allem die Tatsache, dass er weder im Moment seines Dahinscheidens noch bei der Beerdigung dabei sein konnte. Ich kann nur hoffen, dass ich nicht allzu schnell in dieselbe Situation wie er kommen werde.
In wenigen Minuten werde ich mich auf die ebenfalls angedockte Community begeben und zum ersten Mal mein kleines Kind von Angesicht zu Angesicht sehen. Wie ich mich auf diesen Moment freue! Wenn ich nur daran denke bekomme ich weiche Knie und das soll schon etwas heißen, bei einem Mann wie mir, der normalerweise seine Gefühle deutlich herunterspielt. Mal sehen was mir die nächsten Tage bringen werden.
Mit versteinerter Miene legte Captain John Lewinski die Akten zur Seite und starrte aus dem kleinen Fenster, welches sich in Bereitschaftsraum hinter seinem Stuhl befand. Deutlich waren die spinnenartigen Andockmasten und der Habitatring von Deep Space Nine zu sehen, sowie eine gewisse Zahl anderer Schiffe, die an der Station halt machten. Doch der Ausblick gewährte ihm nicht die erhoffte Entspannung. Ganz im Gegenteil, immer noch war er aufgewühlt, zu kaum einem klaren Gedanken fähig. Der Grund dafür war ihm völlig klar:
sein Bruder Martin. Was war nur mit ihm los, was machte er und wo trieb er sich herum?
Aus den beiden kurzen Gesprächen, die sie beide geführt hatten, ließ sich keine der Fragen beantworten. Und so war Captain Lewinski auf eine Idee gekommen, wie er doch etwas über seinen lange verschollenen Bruder in Erfahrung bringen konnte. Die Frage war nur, ob er dies machen durfte. Aus rein objektiver Sicht musste die Antwort Nein lauten, denn um an die Antworten zu gelangen, die er so dringend benötigte, würde er seine dienstliche Position missbrauchen müssen. Andererseits, standen ihm diese Informationen nicht zu? In Johns Inneren tobte ein langer Zweikampf, den schließlich eine Seite gewann. Hastig, so als fürchtete er entdeckt zu werden, aktivierte er sein Komterminal und stellte eine ganz bestimmte Verbindung her. Dafür gab er seinen Captain´s Code ein, der immer nur einmal verwendbar war und danach neu ausgestellt werden musste. Das letzte Mal, dass John ihn verwendet hatte, war vor mehreren Jahren gewesen. Unmittelbar nach Übermittlung der Buchstaben und Zahlen wurde eine geheime Verbindung zum Computernetzwerk des
Erdgeschosses hergestellt, dem hochgeheimen Hauptquartier des Sternenflottengeheimdienstes. Ein Ort, der einem Mythos gleich kam und absolut verschwiegen war. Selbst als Captain war John Lewinski bisher nicht mehr als ein halbes Dutzend Mal dort gewesen und jedes Mal war er von der schieren Imposanz der Anlage überwältigt gewesen. Dort waren Millionen von Daten gespeichert, in einer Detailliertheit, die unglaublich war. Der Kanadier war sich sicher auf diesem Wege die Informationen zu bekommen, die er sich wünschte. Kurz blickte sich John nach links und rechts um, unwillkürlich, so als fürchte er bei einer verbotenen Tag erwischt zu werden. In gewisser Weise war auch das, was er zu tun gedachte verboten, doch wollte er es aus einem niederen Zwecke tun? Nein, er wollte nur einem anderen Menschen helfen!
Also griff er auf die Datenbank zu und gab die Parameter ein, die ihn interessierten.
Zu Beginn natürlich der Name, der ihn interessierte: Martin Lewinski.
Und zu Johns Entsetzen breitete sich schon im nächsten Moment eine Akte auf seinem Bildschirm aus, mit allem, was dazu gehörte. Eine große Aufnahme seines Bruders erschien und daneben eine Auflistung von Daten, die der Geheimdienst über ihn gesammelt hatte.
Allein die Existenz einer solchen Akte war ein schlechtes Zeichen, denn wieso sollte der Geheimdienst Notizen über jemanden machen, der völlig unbescholten war. Kurz schloss John seine Augen, fürchtete die Zukunft, die nun bald kommen würde.
Bitte lass es nichts ernstes sein, bitte lass es nichts ernstes sein!
Die Worte, die er immer wieder aufsagte, wurden zu einem Mantra, eines an das er glauben wollte, doch dieser Fall trat nicht ein. Je mehr er sich in die Akte seines Bruders einlas, desto mehr blutete sein Herz.
Die nächsten Momente schienen sich zu Ewigkeiten zu dehnen, als Commander Matt Price mit einer Tragetasche über der Schulter durch die Gänge der USS Community lief und auf ein ganz bestimmtes Quartier zusteuerte. Endlich erreichte er sein Ziel, ein Schott wie jedes andere auch, zumindest wenn man Äußerlichkeiten als Maßstab anlegte. Doch für Matt spiegelte diese Tür und die dahinter liegenden Räume einen ganz besonderen Wert wieder.
Nun war es also soweit, der Augenblick, auf den er so lange gewartet hatte. Bald würde er zum ersten Mal sein Kind sehen, die kleine Yasmin. Er würde bei ihr sein, wie es sich für einen guten Vater gehörte.
Unsicher betätigte er den Türsummer und wartete auf eine Reaktion. Diese ließ zwar nicht lange auf sich warten, doch für den Halbbetazoiden erschien es wie Tausende von Jahren. Dann endlich öffnete sich das Schott und im Türrahmen kam seine Imzadi zum Vorschein.
Ein strahlender Engel, welcher den Namen Selina Kyle trug. Es war bestimmt ein Jahr her, seitdem er ihr das letzte Mal gegenübergestanden hatte. Zwar hatten sie mehr als ein Telefonat miteinander geführt, doch ihr letzter physischer Kontakt war viel zu lange her.
Selinas wundervolle grüne Augen weiteten sich in Überraschung, als sie sich bewusst wurde wer eigentlich vor ihrer Tür stand. Dann schloss sie ihren ehemaligen Geliebten in die Arme, drückte ihn fest an sich und küsste ihn leidenschaftlich. Ihre Reaktion war so emotional, dass Matt nicht in der Lage war sich dagegen zu wehren.
„Matt, das ist ja wundervoll!“ frohlockte seine Imzadi, nachdem sie ihn endlich losgelassen hatte. „Ich habe wirklich nicht mit deinem Erscheinen gerechnet. Wir beide sind normalerweise so weit voneinander entfernt, auf so unterschiedlichen Schiffen und bei deinen Aufgaben fällt es dir sicher sehr schwer mal Urlaub zu nehmen.“
„Ja, doch nun bin ich hier“, entgegnete der Halbbetazoid, der überwältigt war. Nicht nur von der Reaktion dieser Frau, sondern auch von dem eigenen Chaos der Gefühle, welches in seinem Inneren ausgelöst wurde. Verschiedenste Kräfte zerrten an ihm, wollten ihn in unterschiedliche Richtungen ziehen und verwirrten ihn so noch mehr.
„Darf ich hereinkommen?“ fragte Price zögerlich und deutete auf seine Tasche, die immer noch über seinen Schultern hing.
„Aber natürlich“, antwortete Selina und schien fast ein wenig beschämt ihn nicht schon früher in ihr Quartier eingeladen zu haben. Im Vergleich zu seinem Quartier auf der Monitor kamen Matthew diese Räumlichkeiten Selinas wie ein Palast vor, dabei befanden sie sich immer noch in den beschränkten Örtlichkeiten eines Raumschiffes. Beeindruckt ließ er seinen Blick durch das Innere schweifen. Bilder, Sessel, Panoramafenster, alles war hier. In jenem Moment wünschte sich Matt Price, dass er ebenfalls solche Luxusgüter an Bord bringen konnte. Doch dies war nicht möglich, der Platz war an Bord eines Schiffes der Defiant-Klasse einfach zu beschränkt.
„Ich denke mal du willst Sie sehen!“ meinte Selina schließlich nach einer kurzen Phase des Schweigens und sprach damit genau den Wunsch aus, denn Matthew die gesamte Zeit über gehegt hatte. Sie bedeutete ihm kurz zu warten, während sie ihre kleine Tochter holen wollte und so setzte sich der erste Offizier auf die breiteste Couch im Raum. Wie ein Schuljunge saß er da, mit in dem Schoß verschränkten Händen und wartete nervös auf das Ereignis, auf welches er sich so lange vorbereitet hatte. Und dennoch schien dieser Moment einzigartig zu werden. Wahrscheinlich würde er sein Leben verändern, seine Einstellung und Sicht zu manchen Dingen. Würde er ein guter Vater sein? Diese alles entscheidende Frage hatte er sich monatelang gestellt, ohne annähernd gehofft zu haben eine vernünftige Antwort zu erhalten. Wie auch? Eltern zu werden war letztendlich eine der ältesten und mysteriösesten Reisen des Universums, für die es keine Patentlösung gab. Das machte die ganze Sache ja auch so aufregend.
Und schließlich war es soweit: auf ihrem Arm trug Selina ein kleines Bündel hinein; ein winziges Wesen, eingepackt in ein Handtuch und friedlich vor sich hin schlafend. Matt konnte seine Augen nicht von diesem kleinen Wunder nehmen, diesem faszinierenden Geschöpf.
„Darf ich dir vorstellen?“ flüsterte Selina ihm lächelnd zu, „unsere Tochter Yasmin.“
Vorsichtig, so als habe er Angst das Kind zu zerbrechen, nahm Matt es in die Hand und hielt es einfach nur. Er spürte seine Wärme und Gebrechlichkeit, sein Bedürfnis nach Geborgenheit und Schutz. Nach allem, was der erste Offizier in seinem Leben erlebt hatte, war er sprachlos.
Irgendwann hatte dieser Moment kommen müssen. Zwangsläufig. Natürlich war schon einige Zeit vergangen, Monate, aber am Ende würde man sich diesem Problem stellen müssen, das war Ardev immer klar gewesen. Der Lieutenant und Einsatzoffizier des Raumschiffs Monitor hatte sich in das gemeinsame Ehequartier begeben und wartete auf seine Frau. Die Person, die er über alles liebte und die dennoch eine furchtbare Tat begangen hatte. Während er wartete wurde dem Andorianer immer mehr klar, dass sie diese Sache viel früher hätten klären müssen. Stattdessen hatten sie beide die Angelegenheit vor sich hergeschoben, versucht es zu ignorieren und zum Status Quo zurückzukehren, ohne dass dies überhaupt möglich gewesen wäre. Arena Tellom hatte eine andere Person getötet. An sich war dies nichts einmaliges, auch Ardev hatte schon im Krieg getötet und dies mehr als einmal. Doch in diesem besonderen Fall war es eine andere Situation gewesen, denn seine Frau hatte, so schwer es ihm auch fiel dies auszudrücken, gemordet. Sie war mit der festen Absicht in Bolars Zelle gekommen ihm zu töten. Eine geplante Tat; eine schreckliche Tat.
Das, was sie getan hatte, war im emotionalen Sinne verständlich, vielleicht sogar richtig gewesen, doch vom moralischen und juristischen Standpunkt aus gesehen war es falsch.
Bolar, der selbsternannte Retter Andors, der sein Volk auf den alten „richtigen“ Weg zurückfuhren wollte, hatte bei einem schrecklichen Massaker auf Terellia Arenas Bruder getötet. Reno Tellom hatte noch sein gesamtes Leben vor sich gehabt und dennoch war es ihm genommen worden, auf eine brutale und plötzliche Art und Weise. Arena hatte Glück gehabt, dass Bolar niemals offiziell Gefangener der Föderation gewesen war, sonst hätte man ihr wegen dieser Sache den Prozess gemacht. Seine Frau wäre nicht um eine lebenslange Freiheitsstrafe herum gekommen. Und nun war sie gewissermaßen straffrei ausgegangen, wenn man den Eintragungen in ihre Personalakte und dem verloren Vertrauen der Kollegen absah.
Endlich betrat sie das gemeinsame Quartier.
„Hi“, begrüßte sie ihn lächelnd, doch diese Geste hatte nicht mehr die Wärme von früher. Ein dunkler Schatten hatte sich über das Paar gelegt, das war ihnen beiden klar.
„Danke Schatz, das du gekommen bist“, begrüßte Ardev sie und wurde sich umso mehr bewusst, wie sehr er sie dennoch liebte.
„Nun, es ist ja nicht gerade so, als hätten wir derzeit viel an Bord zu tun. Wenn man an eine Raumstation angedockt ist kann man ja nicht viel agieren.“
Ardev ersparte sich eine bestätigende Antwort und blickte seine Frau lange an. So lange, dass sie schließlich fragte.
„Was ist, Ardev? Gibt es ein Problem?“
„Allerdings, es ist ein Problem, welches wir schon lange mit uns herumtragen.“
Unmittelbar im Anschluss an diese Worte war Lieutenant Tellom klar, worauf ihr Mann hinauswollte. Im Grunde hatte sie schon gespürt, worum es ging, als er sie zu sich gerufen hatte.
Unbeirrbar redete Ardev weiter. Es war, als fiel ihm eine schwere Last vom Herzen.
„Es ist nun einige Monate her, seitdem du mir deine Tat von damals eröffnet hast. Ich muss gestehen ich war schockiert und eigentlich bin ich es bis heute noch. Niemals in meinem Leben hätte ich gedacht, dass meine Frau eines Tages so die Kontrolle verlieren und eine andere Person ermorden würde. Du magst es Vergeltung nennen, ein Wert welches einen positiven Beigeschmack mit sich trägt. Vergeltung ist im Gegensatz zur Rache gerecht,
aber ich möchte mich nicht mit diesen literarischen Spielereien aufhalten. Für mich war und ist klar, dass du Bolar ermordet hast.“
Seine Frau schnappte nach Luft, wappnete sich etwas zu sagen, doch Ardev hob seinen rechten Zeigefinger und bedeutete ihr so ihm noch etwas Zeit zu geben, um seine Gedanken weiter ausführen. Zu seiner großen Überraschung gewährte sie ihm diese Zeit.
„Du hast dich einige Male vorher mit ihm getroffen und mit Bolar gesprochen, dann hast du eines Tages den Entschluss gefasst ihn zu töten. Aus menschlicher Sicht mag deine Tat verständlich, vielleicht sogar richtig gewesen sein. Dein Bruder ist von diesem Mann ermordet worden, er wird niemals die Gelegenheit bekommen die Wunder des Lebens zu erfahren, die wir erlebt haben. Er wird niemals eine Familie gründen, seinen Kindern beim Spielen zusehen und in Würde altern. Und Bolar? Du sahst seine Zukunft vor dir, wie er für den Rest seines Lebens in einer Strafkolonie der Föderation zubringen wird. Er würde in einem Bett schlafen, essen und trinken, ab und zu vielleicht sogar Friede empfinden und möglicherweise in seinem Geist neuerliche Methoden des Terrors ersinnen. Dieses Bild vor Augen hast du zur Selbstjustiz gegriffen und ihn selbst bestraft.
Als du mir davon erzähltest, nein, du beichtest es mir, war ich entsetzt, schockiert. Ich wich einem vernünftigen Gespräch aus und diese ganze Sache lag wie ein dunkler Schatten über unserer Ehe. Ich habe dich nun hierher gebeten, um dir eine Sache mitzuteilen, von der ich selber nie geglaubt habe, dass ich sie sagen würde: ich vergebe dir.“
Unfähig eine Antwort von sich zu geben starrte Arena ihren Mann an, dann schmiegte sie sich an seine Brust und umarmte ihn. Seltsamerweise, obwohl es der Situation angemessen wäre, weinte sie nicht, sondern hielt ihren Mann, den sie über alles liebte, ganz fest.
„Ich verurteile deine Tat, aber ich vergebe dir“, flüsterte Ardev noch einmal und erteilte seiner geliebten Arena so die Absolution.
Sie hatten ihn gar nicht hereinkommen gehört. Einfach so stand Danny Bird in der Krankenstation und starrte Dr. Frasier, die Chefärztin des Raumschiffs Monitor an.
Für einen kurzen Moment erwiderte sie seinen Blick, anschließend richtete sie ihre gesamte Aufmerksamkeit, in Ermangelung eines besseren Zieles, auf den Boden. Eine peinliche Stille breitete sich aus, bis die Ärztin schließlich meinte:
„Ich weiß, wir hätten schon längst darüber reden müssen, Danny, aber bisher war mir nie wohl dabei gewesen.“
Endlich wieder sah sie den Sicherheitschef an, der immer noch unbeweglich in der Krankenstation stand und keinerlei Anstalten machte auf ein Gespräch einzugehen.
„Mir ist schon vor einer ganzen Weile aufgefallen, wie du für mich empfindest, “ fuhr Frasier fort, „und ganz ehrlich fühle ich mich dadurch geschmeichelt. Ganz sicher fühlte ich mich mehr als einmal versucht deine Annäherungen anzunehmen. Doch dann wurde mir klar, dass meine Gefühle für dich nicht vollkommen ehrlich waren. Ich habe dich nie geliebt, sondern Matt und wenn ich mich mit dir eingelassen hätte, so wärst du nur eine Art Ersatz für den Mann gewesen, der mich abgewiesen hat. Ich denke ein so wundervoller Mann wie du, Danny, der auf eine so wundervoll altmodische Art und Weise romantisch ist, verdient eine Frau, die ihn ohne Einschränkungen liebt. Die ihm das geben kann, was er braucht und die es mehr als alles andere verdient einen solchen Mann zu haben. Ich fürchte ich kann nicht diese Frau sein. Es tut mir leid, “ schloss Elisabeth ihre Erklärung ab. Wochenlang hatten ihr diese Worte auf der Zunge gelegen, sie hatten darauf gewartet ausgesprochen zu werden. Sicherlich hatte es mehr als einmal die Gelegenheit dazu gegeben, doch niemals hatte sie sich zu einem solchen Schritt getraut. Doch heute hatte sie es getan, völlig überraschend für sie selbst.
Diese ganze Sache hatte sich wohl zu sehr aufgestaut, als das sie es hätte weiterhin für sich behalten können.
Doch mit der folgenden Reaktion von dem sonst so besonnene Danny Bird hätte sie niemals im Leben gerechnet: er hob einen Phaser ( der ihr vorher gar nicht aufgefallen war ) und zielte auf die Chefärztin.
„Was... was hat dies zu bedeuten, Danny?“ fragte Elisabeth entsetzt. Hatte sie den Lieutenant etwa falsch eingeschätzt? War er etwa eine psychisch labile Persönlichkeit, die mit einer solchen Nachricht nicht zurechtkommen würde?
„Mitkommen!“ befahl der Sicherheitschef barsch und auf eine seltsame Art und Weise kalt, so als kenne er die vor ihm stehende Frau nicht.
„Wohin? Was soll das ganze?“
„Doktor, wenn sie möchten, dass ihnen nichts passiert, dann sollten sie meinen Anweisungen folge leisten, “ sagte Lieutenant Bird mit Nachdruck.
Es war unglaublich, für Elisabeth Frasier kam die ganze Situation so surreal vor.
„Und was werden sie machen?“ fragte sie und kehrte damit wie Danny seltsamerweise zum distanzierten Sie zurück, „wenn ich mich weigere? Werden sie mich dann betäuben?“
„Nein, ich werde sie töten und eine neue Geisel nehmen“, entgegnete Bird völlig ungerührt und zeigte demonstrativ die Energieanzeige seines Phaser, der auf eine tödliche Wirkung eingestellt war. Innerlich erbebte Elisabeth. Mit so etwas hatte sie überhaupt nicht gerechnet.
Widerwillig, sich jedoch der Konsequenzen bewusst, ließ sie sich von Danny Bird durch das Schiff führen. Auf dem Weg zu ihrem Ziel, welches sich schließlich als die Shuttlerampe herausstellte, begegneten sie zwar einigen anderen Crewmitgliedern, die jedoch keinen Verdacht schöpften. Zwar versuchte die Ärztin auf ihre missliche Situation aufmerksam zu machen, doch es gelang ihr nicht. Endlich kamen sie in dem kleinen Shuttlehangar der Monitor an und mit dem Phaser bedeutete Lieutenant Bird seiner Geisel das Raumschiff zu öffnen und schließlich zu betreten. Erst nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Ärztin sich ruhig auf ihren Platz gesetzt hatte, bestieg er schließlich ebenfalls das Shuttle und fuhr die Triebwerke hoch.
„Was haben sie vor?“ fragte Dr. Frasier entsetzt.
„Wir beide werden nun eine kleine Reise unternehmen“, antwortete Bird ohne sie anzusehen und aktivierte die Bedienelemente.
„Und was ist unser Ziel?“
„Die Antwort auf meine Fragen.“
„Und wieso muss ich ausgerechnet mitkommen?“
„Ich weiß es nicht“, gab Danny plötzlich mit seltsam leeren Blick zu. Für einen kurzen Moment war er wieder ganz der Alte, dann jedoch gab er den Zahlencode ein, der die Schotts öffnete und dem Shuttle so den unautorisierten Start ermöglichte.
Diese Aktion blieb natürlich nicht den Sensoren der Monitor verborgen. Sofort wurde Captain Lewinski auf die Brücke gerufen und informiert, dass ein Shuttle ohne Genehmigung das Schiff verlassen hatte.
„Was ist sein Ziel?“ fragte der Captain, wohlwissend, dass sie das kleine Raumschiff nicht einholen konnten. Die Monitor musste erst von der Raumstation abgedockt werden und die meisten Crewmitglieder waren derzeit von Bord.
„Es fliegt zum Wurmloch“, antwortete ein Fähnrich an der OPS, „es will in den Gamma-Quadranten.“
„Und wer ist an Bord?“
„Lieutenant Bird und Dr. Frasier, Sir!“
Auf diese seltsame Konstellation konnte sich John Lewinski absolut keinen Reim machen.
Es war nun einige Zeit vergangen, seitdem er seine kleine Tochter auf dem Arm gehalten und ihn all die Liebe durchströmt hatte, die für einen Vater typisch war. Nun lag die kleine Yasmin wieder friedlich in ihrem Bettchen und erholte sich von den Strapazen des Tages. Bisher war die Kleine in einem Alter, in dem sie die meiste Zeit des Tages nur verschlief, doch dies würde schon bald ändern. Dann wäre Selina gezwungen nachts aufzustehen und sich um ihren Nachwuchs zu kümmern.
Völlig geschafft von der Welle der Erfahrungen, die ihn durchströmt hatten, saß Matt Price auf dem großen Sofa und döste vor sich hin. Auch er fühlte sich müde, aber gleichzeitig überaus glücklich. Wie hatte er all die Jahre nur annehmen können, dass es sich nicht lohnen würde Vater zu werden? Allein die wenigen Minuten mit seiner Tochter waren für ihn ein unglaubliches Erlebnis gewesen. Doch wie würde die Zukunft für sie aussehen? Man musste diese ganze Sache realistisch sehen: sie beide dienten auf verschiedenen Raumschiffen, die Lichtjahre voneinander entfernt waren und derzeit sah es wohl nicht danach aus, als ob keiner von ihnen ihre Karrieren aufgeben würde. Eigentlich war das, was sie beide vorhatten, unmöglich. Auf diese Art und Weise konnte man kein Kind vernünftig großziehen und wenn man ehrlich zu sich selbst war wusste man dies auch.
Glücklich kam Selina Kyle herein und setzte sich neben ihren Imzadi auf das große Sofa.
Ihre Uniform hatte sie gegen ein bequemes Nachtgewand eingetauscht. Obwohl es einfacher Natur war und wahrscheinlich nicht diesem Zwecke dienen sollte wirkte es sinnlich, verführerisch, was wohl an der Person lag, die es trug. Matt schämte sich seiner selbst.
Auf der einen Seite wusste er, dass ihre Beziehung absolut keine Zukunft hatte, aber immer wenn er hier, bei ihr, war, so lag ihm auf einmal so viel an einem gemeinsamen Zusammensein. In ihm tobte ein Chaos der Gefühle und auch wenn es ihm schwer fiel dies zuzugeben, so war er nicht mehr gänzlich Herr der Lage. Ursprünglich war er hier her gekommen, um einen Schlussstrich unter ihre gemeinsame Beziehung zu ziehen, wie damals, als er dann die Nachricht erhalten hatte, dass Selina schwanger war. Und wie damals fühlte er sich auf einmal unsicher, ob es richtig wäre diese Frau aufzugeben. Sie liebte ihn, dessen konnte er sich absolut sicher sein. Doch reichte dies um eine glückliche Beziehung zu führen?
„Wie geht es dir?“ fragte Selina und stützte ihren Kopf auf dem angelehnten Arm ab, wodurch das schwarze Haar ihr verführerisch ins Gesicht fiel.
„Ich bin... aufgewühlt“, gab Matt unumwunden zu. Bei dieser Frau konnte er nicht lügen, so viel war ihm klar.
„Ja, ich weiß genau was du meinst. Das Wunder des Lebens. Als ich endlich die Geburt überstanden hatte und die Kleine im Arm hielt, so durchströmte mich dieses wundervolle Gefühl. Es war eine Art Magie gewesen.“
„Und jetzt?“ fragte Matt und blickte ihr tief in ihre grünen Augen. Vermutlich zu tief, wie er sogleich im Anschluss feststellte.
„Es ist jedes Mal so, wenn ich sie im Arm nehme. Ein Kind zu haben ist wundervoll. Ich habe dies zwar nie für möglich gehalten...“
„Ich weiß ganz genau, was du meinst!“ lächelte der Halbbetazoid ihr zu.
„Du bist also glücklich?“
„Sehr. Ich fühle auf einmal eine Ruhe in mir, die ich niemals für möglich gehalten hätte.“
„Ich habe diese Ruhe schon öfters kennen gelernt“, meinte Selina und streichelte verliebt seine Hand, „auch wenn du dir niemals eingestehen konntest, dass du sie in dir trägst.“
„Du kennst mich sehr gut.“
„Wenn nicht du, wer dann?“
Der erste Offizier der Monitor fühlte sich von seinen Gefühlen hin und her gerissen. Er fürchtete den Ausgang dieses Gespräches, doch er vermisste auch diese Nähe und Zärtlichkeit, die er schon so lange nicht mehr hatte erleben dürfen.
„Hast du dir schon Gedanken darum gemacht, wie wir das Kind großziehen können?“ fragte Matt und wechselte so das Thema.
„Ich dachte mir schon, dass du darauf zu sprechen kommen würdest“, gab Selina lachend zu.
„Dieser Punkt ist wichtig genug, um nicht unter den Teppich gekehrt zu werden. Wie ich das sehe wird wohl niemand von uns seinen Posten aufgeben und eine Versetzung auf dasselbe Schiff ist so gut wie unmöglich für Offiziere in unseren Positionen. Also, was tun wir nun?“
„Ich habe mir es so gedacht: das Kind bleibt hier bei mir auf der Community. Das Schiff ist größer, komfortabler und wird wohl nicht so oft gefährlichen Missionen ausgesetzt sein wie du. Ich werde meinen normalen Dienst verrichten und...“
„Moment mal“, unterbrach Matt sie und hob seine Hände, „du willst deinen normalen Dienst fortführen?“
„Ja natürlich! Ich bin der erste Offizier des Schiffes und ich kann nicht eingeschränkt tätig sein. Du musst dir jedoch keine Sorgen machen. Ich habe schon mit einigen Personen hier gesprochen, die ein Auge auf Yasmin werden können. Du kennst die Crew nicht, sie ist wundervoll.“
„Wenn du es sagst.“
„Und du kommst während deines Urlaubs hierher oder noch besser: wir machen dann Urlaub auf einem Planeten. Damit sie auch mal die Sonne zu Gesicht bekommt.“
Der Halbbetazoid war baff. Seine Imzadi hatte tatsächlich schon alles vorbereitet. Sie war bemerkenswert selbstständig und dennoch so fürsorglich.
„Es wird hart werden“, gab sie zu, „aber wir werden es schon schaffen.“
„Ja, das werden wir“, bestätigte Matt, fühlte sich aber in diesem Punkt nicht ganz so sicher wie Selina.
Das kleine Shuttle raste mit Überlichtgeschwindigkeit durch den Raum des Dominion, den Gamma-Quadranten. Ängstlich saß Dr. Frasier neben Danny Bird und blickte auf die Kontrollen, die sie von ihrem Platz aus nicht bedienen konnte. Der Sicherheitschef hatte ihr jegliche Steuerrechte entzogen und so war sie dazu verdammt tatenlos mit anzusehen, wie sie ihrem Ziel entgegen flogen. Was immer dies auch sein mochte. Für einen kurzen Moment hatte sie überlegt Widerstand zu leisten und zu versuchen ihren Entführer zu überwältigen, doch wie realistisch war eine solche Aussicht? Danny hatte eine Waffe bei sich, war größer, kräftiger und schneller als sie und nachdem, was sie in den letzten Minuten bei ihm beobachtet hatte, würde er keine Skrupel haben seine Kraft gegen sie einzusetzen.
Ob die Crew der Monitor schon nach ihnen suchte? Oder nahm Captain Lewinski fatalerweise an, dass der Lieutenant und sie auf einer Routinemission waren?
„Wo fliegen wir hin?“ fragte Elisabeth schließlich. Nicht so sehr interessierte sie die Antwort, denn die würde ihr vermutlich nichts bringen, sie wollte einfach nur diese grausame Stille unterbrechen.
„Ich weiß es nicht“, war die grimmige, aber überraschende Antwort von Danny Bird.
Verwirrt runzelte Dr. Frasier die Stirn.
„Wie meinst du das? Du hast keine Ahnung wohin du das Schiff steuerst?“
„Wir werden unser Ziel schon erreichen.“
Anschließend schwiegen sie beide wieder und Elisabeth musterte den Mann, von dem sie vorhin noch gedacht hatte er würde sie lieben. Doch wie konnte das sein, wenn Danny sie entführte?
Plötzlich tauchten auf den Anzeigen mehrere Dominion-Schiffe auf. Zweifelsohne Abfangjäger, die den Eindringling in ihr Territorium stellen wollten. War dies vielleicht die Möglichkeit auf Rettung? Mit etwas Glück würden die Jem-Hadar das Schiff entern und sie zu einem Regierungsgesandten bringen. Doch etwas Unerwartetes geschah: Bird begann einige Zahlen und Buchstabenkombinationen einzugeben und nach einem bestätigenden Piepsen drehten die Dominion-Schiffe ab.
„Was haben sie da eben getan? Haben sie ihnen eine Nachricht gesendet?“ fragte Dr. Frasier irritiert.
„Ja, das habe ich“, brummte Danny, ohne sie eines Blickes zu würdigen und setzte ihren Kurs zu dem unbekannten Ziel fort.
„Und was war dies für eine Nachricht?“
„Ich weiß es nicht.“
„Sie wissen nicht sehr viel darüber, was sie gerade machen, Danny. Fühlen sie sich denn schlecht?“
„Wenn sie mich fragen sollten sie nicht zu viele Fragen stellen“, meinte der Mensch und blickte sie gefühlskalt an, „ansonsten könnte es unangenehme Konsequenzen für sie geben.“
Die Härte in seinen Augen und der Stimme erschreckte Elisabeth und veranlasste sie tatsächlich dazu zu warten. Etwas anderes blieb ihr derzeit auch nicht übrig.
Danny Bird war über das folgende Schweigen gar nicht so unglücklich. Welche Antworten hätte er der Ärztin auch liefern können?
Und wie wurde überhaupt diese schicksalhafte Ereigniskette in Gang gesetzt? Danny erinnerte sich daran die Daten, die ihm Edward Jellico gegeben hatte, durchgeschaut zu haben. Unmittelbar im Anschluss hatte ihn der sprichwörtliche Schlag getroffen. So als ob er nicht mehr Herr seiner Lage gewesen wäre hatte er sich erhoben und war in die Krankenstation gegangen. Wieso er dort hin gegangen war und wieso er vorhatte das zu tun, was er schlussendlich vollbracht hatte, war ihm völlig unbekannt. Danny war sich nur absolut sicher gewesen, dass er diese Reise nicht ohne die Ärztin hätte antreten können. Die Worte, die er in ihre Richtung ausgesprochen hatte, taten ihm weh und er hätte sie am liebsten nicht gewählt, doch irgendwie sprach sein Mund sie aus. Auch der Einsatz des Phasers und der Diebstahl des Shuttles kamen ihm so unwirklich vor, so als ob er eine andere Person bei ihren Taten beobachtete. Doch zu seinem Entsetzen war er es, der die Ärztin entführt hatte. Er war es, der ein Shuttle gekapert und in den Gamma-Quadranten geflogen war. Und es war ebenso er,
der so schroff zu der Frau sprach, die er eigentlich liebte. Ganz tief in seinem Innersten wusste er, dass das, was er tat, falsch war, doch er war nicht in der Lage sein Tun aufzuhalten. Der Lieutenant steuerte scheinbar ziellos durch den Raum, auf ein Ziel zu, welches ihm nicht bekannt war und das er dennoch bewusst gewählt hatte. Auch der Code, den er eben an die Dominion-Schiffe übermittelt hatte, war ihm absolut unbekannt. Was hatte er nur bewirkt? Alles was er wusste war, dass er in dieser Situation so hatte reagieren müssen. Die ganzen Geschehnisse machten ihm große Angst und dennoch konnte er ihr Eintreten nicht verhindern.
Während er über diese Sachverhalte nachdachte flogen seine Finger über die Bedienelemente des Shuttles und brachten es unter Warp. Sie schwenkten in den Orbit eines ihm unbekannten Planeten ein und mit schroffer Stimme befahl Danny der Ärztin sich mit ihm nach unten zu beamen. Auf die Frage, was sie dort unten sollten, konnte er ihr auch keine Antwort geben.
Sie beide materialisierten in einem riesigen Gebäude, welches zweifelsohne dem Dominion gehörte. Niemand war in den großen Gängen zu sehen und so wanderte Danny ziellos umher, dabei immer Dr. Frasier im Blickfeld. Plötzlich erschien ein Vorta und grinste ihn freundlich an.
„Endlich kehren sie zu uns zurück, Mr. Bird.“
Danny hatte keine Ahnung, was dies zu bedeuten hatte. Er wusste nur: sie waren am Ziel angelangt.
Auch Dr. Frasier vergaß für einen kurzen Augenblick, dass sie das Opfer einer Entführung war und fragte sich ebenso wie der Lieutenant was es mit dem Vorta auf sich haben mochte.
„Kennen wir uns?“ fragte Danny Bird vorsichtig nach und wich einen Schritt vor dem Vertreter des Dominions zurück.
„Ja, wir kennen uns... auch wenn sie sich nicht an mich erinnern sollten. Zumindest hoffe ich, dass dem so ist, ansonsten hätten wir schlechte Arbeit geleistet, “ entgegnete der Vorta und lächelte einladend.
„Von was für einer Arbeit sprechen sie?“ fragte Elisabeth und schaltete sich so in das Gespräch ein. Sie sah hier nun die Möglichkeit den Ursprung ihrer mysteriösen Entführung zu ergründen.
„Dies ist eine lange Geschichte. Ich schlage vor, dass wir uns an einen bequemeren Ort begeben, wo wir über alles sprechen können. Immerhin ist der Krieg zwischen unseren beiden Regierungen vorbei und wir sind dabei gute Freunde zu werden. Und guten Freunden bietet man doch etwas an.“
Mit einer einladenden Geste deutete der Vorta in Richtung des Ganges und die drei liefen durch die großen Hallen, bis sie schließlich eine Art Aufenthaltsraum fanden und sich an einen Tisch setzten. Bemerkenswerterweise hatten sie immer noch keine andere Person in dieser Anlage gesehen, fast schon schien es als würde der Vorta ganz allein diese Installation leiten.
„Mein Name ist Koris“, erklärte der Vorta, nachdem er sich zu ihnen an den Tisch gesetzt hatte, „wobei es komisch ist sich ein und der selben Person zweimal vorzustellen. Aber ich mache ihnen keinen Vorwurf, dass sie sich nicht an unsere erste Begegnung erinnern können.“
„Unsere erste Begegnung? Ich war schon einmal hier?“ fragte Danny verdutzt nach und weitete die Augen.
„Ja, auch wenn es schon einige Zeit her ist. Das letzte Mal habe ich sie zu Beginn des Krieges gesehen; sie sehen, es ist schon einige Jahre her.“
„Während des Krieges? An eine Begegnung mit ihnen erinnere ich mich nicht und generell habe ich leider noch ganz frische Erinnerungen an diesen Konflikt.“
„Dies ist ja auch Sinn der Sache: sie sollten sich nicht an unsere Begegnung erinnern!“ erklärte Koris, so als sei dies die normalste Sache der Welt.
Langsam gefiel Dr. Frasier nicht was sie hier hörte. Das ganze nahm eine gänzlich unangenehme Wendung.
„Rücken sie endlich mit der Sprache raus!“ brüllte Lieutenant Bird ihn frustriert an.
In diesem Moment entlud sich seine ganze Wut über diese schreckliche Geiselnahme und der Flucht mit dem Shuttle. Er wollte wissen wieso er dies alles getan hatte.
„Eigentlich unterliegt diese ganze Sache immer noch der Geheimhaltung, “ druckste Koris herum, „doch diese Weisungen stammen noch von den alten Gründern. Unter Odo hat ein Wertewandel stattgefunden und so denke ich, dass wir nun unseren neuen Freunden von der Föderation das Programm offen legen können.“
„Programm?“ fragte Elisabeth entsetzt nach. Ihr gefiel ganz und gar nicht was sie hier hörte.
Die unverblümte Offenheit, das gelegentliche Grinsen des Vorta, verstärkten nur den fatalen Effekt, den die Erzählung der Wahrheit bei den beiden Föderationsoffizieren hervorrief:
„Zu Beginn des Konfliktes zwischen dem Dominion und der Föderation sah es für ihren interstellaren Völkerbund alles andere als rosig aus. Viele Schlachten gingen verloren, gedemütigt musste sich die Sternenflotte von zahlreichen Gefechten zurückziehen. Die ersten Randkolonien begannen in die Hände der Gründer zu fallen. Bevor sie die Raumstation
Deep Space Nine zurückerobert hatten war die Moral der Sternenflotte auf den Tiefpunkt gefallen. Nur wenige von ihnen glaubten noch an den Sieg. Noch weniger von ihnen hatte so eine fatalistische Sicht der Zukunft, dass sie mit ihrer Niederlage abgeschlossen hatten und die Weichen für ein besseres Leben in der Zukunft stellen wollten. Einer von ihnen war der junge Offizier Lieutenant Danny Bird. Sie begannen insgeheim Signale an das Dominion zu senden und dann wurden sie eines Tages von meiner Einheit wahrgenommen. Ich traf mich mit ihnen auf einem abgeschiedenen Planeten und hörte mir ihren Vorschlag an.
Sie, Danny, boten sich uns als ein Spion an, einen Infiltrator, der über einen längeren Zeitraum hinweg die Föderation ausspionieren und dann uns die Daten übermitteln würde.
Als Dank für ihre wertvolle Zusammenarbeit würden wir ihnen im Gegenzug ein besseres, wohlhabendes Leben unter der drohenden Dominion-Herrschaft ermöglichen. Um das ganze noch effektiver zu gestalten und um ihre Begegnung mit mir zu verschleiern erklärten sie sich mit einer selektiven Gedächtnislöschung einverstanden. Ihre sämtlichen Abmachungen mit uns sowie überhaupt ihre pessimistische und verräterische Einstellung, die überhaupt erst den Verrat möglich gemacht hatte, wurden von uns gelöscht und sie auf ihren Dienstposten zurückgeschickt. Unglücklicherweise ging in den Wirren des Krieges das Wissen um ihre verdeckte Operation verloren. Wir hatten so viele parallele Missionen laufen, dass wir sie einfach schlichtweg vergessen hatten. Um ehrlich zu sein bin ich mehr als überrascht,
dass sie heute hier sind.“
Das, was Koris gesagt hatte, schlug ein wie eine Bombe. Dr. Frasier konnte den Vorta nur ungläubig anstarren, während sich Danny Bird nur bestätigt sah. Genau dieser Sachverhalt hatte in den Daten gestanden, die ihm Jellico gegeben hatte. Es hatte sich um geheime Dokumente des Dominion gehandelt, die auch seinen Fall beinhaltet hatten. Keine Ahnung, wie der alte Mann an diese Unterlagen gekommen war, alles was zählte war das sie echt waren. Es war unfassbar. Er, Danny Bird, war ein Verräter an der Föderation, der sich zu allem Überfluss dessen nicht einmal bewusst gewesen war.
„Und wieso habe ich hierher gefunden?“ fragte der Lieutenant mit trockener Stimme.
„Scheinbar wurde bei ihnen der Rückholmechanismus aktiviert, den wir ihnen damals implantiert hatten. Vermutlich haben sie irgendein Dokument oder ein Signal gesehen, welches ihr Verhalten ausgelöst hat. Um ihre sichere und wohlbehaltene Rückkehr zu uns zu garantieren entführten sie automatisch medizinisches Personal, in diesem Fall die gute Ärztin hier, und nahmen direkt Kurs auf mich. Mit einem speziellen Signal, welches sie gesendet hatten, wurde ich an sie erinnert und gewährte ihnen so die freie Passage.“
Elisabeth konnte einfach nicht glauben, was sie da gehört hatte. Die gesamte Geschichte war so abenteuerlich und dennoch passte alles zusammen. Doch war Danny in der Tat ein Verräter? Sie konnte und wollte dies einfach nicht glauben. Man spielte hier ein Spielchen mit ihnen, ganz klar!
„Und nun stehen sie vor einer schwierigen Entscheidung, dies ist mir vollkommen klar.“
Koris´ Worte kamen einem Rätsel gleich, einem welches sich Bird und Frasier nicht sofort erschloss.
„Wie meinen sie das?“ fragte der wie paralysiert wirkende Sicherheitschef, für den eben eine ganze Welt zusammengebrochen war.
„Natürlich hätten wir ein sehr großes Interesse an den Daten, die sie über die Jahre zusammengetragen haben“, gab der Vorta freimütig zu, „aber wir sehen auch die Notwendigkeit für einen Frieden mit der Föderation. Einen Frieden, den wir nicht durch eine solche Spionage-Affäre in Gefahr bringen wollen. Daher überlassen wir ihnen selbst die Entscheidung, ob sie die Gedächtnisblockade lösen möchten oder nicht?“
Danny zögerte mit einer Antwort, musste erst einmal das Gesagte verarbeiten, und so fragte Dr. Frasier:
„Wieso sollte er sich gegen eine Lösung der Blockade entscheiden?“
„Wir haben bei einigen entkoppelten Agenten bemerkt, dass sie nur schwerlich zu ihrem wahren Ich zurückfinden können.“
„Ihrem wahren Ich?“
„Ja“, erklärte Koris langsam. „Damit die Agenten und Überläufer nicht so leicht auffallen haben wir natürlich einige ihrer Charakter- und Wesenszüge... sagen wir mal angepasst.
Sie kennen Lieutenant Bird als treuen und pflichtbewussten Offizier, auf den man sich verlassen kann. So haben sie ihn kennen gelernt. Ich jedoch kenne den wahren Danny Bird: ein vom Krieg gezeichneter Offizier voller Depressionen und Schuldgefühle. Ein Mann, der schließlich so sehr am Ende war, dass er seinen Eid und seine Kameraden verriet, weil er nur noch den Krieg überleben wollte und daher zu uns überlief. Mit anderen Worten: der Bird, der nun neben ihnen steht, ist nicht der ganze Bird. Am Ende könnten sie ihn nicht wieder erkennen.“
Das, was er eben gehört hatte, war schrecklich und kam einem Albtraum gleich. So lang er sich zurückerinnern konnte war er ein loyaler Offizier geworden, ein guter Vorgesetzter und echter Kamerad. Nun sagte ihm dieser Vorta, dass dem in Wirklichkeit nicht so war. Er war möglicherweise sogar das Gegenteil von dem, was er eigentlich sein wollte.
„Doch wie gesagt“, schloss Koris seine Erklärung ab, „es bleibt ihre alleinige Entscheidung.“
Mit einem blauen Schimmern öffnete sich das Wurmloch und wirkte dabei wie der Schlund eines riesigen Sandwurms aus den Wüstenplanet-Romanen eines Frank Herbert. Abermals entließ das Wunder ein kleines Shuttle der Föderation, welches direkt Kurs auf
Deep Space Nine setzte.
“Somit endet die kürzeste Entführung aller Zeiten”, kommentierte Ardev zynisch die Rückkehr ihrer beiden vermissten Offiziere.
Captain Lewinski brummte angesichts dieser Worte nur. In den vergangenen Minuten hatte er versucht so schnell wie möglich die Mannschaft zusammenzutrommeln und das Schiff startbereit zu machen, um dem Entführer zu folgen, doch dies schien sich nun erledigt zu haben. Um Erklärungen für diese Sache zu erhalten bat er Dr. Frasier zu sich in den Bereitschaftsraum, die auch prompt erschien. Lieutenant Bird hingegen ließ sich freiwillig in den Arrestbereich bringen. Etwas Schreckliches schien seine Seele zu belasten.
„Sie wollten mit sprechen?“ fragte Dr. Frasier, nachdem sie den Bereitschaftsraum des Kommandanten betreten hatte. Lewinski stand an seinem kleinen Fenster und starrte auf die unzähligen Sterne. Auf welchen von ihnen mochte es Leben geben, auf welchen nicht?
Das Universum schien so voller Fragen, die wohl niemals gelöst werden konnten. Sie alle hatte einfach zu wenig Zeit, um alle Wunder kennen zu lernen.
„Ja, das habe ich“, entgegnete der Captain, ohne seinen Blick vom Sternenpanorama abzunehmen. „Bitte erklären sie mir in kurzen Worten, was da eben geschehen ist.“
Die Chefärztin erklärte John den gesamten Sachverhalt und ließ kein Detail aus. Inzwischen gab sie Danny keine Schuld für das, was geschehen war. Vielmehr sah sie in ihm ein bedauernswertes Opfer der Umstände. Auch gegen sie auf das Dilemma ein, welches sich ihnen nun stellte.
„Und wie hat sich Danny nun entschieden?“ fragte Captain Lewinski am Ende der Ausführungen.
„Noch gar nicht“, antwortete Dr. Frasier traurig, „er hat sich noch etwas Bedenkzeit erbeten.“
„Ich verstehe sein Problem voll und ganz. Was für eine schreckliche Last, die nun auf seinen Schultern liegt. Ich kann es immer noch nicht glauben. Würde ich mich für eine Lösung der Blockade entscheiden? Ich weiß es nicht.“
„Es wäre die Wahrheit.“
„Manchmal ist die Lüge besser als die Wahrheit, Doktor.“
„Dies haben schon viele als Vorwand benutzt um andere Menschen zu manipulieren... wobei ich diese Aussage nicht auf sie münzen möchte, Sir, “ entschuldigte sich Elisabeth hastig.
„Kein Problem, Doktor“, entgegnete John und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Auch ich verstehe ihren Standpunkt. Nichts ist wichtiger als die Wahrheit, doch was soll man tun, wenn sie unerträglich ist?“
„Was wird der Geheimdienst nun tun, nachdem dies herausgekommen ist?“
„Ich denke mal da werden jede Menge Fragen auf Danny zukommen, aber lassen sie dies einmal meine Sorge sein.“
Das Komterminal wurde plötzlich aktiviert und die Insignien des Sternenflottengeheimdienstes erschienen. Wenn man vom Teufel sprach...
„Sie müssen mich nun entschuldigen, Doktor.“
„Selbstverständlich“, nickte Frasier und verließ traurig den Bereitschaftsraum des Captains, so dass dieser das Gespräch entgegennehmen konnte. Irgendwie ahnte er schon worum es gehen würde. Einen solchen Anruf hatte er schon den ganzen Tag über erwartet.
Auf dem Bildschirm erschien eine dunkelhäutige Frau, die trotz ihres Ranges Captain sehr jung zu sein schien. Sie wirkte alles andere als glücklich.
„Captain Lewinski, ich bin Captain Mukebé vom Sternenflottengeheimdienst. Wir müssen über etwas reden.“
„Das dachte ich mir schon“, murmelte John und blickte seine Gesprächspartnerin, die sich anscheinend in einem kleinen Büro befand, erwartungsvoll an.
„Uns ist vor einigen Stunden etwas aufgefallen“, erklärte Mukebé streng, so als spräche ein Lehrer zu einem Schüler, „eine Datenanforderung, die von ihnen aus getätigt wurde.
Ihr Berichtigungscode ist an das Erdgeschoß gesendet worden.“
„Dies ist korrekt.“
„Sie geben es also unumwunden zu?“
„Es gibt keinen Grund etwas zu verheimlichen“, meinte John und gab sich schon in diesem Moment geschlagen. Natürlich hatte dies kommen müssen. War er wirklich so naiv gewesen zu glauben, dass man seinen Zugriff auf die Daten des Geheimdienstes nicht bemerken würde?
„Haben sie wirklich gedacht wir würden ihren Zugriff auf die Daten des Oberkommandos nicht bemerken?“ fragte Captain Mukebé streng, so als hätte sie seine Gedanken erraten.
„Nein, habe ich nicht.“
„Und dennoch haben sie es getan? Captain, normalerweise wäre an dieser Sache nichts besonderes, aber Ressourcen des Geheimdienstes zu entwenden um Informationen über Familienmitglieder einzuholen ist strengstens verboten.“
„Auch wenn diese Personen eine Gefahr für die Sicherheit darstellen könnten?“ stichelte Lewinski. Er war wütend und deprimiert zugleich über das, was er erfahren hatte.
„Es handelt sich nichtsdestotrotz um ihren Bruder, Captain Lewinski.“
„Dann wundert es mich, dass mich niemand über diesen Sachverhalt informiert hat. Zumindest würde ich dies als Vorgesetzter machen.“
„Sie würden dies vielleicht tun“, unterbrach ihn Mukebé streng, „aber die derzeitige Führung sah dafür absolut keinen Anlass. Captain Lewinski, das Oberkommando belässt es diesmal noch bei einer Verwarnung. Doch tun sie dies nie wieder, sonst könnte es ernsthafte Konsequenzen für sie geben. Haben sie verstanden?“
„Voll und ganz!“ bestätigte John und im Anschluss wurde die Verbindung ohne ein Wort des Abschieds unterbrochen.
Und trotz allem: er bereute nicht was er getan hatte. Denn so besaß er nun endlich Klarheit.
Hier zu sein war einfach wundervoll. Seine kleine Tochter bei scheinbar so unsinnigen Dingen wie schlafen, trinken oder glucksen so beobachten war ungemein entspannend für Price. Viel mehr noch, es kam einem neuen Abenteuer gleich, etwas was er niemals erwartet hatte zu erleben. Er schwor sich seine kleine Yasmin so oft zu besuchen wie es nur ging. Doch ein dunkler Schatten lag über seinem Aufenthalt hier bei seiner Imzadi Selina Kyle. Matt wusste, dass er bald mit der Sprache herausrücken musste. Es würde Streit gebeten, Gezeter und ein schlechtes Gewissen, doch diese Angelegenheit musste ein für alle mal geklärt werden.
Der Halbbetazoid fühlte sich äußerst schlecht bei dem, was er vorhatte. Mehr als einmal hatte er daran gedacht es noch einmal zu probieren. Zwischen ihnen existierte immer noch dieses Band und seitdem er diesen Kurzurlaub angetreten hatte fühlte er sich wie in einer richtigen Familie. Doch wenn man ehrlich zu sich selbst war, so musste man sich den Selbstbetrug eingestehen. Schon einmal waren sie beide auseinander gegangen, schweren Herzens zwar, aber sie hatten es getan. Ein gemeinsames Kind konnte doch nicht das Allheilmittel sein um eine Beziehung zu kitten! Das Schlimme an der Situation schien jedoch zu sein, dass Selina genau dies annahm. Sie gebärdete sich inzwischen wie zu Zeiten ihrer Beziehung, umsorgte und pflegte ihn, war für ihn da und das bereitete dem Commander ein schlechtes Gewissen. Konnte oder wollte sie der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen?
Wie aufs Stichwort kam Selina Kyle hinein, setzte neben ihn auf das Sofa. Ein glückliches Lächeln umspielte ihre vollen Lippen und sie löste das Gummi aus ihrem Haar, als sie fragte:
„Ist etwas mit dir, Matt?“
„Nein, ich denke nur nach“, gab Price zu.
„Und worüber?“
„Über uns, um ehrlich zu sein.“
Mit einem Grinsen legte Selina daraufhin ihren Kopf auf seine Brust und schloss die Augen.
„Dann hoffe ich es ist eine angenehme Vorstellung“, meinte sie keck. Diese Geste gefiel Matt ganz und gar nicht. Er spürte ihre beruhigende Wärme, die Rundungen ihres Körpers neben sich und ein Verlangen stieg in ihm auf, welches er nur schwer zügeln konnte. Zu allem Überfluss begann sie ihn an seinem Hals zu küssen, was ein wahrlich wundervolles Gefühl war. Für einen Moment war Matt versucht dies alles geschehen zu lassen, doch dann wurde ihm klar, dass so alles nur noch komplizierter werden würde. Mit sanftem Druck schob er Selina zurück und blickte sie traurig an.
„Was ist?“ fragte seine Imzadi und war enttäuscht darüber, dass ihre Liebkosungen nicht erwidert worden waren.
„Selina, ich denke nicht, dass es so weitergehen kann“, brummte Matt missmutig.
„Wie meinst du das? Ich hätte nur allzu gerne so weitergemacht.“
„Du weißt ganz genau was ich meine! Du bist aufgeweckt genug um die Situation zu begreifen, in der wir uns beide befinden.“
„Dann schlage ich vor du erklärst mir noch einmal die Sachlage“, meinte Selina und wirkte auf einmal sehr wütend.
„Du bist eine absolut bezaubernde Frau und meine Imzadi“, erklärte der erste Offizier der Monitor, „und daran wird sich auch nichts ändern. Aber wir sollten uns nichts vormachen: unsere Beziehung war seit Monaten vorbei, bis du mir von deiner Schwangerschaft erzählt hast.“
„Diese Einschätzung schien dich aber nicht davon abzuhalten vor gut einem Jahr mit mir zu schlafen.“
Price verdrehte die Augen. Genau mit dieser Aussage hatte er gerechnet! Nur hieß dies noch lange nicht, dass er dafür eine adäquate Antwort bereit gehabt hätte.
„Selina... diese Sache damals... ich bereue zwar nichts davon, aber du und ich haben doch gewusst, dass es nur eine einmalige Sache gewesen ist.“
Ruckartig erhob sich die schlanke Frau von dem Sofa und starrte ihren Geliebten unfassbar an. Während sie sprach schüttelte sie eifrig mit den Kopf und schleuderte so ihre schwarzen Haare unfreiwillig hin und her:
„Eine einmalige Sache? Eine einmalige Sache?? Mir kam dies aber ganz und gar nicht so vor und gemessen an deiner Reaktion schienst du einer neuerlichen Auflebung unserer Beziehung auch nicht abgeneigt zu sein.“
„Ich fühlte mich damals sehr einsam“, gab der Halbbetazoid peinlich berührt zu, „und mir fehlte Zärtlichkeit und Wärme.“
„Und was spricht dagegen dies alles von mir zu bekommen?“ fragte Commander Kyle flüsternd und setzte sich wieder neben ihn, ergriff seine Hand und hielt diese ganz fest.
Diese Frage konnte Matt nicht beantworten. Wie auch, denn er war sich selbst nicht sicher. Ganz fest blickte seine Imzadi ihm in die Augen und obwohl sie keine Telepathin war schien sie seine Gedanken zu erraten.
„Es gibt eine andere?“ fragte sie leise und hatte Angst vor einer Antwort.
„Ich habe mich in eine Frau verliebt. Sie ist an Bord meines Schiffes, “ gab Price reumütig zu.
„Wie lange seid ihr schon zusammen?“
„Wir... sind noch nicht zusammen.“
„Wegen mir?“ fragte Selina und behielt weiterhin ihren flüsternden Ton bei. Brachte sie diese ganze Sache etwa nicht in Rage? Wie war sie nur in der Lage diese Ruhe zu bewahren angesichts der Aussicht die Liebe ihres Lebens zu verlieren?
„Ich habe es verbockt“, war alles was Matt dazu sagen konnte und wollte. Verspielte er hier gerade alles? Mit Elisabeth war es in diesem Jahr alles andere als unkompliziert verlaufen und nun lief er Gefahr seine Imzadi ebenfalls zu verlieren, samt seiner Tochter.
„Ja, das hast du“, war die Antwort Selinas, immer noch mit der ruhigen Stimme vorgetragen, mit der sie auch die vorigen Fragen gestellt hatte. „Bitte verlass nun mein Quartier und kehre auf die Monitor zurück.“
„Und Yasmin?“ fragte Price traurig, der in der Tat seine Niederlage nun deutlich vor Augen sah.
„Wir werden uns darum zu gegebener Zeit kümmern. Doch nicht jetzt.“
Mehr konnte Selina nicht dazu sagen. Sie erhob sich vom Sofa und schloss sich gemeinsam mit der gemeinsamen Tochter in ihrem Schlafzimmer ein. Traurig blickte Matt die Tür an, hoffte sie würde sich schon im nächsten Moment öffnen und ihm eine neue Chance gewähren. Doch dem war nicht so. Der Zugang zu seiner Imzadi und zu seiner Tochter war ihm nun vorerst verschlossen.
Als Dr. Frasier auf die Krankenstation zurückkehrte war sie überrascht dort Danny Bird vorzufinden. Der Sicherheitschef der Monitor hockte auf einem Behandlungsbett und starrte auf seine hin und her baumelnden Beine. Er wirkte unkonzentriert, ja geradezu lustlos. Doch dieser Eindruck täuschte, wie Elisabeth wusste, Danny Bird war derzeit ein von Selbstzweifeln zerfressener Mann.
„Der Captain hat mich aus dem Arrest entlassen“, erklärte der Lieutenant mit Grabesstimme und kam so der Frage der Chefärztin zuvor. „Er hat wohl deinen Worten geglaubt ich sei nur ein Opfer in dieser Sache, kein Täter.“
„Es waren nicht meine Worte, sondern die Wahrheit und das weißt du“, entgegnete Elisabeth und näherte sich ihm vorsichtig. Zwar hatte sie keine Angst vor einer erneuten Entführung, doch aus den psychologischen Seminaren wusste sie, dass man diese Sache sehr behutsam angehen musste.
„Nein, das ist nicht wahr!“ brüllte Danny und schlug mit der flachen Hand auf die Liege. „Ich bin kein Opfer, ganz im Gegenteil. Ich gehöre zu den Leuten, die ich bisher am meisten verachtet habe: Verräter! Menschen, die ihre Freunde und ihre Ideale der eigenen Bequemlichkeit halber verkaufen. So viele von ihnen haben wir als Geheimdienstler aufgespürt und wieder eingefangen; für jeden einzelnen von ihnen hatte ich nichts als Verachtung übrig. Und nun bin ich selber einer. Ob ich mich daran erinnern kann oder nicht spielt keine Rolle; ich bin was ich bin.“
Diese Worte bedrückten Elisabeth. Bird war immer so ein hervorragender Offizier gewesen und nun musste sie mit ansehen wie er innerlich zerbrach. War dies fair? Hatte sich irgendeine geheime Macht gegen Danny verschworen?
„Du hast recht: du bist was du bist Danny, “ versuchte sie ihm zuzureden. „Ein ausgezeichneter Offizier, dem wir mehr als einmal unser Leben zu verdanken haben.
Ein Mensch, den wir als Freund schätzen gelernt haben und dem wir jederzeit vertrauen würden.“
„Aber das bin nicht ich“, flüsterte der Lieutenant traurig und blickte die Chefärztin an. Er war kurz davor Tränen zu vergießen.
„Hast du dich schon entschieden, ob du dein vollständiges Gedächtnis zurückerhalten möchtest?“
Statt einer Antwort sprach Danny einen Satz aus, der ihm schon lange auf dem Herzen gelegen hatte:
„Ich liebe dich, Elisabeth. Du bist für mich die schönste Frau der Welt und ich würde alles dafür geben mit dir zusammen zu sein. Und ich bedauere dich, dass du so lange einem Mann nachläufst, der deine wundervolle Güte nicht verdient hat.“
Angesichts dieser Worte war die Chefärztin sprachlos. Natürlich hatte sie schon lange geahnt, wenn nicht gar gewusst, was der Sicherheitschef für sie empfand, dennoch waren seine Worte voller ungewohnter Wärme.
„Du schmeichelst mir“, flüsterte Elisabeth, doch Bird schüttelte den Kopf.
„Wie kann ich mir nur sicher sein, dass du mich wirklich liebst?“ fragte er
niedergeschlagen. „Vielleicht ist es nur die Programmierung in mir, die so empfindet. Vielleicht hält der wahre Danny Bird nichts von dir oder er liebt dich auf eine ganz andere Weise als ich es tue.“
„Du bist der wahre Danny Bird.“
„Das bin ich nicht und dies werde ich auch niemals sein“, entgegnete der Lieutenant traurig und verließ ohne sich noch einmal umzusehen die Krankenstation. Immer noch hatte er keine Lösung gefunden.
Der Captain des Raumschiffs Monitor hatte irgendwie nicht das Gefühl, dass er in letzter Zeit sein Büro verlassen hatte. Inzwischen schien sich sein ganzes Leben, sowohl dienstlich als auch privat, in diesem Räumen abzuspielen und wenn er ehrlich war gefiel ihm dies ganz und gar nicht. Er war ein Mensch, der aktiv sein wollte, Initiative zeigte, aber derzeit fiel ihm nur die Rolle des Bittstellers zu.
So auch dieses Mal, als er zum unzähligsten Mal eine Komverbindung zu einer ganz bestimmten Person herstellte. Es dauerte einige Zeit, bis sein Kommunikationsversuch entgegengenommen wurde, dann endlich erschien Martin Lewinski auf dem Bildschirm.
Wie so oft wunderte sich John darüber, wie viel blonder das Haar seines Bruders doch war. Zumindest zeigten sich auch bei ihm die Anzeichen vom Geheimratsecken, ein schwacher Trost für den Tribut, den sie dem Alter zollen mussten.
„Irgendwie verwundert mich das alles schon“, murmelte Martin Lewinski anstelle einer Begrüßung. „Wir haben uns in den letzten Jahren nicht mehr gesehen und die letzten Tage werde ich dich einfach nicht mehr los. Was ist denn nun wieder der Grund für deinen Anruf? Ich habe nicht allzu viel Zeit, John.“
„Wir müssen reden“, erklärte Captain Lewinski und es fiel ihm äußerst schwer seine Anspannung zu verstecken. Wie lange hatte er schon nicht mehr geschlafen? Seit zwanzig Stunden?
„Wieder wegen Dad? Langsam habe ich keinen Bock mehr darauf. Lass es einfach sein, John, ich möchte nun nicht mit dir streiten. Derzeit habe ich mehr als genug Arbeit zu erledigen.“
„Das Verkaufen von Waffen an dubiose Gruppierungen würde ich nicht gerade als Arbeit bezeichnen“, entgegnete der Kommandant und stellte zu seinem Erstaunen fest wie eisig seine Stimme klang.
„Wie bitte?“
„Ich habe mich etwas über dich erkundigt, Bruder“, erläuterte John schweren Herzens, „und zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass deine Profession alles andere als legal ist.“
„Soll das ein Werturteil sein?“ fragte Martin kalt und lehnte sich vom Bildschirm zurück.
„Ich denke über Waffenschieber kann man nur eine Meinung haben.“
„Wenn du meinst“, antwortete sein Bruder und machte Anstalten die Verbindung zu unterbrechen. John wollte dies auf keinen Fall zulassen und fragte:
„Wie lange machst du dies schon?“
Gelangweilt lehnte sich Martin zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit zurück und seufzte. Wollte er etwa schon wieder dieses leidige Thema mit jemandem durchkauen?
„Lange genug, um mir dadurch ein respektables Überleben zu gewährleisten“, erklärte er schließlich.
„Und dein Gewissen?“ fragte John und hoffte für einen Moment seinen Bruder, ein Mitglied der Familie Lewinski, hinter dieser kalten Fassade zu entdecken.
„So etwas sollte man in diesem Geschäft nicht haben“, war die gleichgültige Antwort seines jüngeren Bruders.
„Ich kann nicht glauben, was ich da hören muss“, stammelte John Lewinski müde. „Hast du deswegen den Tod unseres Vaters so gleichgültig aufgenommen? Weil es dir auch egal ist wer sich mit den Waffen umbringt, die du verkaufst?“
„Dies mag deine Interpretation sein, ich bin dir auf jeden Fall keine Rechenschaft schuldig!“
„Ach ja?“
„Ja!“ schrie Martin den Bildschirm an, Wut zeigte sich in seinen Augen. „Nur weil du Vaters Liebling gewesen bist und dir alles im Leben nachgeworfen wurde heißt dies noch lange nicht, dass es jedem Menschen so ergangen ist. Ob du es glaubst oder nicht, manche müssen tatsächlich für ihren Lebensunterhalt hart arbeiten und daher will ich kein Werturteil von dir haben. Geh zurück auf dein Raumschiff, flieg durchs All und fang die bösen Buben ein.“
„Zu denen du auch gehörst“, entgegnete der Captain traurig. „Deine Taten sind eine Gefahr für die Sicherheit der Föderation. Du könntest deine Waren an sonst wen verkaufen.
Wer weiß auf wessen Seite du während des Krieges gestanden hast!“
„Auf der Seite des Profits“, erklärte Martin Lewinski und klang wie die gemeine Version eines Ferengis.
„Dir ist klar, dass ich dich stoppen muss.“
„Das kann gut möglich sein.“
„Und ist dir das völlig egal? Martin, ich bin dein Bruder.“
„Nein, du bist nur eine weitere Person, die sich ein Urteil über mich erlaubt. Darauf kann ich getrost verzichten. Wenn du meinst meine Aktivitäten stoppen zu müssen: ich werde auf dich warten.“
Damit beendete sein Bruder, ein gesuchter Waffenhändler, die Verbindung. Noch lange starrte John fassungslos den dunklen Bildschirm an. Wie konnte dies alles sein? Wann hatte dies alles angefangen, wann war sein Bruder auf diese schiefe Bahn geraten? Beschämt musste John feststellen, dass er einige Tränen nicht zurückhalten konnte. Hoffentlich betrat nun keiner das Büro und würde seine Schwäche bemerken? Langsam wurde es einfach zu viel für ihn: der Schlafentzug, der Krieg zwischen Romulus und Talar, der Verlust seines Vaters, die Inhaftierung Jereon McNors und nun auch noch sein Bruder. Was für ein verdammtes Jahr dies doch gewesen war!
Irgendwie hatte es Danny Bird schließlich geschafft einzuschlafen, doch von Schlaf in seinem ursprünglichern Sinne konnte man wohl kaum die Rede sein. Schlaf sollte eigentlich der Erholung dienen, der Regeneration der körpereigenen Energien, doch bei Danny schien eher das Gegenteil der Fall zu sein. Träume quälten ihn.
Der Lieutenant befand sich an einem völlig dunklen Ort. Nur sich selber schien er klar sehen zu können, ansonsten war der Raum (?) völlig unbeleuchtet. Einige Minuten lang drehte sich der Sicherheitschef herum.
„Hallo??“ rief er in die Dunkelheit hinaus, ohne eine Antwort zu erhalten. Schließlich erschallte jedoch eine Antwort:
„Endlich lernen wir uns kennen!“
Für einen kurzen Moment glaubte Danny ein Echo vernommen zu haben, denn die Stimme, die diese Worte ausgesprochen hatte, war seine eigene gewesen. Doch sie waren nicht von seinem Munde ausgesprochen worden, sondern von einem anderen Danny Bird.
Einem Lieutenant, der lange Zeit verschwunden gewesen war und nun wieder zum Vorschein kam. Langsam schälte sich die Gestalt aus der Dunkelheit hervor und trat auf ihn zu. Er sah aus wie er, trug dieselbe Uniform. Nur eine tiefe Leere zeigte sich in seinen Gesichtszügen, eine Art Hoffnungslosigkeit, die nur schwerlich abzulegen war.
„Hallo Danny, “ begrüßte ihn sein Gegenüber, „endlich lernen wir uns kennen.“
„Endlich?“ fragte der Sicherheitschef stammelnd.
„Ja, “ erklärte sein Gegenüber und brachte sogar ein schiefes Lächeln zustande, welches jedoch absolut unecht wirkte, „ich habe mir lange Zeit dein Treiben angesehen und ich muss sagen: ich mag dich! Du magst zwar nur eine Kreation sein, ein Platzhalter, aber dennoch finde ich dich gar nicht so übel!“
„Eine... Kreation?“ fragte Danny verdattert und ein neuerlicher Anflug von Angst überkam ihn.
„Es mag sich für dich unglaublich anhören, aber glaube mir, auch für mich ist dies alles sehr ungewöhnlich. Hier stehe ich nun, Danny Bird, und unterhalte mich mit einer Figur, die so aussieht wie ich, die gleiche Stimme hat und die selbe Kleidung trägt, die jedoch nur eine Erschaffung durch den Geheimdienst des Dominion darstellt.“
„Du hälst mich für unecht??“
„Als was sollte ich dich denn sonst bezeichnen?“ erklärte sein gegenüber und fiel in einen seltsam monotonen Tonfall zurück, so als habe er diesen Umstand schon Tausende von Malen erklärt. „Du bist eine veränderte Version von mir, erschaffen um nicht so leicht als Doppelagent aufzufallen. Eine Version, die mir ehrlich gesagt sehr zusagt. Ich beneide dich irgendwie: ich wünschte ich hätte noch deinen naiven Idealismus.“
Die Worte kränkten Danny. Wie konnte er nur so etwas sagen? Dieser Kerl sprach so, als wäre Danny der Fehler an der ganzen Sache.
„Naiv?“
„Ja, naiv. Pflichtbewusst, loyal. All die Dinge, die ich früher auch mal gewesen bin.“
„Und wieso hast du dich davon abgewendet?“
„Muss ich etwas dazu sagen?“
„Der Krieg?“
„Ja, der verdammte Krieg!“ fuhr es aus seinem Gegenüber heraus. „Du hättest es sehen müssen! Menschen, die um ihr Überleben kämpften und die verkrampft versuchten ihre inneren Organe zurück in den Bauchraum zu drücken. Verbrannte Leichen und überall nur Hass und Tod. Wir befanden uns auf dem Rückzug, in nahezu jeder Schlacht. Die Föderation verlor den Krieg.“
„Ich war dabei gewesen, “ entgegnete Danny Bird sauer, „und ich habe genau dasselbe gesehen wie du. Dennoch hat es mich nicht dazu verleitetet alles zu verraten, worauf ich einen Eid geschworen habe.“
„Du hattest auch nicht mehr die Veranlagung in dir gehabt, noch einmal Verrat zu begehen. All dies war von Koris aus deiner Persönlichkeit getilgt worden. Wäre dem nicht so gewesen, so hättest du irgendwann genau dasselbe wie ich getan.“
„Ich glaube nicht.“
„Denkst du?“ fragte sein Gegenüber und lachte bitter. Er lachte Danny aus, so viel stand schon einmal fest. „Was denkst du eigentlich wer du bist? Darfst du dir überhaupt ein Urteil erlauben? Du bist nicht einmal eine reale Person, sondern nur eine Erfindung. Der einzige, der das Recht hat in diesen Körper zurückzukehren, bin ich, der wahre Danny Bird.“
„Der Verräter Danny Bird.“
„Du scheinst es einfach nicht verstehen zu wollen! Aus meiner Perspektive war die Niederlage unvermeidbar. Auf allen Fronten befanden wir uns auf dem Rückzug.
Ist es etwa so verwerflich, wenn ich den Wunsch habe zu überleben und mich deswegen mit dem Dominion arrangiere?“
„Kennst du den Ausspruch lieber stehend sterben als kniend leben?“ fragte der Lieutenant.
„Wer diesen pseudophilosophischen Unsinn verzapft hat muss wohl niemals die Hölle des Krieges erlebt haben.“
Wut stieg in Danny auf. Was bildete sich sein Gegenüber nur ein? Er näherte sich ihm und er hatte Mühe seine Stimme nicht allzu sehr zu erheben.
„Ich verabscheue dich“, gab er offen und ehrlich zu. „Millionen sind bei dem Versuch gestorben den Alpha-Quadranten vor einer Diktatur zu bewahren. Sie alle hatten Angst und wären lieber zu Hause bei ihren Familien gewesen, anstatt auf den Planeten und im All zu kämpfen. Und dennoch haben sie es durchgehalten, für das Wohl des gesamten Volkes.
Wieso warst du nicht dazu bereit? Was für ein bequemes Leben hat man dir versprochen, so dass du zum Verräter wurdest?“
„Man versprach mir Überleben.“
„Es besteht ein Unterschied zwischen Überleben und wahrhaftem Leben.“
„Naiv“, entgegnete die Traumgestalt, die dennoch so real war. „Aber ich möchte nicht mehr mit dir streiten. Wieso auch? Ich bin der rechtmäßige Danny Bird und habe einen Anspruch auf Rückkehr. Du bist nur ein künstliches Gebilde. Ich denke es ist Zeit für meine Rückkehr.“
Unmittelbar im Anschluss schreckte der Lieutenant aus seinem Schlaf hoch und schnappte nach Luft. Dies alles musste ein Ende haben. Er hatte seine Entscheidung getroffen.
Noch lange nachdem er sie im Flur angesprochen und ihm seine Entscheidung mitgeteilt hatte, schaute Dr. Frasier ihm nach, erinnerte sich daran, wie er in Gedanken verloren den Gang entlanggelaufen war. Trotz oder gerade aufgrund reiflichster Überlegungen hatte sich Lieutenant Bird schließlich dagegen entschieden die Gedächtnisblockade aufzuheben und so wieder vollständigen Zugriff auf sein altes Ich zu erlangen. Elisabeth teilte zwar nicht seine Meinung, aber wer war sie, dass sie richtigen konnte? Immerhin war die Situation, in der sich Danny befand, einzigartig und grauenvoll genug.
„Dir würde es auch nicht gefallen, wenn der richtige Danny Bird zurückkehren würde“, hatte er ihr erklärt.
„Danny, du bist der wahre Bird.“
Daraufhin hatte der Lieutenant nur den Kopf geschüttelt und traurig entgegnet:
„Glaube mir, der Danny Bird, der vor dir steht und der, der ich eigentlich sein sollte, sind zwei grundverschiedene Personen. Wir mögen gleich aussehen, aber in unseren fundamentalen Überzeugungen unterscheiden wir uns.“
„Und?“ hatte sie nachgehakt, in dem Glauben Danny wolle noch etwas ergänzen.
„Und ich habe Angst zu verschwinden, wenn die Blockade gelöst wird“, hatte er traurig entgegnet. Elisabeth Frasier hatte genau verstanden. Existenzangst hatte ihn schließlich zu dieser Entscheidung bewogen. Sie würde so schnell wie möglich dem Captain darüber Bescheid geben. Sie konnte nur hoffen, dass dies alles beim Oberkommando keine Konsequenzen für ihn bedeuten würde.
Am anderen Ende des Ganges hörte sie eine Tasche zu Boden fallen. Es war die von Commander Price, der wieder zurück an Bord war. Auch in seinen Augen spiegelte sich eine tiefe Traurigkeit wieder, die sie überraschte. War sein Besuch etwa nicht gut verlaufen?
Mit sanften Schritten näherte sich der Halbbetazoid ihr und blickte sie aus traurigen Augen an.
„Ich bin endlich frei für dich“, flüsterte er und wollte ihre Hand ergreifen.
„Aber ich derzeit nicht, “ entgegnete die Chefärztin ebenso flüsternd und zog sich traurig in ihr Quartier zurück.
...und die Reise geht weiter - am Samstag, dem 28.08.2004
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ALTERNATIVEN
based upon "STAR TREK" created by GENE RODDENBERRY
produced for TREKNews NETWORK
created by NADIR ATTAR
executive producer NADIR ATTAR
producer SEBASTIAN OSTSIEKER lektor OLIVER DÖRING
staff writers CHRISTIAN GAUS & THOMAS RAKEBRAND and OLIVER-DANIEL KRONBERGER
written by NADIR ATTAR
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This is a FanFiction-Story for fans. We do not get money for our work!
Quelle: treknews.de
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