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...die letzte Verführung der Nacht
  • Monitor - 7x11: Kampf

    20:00 - 22:00 Uhr
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    Nur noch zwei Episoden! Wird der Präsident der Erde am Ende des Tages noch im Amt sein oder wird er am Ende von seinen eigenen Vertrauten abgesetzt werden und welche Rolle spielt dabei Edward Jellico?
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    Monitor 7x11 "Kampf"


    Das letzte Mal in 7x10 „Zusammenkunft“:

    Irgendwann hatte sich die Intendantin dazu aufgerafft etwas zu unternehmen. Sie fühlte sich durch den Auftritt des neuen Regenten in ihrem Stolz gekränkt. Was glaubte dieser Martok eigentlich, wer er war und mit wem er sprach? Immerhin hatte sie schon viele Jahre der Allianz treue Dienste geleistet und Bajor von einer kleinen Welt zu einem wichtigen Faktor innerhalb des Bündnisses gemacht. Nun stampfte dieser grobschlächtige Klingone in ihr Zimmer, störte ihre Ruhe und wollte Forderungen stellen?
    Nein, dies ließ Kira Nerys nicht mit sich machen. Diese gesamte Operation war doch ihre Idee gewesen. Während alle nur untätig herumgesessen hatten, hatte sie sich der Gefahr durch die Menschen im Spiegeluniversum angenommen. Es war sie gewesen, die in lange Verhandlungen mit James Talley getreten war. Die ihm Material und Mittel zur Verfügung gestellt und die diese Operationsbasis aufgebaut hatte. Niemand hatte an den Erfolg dieser Operation geglaubt, bis auf sie. Natürlich hatten sie ihr Ziel nur teilweise erreicht, doch jeder tote Terraner war doch die Sache wert gewesen, zumindest sah sie dies so! Sie ließ sich nicht die Butter vom Brot nehmen, wie das die verdammten Menschen auszudrücken pflegten. Daher begann Kira sich schnell anzukleiden, suchte ihre wichtigsten Sachen zusammen und machte sich auf den Weg in die Arrestzellen.
    Dort angekommen fand sie immer noch ihre beiden Gefangenen vor. Krachend öffnete sie die Zellentür und vernahm sofort den strengen Geruch der Leiche von James Talley. Verdammt, sie hatte tatsächlich vergessen diese wegzuräumen. Überrascht von ihrer Besucherin sprangen sowohl Janine als auch Danny Bird auf, die bis eben noch in der Ecke geschmust hatten. Diese Geste verursachte ein Lächeln bei der Intendantin. Beziehungen waren so leicht zu durchschauen. Nur zu gerne hätte sie noch etwas die Dynamik dieser Liebschaft beobachtet, doch alles musste einmal ein Ende haben. Immerhin musste Kira irgendwie den neuen Regenten ärgern und ihr fiel keine bessere Methode als diese ein. Außerdem wurde sie langsam der Gefangenen überdrüssig, was wohl mal wieder am Besten mit ihrer geringen Aufmerksamkeitsspanne zu erklären war.
    „Was wollen sie?“ fauchte Danny sie an, obwohl er sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte.
    „Ich beende diese Farce“, erklärte die Bajoranerin und bedeutete den beiden Wachen in die Zelle einzutreten. „Alles hat einmal ein Ende. Das ihrige ist nun gekommen.“
    Martok würde rasen vor Zorn, wenn sie ohne sein Wissen und vor allem ohne sein Einverständnis die beiden Menschen exekutiert hätte. Genau dies war Kiras Absicht. Bird und Talley waren schon längst unwichtig in diesem Machtkampf zwischen der Intendantin und dem Regenten geworden.
    Wie aufs Stichwort hoben die beiden Wachen ihre Gewehre und legten sie auf die beiden Gefangenen an. Ein mulmiges Gefühl überkam Danny Bird nun. Obwohl er sich die letzten Stunden mit der durchaus realistischen Chance seines Todes auseinandergesetzt hatte, wirkte es immer noch unwirklich auf ihn. Doch scheinbar war nun der Zeitpunkt gekommen, wo sein Leben endete. Gespannt wartete der Lieutenant darauf, dass sein Leben an ihm vorbeizog, wie man das aus zahlreichen Filmen und Büchern kannte, doch irgendwie geschah dies nicht. Er sah einfach nur das Gewehr vor sich, welches auf ihn gerichtet war. Danny spürte, wie Janine langsam seine Hand griff. Also würde auch diese Liebesgeschichte für ihn unglücklich enden; mit dem einzigen Unterschied, dass mit ihr auch alles andere endete. Zu schade, dass er niemals seinen Sohn aufwachsen sehen konnte. So würde also die gesamte Familie Bird ausgelöscht sein. Seine Eltern starben bei einem Angriff der Borg und er kam nun in einem ganz anderen Universum ums Leben. Scheinbar war keinem Bird ein natürlicher Tod vergönnt.
    Obwohl er seinen bevorstehenden Tod noch nicht so recht verarbeiten konnte, hatte Danny keine Angst. Die Sekunden schienen sich zu Minuten zu dehnen, als er völlig ruhig und entspannt einen letzten Blick auf Janine warf. Die Frau, die er liebte und die dennoch nicht gut für ihn war. Auch dies war scheinbar sein Schicksal, sich nämlich immer wieder in die falschen Frauen zu verlieben.
    Genauso sehr schien der Verrat Danny Schicksal zu sein. Es grenzte eigentlich an Zynismus, dass man ausgerechnet ihn für diese Mission ausgewählt hatte.
    Er, der Verräter an der Föderation! Der Mann, der die Planetenallianz während des Krieges an das Dominion verraten hatte und deswegen eine Persönlichkeitsveränderung unterzogen worden war. Damals hatte er also die Föderation verraten, nun hatte er sich gegen die Föderale Befreiungsarmee und die Talleys gestellt. Nun also würde er sterben. Auch wenn Danny nicht an Religion oder ein übernatürliches Wesen glaubte, so fragte er sich doch, ob er nun nicht die gerechte Strafe für seine Taten erhielt. Zwar verspätet, aber immerhin. Schon einmal hatte er im letzten Jahr daran gedacht sich für seine Taten selbst zu richten, es dann jedoch unterlassen. Scheinbar hatte er nur ein Leben auf Raten genossen. Hatte ihn deswegen vielleicht die Sternenflotte für entbehrlich gehalten? Würde man seinen Tod, sollte man ihn überhaupt je erfahren, zu würdigen wissen?
    Genervt rollte die Intendantin die Augen.
    „Ich verliere langsam die Lust“, erklärte Kira Nerys genervt und war ihren Kopf theatralisch in den Nacken. „Tötet beide.“
    Die Finger der beiden Wachmänner bewegten sich in Richtung Abzug, dies konnte Danny ganz deutlich sehen. Es war fast wie eine Zeitlupensequenz, als er sich seines Endes bewusst wurde.
    Das war es also wohl.
    Doch scheinbar hatte irgendjemand andere Pläne mit den beiden. Entsetzt musste die Intendantin mit ansehen, wie sich die beiden Gefangenen in einer schimmernden Transportersäule auflösten. Sie wurden vor ihren Augen weggebeamt.
    „NEIN!“ kreischte die Frau, die Tausende von Leben auf dem Gewissen hatte.
    Im nächsten Moment begann das Bombardement der Klingonen…


    Und nun die Fortsetzung…

    Nichts war beständiger als der Wechsel. Wie zutreffend dieses Sprichwort war, hatte Lieutenant Danny Bird am heutigen Tage schon häufig erleben müssen und auch dieses Mal änderte sich die Situation grundlegend. Eben noch hatte er mit seinem Leben abgeschlossen, als er in die Mündungen von bajoranischen Gewehren geblickt hatte. Nun materialisierte er jedoch gemeinsam mit Janine an einem gänzlich anderen Ort. Desorientiert von dem unerwartete Transfer und immer noch von Schmerzen überwältigt, sank Danny keuchend zu Boden. Angesichts der Beleuchtung, den Gerüchen und den Lauten, die er um sich herum vernahm, erkannte der taktische Offizier der Monitor, dass er sich an Bord eines klingonischen Schiffes befand. Benommen blickte sich Danny um und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass auch Janine an Bord gebeamt worden war. Also war auch sie der Exekution durch die Intendantin entkommen. Die Frage war jedoch, wie lange sie nun dem Ende ihres Lebens entronnen waren. Als nächstes erhaschte der immer noch am Boden liegende einen Blick auf den Wandschirm des klingonischen Schiffes (demzufolge musste er sich also auf der Brücke befinden). Zu sehen war der Mond und, wie mehrere rote Objekte, augenscheinlich Torpedos, auf die Oberfläche des Erdtrabanten zurasten. Explosionen ereigneten sich auf dem Mond, scheinbar wurde er von der im Orbit befindlichen klingonischen Schiffe beschossen. Das Ziel der Angriffe war für Bird sofort ersichtlich: offenkundig wurde der Bunker, in dem sich die Intendantin aufhielt, bombardiert.
    Zwei ruppige Hände ergriffen Bird an den Schultern und hievten ihn auf seine Beine, so dass er dem Klingonen, der mit ihm sprach, in die Augen blicken konnte. Wie erwartet handelte es sich bei seinem Retter um den Regenten. Nur zweifelte der Lieutenant an den lauteren Absichten von Martok.
    „Wollen Sie mir nicht danken, ehrloser Hund?“ fragte ihn Martok und verzog sein Gesicht zu einem widerlichen Grinsen. „Immerhin habe ich Sie vor der Hinrichtung durch die Intendantin gerettet.“
    „Wieso habe ich nur das Gefühl, dass Sie dies nur getan haben, um diese Freude selbst übernehmen zu können?“
    Mit dieser Aussage bewegte sich Bird auf dünnem Eis, doch er hatte nichts mehr zu verlieren. Für ihn waren sein Tod sowie der von Janine unausweichlich. Selbst seinem noch ungeborenen Baby rechnete er nicht gerade große Überlebenschancen zu. Jetzt ging es nur noch darum diese Welt anständig und aufrecht zu verlassen.
    „Sie sind wirklich klug, Lieutenant!“ bestätigte Martok seine Befürchtungen. „Natürlich wollte ich mir nicht den Spaß nehmen lassen sie zu exekutieren. Doch alles zu seiner Zeit. Erst einmal werden wir zur Heimatwelt fliegen. Mal sehen, welche Informationen wir noch von ihnen erhalten können.“
    Danny erstarrte, nachdem er diese Worte vernommen hatte. Diese Aussicht war noch schlimmer als der Tod. Nach Qo´nos gebracht zu werden, wo man ihn erbarmungslos foltern würde, war keine angenehme Vorstellung. Viel schlimmer war noch, dass man Informationen über die Föderation aus ihm herausholen wollte. Egal, wie sehr man sich verweigerte, irgendwann brach jeder Mensch bei Folter, dies wusste der Lieutenant. Schon während der Gefangenschaft auf dem Mond hatte er fast seine Grenze gesehen und die Klingonen würden sicherlich noch darüber hinausgehen. Angesichts dieser Drohung war ein Freitod die fast schon bessere Alternative.
    Mit einer einfachen Handbewegung bedeutete der Regent seinen Brückenoffizieren die beiden Gefangenen in die Zellen zu bringen. Gegenwärtig wollte er sich noch an der Vernichtung des Bunkers und dem damit verbundenen Tod der Intendantin ergötzen. Immerhin sollte man eine Freude nach der anderen genießen.

    All die Planung war umsonst gewesen. Gemeinsam mit dem Bruce Land von der Spiegel-Defiant hatte er innerhalb kürzester eine ausgeklügelte Aktion ausgetüftelt, die nun völlig umsonst war. Gerade als die beiden Schiffe ihre Tarnung aktiviert und Kurs auf den Mond genommen hatten, begannen die Klingonen mit der Bombardierung der Oberfläche. Mit dieser Wendung der Ereignisse hatte niemand gerechnet. Ungläubig, ja geradezu entgeistert blickte die Brückencrew auf den Wandschirm der Monitor. Explosionen, ausgelöst durch den Beschuss mit Photonentorpedos, züngelten über die Oberfläche. Alles, was vormals dort gewesen war, wurde dem Erdboden gleich gemacht. Die Vorstellung, dass sie zu spät kamen und Danny Bird nun in einem Hagel aus Torpedos ums Leben gekommen war, trieb Captain Lewinski fast in den Wahnsinn. Nur mit größter Mühe konnte er sich zwingen den Blick vom Wandschirm zu nehmen und fragte Lieutenant Tellom:
    „Arena, können sie mit den Sensoren irgendein Anzeichen von Danny finden?“
    Auch die Terellianerin brauchte einen Moment, um ihren Blick zu lösen und wandte sich dann den Kontrollen ihrer Wissenschaftsstation zu. Ihre Finger flogen über die Tasten, sie scannte das gesamte Gebiet und analysierte die gewonnen Daten. Doch es dauerte zu lange.
    „Verdammt, Lieutenant, was ist nun?“
    Nicht nur die übrigen Brückenmitglieder, auch Lewinski selbst zuckte unter der Lautstärke der Worte zusammen. An ihnen allen nagten die Müdigkeit, der Stress und die Sorge um einen geschätzten Freund. John rügte sich selbst für seine überzogene Reaktion, entschuldigte sich jedoch noch nicht. Dies konnte bis nach der Krise warten.
    Schließlich schüttelte die Ehefrau von Ardev den Kopf.
    „Aufgrund des Bombardements gibt es zahlreiche Interferenzen, doch ich kann keine menschlichen Lebenszeichen entdecken.“
    Lewinski war so überrascht von dieser Nachricht, dass er einen Schritt auf ihre Station zutrat.
    „Sind sie da sicher?“
    „Absolut, Sir. Auf dem Mond befinden sich nur bajoranische Lebenszeichen. Nicht einmal menschliche Sklaven sind da unten.“
    „Wo sind sie dann?“ fragte der Captain und es schien, als hätte er mit sich selbst, denn mit Lieutenant Tellom gesprochen.
    „Ich denke, ich weiß es!“ platzte Lieutenant Alex Bolder, der den abwesenden Ardev an der Einsatzstation vertrat, dazwischen. „Parallel zu Lieutenant Tellom habe ich das klingonische Flaggschiff gescannt…ich orte dort zwei menschliche Lebenszeichen!“
    „Nur zwei?“ Für einen kurzen Moment keimte neue Hoffnung in John auf, doch die Zahl der georteten Lebenszeichen gefiel ihm ganz und gar nicht. „Können Sie sie identifizieren?“
    „Nicht auf diese Entfernung und schon gar nicht bei aktivierter Tarnvorrichtung. Alles was ich sagen kann ist, dass es sich um einen Mann sowie eine Frau handelt!“
    Commander Price drehte sich von seiner Navigationskonsole weg und blickte seinen Kommandanten an. Sein Blick sprach Bände und Captain Lewinski empfand genauso. Woher sollten sie wissen, ob es sich bei diesem männlichen Lebenszeichen um Danny handelte? Vielleicht war es ja auch James Talley, der gemeinsam mit seiner Tochter entkommen konnte und vorher Lieutenant Bird getötet hatte. Leider schien es keine Möglichkeit zu geben eine definitive Auskunft zu erlangen. Intensiv blickten sich Matt und John an. Es bedurfte keiner Worte zwischen den beiden, nach all den Jahren verstanden sie sich blind. Die Meinungsverschiedenheiten, die es heute Morgen noch zwischen ihnen gegeben hatte, sogar die versuchte Meuterei des Halbbetazoiden, all das war nun vergessen. Sie funktionierten wieder als Team, in dem sich jeder auf den anderen verlassen konnte. Ohne auf einen weiteren Befehl zu warten, wandte sich Price wieder seinen Flugkontrollen zu und programmierte einen Abfangkurs auf das klingonische Schiff. Captain Lewinski wies Bolder an, einen Kommunikationskanal zur Defiant zu öffnen. Schon im nächsten Moment erschien das Gesicht seines scheinbaren alten Freundes Bruce Land auf dem Schirm. Abermals musste sich der Kanadier daraufhin in Gedächtnis rufen, dass es sich bei diesem Land um eine gänzlich andere Person handelte.
    „Ich gehe davon aus“, sagte sogleich Land, dem natürlich dieselben Daten wie der Monitor zur Verfügung standen, „dass sich unsere Pläne geändert haben.“
    „Nur unwesentlich“, entgegnete Captain Lewinski und fiel unbeabsichtigt wieder in das vertraute Du zurück. „Wir haben uns darauf eingestellt die Aktion auf dem Planeten durchzuführen. Nun muss sie eben an Bord des klingonischen Schiffes stattfinden. Bist Du noch dabei?“
    Überrascht runzelte Bruce Land die Stirn und blickte sich kurz zu einigen Menschen um, die außerhalb des Erfassungsbereichs der Kamera waren.
    „Das ist eine ganze klingonische Armada!“
    „Wenn ich richtig informiert bin, habt Ihr euch schon schlimmerem gegenüber gestellt“, versuchte ihn Lewinski zu überzeugen. „Mit beiden Schiffen haben wir eine Chance. Wir fliegen koordinierte Angriffe auf das klingonische Flaggschiff und nutzen dabei unsere Tarnvorrichtung aus. Alles was wir tun müssen, ist eine kleine Lücke in die Schilde zu schießen, damit wir unsere Trupps reinbeamen können. Ich gehe nicht davon aus, dass die Klingonen noch lange in diesem System bleiben werden, also schlage ich vor, dass du eine Entscheidung triffst!“
    Abermals zögerte Land und blickte nun zu seinem Navigator, der pikanterweise Martin Lewinski war. Dieser nickte ihm zu. Eine solche Chance, den Regenten noch einmal gefangen zu nehmen, bekamen sie nie wieder. Es galt diese nun beim Schopfe zu ergreifen.
    „Also gut“, erklärte sich Bruce Land schließlich einverstanden. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“
    Das alte menschliche Sprichwort zauberte ein Lächeln auf das Gesicht von Captain Lewinski. Sie hatten eine realistische Chance, dies wusste er. Optimistisch ließ er die Monitor auf Abfangkurs gehen. Die entscheidende Schlacht stand ihnen nun bevor.

    Gesättigt und äußerst zufrieden legte der Präsident der Vereinigten Föderation der Planeten die Serviette beiseite, mit der er sich eben noch den Mund abgeputzt hatte. Das Abendessen, welches er mit seinen am heutigen Tage wichtigsten Beratern eingenommen hatte, war exzellent gewesen. Auch Edward Jellico und Commander Elana Kranick war deutlich die Begeisterung über das Essen anzusehen. In gewisser Weise war es wie eine Belohnung für den furchtbaren heutigen Tag gewesen. Noch konnten sie sich nicht ausruhen, denn es gab noch jede Menge abschließender Maßnahmen zu erledigen. Doch ein Ende war endlich in Sicht und diese Aussicht machte Hoffnung.
    „Ich hoffe, es hat Ihnen gut geschmeckt“, hoffte der Präsident und trank sein Glas leer.
    „Es war wundervoll. Wenn ich schon früher gewusst hätte, wie gut Sie jeden Tag speisen, dann hätte ich mich schon viel früher zum Verbindungsoffizier machen lassen, “ scherzte Commander Kranick.
    Auch der Justizminister stimmte ihr zu, verzichtete jedoch auf einen Kommentar. Seinem Gesichtsausdruck war auch so deutlich zu entnehmen, dass er ähnlich begeistert war.
    Unerwartet trat ein junger Agent des Secret Service in den Speisesaal ein und beugte sich zum Präsidenten herunter.
    „Verzeihen Sie die Störung, Sir, “ erklärte der junge Agent, „aber der Innenminister würde gerne mit Ihnen sprechen!“
    „Der Innenminister?“
    Irritiert blickte Jellico von seinem Platz auf. Der ehemalige Admiral hatte sich schon gefragt, wann diese Sache ins Rollen kam. Dass die übrigen Kabinettsmitglieder jedoch so schnell zur Tat schritten, überraschte selbst ihn.
    Der Präsident entschuldigte sich bei seinen beiden Tischgenossen und erhob sich, um in sein Büro zu gehen. Dort angekommen wartete der Innenminister, dessen Gesicht auf dem Kombildschirm zu sehen war, schon auf den Präsidenten. Dabei musste das Staatsoberhaupt überrascht zur Kenntnis nehmen, dass nicht nur der Innenminister auf der anderen Seite der Leitung wartete, sondern auch der gesamte Rest des Kabinetts.
    „Es tut mir leid, dass ich Sie auf diese Art und Weise belästigen muss, Sir“, entschuldigte sich der Innenminister. „Aber ich und die anderen Mitglieder ihres Kabinetts sahen leider keine andere Möglichkeit mehr.“
    Bevor er zu einer Antwort ansetzte, versuchte der Präsident in die Minen derjenigen Personen zu schauen, die er aus seinem Blickwinkel ausmachen konnte. Ausnahmslos alle, selbst der Gespräch führende Innenminister, wirkten fast schon beschämt aufgrund dieser Situation. Doch ebenso sehr war eine gewisse Standhaftigkeit zu erkennen. Was immer sein Kabinett von ihm auch wollte, offenbar war es ihnen überaus Ernst.
    „Ist schon gut“, erwiderte der Präsident und hob beschwichtigend seine Hände. „Jedoch bin ich offen gesagt etwas irritiert über ihre Versammlung, von der ich gar nichts weiß. Immerhin hätte eine solche auch im Parlamentsgebäude oder hier stattfinden können.“
    Fast schon beschämt blickte der Innenminister angesichts dieser Worte zu Boden.
    „Der Grund dafür ist der, dass Sie das Diskussionsthema sind, Mr. President.“
    Verdutzt runzelte der Angesprochene die Stirn.
    „Wie meinen sie dies?“
    „Hat Ihnen den Justizminister Jellico nichts gesagt?“
    „Was hätte er denn sagen sollen?“
    Verstehend nickte der Innenminister und blickte kurz zu seinen Kollegen. Edward Jellico hatte also nicht das Ultimatum an den Präsidenten ausgerichtet, sondern sich stattdessen in Schweigen gehüllt. War der ehemalige Admiral der Sternenflotte etwa weitaus weniger loyal gegenüber dem Präsidenten, als er vorgab zu sein?
    „Mr. President, eigentlich sollte Edward Jellico Ihnen ausrichten, dass wir nicht ganz zufrieden mit der Art und Weise Ihrer Führung am heutigen Tage sind. Natürlich haben Sie diese Krise bewältigt und durch Ihr Handeln wurde eine große Katastrophe abgewendet, doch der Umstand, wie Sie dies getan haben, gefällt uns Ministern nicht. Daher wollten wir Ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme bieten, doch unser Anliegen schien wohl nicht an Sie weiter getragen worden zu sein.“
    Der Präsident wusste nicht, was er angesichts dieser obskuren Situation sagen sollte und noch viel mehr entsetzte ihn die Tatsache, dass Edward Jellico von diesem Treffen des Kabinetts gewusst hatte, ohne um etwas davon zu sagen. Allein dieser Umstand war ungeheuerlich!
    „Was genau, “ fragte der Staatschef und bemühte sich dabei um einen bedächtigen Tonfall, „werfen Sie mir vor?“
    Kurz senkte der Innenminister den Blick, als er scheinbar auf ein Padd oder ähnliches blickte.
    „Wir haben eine provisorische Liste an Tatsachen aufgestellt, die uns im Laufe des heutigen Tages aufgefallen sind. Ich übersende Ihnen diese Liste unverzüglich.“
    „Und was soll ich Ihrer Meinung nach tun, nachdem ich Ihre Vorwürfe empfangen habe?“
    Der Ton in diesem Gespräch verschärfte sich, dies bemerkten beide Männer deutlich. Nun galt es diese Situation auf keinen Fall eskalieren zu lassen.
    „Wir würden Sie gerne hierher bitten, um von Angesicht zu Angesicht mit ihnen über diese Punkte zu sprechen.“
    „Soll dies ein Verhör werden? Oder ein Gerichtsverfahren?“
    „Um Himmels Willen, nichts dergleichen!“ winkte der Innenminister entsetzt ab. Auf keinen Fall wollte er, dass ein falscher Eindruck entstand.
    „Für mich sieht es aber danach aus, wenn der Präsident von seinen Ministern herzitiert wird!“
    „Mr. President, wir wollen Sie nicht zitieren oder zu uns befehlen. Doch als demokratisch legitimierte Vertreter des Volkes müssen wir die Wahrung der Gesetze und der Vorschriften überwachen. Unserer Meinung nach wurde der Demokratie heute durch Ihr Vorgehen massiver Schaden zugefügt, der in einem Vertrauensverlust durch die Bürger resultieren kann.“
    Immer mehr verfinsterte sich der Blick des Präsidenten.
    „Werfen sie mir Despotismus vor?“ fragte er zornig.
    „Ich bitte Sie, Sir, lesen Sie das Dokument und kommen Sie dann bitte in mein Ministerium. Damit wir die angesprochenen Dinge aus der Welt schaffen können.“
    „Ich überlege es mir.“
    Ohne jedes weitere Wort der Verabschiedung beendete der Präsident die Verbindung. Was er in den letzten fünf Minuten gehört hatte, war für ihn unfassbar. Die Minister taten sich zusammen und schienen gegen ihn zu konspirieren. Noch schlimmer war der Umstand, dass Edward Jellico von allem gewusst und ihn dennoch nicht informiert hatte. Scheinbar wurde sein Vertrauen bitter enttäuscht.
    Dennoch musste eine Lösung für dieses Problem gefunden werden. Daher öffnete der Präsident das digitale Dokument und begann sich die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, durchzulesen…

    Ke’lers Körper war geschunden worden. Ohne Pause hatte T’Nol sein Werk vollbracht und dabei nichts ausgelassen.
    Er hatte keine Fragen gestellt.
    Wozu auch? Die Antworten interessierten ihn nicht. Ke’ler hatte während der letzten Stunden immer gegen Telk intrigiert. Selbst er, der während der letzten Stunden keinen Dienst gehabt hatte, hatte die wilden Spekulationen gehört, die Gerüchte über die Tal Shiar Agentin, die gegen Telk ihre Mission durchziehen wollte. Die jeden Befehl im Munde des Kommandanten umgedreht hatte, bis er ihren Anforderungen genügte. Mit welchem Ergebnis? Das Schiff hatte doppelt so viele Passagiere an Bord, wie es eigentlich aushielt. Und nun musste die Hälfte der Leute eingesperrt werden. Die ganzen Agenten, die bis vor wenigen Stunden noch auf Talar Dienst taten, die von den angreifenden Föderationsmitgliedern gerettet wurden, saßen nun, eingesperrt und ahnungslos, in viel zu kleinen Quartieren und Frachträumen.
    Zweifel. Zweifel hatten weder T’Nol noch Ke’ler je in ihrem Leben gehabt. Das System hatte sie indoktriniert, unterwürfig gemacht, zu perfekten Kriegern. Willenlos und intelligent, ausdauernd und skrupellos.
    Ke’ler hatte ebenso geschwiegen. Sie wusste, dass sie nichts hätte sagen können um ihre Situation zu verbessern. Die Wahrheit wäre bei ihm auf taube Ohren gestoßen – eine Lüge hätte ihn nur noch mehr angestachelt.
    Zwischendurch verlor sie hin und wieder das Bewusstsein. In irgendeiner dieser fehlenden Minuten war T’Nol gegangen – und der Arzt Menek hatte den Raum betreten. Er scannte sie mit seinem Tricorder. Sie erschrak kurz über die plötzlich Anwesenheit des Mediziners. Doch sie war schon seit geraumer Zeit nicht mehr die Herrin über ihren Körper. Er zeigte keine adäquaten Reaktionen für ihre Gefühle mehr.
    „Es tut mir leid, wenn ich Sie aufgeweckt oder erschreckt habe...“, entschuldigte sich Menek. Natürlich konnte er bis zu einem gewissen Grad erkennen, was sie fühlte. Solange er ihre Adrenalin Werte ablas, war er in der Lage zu erkennen, ob Sie Angst hatte oder sich anspannte.
    „Sie... sind... so... freundlich...“, murmelte Ke’ler. Soweit es ihr zumindest möglich war, ihren gebrochenen Kiefer zu bewegen.
    Menek schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht freundlich. Ich erfülle nur einen Eid. Und ich werde wegen Ihnen nicht zu einem schlechten Arzt.“
    „Menek...“, flüsterte sie und der Arzt lehnte sich noch ein Stück näher an die Festgekettete Agentin heran, um sie besser zu verstehen. „Ich... war... es... nicht.“
    Seufzend, aber ansonsten stumm, zog sich Menek wieder zurück und fuhr mit seinen Untersuchungen fort. Ke’ler sah es seinen Augen an, dass er ihr keinen Glauben schenkte.
    Der Arzt atmete einmal tief durch. „T’Nol wird bald wieder hier sein. Sie sollten kooperieren – ansonsten kann ich Ihre sichere Heimkehr nicht mehr garantieren.“
    Ke’ler antwortete nicht.
    Menek deaktivierte seinen Tricorder und packte seine Sachen zusammen.
    „Wissen Sie, was am traurigsten an dieser Sache ist?“, fragte der Arzt rhetorisch. „Ich wäre zum Abendessen gekommen. Ich habe mich sogar darauf gefreut. Aber so...“
    Ohne weitere Worte verließ Menek den Raum und ließ Ke’ler allein zurück. Nicht nur ihr Körper war es nun.

    Bevor er das Büro des Föderationspräsidenten betrat, strich Edward Jellico ein letztes Mal seinen Anzug glatt, um einen vernünftigen Eindruck zu machen. An sich eine überflüssige Geste. Nicht nur, weil eine Kleidung angesichts des Tages schon völlig zerknittert war, auch war ihm vollkommen klar, wieso er sich bei dem Präsidenten melden sollte und der Grund hierfür war alles andere als erfreulich. Innerlich haderte der Justizminister mit sich, wie er nun mit der Situation umgehen sollte. Wahrscheinlich brachte es nichts etwas abzustreiten, denn sein Part in dieser Sache war allzu deutlich.
    „Sie wollten mich sprechen, Mr. President?“ fragte der ehemalige Admiral, nachdem er das Büro betreten hatte. Überall lagen Padds mit Berichten herum, sowie ausgetrunkene Flaschen und Gläser, welche man noch nicht weggeräumt hatte. Die Spuren eines anstrengenden Tages. Der Präsident blickte von dem Padd auf, welches er aufmerksam studierte, und musterte den Neuankömmling. In seinen Augen war vor allem eins zu erkennen: Enttäuschung.
    „Ich denke mal“, meinte der Präsident mit emotionsloser Stimme, „Sie können sich denken, wieso Sie nun hier sind.“
    Kurz überlegte Edward, ob er nicht alles abstreiten sollte, entschied sich dann jedoch dagegen.
    „Ja, dies kann ich. Es geht um die Angelegenheit mit dem Kabinett.“
    Besonnen nickte der Staatschef. Er hatte mit dieser Antwort gerechnet.
    „Eine Angelegenheit, von der Sie gewusst und mir dennoch nichts gesagt haben“, murrte der Präsident.
    „Ich dachte, es gäbe noch mehr Zeit und ich wollte auf den richtigen Moment warten.“
    Wütend schlug der Präsident mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch und fixierte sein Gegenüber mittels seines Blickes. Für einen kurzen Moment hatte er die Fassung verloren, doch sofort gewann er die Kontrolle zurück.
    „Dies ist eine Lüge und dies wissen Sie. Der Innenminister hat Sie mit der Benachrichtigung meiner Person beauftragt und Sie haben dies versäumt. Ich will den Grund dafür wissen.“
    Jellico überlegte, ob er die Wahrheit sagen sollte. Er entschied sich jedoch für Schweigen. Doch der Präsident ließ sich nicht so einfach abspeisen. Zornig erhob er sich von seinem Stuhl und trat an Edward heran, so dass er ihm in die Augen sehen konnte. Zwar war der Präsident kleiner als er, doch diesen Größenunterschied glich er durch sein Charisma und selbstsicheres Auftreten aus.
    „Sie wünschen sich das Ende meiner Präsidentschaft“, flüsterte das Staatsoberhaupt fast, ohne dabei Jellico aus den Augen zu lassen. „Nachdem Sie heute den ganzen Tag in meiner Nähe verbracht und damit unmittelbar am präsidialen Geschehen beteiligt waren, haben Sie Blut geleckt. Sie haben Gefallen an der Macht gefunden und wollen mehr davon.“
    „Wenn Sie das so sehen…“ erwiderte Jellico mit fast schon gelangweilter Stimme.
    „Sie wollen das Ende meiner Präsidentschaft, was unwiderruflich Neuwahlen zur Folge hätte. Ich kenne ihren Ruf bei den Kabinettsmitgliedern; Sie hätten die mögliche Unterstützung, um sich für eine eventuelle Präsidentschaftswahl aufstellen lassen zu können. Daher haben Sie mir nichts von alledem erzählt. Aber Ihr Plan wird scheitern, ich habe mich auf diese aberwitzigen Anschuldigungen vorbereitet.“
    Der ehemalige Admiral der Sternenflotte schwieg immer noch, während der Präsident zu dem Padd griff, welches er eben noch gelesen hatte, und es in die Höhe hielt.
    „Zu viele alleinige Entscheidungen…zu geringe Auswahl an Beratern…Einsetzen der Sternenflotte, ohne das Kriegsrecht zu verhängen…das Laufen lassen von Captain Lewinski…, “ zitierte der Präsident den Inhalt, die einer Anklageschrift gleichkam. „Diese Vorwürfe sind haltlos.“
    Endlich brach Edward sein Schweigen und meinte:
    „In einer Demokratie gibt es Regeln.“
    „Erzählen sie mir nichts von Regeln und Demokratie! Es ist doch keine fünf Jahre her, da saßen sie selbst noch wegen Verschwörung und Mitgliedschaft bei Sektion 31 im Gefängnis!“
    „Gerade deswegen glaube ich nun an die Werte, die unseren Staat ausmachen oder zweifeln Sie meine Läuterung an?“
    Dem Präsidenten lag eine spitze Antwort auf der Zunge, doch er sprach sie nicht aus. Für einen solchen Kleinkrieg hatte er nun keine Zeit.
    „Ich werde mich nun auf den Weg zum Kabinett machen. Sie werden an Ort und Stelle verbleiben, denn leider Gottes brauche ich Sie noch. Derzeit kann ich keinen neuen Mann in die gegenwärtige Lage einweisen. Doch wenn dies alles beendet ist, werden Sie sich verantworten müssen.“
    Ob diese Aussage eine Drohung oder eine Tatsache war, wusste Jellico nicht. Klar war ihm jedoch, dass das Tuch zwischen ihm und dem Präsidenten zerschnitten war. Scheinbar würden sie in Zukunft getrennte Wege gehen.

    Es war so weit, die beiden Schiffe der Defiant-Klasse, die von so unterschiedlichen Besatzungen bedient wurden, machten sich zum Angriff bereit. Zwar stand ihnen eine fast schon gigantische klingonische Flotte im Weg, doch sie besaßen einige unbestreitbare Vorteile. Zum einen war da das Überraschungsmoment; ein Faktor, der selbst im 24. Jahrhundert noch eine entscheidende Rolle spielte. Die Klingonen rechneten nicht damit so tief im Raum der Allianz von den Rebellen angegriffen zu werden. Innerlich schauderte Lewinski, als er über seinen eigenen Ausdruck nachdachte. Immerhin war dies das Sol-System und mit ihr die Erde, der Ursprung der Menschheit. Doch der Heimatplanet war schon seit einem Jahrhundert nur noch eine radioaktive Wüste und der gesamte Sektor wurde von der Allianz beansprucht.
    Der Überraschungseffekt wurde nicht zuletzt durch die Tarnvorrichtung unterstützt. Eine Technologie, die den Völkern des Spiegeluniversums fast unbekannt war. Zumindest waren sie bisher nicht in der Lage gewesen, selbst die Tarntechnologie zu entwickeln. Eigentlich ein Umstand, der jeden stutzig machen musste. Immerhin gab es nichts, was die Entwicklung der Technik mehr Auftrieb gab als ein kriegerischer Konflikt. Doch obwohl das Spiegeluniversum seit hunderten von Jahren durch Kriege erschüttert wurde, war ihnen die Entwicklung des Tarnfeldes nicht gelungen. Vor einigen Jahren hatte die Allianz versucht ein Gerät aus dem Föderationsuniversum zu stellen, scheiterten jedoch. Dieses Tarngerät war nun in die Spiegel-Defiant eingebaut worden und leistete den Rebellen bei ihren Kämpfen, die sie immer in Unterzahl austrugen, nützliche Dienste.
    Doch die Rebellen hatten weiterhin Probleme an Boden zu gewinnen. Zu stark waren die Kräfte der Allianz, zu unerschöpflich schien ihr Vorrat an Schiffen und Soldaten. Erfolge waren zu erkennen, dies war unbestreitbar, doch sie erfolgten in zu geringem Maße. Würde der Konflikt auf diesem Niveau weitergehen, so würde er noch Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte dauern.
    Da die Allianz in diesem Universum also nicht über eine Tarntechnologie verfügte, kannten sie auch keinerlei Möglichkeiten, um sich gegen diese zu schützen. Taktiken wie z.B. ein Tachyonendetektionsgitter waren ihnen völlig unbekannt und konnten dazu beitragen, dass sich die beiden Schiffe nur dem klingonischen Flaggschiff stellen mussten. Einem aufgeregten Bienenschwarm gleich würden sowohl die Defiant als auch die Monitor sich abwechselnd auf den Gegner stürzen, bis seine Schilde zusammenbrachen. Wenn sie das ganze richtig anstellten, würden anderen Schiffe der klingonischen Armada gar nicht zur Erwiderung des Feuers gelangen. Nun galt es die volle taktische Erfahrung der Monitor-Crew auszuspielen.
    „Lieutenant Bolder, übermitteln Sie die Daten des Angriffsplans Alpha-4 an die Defiant. Sie sollen sich an dieses Schema halten, “ wies der Captain den Einsatzoffizier an.
    „Sofort, Sir!“
    „Matt, beginnen Sie mit den Anflugvektoren gemäß des Angriffsplans. Fähnrich Kensington, erfassen Sie die Triebwerkssektion des klingonischen Negh´Var-Schiffs!“
    Beide Offiziere, sowohl Price als auch Kensington, wandten sich unverzüglich ihren Konsolen zu und begannen mit ihrem Handwerk. Sich auf den Wandschirm konzentrierend, strich der Captain über seine beiden Armlehnen und sehnte die Entscheidung herbei. Unbemerkt von den anderen klingonischen Schiffen näherten sich die beiden getarnten Schiffe dem Flaggschiff. Der Regent konnte auf keinen Fall ahnen, was nun auf ihn zukam. Alle Offiziere konzentrierten sich auf ihren Aufgabenbereich und warteten nur noch auf den Angriffsbefehl, den der Captain erteilen musste. Inzwischen hatte sich die Monitor so nahe an das klingonische Flaggschiff heranbewegt, dass dessen Heck den gesamten Wandschirm ausfüllte. Lewinski zögerte keine weitere Sekunde.
    „Feuer!“
    In diesem Moment zeigte sich nicht nur die hochwertige Ausbildung der Crew, sondern auch deren Erfahrung, die nicht zuletzt auf den Erlebnissen während des Dominion-Krieges basierte. Der Kommandant hatte sich immer wieder dafür eingesetzt, dass seine Mannschaft nur geringfügig ausgetauscht wurde. Es war immer sein Bestreben gewesen, eine eingespielte Besatzung zu haben und dieses zahlte sich nun aus. Die Tarnvorrichtung der Monitor wurde deaktiviert. Zwar war eine Feuereröffnung nicht unverzüglich möglich, dennoch waren die Klingonen zu überrascht, um das Geschehen zu begreifen. Sobald ihr dies möglich war, eröffnete Fähnrich Kensington mittels der Impulsphaser das Feuer und jagte noch zwei Quantentorpedos hinterher, die mit gewaltigen Explosionen an den Schilden des Negh´Var zerstoben. Noch bevor die Torpedos ihr Ziel erreichten, hatte die Monitor wieder ihre Tarnung aktiviert und war weitergeflogen. Die ganze Aktion hatte nicht länger als fünf Sekunden gedauert. Bei dieser Taktik kam es vor allem auf das Moment der Bewegung an. In der Akademie wurde sie (auf Englisch) als „Hit and Run“ beschrieben. Die Monitor entfernte sich mit hoher Geschwindigkeit vom Gegner und begann eine Schleife zu drehen, um sich in Angriffsposition zu bringen. Während sie dies tat, enttarnte sich die Defiant ihrerseits und eröffnete das Feuer, nur um im Anschluss ebenfalls zu entschwinden. So glichen die beiden Schiffe zwei wütenden Hornissen, die ihr Opfer immer wieder piesacken wollte.
    Man durfte sich keinen Illusionen hingeben: auf eine solche Art und Weise hätte man niemals das klingonische Flaggschiff zerstören können, doch dies war auch gar nicht das Ziel dieser Aktion. Vielmehr sollte einfach nur eine Lücke in die Schilde des Gegners geschossen werden. Wichtig war jedoch nur keine Angriffsfläche für die restlichen Begleitschiffe der Armada zu bilden, in dem man zu langsam war und immer wieder dieselben Anflugvektoren flog. Zwar hatte die Crew der Defiant nicht die Erfahrung einer jahrelangen taktischen Ausbildung durch die Akademie, dennoch waren sie Kampf erfahren und vor allem lernwillig. Zudem hatten sie die angestrebten Manöver durch ihr Schwesterschiff übermittelt bekommen und mussten diese nur so gut wie möglich befolgen. Dabei musste Captain Lewinski überrascht feststellen, wie gut die Angriffe der Defiant waren. Aber eigentlich erwartete er nichts anderes bei einem Kommandanten wie Bruce Land. Und bei seinem Bruder als Navigator.
    Schnell schob der Captain diese ablenkenden Gedanken beiseite, als sie einen neuerlichen Angriff flogen. Abermals entlud sich die destruktive Energie ihrer Waffen und zehrte an den Regenrationskräften der klingonischen Schilde.

    Der Angriff der beiden getarnten Schiffe kam für den klingonischen Regenten völlig unerwartet. Martok sonnte sich gerade in seinem eigenen Glanz und lobte sich dafür, dass er der Intendantin der Strafe zugeführt hatte, die sie als Versagerin verdiente. Unwissentlich strahlte er dabei jene Selbstzufriedenheit und vor allem –Verliebtheit aus, die er bei Worf immer kritisiert hatte. Eben noch hatte er Lieutenant Bird und Janine Talley hinterher geblickt, die nun in ihre Zellen gebracht wurden, dann hatte er sich wieder dem Sichtschirm zugewandt, welcher ihm das gnadenlose Bombardement des Mondes zeigte. Inzwischen musste sich der ehemalige imperiale Bunker in einen radioaktiven Schlackehaufen verwandelt haben. Es war nahezu ausgeschlossen, dass Kira Nerys dieses Bombardement überlebt haben könnte. Nun konnten sich die Klingonen also auf den Rückweg machen, wo er dann schließlich die beiden Menschen verhören und im Anschluss hinrichten würde. Zufrieden rieb sich der Regent die Hände. Zwei so wertvolle Tötung innerhalb kurzer Zeit, dies war für Martok ein freudiges Ereignis. Ein gelungener Beginn seiner Regentschaft, die hoffentlich noch lange andauern würde.
    Im nächsten Moment wurde sein Flaggschiff von Detonationen erschüttert. Nur mit Mühe konnte sich Martok auf den Beinen halten, während um ihn herum Alarmsirenen losheulten und die Brückenoffiziere aufgeregt nach der Ursache des Problems suchten.
    „Was ist hier los?“ fauchte der neue Regent.
    „Mein Regent, wir werden beschossen“, stammelte ein mehr als überraschter Klingone an der Sensorstation. „Scheinbar ist ein Schiff aus dem Nichts aufgetaucht und hat das Feuer eröffnet. Nun ist es jedoch wieder fort.“
    „Aus dem Nichts?“ Martok kombinierte sofort. „Es muss die Defiant sein.“
    Mehrfach schon war der Klingone auf das wichtigste Schiff der Rebellenflotte gestoßen, ohne es jedoch vernichten zu können. Daher wusste er um seine Kampfkraft und vor allem um die einzigartige Technologie, die es verschwinden lassen konnte. Scheinbar mussten sie sich schon längere Zeit hier aufgehalten haben. Abermals erzitterte das Schiff unter starkem Beschuss.
    „Sir!“ rief der Techniker, dieses Mal jedoch noch überraschter. „Ein zweites Schiff hat sich enttarnt und das Feuer eröffnet. Schilde bei 72 Prozent und fallend…es hat sich wieder getarnt!“
    Ein zweites Schiff? Martok konnte nicht glauben, was er da eben gehört hatte. Besaß die Rebellenflotte nun etwa ein zweites Schiff dieser Bauart, welches sich zudem ebenfalls tarnen konnte? Sofort gab er den Befehl zum Erwidern des Feuers, doch auch das zweite Schiff konnte nicht getroffen werden. Allzu viel ärgern konnten sich die Klingonen darüber nicht, denn schon im nächsten Moment begann ein erneuter Angriff. Die Eskortschiffe versuchten verzweifelt das Flaggschiff des Regenten zu schützen, ihnen gelangen jedoch höchstens Zufallstreffer.

    Nicht nur den neuen klingonischen Regenten trafen diese Angriffe unerwartet, sondern vor allem auch die beiden Wachen, die die entführten Menschen in ihre Zellen bringen sollten. Noch immer gelang es Danny Bird nur leidlich sich auf den Beinen zu halten. Wie hätte es ihm auch besser gehen sollen, wenn ihm nirgends die Möglichkeit zur Regeneration gegeben wurde. Langsam begann sein gesamter Körper gegen diese Dauerbelastung zu rebellieren. Während sie durch die unglaublich düsteren Gänge des klingonischen Schiffes schritten, blickte der Lieutenant zu seiner Begleiterin. Janine blickte starr vor sich auf den Boden, schien völlig in ihren Gedanken versunken zu sein. Eine absolut nachvollziehbare Reaktion, wenn man bedachte, dass ihr Vater vor wenigen Stunden ums Leben gekommen war. Wie schnell sich doch alles geändert hatte. Zu Beginn des Tages waren sie noch ein scheinbar unbeschwertes junges Paar gewesen, nun wusste sie von seiner Funktion als Spion und ihm war nun ihre Schwangerschaft bekannt.
    Im nächsten Moment, völlig unerwartet, erzitterte das Schiff unter einigen Erschütterungen. Das Licht flackerte für einen kurzen Moment, während Alarmsirenen losheulten. Scheinbar, dies wusste Lieutenant Bird aus seiner jahrelangen Erfahrung als taktischer Offiziere, wurden sie angegriffen. Die Sekunden schienen sich zu dehnen, als Danny zu einer Entscheidung gezwungen wurde. Für einen winzigen Augenblick wankten ihre beiden klingonischen Wachen, waren verwirrt und desorientiert. Obwohl Birds Körper immer noch unter zahlreichen Schmerzen litt, war ihm klar, dass sich hier möglicherweise ihre letzte Chance bot. Unter Aufbietung seiner letzten Kraftreserven rammte der Mensch einer Wache die Faust ins Gesicht. Eine Aktion, die aufgrund der Schädelplatten des Klingonen äußerst schmerzhaft war, ihre Wirkung jedoch nicht verfehlte. Danny hatte die einzig sich ihm bietende Möglichkeit genutzt und die Wache mit einem gezielten Schlag ausgeknockt. Ob Janine auch begriffen und ihre Chance genutzt hatte? Ängstlich sah sich Danny um und stellte fest, dass sich seine Freundin in einem Gerangel mit der anderen Wache befand. Zwar hatte auch sie sofort auf die veränderte Situation reagiert, doch ihr hatten das Glück und nicht zuletzt die Kraft gefehlt, um ebenfalls zum Erfolg zu gelangen. Entsetzt musste Danny mit ansehen, wie Janine gewürgt wurde. Wenn sie nicht schnell Herr der Lage wurden, dann wäre der Klingone in der Lage Alarm zu schlagen und dann wäre ihre letzte Chance auf Flucht vergebens gewesen. Ohne lange nachzudenken schnappte sich Bird den Dolch, der sich am Gürtel der niedergeschlagenen Wache befand, und schleuderte ihn auf die andere. Es war beileibe kein blinder Wurf, doch sorgfältig gezielt hatte der Lieutenant auch nicht. Der Einsatz einer Phaserwaffe kam in diesem Fall nicht in Frage, da sie sofort von den internen Sensoren geortet worden wäre. Inständig hoffte Danny, der eigentlich keine rechte Erfahrung mit diesen klingonischen Stichwaffen hatte, nicht zufällig seine Freundin zu treffen, doch zu seiner Erleichterung wurde die Wache durch seinen Wurf niedergestreckt. Während das Schiff unter weiteren Angriffen erzitterte, sank der Klingone röchelnd zu Boden.
    Sofort griffen sich die beiden Menschen die Phaser der Wachen und überlegten, was sie nun tun sollten.
    „Was nun?“ fragte Janine keuchend. Sie wusste, wie knapp sie gerade dem Tode entronnen war.
    „Keine Ahnung“, gestand Danny freimütig. „Bloß weg hier.“
    Gesagt, getan. Beide Menschen schlichen durch die Gänge, immer darum bemüht nicht von irgendjemandem entdeckt zu werden. Schließlich einigten sie sich auf die Shuttlerampe als Ziel. Ein eigenes Raumschiff in ihre Gewalt zu bringen schien die einzige Möglichkeit zu sein, um von hier zu entkommen.

    Der Präsident hatte sich dazu entschieden nicht allzu viel Aufhebens um das Treffen zu machen. Nur begleitet von zwei Agenten des Secret Service, die wie immer nicht von seiner Seite wichen, ließ er sich in das Innenministerium beamen, von wo aus er direkt in den Konferenzraum gebracht wurde. Die Architekten der politischen Gebäude auf der Erde schienen ein Faible für das Altmodische besessen zu haben, denn auch wie das Präsidentengebäude war das Innenministerium voller Holztüren und anderen zeitlosen Gegenständen. Als eine dieser Holztüren ihm geöffnet wurden, erblickte der Präsident sein Kabinett, welches an dem großen ovalen Tisch Platz genommen hatte. Zwei Minister waren per Video zugeschaltet worden, weil sie aus diplomatischen Gründen auf anderen Welten weilten. Mehr als einem war dabei deutlich das Unbehagen darüber anzusehen, wie man den Präsidenten der Föderation hierher gebeten hatte. Insgeheim wünschte sich der Innenminister ebenfalls, dass es einen anderen Weg gegeben hätte. Zwar sah er sich immer noch im Recht und wollte unbedingt eine Klärung seiner Vorwürfe erreichen, doch aus Respekt gegenüber dem Staatschef hätte er sich eine andere Abfolge der Ereignisse gewünscht. Doch nun war es zu spät. Der Präsident war nun hier und wollte sich zu den Vorwürfen äußern. Alle Anwesenden im Raum erhoben sich respektvoll und warteten, bis das Staatsoberhaupt den ihm angestammten Platz am Kopfende des Tischs einnahm. Im Anschluss setzte sich auch das restliche Kabinett, bis auf den Innenminister. Immerhin hatte er dieses Treffen in die Wege geleitet, also wollte er sich auch als Wortführer betätigen.
    „Mr. President“, begrüßte er seinen Vorgesetzten höflich, „vielen Dank, dass Sie gekommen sind, um mit uns einige wichtige Punkte zu erörtern. An dieser Stelle möchte ich mich ebenfalls für das unverzeihliche Verhalten von Minister Jellico entschuldigen, welches ich nicht gutheiße.“
    „Ich habe lange überlegt, ob ich diesem Treffen beiwohnen sollte. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass ich und diese Regierung noch mehr als genug zu tun haben. Die gegenwärtige Krise ist noch nicht beigelegt und wir müssen zahllose koordinatorische Maßnahmen treffen, “ entgegnete der Präsident. Zwar klang er nicht unhöflich, dennoch versuchte er den Eindruck einer gewissen Gereiztheit entstehen zu lassen, was ihm ja auch zustand. Immerhin war er das gewählte Oberhaupt aller Föderationsbürger und ließ sich von niemandem hierher zitieren.
    Alle Augen richteten sich wieder auf den Minister des Inneren und die Anwesenden fragten sich, wie er auf diesen unterschwellig geäußerten Vorwurf reagieren würde.
    „Wir alle sind uns des gegenwärtigen Stresses bewusst, unter dem Sie stehen, Sir. Auch wir Minister mussten uns extra für dieses Treffen frei machen und unsere Aufgaben an die Staatssekretäre abtreten. Ich habe bewusst diesen späten Zeitpunkt für diese Aussprache gewählt, um so nicht mit Angelegenheiten der nationalen Sicherheit zu kollidieren. Wollen wir beginnen?“
    „Bringen wir diese Farce hinter uns“, erklärte der Präsident gelangweilt.
    Kurz räusperte sich der Innenminister und überlegte, wie er die Sache beginnen sollte. Dann entschied er sich für den direkten Weg, denn immerhin handelte es sich hier nicht um eine offizielle Sitzung. Keine Kameras waren zugegen und der gesamte Inhalt würde vertraulich bleiben. Außerdem hatte nicht nur er ein Interesse daran die Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.
    „Mr. President, verehrte Kabinettsmitglieder, ihnen allen dürften die Kritikpunkte bekannt sein, die wir erörtern wollen. Generell sind wir nicht gänzlich mit der Art und Weise einverstanden, wie der Präsident heute mit einigen Dingen umgegangen ist. Zudem zweifeln wir Ihre Entscheidung an, sich nur von zwei Personen am heutigen Tage beraten zu lassen. Ferner haben Sie am heutigen Tage einige Entscheidungen gefällt, die mindestens fragwürdig, im schlimmsten Falle sogar gesetzeswidrig waren.“
    Für einen kurzen Moment ging ein Raunen durch die Reihen der Anwesenden und der per Videokonferenz zugeschaltete Außenminister räusperte sich sogar. Zwar waren Anwesenden die Kritikpunkte bekannt, doch diese so offen vorgetragen zu hören, wirkte für die meisten dennoch befremdlich.
    „Welchen Punkt wollen Sie zuerst abarbeiten?“ fragte der Präsident, wobei er jedoch schon die Antwort kannte.
    „Wieso ließen Sie sich am heutigen Tage nur von Commander Kranick und Justizminister Jellico beraten?“ fragte der Innenminister erwartungsgemäß. „Als diese Krise begann, hatten Sie uns alle zu einem Treffen geladen und auf unsere volle Konzentrationsfähigkeit gepocht. Dann jedoch ließen Sie die meisten von uns außen vor!“
    „Dies hat mehrere Gründe. Commander Kranick wurde mir vom Sternenflottenoberkommando geschickt und besaß alle wichtigen Informationen über die vom Sternenflottengeheimdienst durchgeführte Operation, die letztendlich die am heutigen Tage stattgefundene Aktion aufgedeckt hat... Bei der Auswahl ihrer Person hatte ich kein Mitspracherecht, ich akzeptierte den Commander jedoch, da sie mich als kompetente und arbeitsfähige Frau überzeugen konnte, “ erklärte das Oberhaupt aller Föderationsvölker gelassen. „Edward Jellico bezog ich aus mehreren Gründen ein. Zum einen war er sofort verfügbar. Zum anderen ist er ein ehemalige Admiral der Sternenflotte und daher ebenfalls mit dem Prozedere dieses Apparates vertraut. Zudem konnte er mich als Justizminister über mögliche Gesetzesimplikationen beraten, die mit einigen meiner getroffenen Entscheidungen einhergehen würden. Und zu guter letzt hatte sich der Justizminister in den letzten Jahren als ausgezeichnete Quelle in Sachen Sektion 31 hervor getan. Da ich, wie viele andere auch, am Anfang diese Organisation als Drahtzieher des heutigen Anschlags vermutete, wollte ich Informationen aus erster Hand bezüglich Sektion 31 erlangen können.“
    Verstehend nickte der Innenminister und ordnete seine Notizen. Auch wenn er sich im Recht sah, so fühlte er sich nun, wo das Gespräch tatsächlich stattfand, mehr als schlecht. Eigentlich bewunderte er den Präsidenten, hatte ihn in der Vergangenheit immer unterstützt. Ihn nun an den Pranger stellen zu müssen schmerzte ihn, doch er tat es zum Wohle der Demokratie. Mit einer weltmännischen Geste deutete der Minister auf die anderen Anwesenden im Raum, bevor er erklärte:
    „Tut mir Leid, Mr. President, aber wenn ich mich in diesem Raum so umsehe, so sehe ich fast zwei Dutzend hoch kompetenter und fähiger Minister ihres Kabinetts, welche Sie ebenfalls hätten beraten können. Mehr noch, die meisten von uns haben im Laufe dieses Tages Ihre Anweisungen buchstabengetreu umgesetzt, ohne am tatsächlichen Entscheidungsprozess beteiligt gewesen zu sein. Dabei hätten es manche verdient gehabt. Ich spreche da nicht nur von mir, sondern auch von den Ressorts Verteidigung, Äußeres, Gesundheit und viele andere. Wir hätten gerne unsere Expertise zur Verfügung gestellt!“
    Bedächtig hob der Präsident eine Hand, wollte so die Diskussion für einen kurzen Moment unterbrechen.
    „Bevor ich diese Frage beantworte“, fragte er und blickte gespannt seinen Kontrahenten an, „was sind eigentlich diese Konsequenzen des Gesprächs?“
    Auf diese Frage hatte der Innenminister in der Tat gewartet, auch wenn er sie gefürchtet hatte. Doch es gab keinen Weg, sie zu umgehen, also antwortete er ehrlich:
    „Wir behalten uns das Recht vor einen Antrag auf Amtsenthebung in das Parlament einzubringen.“
    Diese Worte hätten eigentlich einen Schock darstellen müssen, doch das Staatsoberhaupt ließ sich äußerlich nichts anmerken. Er machte auch weiterhin keinen Hehl daraus, dass er in der ganzen Sache kaum mehr als eine Komödie sah. Doch er war weit entfernt davon, die Angelegenheit auf die leichte Schulter zu nehmen.
    „Ich weiß sehr wohl“, beantwortete der Präsident schließlich den eingebrachten Punkt, „dass sie alle über ein großes Wissen und an politischer Erfahrung verfügen. Sie alle haben heute erstaunliches geleistet und durch das Umsetzen meiner Anweisungen sowie durch eigenständiges Handeln sehr zur Bewältigung der heutigen Krise beigetragen. Dass ich nicht in dem Maße auf ihren Rat zurückgegriffen habe, wie auf den von Edward Jellico, hat einen anderen Grund.“
    „Der da wäre?“ fragte der Landwirtschaftsminister ungeduldig.
    „Heute mussten Entscheidungen schnell getroffen werden. Oftmals blieben mir nur wenige Augenblicke, um auf vorhandene Katastrophen zu reagieren. Aus diesem Grund konnte ich mir keine zeitraubenden Diskussionen leisten. Dennoch habe ich sie bei unserer ersten Sitzung vor knapp zwanzig Stunden über die grundlegenden Fakten informiert und ihre Ministerien wurden laufend über die aktuellen Ereignisse in Kenntnis gesetzt. Ich habe mich auf die Erfahrung von Minister Jellico verlassen und darauf basierend meine Anordnungen gegeben. Mir wäre es angesichts der schieren Zahl an heutigen Ereignissen nicht möglich gewesen jeden Punkt mit ihnen durchzusprechen. Und letzten Endes, “ schloss der Präsident ab, „bin ich der Präsident der Vereinigten Föderation der Planeten. Die Bürger von über 150 Welten haben mich in dieses Amt gewählt, um sie durch solche Krisen zu führen.“
    Der Hinweis auf seine demokratisch gestützte Legitimität war seine Trumpfkarte gewesen, die die beabsichtige Wirkung erzielte. Beschämt blickten einige Kabinettsmitglieder zu Boden, während andere bedächtig nickten. Nur wenige schienen sich durch diese Worte nicht begeistern zu lassen.
    „An Ihrer demokratischen Legitimität besteht kein Zweifel“, gestand der Innenminister offen ein. „Aber wenn Sie das Schlagwort der Demokratie einbringen, dann muss ich Sie daran erinnern, dass auch wir bzw. unsere Parteien durch Wahlen in unsere politischen Ämter gehievt wurden. Nicht zuletzt haben Sie uns zu ihren Ministern ernannt, um Ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Kurz gesagt: das Volk möchte auch unsere Beteiligung an diesen Prozessen.“
    „Es ging mir um eine Entschlackung der Befehlsstruktur.“
    „Eine solche Entschlackung der Struktur, wie Sie sie bezeichnen, sieht unsere Verfassung jedoch nicht vor!“ erklärte der Innenminister vehement seinen Standpunkt. „Nun gut, lassen wir diesen allgemeinen Punkt und wenden wir uns spezielleren Aspekten des heutigen Tages zu.“
    Kurz überlegte der Präsident, ob er genervt mit den Augen rollen sollte. Doch eine solche Geste wäre mit Sicherheit falsch interpretiert worden. Natürlich nahm er die gesamte Diskussion ernst, denn letzten Endes ging es hier um das mögliche Ende seiner politischen Karriere. Doch das Problem war einfach die fehlende Zeit! Sie vergeudeten wertvolle Minuten und Stunden damit sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, anstatt nun an einem Strang zu ziehen. Nur zu gerne hätte der Präsident nun gewusst, was es neues gibt. Wie war die Lage in Emden? War die Monitor inzwischen aus dem Spiegeluniversum zurückgekehrt? All diese Fragen blieben für ihn derzeit ungeklärt.
    Statt des Innenministers ergriff nun der Außenminister, der derzeit auf Cardassia weilte, das Wort. Auf keinen Fall sollte der Eindruck entstehen, dass der Innenminister allein der Initiator dieses Ereignisses war.
    „Mr. President, gewähren Sie mir bitte die Frage, wieso Sie die USS Monitor mit dieser Mission beauftragt haben. Wäre da nicht die Starfleet Criminal Investigation Division oder gar eine zivile Bundesbehörde geeigneter gewesen?“
    In der Tat musste der Staatschef zugeben, dass dies eine durchaus berechtigte Frage war. Jedoch keine, die er nicht hätte beantworten können. Bedächtig legte er seine gefalteten Hände vor sich auf dem ovalen Tisch ab und erklärte:
    „Der Grund ist sehr wohl nachvollziehbar. Zum einen war die Infiltration der Föderalen Befreiungsarmee durch den Geheimdienst der Sternenflotte durchgeführt worden und daher hielt ich es für angebracht die Angelegenheit weiterhin in den Händen dieser Organisation zu belassen. Zum anderen war mir klar, dass die Lösung der heutigen Krise nicht nur Ermittlungs- sondern auch Kampfkraft erfordern würde, was nur ein Raumschiff gewährleisten kann. Die Monitor gehört zu den besten Schiffen des SFI und ist mit ihrer Erfahrung, vor allem im Umgang mit Sektion 31, mehr als prädestiniert für diese Aufgabe. Der SFCID ist eine planetengebundene Abteilung, die nur wenige Raumschiffe besitzt und daher nicht für eine solche Operation zur Verfügung stand. Und letztendlich war die Monitor gerade in der Nähe.“
    Sehr zu seiner Überraschung nickte der Außenminister, dem scheinbar diese Erklärung einleuchtete. Immerhin hatte dieser keine Fragen mehr und lehnte sich interessiert zurück, um jemand anderem das Gesprächsfeld zu überlassen. Daraufhin fühlte sich der Innenminister dazu berufen, das Wort wieder an sich zu reißen. Kurz blickte er auf das Padd, auf dem die lange Liste von Vorwürfen notiert war, und suchte sich den nächsten Punkt heraus.
    „Heute morgen hat Captain Lewinski mit seiner Crew in einer illegalen Aktion seinen Bruder Martin aus dem Hochsicherheitstrakt Alpha befreit, wobei ein Wachmann ums Leben kam“, fuhr der scheinbare Ankläger fort. „Dabei handelt er ausdrücklich gegen ihren Willen, Mr. President. Er drohte sogar das Feuer auf ein anderes Sternenflottenschiff zu eröffnen, um seinen Willen durchzusetzen. Sie ließen ihn daraufhin gewähren.“
    „Sie verdrehen die Tatsachen!“
    Der Präsident hatte sich lange zurückgehalten, doch nun war ihm deutlich die Wut anzusehen. Was er da eben vernommen hatte, waren gelinde gesagt haltlose Vorwürfe, die jedweder Grundlage entbehrten. In gewisser Weise war er froh, dass dies nun zur Sprache gebracht wurde, denn so konnte er zumindest in dieser Hinsicht reinen Tisch machen.
    „Ich habe keinesfalls Captain Lewinski gewähren lassen“, erklärte der Präsident und bemühte sich dabei wieder zu einem sachlichen Tonfall zurückzukehren. „Ja, es stimmt: der Captain hat gegen meine ausdrücklichen Anweisungen gehandelt. Er verstieß gegen meine direkten Befehle und war zu schlimmen Taten bereit. Doch angesichts des Umstandes, dass sein Bruder die einzig bekannte Spur darstellte, stellte ich die Strafverfolgung zurück. Der Captain selbst erklärte sich dazu bereit, sich nach dem Ende der heutigen Krise einem Tribunal zu stellen und sich für seine Taten zu verantworten. Was hätte mir eine unverzügliche Verhaftung Lewinskis gebracht? Immerhin hatten wir einen Anschlag mit biologischen Waffen auf die Erde zu vereiteln und dank der Crew der Monitor ist uns dies auch gelungen!“
    „Heißen Sie also seine Maßnahmen gut?“
    „Nein, auf keinen Fall! Wenn die Monitor zurückgekehrt ist und wir uns sicher sind, dass der heutige Tag endlich bewältigt wurde, wird sich der Captain den Behörden übergeben.“
    Abwartend blickte der Präsident in die Runde und versuchte aus den Gesichtern herauszulesen, ob er mit seiner Argumentation den richtigen Nerv getroffen hatte. Wenn doch nur diese unsinnige Debatte bald vorbei wäre!
    Mit Wut im Bauch dachte er für einen kurzen Moment an Edward Jellico und daran, wie ihn der Justizminister belogen hatte. Wie hatte er sich in einem Menschen nur so täuschen können?
    Die Gedanken des Staatsoberhauptes wurden unterbrochen, als man mit der Arbeitung der Liste an Vorwürfen fortfuhr. Langsam begannen die einzelnen Punkte ineinander zu verschwimmen. Der Präsident machte sich auf einen sehr langen Abend gefasst…

    In der Umlaufbahn der Erde, jedoch in einem anderen Universum, zog die USS Community ihre Bahnen. Ihr Captain hatte das Kommando an den ersten Offizier abgegeben und sich in ihren Bereitschaftsraum zurückgezogen. Selina Kyle war nervös. Auch wenn sie sich dies nur ungern eingestehen konnte, sie machte sich Sorgen um die Monitor und ganz besonders um Matthew Price. Ihrem Imzadi; dem Vater ihres Kindes.
    Matt hatte seine ganze Karriere aufs Spiel gesetzt, als er sich geweigert hatte den Feuerbefehl Captain Lewinskis auszuführen. Selina hatte alles via Videoübertragung mitbekommen und war geschockt gewesen. Jedoch geschockt in einem positiven Sinne, denn selbst von dem Rebellen Matt Price hatte sie nicht erwartet, dass er sich gegen seinen Kommandanten stellen würde. Der Halbbetazoid hatte ihr immer wieder erzählt, wie sehr er zu John Lewinski aufblickte und er ihm vertraute. Es war schon eine seltsame Wendung der Ereignisse gewesen. Normalerweise war Price nie jemand gewesen, der anderen vertraut hatte und gegenüber Autoritäten war er immer misstrauisch gewesen. Auch waren die ersten Monate an der Seite von Captain Lewinski alles andere als harmonisch verlaufen. Doch im Laufe der vergangenen Jahre hatten sich die beiden so starrköpfigen Männer zusammengerauft und ein kompetentes Team abgegeben.
    Dennoch hatte sich Matt gegen ihn gestellt, als es um seine Tochter ging. Diese Geste hatte Selina beeindruckt. Er hatte Yasmin schon einige Zeit nicht mehr gesehen und manchmal zweifelte Kyle sogar an seinen Fähigkeiten als Vater. Immerhin war ihre Beziehung von komplizierter Natur und nur alle paar Monate gelang es dem Halbbetazoiden etwas Zeit mit seiner Tochter zu verbringen. Den Großteil seines Lebens war Matt ohne Vater aufgewachsen und Selina Kyle hatte Angst gehabt, dass er dem schlechten Beispiel von Arsani Parul folgen würde. Doch nun war sie mehr denn je überzeugt, dass sie mit ihrer Einschätzung falsch gelegen hatte. Sogar zu Befehlsverweigerung und Meuterei war Price willens gewesen, um seine Tochter vor Schaden zu bewahren. Und seine Imzadi.
    Ihre gemeinsame Zeit mochte zwar schon lange vorüber sein, doch das Band zwischen ihnen existierte immer noch. Sie würden für den Rest ihres Lebens auf diese bestimmte, kaum näher zu definierenden Art und Weise miteinander verbunden sein, so viel stand fest. Inzwischen war Selina bereit Matt an ihrem Leben teilhaben zu lassen. Als Freund.
    Unruhig darüber, wo nun die Monitor steckte, wanderte Captain Kyle auf und ab. Das letzte, was sie gehört hatte, war die Sichtung der Monitor-Crew in der Stadt Emden. Doch inzwischen hatte sie die letzten Stunden gar nichts mehr von dem Schiff gehört. Ein Umstand, der sie besorgte. Nach reiflicher Überlegung ließ sie sich auf einem Dringlichkeitskanal zum Büro des Präsidenten durchstellen. Überraschenderweise war die Wartezeit recht kurz und schon bald erschien das Gesicht von Commander Kranick auf dem Bildschirm.
    „Commander Kranick, ich bin Captain Kyle von der Community“, stellte sich die Kommandantin fest. „Ich hoffe, dass Sie mir mit einer Auskunft weiterhelfen können.“
    „Es tut mir leid, Captain, aber Sie rufen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt an“, versuchte der Verbindungsoffizier ihren Gegenüber abzuwimmeln, doch Selina fiel nicht auf diese Finte herein.
    „Ich möchte wissen, wo sich die Monitor befindet und zwar auf der Stelle!“
    Überrascht weitete Elena Kranick die Augen. Sie konnte nicht glauben, was sie da eben gehört hatte.
    „Es tut mir leid, aber diese Information ist geheim.“
    Bedrohlich trat Selina einen Schritt näher an den Bildschirm heran, um ihrer Anfrage mehr Nachdruck zu verleihen. Ihr war es ernst, soviel stand fest.
    „Hören sie, Commander Price ist an Bord des Schiffes und ich muss wissen, wie es ihm geht. Deswegen rufe ich Sie an. Ist die Monitor gegenwärtig in Gefahr?“
    „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.“
    „Matthew Price ist der Vater meiner Tochter!“ gestand Selina schließlich ein, die nun eine andere Taktik verwendete. Statt mit Härte aufzutreten hoffte sie nun auf etwas Mitgefühl seitens der Frau, die zwar älter war, im Rang jedoch unter ihr stand. „Ich möchte doch nur wissen, ob es ihm gut geht.“
    Natürlich hatte Commander Kranick über diese Vaterschaft bescheid gewusst. Sie kannte alle Akten der Monitor-Führungsmitglieder. Doch den sorgenvollen Blick des Captains zu sehen erweichte ihr Herz. Elena seufzte und antwortete schließlich:
    „Es geht ihm gut, keine Angst. Er wird sich sicher bald melden.“
    Eigentlich war diese Aussage eine glatte Lüge gewesen. Wahrscheinlich ging es dem Schiff gerade nicht gut, das Spiegeluniversum war ein gefährlicher Ort. Doch der Commander hatte das Bedürfnis Selina Kyle zu beruhigen und genau dies schien ihr zu gelingen.
    „Sind Sie sich sicher?“ fragte die Imzadi noch einmal nach.
    „Natürlich kann ich Ihnen nichts genaures sagen, aber es gibt keinen Grund zur Sorge“, beschwichtigte Kranick noch einmal die Kommandantin. „Ich muss nun leider mit meiner Arbeit fortfahren. Wir halten Sie jedoch auf dem Laufenden.“
    Ob Kranick dieses Versprechen halten würde, wusste Selina nicht. Doch fürs erste reichte es ihr zu hören, dass Matt nicht in ernsthafter Gefahr war. Hoffentlich würde er sich bald bei ihr melden und über die vergangenen Ereignisse reden wollen. Seine Tochter vermisste ihn…und Selina auch.

    Edward Jellico hasste es. Er hasste es, wenn man ihn zappeln ließ. Der Präsident behandelte ihn wie einen Wurm am Haken. Und das schlimmste war, dass er sich selbst in diese Lage gebracht hatte. Seine Pläne lagen nun in den Händen des wichtigsten Mannes des Quadranten. Wie ironisch. Wie zynisch!
    Gerade der Mann, dessen Posten er so sehr avancierte, hatte nun den Vorteil seines geheimen Planes in seinen Händen.
    Vor einer halben Ewigkeit war der Präsident zur Krisensitzung mit seinem Kabinett aufgebrochen. Besser gesagt, hatte aufbrechen müssen.
    Edward konnte nur warten. Es gab Zeiten in denen man vertrauen haben musste. Beinahe einen Glauben haben musste. Man musste an seinen Plan glauben. An die Fähigkeit alles, bis auf letzte Detail geplant zu haben. Dies war jedoch ein Ding der Unmöglichkeit. Die unüberschaubaren und unkontrollierbaren Elemente dieser Situation waren die Kabinettsmitglieder. Individuen mit starken und nahezu unbeugsamen Willen. Charaktere so gefestigt wie er selbst. Zweifellos brachte man es in einer so großen und gewaltigen Allianz, wie der Föderation, nur mit diesem Eigenschaften zu etwas.
    Inzwischen war die Nacht angebrochen und Jellico konnte die Sterne über Paris betrachten. Einen Moment lang geriet er ins Schwärmen. Unzählige, vermutlich Tausende Lichtjahre, hatte er an Bord verschiedener Raumschiffe inmitten dieser Sterne verbracht. Nie war ihm die Schönheit dieser winzigen Giganten so bewusst wie heute. Als junger Mann hatte er die Sterne viel zu wissenschaftlich, viel zu selbstverständlich genommen. Doch dies waren sie keineswegs. Wenn er eins gelernt hatte an diesem Tag, dann, wie zerbrechlich alles um ihn herum ist. Nein, mehr sogar. Jeder menschliche Körper ist zerbrechlich und fragil. Somit auch seiner.
    Sein Terminal zirpte und riss ihn aus seinen Träumen. Wieder öffnete sich an diesem Tag eine geheime Verbindung. Schnell nahm er das Gespräch an. Auf dem Bildschirm war daraufhin ein Mann seines Alters zu sehen.
    „Roger, schön dich zu sehen...“, begann Edward und begrüßte seinen alten Freund Admiral Roger Mannox aufs herzlichste.
    „Eigentlich hatte ich mit diese geheimen Treffen schon vor langer Zeit abgeschlossen...“ Die Müdigkeit war deutlich in Roger Mannox Stimme zu hören. Er hatte das Oberteil seiner Uniform nur leger über seinen Oberkörper gezogen. Ein Pyjama war darunter zu erkennen. Offenbar hatte Edward ihn geweckt. „Ich weiß, ich weiß...“, legte Mannox nach, bevor Jellico auch nur ein Wort sagen konnte. „Die Sektion aber nicht mit mir.“
    „Hast du tun können, um was ich dich gebeten hab?“
    Mannox nickte. „Ja, in spätestens einer Stunde sollte eine Erfolgsmeldung vorliegen.“
    Jellico grinste zufrieden. Endlich einmal wieder gute Nachrichten.
    „Ich danke dir Roger.“
    „Ich bin stets zu Diensten. Und nun, werd ich mich noch ne Runde hinlegen – wenn du nichts dagegen hast natürlich...“
    Jellico war diese Spitze egal. Unter Freunden waren ironische Bemerkungen Gang und Gebe und wurden schon erwartet. „Nicht im Geringsten“, antwortete er daher und schloss den Kanal.
    Zumindest dieser Teil seines Planes klappte. Auch wenn er nun wieder warten musste, würde er in knapp einer Stunde ein Problem weniger haben. Ein Problem namens Jozarnay Woil.

    Einem Schwarm aufgescheuchter Hornissen gleich stießen sich die beiden Schiffe der Defiant-Klasse immer wieder auf ihren Gegner, versetzten ihm empfindliche Nadelstiche. Unklar blieb, für wen diese Angriffstaktik die größere Herausforderung darstellte: für den taktischen Offizier oder den Navigator. Der Person an der Waffenkonsole blieben nur Sekunden, um das richtige Ziel zu erfassen und es dann zu bekämpfen. Der Pilot hingegen musste waghalsige Flugmanöver fliegen, um nicht ein allzu leichtes Ziel für die anderen Klingonen zu bieten.
    Einmal mehr tauchte die Spiegel-Defiant unter einer Salve des Gegners hinweg, kassierte zwar einige Treffer, die jedoch nicht all zu schlimm waren. Bruce Land war stolz auf seine bunt zusammen gewürfelte Besatzung von Individuen, die sich alle dem Kampf für die Rebellion verschrieben hatten. Auch für ihn war es ein höchst merkwürdiger Tag gewesen. Er hatte als reine Aufklärungsmission begonnen und endete nun in einem kleinen Gefecht. Noch seltsamer war die Begegnung mit dem anderen Schiff gewesen. Einem Schwesterschiff, welches aus einem anderen Universum stammte und nun mit ihnen zusammenarbeitete. Die Monitor schien augenscheinlich keine Probleme zu haben ihre Angriffe zu fliegen, doch Bruce Land und seiner Crew stand nicht die jahrelange Ausbildung der Sternenflotte zur Verfügung. Auch wenn sie Anweisungen von Captain Lewinski erhalten hatten, musste Martin oft genug bei seinen Anflugschneisen improvisieren, was ihm jedoch unerwartet gut gelang. Martin hatte sich früher aufgrund seiner Verwandtschaft zu John Lewinski mit vielen Anfeindungen auseinandersetzen müssen. Langsam gelang es ihm jedoch sich unter den Menschen einen gewissen Ruf aufzubauen, was nicht zuletzt an seinen unbestreitbaren fliegerischen Fähigkeiten lag.
    Mehrere klingonische Phaserimpulse trafen die Defiant und ließen einige unbedeutende Relais durchbrennen. Viel dramatischer war jedoch die Erkenntnis, dass die Klingonen langsam ihr Angriffsmuster durchschauten. Lange würden sie nicht mehr diese Taktik fahren können. Doch dies war zum Glück nicht nötig gewesen. Aufgeregt meldete Jozarnay Woil, der an Bord der Defiant als taktischer Offizier fungierte: „Wir konnten eine Lücke in die klingonischen Schilde schießen und die Monitor meldet die Ausschaltung des feindlichen Antriebs. Sie bereiten sich nun auf das Hinüberbeamen ihres Enterkommandos vor!“
    Aufgeregt erhob sich Land von seinem Kommandantenstuhl und imitierte damit unbemerkt die Gestik von Captain Lewinski.
    „Dann denke ich“, entschied der Brite, der niemals sein Heimatland zu Gesicht bekommen hatte, „dass wir dem in Nichts nach stehen sollten. Jozarnay, begib dich auf der Stelle in den Transporterraum und beam dich hinüber.“
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ der Antosianer die Brücke und eilte zu seinem Team. Martin Lewinski brauchte indes keine weiteren Anweisungen. Er wusste, dass, sobald die Enterkommandos an Bord waren, sich die Defiant und Monitor außer Schussweite bringen mussten. Hoffentlich ging die Aktion schnell genug von statten, als dass sich die klingonischen Schilde zu stark regenerieren konnten. Zumindest konnte das Flaggschiff nicht mehr entkommen. Ihre Eskorte stellte jedoch immer noch eine beträchtliche Bedrohung dar.
    Ansonsten hatte ihr Plan wunderbar funktioniert. Durch koordiniertes und zielstrebiges Vorgehen hatten sie in nicht einmal fünf Minuten die Lücke in das feindliche Schildsystem geschossen, die sie für den Transfer benötigten. Hoffentlich blieb ihnen Fortuna auch weiterhin hold.

    Schimmernd materialisierten die beiden Enterkommandos an Bord des klingonischen Schiffes der Negh´var-Klasse. Für einen winzigen Moment befürchtete Fähnrich Kensington inmitten einer hungrigen Menge von Klingonen gebeamt worden zu sein, doch dieser Gedanke stellte sich glücklicherweise als Trugschluss heraus. Zwar hatten sie es geschafft, sich durch die kleine Lücke in den Schilden hinüber zu beamen, doch sie hatten sich nicht direkt auf die Brücke oder den Maschinenraum transferieren lassen können. In zwei getrennten Teams waren die Crewmitglieder der Defiant und der Monitor an Bord gelangt und würden sich nun die letzten Meter bis zum Ziel durch das Schiff schlagen müssen. Mit einem routinierten Blick stellte Samira Kensington die Vollzähligkeit ihres Teams fest, dann schnappte sie sich ihren Tricorder, auf dem der Lageplan des Schiffs eingezeichnet worden war. Alle Mitglieder ihres vierköpfigen Team trugen Transportblockierer an ihrem Körper, die ein Hinausbeamen seitens der Klingonen verhindern sollte, sowie Phasergewehre, Phaser und Tricorder. Für alle Fälle hatte der Fähnrich zudem Sprengstoff mitnehmen lassen. Der Tricorder zeigte ihnen deutlich zwei menschliche Lebenszeichen an, die durch das Schiff irrten. Es handelte sich um einen Mann und eine Frau. Sie alle konnten nur hoffen, dass es sich dabei um Lieutenant Bird handelte. Beide schienen durch das Schiff zu schleichen, denn anhand ihrer Bewegungsmuster konnte man erkennen, dass sie klingonischen Besatzungsmitgliedern auswichen.
    Die junge Frau wusste, dass die meisten, inklusive der Captain, von ihr dachten, sie wolle am liebsten den Lieutenant gar nicht zurückbringen. Immerhin war er ihr Vorgesetzter und in den vergangenen drei Monaten hatte sie ihn als taktischer Offizier vertreten. Doch mit dieser Einschätzung täuschte sich die Besatzung. Natürlich war Samira ehrgeizig, wollte in ihrer Karriere vorankommen und selbstverständlich hatte sie die letzten drei Monate als taktischer Offizier der Monitor genossen. Dennoch war sie pflichtbewusst und wollte ihre Mission erfüllen. Dieses Mal war Danny Bird die Mission und sie beabsichtigte nicht zu scheitern. Nicht nach alldem, was heute geschehen war. Innerhalb der letzten fast vierundzwanzig Stunden war dies der dritte Außeneinsatz für den jungen Fähnrich. Sie hatte mitgeholfen Martin Lewinski auf Befehl des Captains aus dem Hochsicherheitsgefängnis zu befreien und dabei den Schuss abgegeben, der einen Wachmann tödlich getroffen hatte. Bisher hatte Kensington noch nicht allzu viele Gedanken an dieses Dilemma verschwendet, doch ihr war bewusst, dass sie sich eines Tages dieser Sache stellen musste.
    Auch war sie in Emden dabei gewesen, als dort das Chaos durch die Infizierten verbreitet worden war. In ihrem gesamten (zugegebenermaßen noch recht kurzen) Leben hatte sie noch nie etwas so grauenvolles gesehen oder gar erlebt. Jedes Mal, wenn sie einen der Angreifenden erschossen hatte, hatte sie es als Erlösung für den Infizierten betrachtet. Doch diese Sichtweise änderte nichts daran, dass Fähnrich Kensington am heutigen Tage viele Menschen getötet hatte. Zum ersten Mal in ihrem Leben, da der Dominion-Krieg vor ihrer Zeit bei der Sternenflotte gewesen war, hatte sie Leben genommen.
    Während die Erschießung des Wachmanns ein Versehen gewesen war, waren diese mit vollem Bewusstsein geschehen. Samira hatte ihr Gewehr in Anschlag gebracht und abgedrückt. Wieder und wieder. Zu jenem Zeitpunkt hatte sie dabei nichts empfunden. Würde dies noch kommen? Und wenn diese Gefühle ausblieben, was bedeutete dies? Eigentlich glaubte Samira nicht von sich, dass sie ein gefühlskalter Mensch war, auch wenn dies manche von ihr annehmen mochten. Viele hatten einen falschen Eindruck von ihr, dies wusste sie. Allen voran Commander Price, mit dem sie sich mehr als einmal heute in die Haare gekriegt hatte. Jetzt, in diesem denkbar ungeeigneten Moment an Bord des klingonischen Schiffes, sah Samira ihre Fehler ein, denn möglicherweise waren ihre kleinen Streitereien völlig banal gewesen. Vielleicht wäre eine Aussprache am Ende dieses verdammten Tages angebracht.
    Wie auch immer, gegenwärtig galt es sich auf die vor ihr liegende Mission zu konzentrieren. Die drei Sicherheitsleute, die sie ausgewählt hatte, gehörten zu den besten des Schiffes. Sowohl Bird als auch sie selbst hielten große Stücke auf sie und in Kensingtons Augen gab es keinen Zweifel, dass sie zügig ihr Missionsziel erreichen konnten. Ohne weitere Zeit zu verlieren machte sich das Team auf den Weg. Dabei huschten sie unter gegenseitiger Deckung durch die Gänge der Klingonen und versuchten Crewmitgliedern, die aufgeregt durch die Korridore huschten, zu entgehen. Sie hatten sich dagegen entschieden die Wartungsröhren zu benutzen. Zwar waren diese sicherer, jedoch hätte ein Vorankommen deutlich länger gedauert. Um nicht von den Klingonen sofort mittels der internen Sensoren geortet zu werden, wandte sich eines der Teammitglieder der erstbesten Computerstation zu, die sie fanden und speiste einen Computervirus in das System ein. Dieser würde den Gegnern noch mehr Probleme bereiten. Zwar würde er es nicht schaffen eventuell abgefeuerte Waffen zu maskieren, aber die Biosignale wurden deutlich abgeschwächt.
    Nachdem dies erledigt war, marschierten sie weiter. Dabei verzichteten sie völlig auf Kommunikation, verständigten sich stattdessen per Handzeichen, die jedem Mitglied des Sicherheitskommandos bekannt waren. Danny Bird hatte sie damals eingeführt. Es waren dieselben Gesten, die auch bei den Rangern benutzt wurden. Jener Spezialeinheit, in der der Lieutenant auch Mitglied war. Sie waren nicht allzu weit von den beiden menschlichen Lebenszeichen entfernt. Leider konnten sie sich jedoch mit ihnen nicht verständigen, was ein unkontrolliertes Davonrennen der beiden zur Folge hatte. Für das Außenteam kam es nun darauf an die beiden Menschen so schnell wie möglich einzuholen. Ihr Vormarsch wurde jedoch jäh gestoppt, als sie urplötzlich in die Hände eines klingonischen Technikers rannten. Dieser schien genauso überrascht über die Eindringlinge zu sein wie das Außenteam selbst und überlegte für den Bruchteil einer Sekunde, was er nun tun solle. Diese Zeitspanne reichte Fähnrich Kensington jedoch, um das Problem aus der Welt zu schaffen. Mit einer fließenden Handbewegung ergriff sie das am Knöchel befestigte Kampfmesser, wirbelte um den Klingonen herum und schlitzte ihm die Kehle auf. Das rosa Blut spritzte in einer grauenvollen Fontäne aus der Ader heraus und ließ den so stolzen Krieger röchelnd zu Boden sinken. Samira zwang sich dazu den Sterbenden anzublicken. Sie war verantwortlich für dessen Ende, dies wollte sie sich ins Bewusstsein brennen. Kein Toter, selbst ihre Feinde, durften vergessen werden. Der Fähnrich konzentrierte sich wieder auf die vor ihnen liegende Aufgabe. Schritt und Schritt holten sie die beiden Menschen ein, wichen dabei den Klingonen aus, auf die sie trafen. Glücklicherweise mussten sie keine weiteren Besatzungsmitglieder töten, was die Wahrscheinlichkeit ihrer Entdeckung zwangsweise erhöht hätte. Kensington wollte ihre Phaserwaffen als letzte Trumpfkarte behalten.
    Zwar besaßen die Klingonen über zahlreiche Kraftfelder, doch da sie die fremden Lebenszeichen nicht orten konnten, konnten sie diese nicht aktivieren. Natürlich wäre es ihnen möglich gewesen alle Kraftfelder zu aktivieren und damit jede Sektion abzuriegeln, doch damit hätten sie den Betrieb des Schiffes, vor allem während einer Kampfsituation, völlig unmöglich gemacht.
    Zischend öffnete sich das Schott und das Einsatzteam stürmte in den nächsten Korridor. Vor ihnen konnten sie endlich, im Halbdunkel, zwei Rücken erkennen, die zweifelsohne menschlich waren. Samira strengte ihre Augen an, um die beiden Schemen zu identifizieren. Die eine Person war wie erwartet eine dunkelhäutige junge Frau, die zweifelsohne Janine Talley sein musste. Die andere Person war ein Mann, jung und vor allem weiß. Ja, dies musste er sein!
    „Lieutenant!“ wisperte Fähnrich Kensington ihrem Vorgesetzten zu und dieser wirbelte erschrocken herum, die Phaserpistole auf das Einsatzteam gerichtet. Fast schon musste Samira erschrocken zusammenzucken, als sie den üblen Zustand des Offiziers erkannte. Überall hatte er Abschürfungen, offene Wunden und ein blaues Auge. Wahrscheinlich sah der Rest seines Körpers ähnlich schlimm aus. Auch die anderen Mitglieder des Einsatzteams wirkten ähnlich geschockt. Doch auch der Lieutenant selbst musste für einen Moment erstaunt den Mund aufreißen. Hier draußen, auf einem klingonischen Schiff im Spiegeluniversum, hatte er beileibe nicht damit gerechnet auf Besatzungsmitglieder der Monitor zu stoßen. Die letzten Minuten war er durch die Korridore gestolpert, um ein Shuttle zu finden, welches sie in Sicherheit bringen konnte. Wie er dann wieder in sein Universum zurückgekehrt wäre, war ihm bis dato noch unbekannt gewesen, doch Danny hatte sich inzwischen darauf beschränkt von Fall zu Fall zu denken.
    Nun jedoch stand Fähnrich Kensington leibhaftig vor sich. Sprachlos ließ er die Waffe sinken und bedeutete auch Janine mit einer Geste ihre Waffe zu senken. Es war also geschafft.
    „Sir, wir müssen uns beeilen“, mahnte ihn Samira an. „Die Monitor wartet nur auf unserer Rückkehrsignal. Ich werde es auf der Stelle senden. Jedoch müssen wir zu unserem Abholpunkt gelangen. Sehen Sie sich dazu in der Lage?“
    Gedankenverloren nickte Danny und versuchte die eben erhaltenen Informationen zu ordnen. Also war die Monitor doch hier. War etwa die gesamte Crew zu seiner Rettung ausgerückt?
    „Wo ist James Talley?“ fragte der Fähnrich, konnte sich anhand der Reaktionen der beiden jedoch die Antwort ausmalen. Der Anführer der Föderalen Befreiungsarmee war also tot.
    Geistesgegenwärtig schubste Danny Fähnrich Kensington zur Seite. Die gegen die Wand Taumelnde wollte sich im ersten Moment über diese ruppige Behandlung beschweren, doch im nächsten Moment begriff sie die Geistesgegenwart dieser Rettungstat, als ein grünlicher Phaserimpuls an ihr vorbeirauschte. Blitzschnell rissen die Mitglieder des Einsatzteams ihre Gewehre hoch und schossen auf die beiden Klingonen, die sie in diesem kurzen Moment der Unachtsamkeit von hinten überrascht hatten. Von den Gewehrschüssen getroffen sanken die beiden Hünen bewusstlos zu Boden.
    „Wir müssen uns beeilen“, stimmte Danny zu und ergriff Janine bei der Hand. Gemeinsam rannte das Außenteam durch die gleichen Korridore zurück. Sie mussten den Abholpunkt erreichen, von wo aus sie wieder zurück an Bord gebeamt werden würden. Hoffentlich hatte die Monitor das Signal erhalten und befand sich inzwischen auf dem Rückweg. Nun wurde die Klasse der Sicherheitsleute deutlich. Wie ein gut geöltes Uhrwerk schritt das Team mit den beiden Geretteten durch die Gänge, schossen jeden auftauchenden Klingonen nieder und ließen gar keinen Raum für eventuelle Hinterhalte. Bird hielt sich bei dieser Aktion zurück, bemühte sich stattdessen mit seiner Freundin Schritt zu halten.
    Es war bemerkenswert, wie mühelos das Einsatzteam sich seinem Ziel näherte. Offenkundig handelte es ich bei ihnen allen um Profis, die für einen solchen Moment trainiert hatten. In vielen Holofilmen ging in solchen Momenten noch etwas schief; eine Komplikation trat ein. Doch hier nicht, dazu waren sie alle zu eingespielt. Endlich erreichten sie ihren Zielort und Fähnrich Kensington sendete noch einmal das Signal. Nun hieß es zu hoffen, dass die Monitor rechtzeitig eintraf. Das Team ging rundherum in Stellung, stellten sich auf alle möglichen Eventualitäten ein, falls das Schiff sich verspäten sollte. Bird presste sich mit seiner Freundin gegen eine Wand und atmete tief durch. Hoffentlich war dies endlich das Ende des Martyriums. Nach drei Monaten der Undercoverarbeit, der Gefahr und der Angst sehnte sich der Lieutenant um etwas Frieden.

    Für den Geschmack des Regenten waren dies nun etwas zu viele schlechte Nachrichten auf einmal. Die beiden aufgetauchten Schiffe, die sie immer wieder angegriffen hatten, waren Ärgernis genug und nun waren zwei Enterkommandos an Bord gebeamt worden.
    „Was soll das heißen, Sie können die Angreifer nicht lokalisieren?“ fauchte Martok den Sensortechniker an?
    „Die Eindringlinge haben einen Virus in unser System eingespeist. Ich kann ihn entfernen, doch dies wird Zeit benötigen.“
    So hatte sich Martok den Beginn seiner Regentschaft nicht vorgestellt. Er war nicht einmal einen halben Tag im Amt und schon schien alles schief zu gehen.
    „Ich will, dass die Eindringlinge sofort gefasst und exekutiert werden!“ befahl Martok, besann sich jedoch eines anderen. „Halt! Lassen Sie einen am Leben; wir können so wichtige Informationen beziehen.“
    Zwei Brückenoffiziere nickten und machten Anstallten das Kommandodeck zu verlassen, doch so weit kamen sie gar nicht. Zischend öffnete sich das Schott zur Brücke und das Enterkommando der Defiant, angeführt von Jozarnay Woil, stürmte herein. Das Vorgehen dieses Teams war bei weitem nicht so taktisch versiert und lautlos gewesen wie das von der Sternenflotte, doch die Spiegeluniversumcrew hatte dafür einen deutlich geringeren Weg zurückzulegen gehabt. Sie hatten gleich auf das Kommandodeck gebeamt werden können und hatten daher nur einige wenige Schotts zu durchschreiten.
    Durch Woils Körper wurde Adrenalin gepumpt und er fühlte sich fast schon wieder wie zu jener Zeit, als er drogenabhängig gewesen war. Damals hatte er Stimuli gebraucht, um genau dieses Gefühl erzeugen zu können. Ein Adrenalinrausch, nach dem er süchtig geworden war. Fast wäre der Antosianer an den Drogen zu Grunde gegangen, bis man ihn für die Sache der Rebellion gewinnen konnte. Die ständigen Gefechte, im Weltraum oder am Boden, waren besser als jede Droge und vor allem sauberer. Gut, es bestand natürlich immer die Chance bei solchen Aktionen ums Leben zu kommen, doch nichts war ohne Risiko. Berauscht von der körpereigenen Droge wünschte sich Woil schon fast einen Klingonen töten zu können. Die meisten Rebellen kämpften aus persönlichen Gründen gegen die Allianz, weil sie Angehörige, Freunde oder ganze Welten verloren hatten. Der Antosianer kämpfte um des Kämpfens willen. Solange dies zu akzeptablen Resultaten führte, war Bruce Land, Julian Bashir oder gar Smiley O´Brien dies egal.
    Die beiden Offiziere, die gerade die Brücke verlassen wollten, wurden von dem eindringenden Außenteam ohne zu Zögern erschossen. Die ganze Aktion war eine Angelegenheit von Sekunden. Sie durften den Klingonen keine Möglichkeit zur Gegenwehr geben und daher streckten sie auch die restlichen drei Offiziere, die sich auf der Brücke befanden, nieder. Die stolze Kriegerrasse hätte sich ohnehin niemals ergeben und wählte fast schon den Freitod. Kein einziger konnte schnell genug seine eigene Waffe ziehen, um das Feuer zu erwidern. Die ganze Sache lief schon fast zu gut.
    Fassungslos musste Martok mit ansehen, wie um ihn herum jeder Klingone starb. Der ehemalige Captain bereitete sich ebenfalls auf das Ende auf seines Lebens vor und hoffte, dass seine Seele Eingang ins Sto´vo´kor fand. Doch die Eindringlinge, drei Menschen und ein Antosianer, schienen ihm nicht das Leben nehmen zu wollen. Zwar bedrohten sie ihn mit ihren Waffen, doch sie drückten nicht ab. Nein, sie wollten ihn doch nicht etwa lebend?
    „Wo ist der Regent?“ fragte Woil, der sehr wohl wusste, dass Worf der gegenwärtige Machthaber der Klingonischen Konföderation war. Vor ihm stand ein Mann, gewandet in den Umhang des Staatsoberhauptes, doch dabei handelte es sich auf keinen Fall um Worf.
    „Er steht vor Ihnen!“ erwiderte Martok selbstsicher und versuchte heimlich nach dem Dolch an seinem Gürtel zu greifen, was ihm misslang.
    „Nicht so hastig, Freundchen!“ raunte ihm Woil zu.
    „Wieso?“ entgegnete der Klingone grinsend. „Ich weiß ganz genau, dass Sie ihre primitiven Waffen nicht auf Betäubung stellen können.“
    „Diese hier aber schon!“
    Blitzschnell holte Woil einen Sternenflottenphaser, der ihm vor der Mission von Fähnrich Kensington übergeben war, hervor und betäubte Martok. Mit klingonischer Innenpolitik kannte sich der Antosianer nicht aus. Was er jedoch wusste war, dass Worf scheinbar nicht an Bord war und dieser jemand, der den Regentenmantel trug, schien ihn zu vertreten. Er würde sicherlich eine ebenso gute Geisel abgeben.
    „Los, weg hier!“ befahl Woil, der so schnell wie möglich die Brücke verlassen wollte, bevor klingonische Verstärkung eintraf. Die gesamte Erstürmung der Brücke hatte eine Minute gedauert, was eine exzellente Zeit darstellte. Hoffentlich war das Außenteam der Monitor, die eine ungleich schwierigere Aufgabe hatte, genauso erfolgreich. Schon im nächsten Moment bereute Jozarnay schon fast seine Entscheidung Martok betäubt zu haben, denn der Bewusstlose war unglaublich schwer. Nach einigen gescheiterten Versuchen packten sie den scheinbaren Regenten zu viert und marschierten in Richtung Abholpunkt. Hoffentlich trafen sie nun auf keine Wachen, denn ansonsten hätten sie keine Möglichkeit sich zu wehren.

    Jozarnay Woil erwachte aus einem kurzen, traumlosen, unruhigen und alles andere als erholsamen Schlaf. Kopfschmerzen hatten ihn geplagt und das Weiß entzog ihm seine Kräfte, langsam, aber stetig.
    Die Minuten kamen ihm wie Stunden, die Stunden wie Tage vor. Also suchte er sich andere Beschäftigungen. Bewegen konnte er sich nicht. Mit einem Kraftfeld hinderte man ihn daran, sich zu bewegen. Daher beobachtete er die Decke der kleinen Krankenstation. Zählte die Karos in dem dunklen, kalten Metall. Ließ sich nicht von der indirekten Beleuchtung stören, übersprang Luftfilter und ähnliches. Hin und wieder hörte er leise Gespräche vom anderen Ende der Krankenstation. Doch seine Ohren konnten ihn da auch vielleicht täuschen. Ab und zu schaute Menek bei ihm vorbei. Er schaute ihn immer kurz an, nur für den Bruchteil einer Sekunde, ertastete den Puls an seinem Handgelenk und warf dabei einen schnellen Blick auf den Bildschirm über dem Bett. Mit einem andeutungsweise freundlichen Lächeln verabschiedete er sich dann auch so schnell wieder, wie er gekommen war.
    Auf jeden Fall viel zu schnell für die ins Stocken geratene Reaktionszeit des Antosianers.
    Also tat er etwas, dass er schon sehr lange nicht mehr getan, versucht, gewagt hatte.
    Herr gib mir die Kraft, den Versuchungen zu widerstehen, Herr gib mir die Weisheit, das Gute zu erkennen, Herr gib mir die Hoffnung um deinem Weg zu folgen. Herr gib mir die Wachsamkeit, um meine Familie zu beschützen. Denn du bist der Anfang und das Ende. Geheiligt sei Dein Name, geschützt sei Dein Haus, gesegnet unsere Reise zu Dir.
    Woil beruhigte sich. Sein Herzschlag wurde regelmäßiger, seine Lungen füllten sich mit ein wenig mehr Sauerstoff. Der göttliche Atem. Die Erinnerungen kehrten zurück. Wie hatte er nur von seinem Glauben abfallen können?
    Er erinnerte sich an mehr. So etwa an seine Gefangennahme durch Edward Jellico. Eine Schmach, die seines gleichen suchte.

    „Wie… haben sie uns… gefunden?“ fragte der ehemalige Chefingenieur atemlos.
    Auf diese Erklärung freute sich der Verschwörer Edward Jellico am meisten, denn sie würde Woil nur noch mehr die Tragweite seines Versagens bewusst machen.
    „Sie hätten mich damals töten soll, als Sie die Gelegenheit dazu hatten. Auf der Erde gab es den perfekten Moment und Sie haben es dennoch nicht hinter sich bringen können. Dachten sie etwa, ich würde Sie laufen lassen?“ Die Frage Jellicos schien eher rhetorischer Natur zu sein. „Ich habe an Ihnen bzw. Ihrem Raumschiff einen Sender platziert, ohne dass Sie es gemerkt haben. So haben Sie mich direkt zu Stella und ihrem Versteck geführt. Einige Monate lang ließ ich Sie in Sicherheit wiegen und wartete den perfekten Moment ab. Und welcher Augenblick war besser als kurz vor ihrem Triumph?“ Zynisch grinste Edward und bedeutete den Wachen mit einer einfachen Handbewegung den Gefangenen wegzubringen. Er hatte heute ein gefährliches Spiel gespielt und in allen Punkten gewonnen. Nun war der Weg endgültig frei für ihn. „Schafft ihn mir aus den Augen.“ Jellico wandte sich von seinem neuen Gefangenen ab und widmete sich wieder dem Hauptbildschirm. Als gäbe es nichts Interessanteres als Warpsterne zu beobachten.
    Die beiden Wachen packten Woil an seinen Unterarmen und zogen ihn mit sich. Strampelnd und zappelnd versuchte er sich gegen die beiden Männer zu wehren – vergebens.
    „Ich werde schweigen! Nie im Leben werden Sie mich zum Reden bekommen!“
    Amüsiert drehte sich Jellico noch ein letztes Mal herum, um zu sehen, wie Woil von der Brücke geschleppt wurde.
    „Nichts anderes erwarte ich von Ihnen, Mr. Woil, während Sie in ihrer Zelle verrotten.“
    Dann schloss sich das Schott der Brücke. Dies war das letzte Mal, dass Woil Edward Jellico gesehen hatte.

    Wie lange mochte dies her sein? Vier, fünf Wochen höchstens.
    Seither hatte er eine Ewigkeit in Einsamkeit verbracht. Ab und zu wurde ihm Essen gebracht, Hin und wieder eine kleine Dosis Weiß um seinen Sucht am Leben zu erhalten. Was war sonst noch gewesen? Nichts. Es gab keine Verhöre, keine Folterungen. Nur eine erniedrigende Behandlung, die ihn manchmal glauben ließ, ein Tier zu sein.
    Die fellartige Körperbeharrung und den erbarmungslosen Gestank hatte er zumindest schon.
    Er erinnerte sich an die Geschehnisse dieses Tages. Es kam ihm vor, als wären es Wochen gewesen, soviel war geschehen – verglichen mit den vorhergegangenen.
    Und nun, am Ende dieses Tages, war er wieder gefangen. Etwas würdiger behandelt, doch nichtsdestotrotz ein Gefangener. Und die Frage, ob es besser war ein Gefangener der Menschen oder der Romulaner zu sein, bekam er nicht aus seinem Kopf.
    Was sollte nun geschehen? Was mochten sie mit ihm anstellen?
    Hoffentlich würden sie bald eine Entscheidung fällen. Die Ungewissheit erdrückte ihn schon geradezu.
    Gehörte das zu ihrer Strategie? Wollte sie ihn noch ein Weilchen schmoren lassen, bevor sie ihn weiterhin mit Fragen quälte. Fragen, für die er keine Antworten hatte. An den Flug zum Talar konnte er sich beim besten Willen nicht erinnern. Er war einfach eingesperrt gewesen in einer Arrestzelle des kleinen klingonischen Bird-of-Prey. Dann, irgendwann, nach einem zweiwöchigen Flug – ohne, dass man mit ihm geredet, ihn verhört, gefoltert oder auf irgendeine andere Art malträtiert hatte – wurde er von dieser Zelle in eine andere gebeamt. Was hätte er in dieser Zeit doch nur für einen Hauch frische Luft getan?
    Frische Luft hatte er an diesem Tag jedoch schon genug bekommen. Mehr als ihm lieb war.
    Beschweren konnte er sich dabei doch wahrlich nicht. Hier hatte man ihm nicht wehgetan, ihm Essen gebracht, ihn medizinisch versorgt.
    Er erinnerte sich auch noch an eine andere Sache. Er erinnerte sich an Stelle Tanner. Auch die Visionen von ihr waren weg. Getilgt aus seiner Wahrnehmung.
    Seltsamerweise überraschte ihn das Gefühl, das er empfand, während er an die Liebe seines Lebens dachte. Die Frau, für die er durch die Hölle und wieder zurückgegangen wäre.
    Er empfand Rache.
    Und dieses Gefühl wuchs immer stärker in ihm heran. Er konnte nicht anders. Plötzlich sammelten sich seine Gedanken auf diesen einen Punkt.
    Er musste dieses Gefühl stillen. Er musste runter von diesem Schiff.
    Egal wie.

    Nachdem die beiden Enterkommandos ihre Arbeiten erledigt hatten, begann die dritte Phase des Aktionsplans. In getarntem Zustand rasten abermals die beiden Schiffe der Defiant-Klasse auf die klingonische Flotte zu. Nachdem sie sich in der ersten Phase wespengleich auf das klingonische Flaggschiff gestürzt hatten, veränderte sich nun ihre Taktik. Dieses Mal wollten sie mit vereinten Kräften zuschlagen. Schnell und hart. Captain John Lewinski saß immer noch auf seinem Kommandantenstuhl und blickte auf den Wandschirm, der die schnell näher kommende klingonische Flotte zeigte. Bisher lief alles so wie geplant. Hoffentlich hielt dieser Zustand auch an, denn irgendwie hatte John ein ungutes Gefühl bei der Sache. Am heutigen Tage war so vieles schief gegangen, dass er einfach nicht mehr die Möglichkeit einer fehlerlosen Aktion in Betracht ziehen konnte. Aber vielleicht hatten sie ja dieses eine Mal Glück, gewährte ihnen das Schicksal einen kleinen Erfolg.
    „Haben uns die Klingonen entdeckt?“ fragte Lewinski in Richtung Tellom, die nun die Aufgaben des Einsatzoffiziers übernommen hatte, nachdem sich Lieutenant Bolder in den Transporterraum begeben hatte. Seine Erfahrung als Transporterchef des Schiffes wurde nun mehr denn je gebraucht.
    „Nein, das haben sie nicht“, antwortete die Ehefrau von Ardev. „Es herrscht Verwirrung innerhalb der Flotte und ehrlich gesagt weiß ich nicht, wieso sie nicht verschwinden, aber sie haben weder uns noch die Defiant entdeckt!“
    Dies war genau die Antwort, die Captain Lewinski hören wollte.
    „Dies ist ein Indiz für unsere Schlagkraft!“ erklärte der Kommandant. „Scheinbar war unser Angriff gut genug geplant und wir haben die klingonische Brücke schnell genug gestürmt. Außerdem sind Klingonen die letzten, die sich von einem Schlachtfeld zurückziehen…gerade wenn sie deutlich in der Überzahl sind.“
    „Wenn das so ist, dann demütigen wir die Klingen heute ganz schön“, feixte Matte Price und konzentrierte sich dann wieder gänzlich auf den Anflug. Es war gut zu sehen, dass er für einen kurzen Moment die Trauer über seine verstorbene Mutter vergessen hatte und sich wieder auf einer Aufgabe widmen zu können.
    Dann war es endlich soweit. Vorhin hatten sie das Skalpell genutzt, um die Außenteams hinüber zu beamen, nun benutzten sie für das Rückholen den Rammbock. Auf ein von Captain Lewinski gegebenes Kommando enttarnten sich die beiden Schiffe, die in einer engen Formation flogen, und eröffneten mit allen Waffen, welche ihnen zur Verfügung standen, erneut das Feuer auf das Negh´Var-Schiff. Dieses Mal hatten die Klingonen scheinbar ihre Rückkehr erwartet, denn augenblicklich erwiderten die Begleitschiffe das Feuer auf die Angreifer. Heftig wurde die Defiant durchgeschüttelt, doch ihre Schilde hielten dem Beschuss stand. Auch diese Aktion verlief einfach zu schnell, als dass eines der beiden Schiffe ernsthaft zu Schaden kommen konnte. Während sie auf das Flaggschiff feuerten, behielten sowohl Monitor als auch Defiant ihren Kurs bei und schossen in geringem Abstand über ihr Ziel hinweg. Ihr massiver Beschuss hatte dieselbe Lücke in den Schilden aufgerissen, die sie schon für den ersten Transfer genutzt hatten.
    „Lewinski an Bolder“, ließ sich der Captain den Transporterraum durchstellen. „Jetzt!“
    Der junge Lieutenant verzichtete auf eine Erwiderung, fokussierte sich stattdessen voll und ganz auf seine Aufgabe. Er musste den Transfer für beide Schiffe durchführen, denn bei dieser immensen Geschwindigkeit und der technisch unerfahrenen Crew traute man der Defiant einen sicheren Transfer einfach nicht zu. Schon frühzeitig hatte Bolder die betreffenden Lebenszeichen erfasst und nur darauf gewartet das Startsignal zu erhalten. Als die klingonischen Schilde abermals eine Lücke aufwiesen und der Captain den Befehl gab, führte Alex Bolder den Beamvorgang durch. Ihm blieb wenig Zeit, denn das Schiff raste weiter und verließ schnell den Erfassungsbereich, um nicht zur Zielscheibe zu werden. Während sich die beiden Schiffe nach dem erfolgreichen Angriff tarnten, begannen die Transportplattformen bläulich zu schimmern. Einer nach dem anderen materialisierte scheinbar aus dem Nichts, bis schließlich wieder alle an Bord waren.
    „Captain, hier Bolder: beide Außenteams sind wieder auf ihren Schiffen; inklusive Lieutenant Bird und seiner Begleiterin.“
    Zwar sagte niemand etwas, doch deutlich konnte man auf der Brücke spüren, wie allen ein Stein von Herzen fiel. John blickte kurz an die Decke und dankte allen Göttern, die ihm einfielen. Endlich hatten sie Danny wieder zurück.
    „Dann nichts wie weg hier!“ befahl er seinem Navigator und befahl die Aktivierung des Rückholsignals. Er wollte keine Sekunde länger als nötig in diesem Universum bleiben.

    Wie erwartet hatte sich die Debatte zu einer anstrengenden und vor allem langen Sache entwickelt. Bemerkenswert war, wie gut das Kabinett scheinbar über seine Aktionen am heutigen Tag informiert gewesen waren. So gut wie jede noch so kleine Entscheidung des Präsidenten wurde durchdiskutiert und mehr als einmal hatte das Staatsoberhaupt das Gefühl, dass er sich für seine Taten rechtfertigen musste. Dabei stellte dieses ganze Treffen für ihn eine Farce dar. Er stand zu dem, was er zu Beginn gesagt hatte: die Bürger des interstellaren Völkerbundes hatten ihn in dieses Amt gewählt, damit er sie durch Zeiten wie diese führen konnte. Dass ihm nun dieses Recht durch seine eigenen Minister abgesprochen wurde, empfand er als Unding. Was glaubten die Kabinettsmitglieder mit dieser Sitzung erreichen zu können?
    Natürlich hatte er Verständnis für ihre Sorgen und Ängste. Er war sogar bereit zuzugeben, dass er sich heute die Ratschläge von mehr als nur einem Berater hätte anhören müssen. Insbesondere in den Angelegenheiten des Inneren, als er die polizeilichen Maßnahmen in Emden angeordnet hatte, wäre eine detaillierte Rücksprache mit dem Innenminister von Nöten gewesen, doch aus Zeitgründen hatte er darauf verzichtet. Der Präsident wusste, dass der Minister des Inneren kein schlechter Mensch war. Keineswegs führte er diese Veranstaltung aus Karrieregründen durch, ihm lag tatsächlich das Wohl der Regierung am Herzen. Seine Absichten zur Wahrung der demokratischen Grundsätze waren ehrenhaft, in diesem Falle jedoch fehlgeleitet. Das einzige, was das Kabinett mit diesem Treffen bewirkte, war ein Zeitverlust. Dabei waren die Krisen des heutigen Tages bei weitem noch nicht bewältigt und es würde noch mindestens eine Woche dauern, bis alle entsprechenden Dinge geregelt worden wären. Kurzzeitig fragte sich das Staatsoberhaupt, wo er die Kraft für die kommenden Tage und Aufgaben hernehmen sollte. Er fühlte sich ausgelaugt, müde und kraftlos. Das opulente Abendessen hatte nur eine kurze Abwechslung und Stärkung angesichts der schlechten Nachricht dargestellt, die er schon im nächsten Moment gefolgt war.
    Der Verrat Edward Jellicos hatte ihn hart getroffen, sowohl politisch als auch menschlich. Während des gesamten Tages hatten sie so gut zusammengearbeitet und trotz einiger weniger Meinungsverschiedenheiten hatte er den professionellen Rat des Justizministers zu schätzen gewusste. Gemeinsam mit Commander Elena Kranick hatte er ein bemerkenswertes Team zum Krisenmanagement abgegeben. Doch hätte er nicht einen solchen Dolchstoß seitens Jellico erwarten müssen? Immerhin war der ehemalige Admiral, auch wenn man so etwas in der politischen Landschaft schnell zu vergessen schien, früher ein Mitglied von Sektion 31 und damit ein Feind des Systems gewesen. Natürlich musste man eingestehen, dass man ohne die Hilfe Jellicos niemals so viele Mitglieder der Geheimorganisation innerhalb der Föderation aufgedeckt hätte, doch der derzeitige Minister für Justizangelegenheiten hatte sehr wohl seinen Nutzen aus diesen Dingen gezogen. Jellico gehörte laut Meinungsumfragen immer noch zu den beliebtesten Politikern, da man ihm die Bevölkerung am ehesten die Lösung von Problemen zutraute. Doch verfolgte er dabei nicht auch seine eigene Agenda? Zum ersten Mal fragte sich der Staatschef, ob Jellico nicht vielleicht sogar selbst Interesse am Präsidentenamt hatte. War dies möglicherweise der Grund für sein Schweigen gewesen? Wollte er sich selbst eine Tür zu diesem Amt öffnen? Egal wie diese Sache hier auch ausgehen mochte, er würde sich mit Edward Jellico befassen müssen.
    Müde blickte der Präsident auf seine Uhr. Es war halb zehn. Ob nun endlich ein Ende dieser sinnlosen Debatte in Aussicht war?
    „Wieso haben Sie der Monitor gestattet in das Spiegeluniversum zu reisen“, fragte der Innenminister und brachte damit einen weiteren Punkt zur Sprache. Es war bei weitem nicht so gewesen, dass er allein im Verlaufe der Diskussion gesprochen hatte, doch die meiste Zeit über hatte er sich als Wortführer herauskristallisiert.
    „Um ihren Offizier Lieutenant Danny Bird zu retten, der in das parallele Universum entführt worden ist“, antwortete der Präsident mit betont neutraler Stimme.
    „Finden Sie diese Entscheidung nicht gefährlich?“
    „Inwiefern?“
    „Ein ganzes Schiff mittels eines experimentellen Gerätes in ein uns unbekanntes und feindliches Universum zu entsenden, um einen Offizier zu retten? Fast achtzig Sternenflottler werden ausgeschickt, um einen einzigen Offizier zu retten…ist dies nicht eine Fehlkalkulation?“
    „Ich wusste gar nicht“, entgegnete der Präsident mit diesmal fast gereizter Stimme, „dass es Politik dieser Regierung geworden ist Leben gegeneinander aufzurechnen.“
    „Dies ist sie beileibe nicht. Dennoch zweifle ich am Nutzen dieser Expedition. Sicherlich, der Lieutenant hat sich als unschätzbarer Vorteil am heutigen Tage herausgestellt…“
    „Ohne Lieutenant Bird“, unterbrach ihn das Staatsoberhaupt, „wüssten wir gar nichts von dem Bioanschlag. Er hätte uns ohne Vorwarnung getroffen. Danny Bird ist ein Held und hat es verdient als solcher behandelt zu werden. Er muss gerettet werden. Zudem ist die Monitor ebenfalls aus dem Grund in das Spiegeluniversum aufgebrochen, um die Urheber des Attentats festzunehmen, denn James Talley und seine Tochter Janine sind dorthin geflohen.“
    Beide Männer blickten sich angestrengt an und jeder wartete auf eine Reaktion des anderen, ohne dass eine solche jedoch erfolgte. Punkt um Punkt hatte der Innenminister, der in seinem Auftreten fast einem Ankläger vor Gericht gleichgekommen war, vorgebracht und bisher hatte der Präsident zu jedem einzelnen eine sinnvolle und logische Erwiderung von sich gegeben. Aus seiner Sicht hatte der Präsident dieses kleine Machtspiel gewonnen.
    Geschafft nahm der Innenminister einen Schluck Wasser zu sich und blickte in die Gesichter der anderen Kabinettsmitglieder. Jedoch schien keiner Interesse an weiteren Fragen zu haben und so erklärte der Wortführer:
    „Ich denke wir sollten eine kurze Pause machen, bevor wir zur Abstimmung über die Einbringung eines Misstrauensvotums kommen.“
    Alle schienen mit der Entscheidung einverstanden zu sein und erhoben sich von ihren Plätzen. Auch der Präsident nutzte die Chance und schnappte, flankiert von den beiden Agenten des Secret Service, nach frischer Luft. Während der gesamten fünfzehnminütigen Pause versuchten die Minister dem Präsidenten nicht zu nahe zu kommen. Ob aus Furcht oder Scham war unklar.

    Fast mit Lichtgeschwindigkeit entfernten sich die beiden Schiffe von der klingonischen Flotte, die immer noch nicht so recht wusste, was geschehen war. Inzwischen musste sich an Bord des Flaggschiffs die Nachricht herumgesprochen haben, dass der Regent entführt worden war. Aber es bestand überhaupt nicht die Möglichkeit seiner Befreiung. Monitor als auch Defiant hatten ihre Tarnvorrichtungen aktiviert und waren dadurch für die feindliche Flotte unauffindbar. Ohnehin hatten sich die beiden Schiffe inzwischen so weit entfernt, dass die Klingonen ohnehin nicht wüssten, wo sie mit der Suche beginnen sollten. Gegenwärtig befand sich die Monitor auf den Weg in die äußeren Bereiche des Sonnensystems und warteten auf die Öffnung eines weiteren Dimensionstores, um die Rückkehr in das eigene Universum einzuleiten. Auch wenn sie nicht daran geglaubt hatten, war ihnen die Befreiung Bird gelungen. Und nicht nur das, auch der Regent der Klingonen befand sich nun in Gewahrsam der Rebellen. Captain Lewinski konnte es noch gar nicht so recht glauben. War es das endlich gewesen?
    Zischend öffneten sich die Schotts zur Brücke und eine Person, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatten, betrat die Kommandozentrale. Ausnahmslos alle schauten zu Danny Bird, der selbst noch gar nicht so recht fassen konnte, dass er an Bord seines Schiffes war. Ein ganzes Quartal war er fort gewesen, ohne jeglichen Kontakt zu seinen Kameraden und Freunden. Atemlos blickte der Lieutenant jeden einzelnen von ihnen an. Mehrfach am heutigen Tage hatte Danny nicht mehr damit gerechnet, dass er sie jemals wieder sehen würde. Doch sie waren zu seiner Rettung geeilt, hatten sich unter Lebensgefahr in das Spiegeluniversum begeben und ihn, sowie Janine gerettet. Wie sollte er jemals seine Schuld begleichen? Hoffentlich war keines der Crewmitglieder bei der Befreiungsaktion ums Leben gekommen.
    Captain Lewinski erhob sich von seinem Stuhl und trat auf seinen taktischen Offizier zu. Auch der Kommandant konnte nicht ein beruhigtes Lächeln unterdrücken. Danny sah furchtbar aus und gehörte dringend auf die Krankenstation, wo sich Dr. Frasier um ihn kümmern würde. Doch erst einmal galt es das verloren geglaubte Familienmitglied willkommen zu heißen.
    „Willkommen an Bord, Danny“, meinte der Captain fröhlich.
    Bird erwiderte das Lächeln, spürte jedoch dabei neue Wellen von Kopfschmerzen durch seinen Schädel rasen.
    „Danke“, stammelte der Lieutenant und wusste nicht so recht, was er nun sagen sollte.
    Doch er brauchte nichts mehr zu sagen. Völlig überraschend umarmte der Captain Bird und drückte ihn an sich. Nun konnte der taktische Offizier nicht mehr seine Gefühle zurückhalten. Nach all den Strapazen, nach all den grauenvollen Dingen, die er heute erlebt hatte, fing Danny an zu weinen. Leise schluchzte er vor sich hin und konnte noch gar nicht sein Glück fassen.
    Matt Price blickte Arena Tellom an. Sie erwiderte den Blick und lächelte zurück. Auch wenn sie sich noch immer berechtigte Sorgen um ihren Mann machte, so empfand sie für einen Moment tiefe Freude darüber, dass sie einen Freund gerettet hatten. In wenigen Minuten würde sich das Dimensionstor öffnen und sie wieder zurück nach Hause bringen. Zurück zu Ardev.
    Lieutenant Bird löste sich von seinem Kommandanten und blickte noch einmal die einzelnen Brückenoffiziere an.
    „Danke“, sagte er schließlich. „Ich weiß nicht, wie ich jemals diese Schuld begleichen soll. Danke euch allen!“
    Mehr konnte und brauchte der Lieutenant nicht zu sagen. Jeder verstand, was er meinte und so machte er sich endlich auf den Weg in die Krankenstation, um sich untersuchen zu lassen. Janine würde dort schon auf ihn warten. Die Frau, die ihr gemeinsames Kind gebären würde.

    Auch auf der Brücke der Defiant herrschte Feierlaune. Bruce Land war nicht minder davon überrascht, wie großartig der gemeinsame Plan funktioniert hatte. Insbesondere wenn man den Umstand betrachtete, dass seine Crew nicht über die jahrelange Erfahrung wie die Sternenflottenbesatzung verfügte. Doch seine Leute hatten ihre Arbeit sehr gut gemacht. Land freute sich schon auf das Gesicht von Smiley O´Brien, wenn er ihm die Nachricht von der Gefangennahme des Regenten überbrachte. Scheinbar hatte es heute einen Machtwechsel innerhalb der Klingonischen Konföderation gegeben, denn statt Worf (von dem jede Spur fehlte) hatten sie einen gewissen Martok in Gewahrsam genommen. Wer auch immer nun der aktuelle Regent war, den Rebellen war in jedem Fall ein großer Wurf gelungen. Vielleicht schaffte Land es mit diesem Erfolg sogar aus dem Schatten von Julian Bashir herauszutreten, der in der Gunst von O´Brien immer noch vor ihm stand. Auch bei der Rebellenflotte ging es nicht zuletzt auch um Prestige.
    Laut zeternd und in Ketten wurde der Regent auf die Brücke gebracht. Wie eben bei Danny Bird auf der Monitor blickten sich auch hier alle Brückenoffiziere zu den Neuankömmling an. Während Bird jedoch freundlich von seinen Freunden aufgenommen wurde, begegnete man dem Oberhaupt der Klingonen mit blankem Hass. In den Gesichtern der meiste war ein gewaltiger Hass zu erkennen, den man nun auf den Regenten projizierte. Land erhob sich von seinem Kommandantenstuhl und baute sich vor dem Hünen auf. Er war gute zwei Köpfe kleiner als der Regent, doch gegenwärtig fühlte er sich selbstbewusster als je zuvor.
    „Willkommen an Bord der Defiant“, begrüßte Bruce den Gefangenen zynisch. „Ich bin mir sicher, Worf hat ihn schon einmal von diesem Schiff erzählt und insbesondere dem Aufenthalt hier.“
    Der Gefangengenommene machte einen trotzigen Eindruck und blickte den Kommandanten hochnäsig an.
    „Dafür werdet ihr zahlen, Menschen!“ zischte Martok voller Hass. „Sobald ich wieder frei bin, werde ich dich und dein Besatzung mit meiner Klinge aufschlitzen. Es gibt keinen Ort, an dem sie sicher sein werden!“
    „Aus diesem Grund werden Sie niemals wieder frei sein“, entgegnete Bruce lapidar und ließ den Regenten von Jozarnay Woil zurück in die Zelle bringen. Der Klingone schleuderte Ihnen noch einige unangenehme Flüche nach, doch niemand ließ sich von seinen Phrasen beeindrucken. Derzeit gab es ohnehin wichtigeres.
    Noch eine Sache, eine Aktion, stand am Ende dieses Tages aus. Jetzt, wo es anstand, fühlte sich Bruce Land gar nicht wohl in seiner Haut. Während des Kampfes gegen die Klingonen hatte er alle Gedanken an diesen Geheimplan verdrängt, doch nun musste er sich diesem inneren Dämon stellen.
    „Manövrier uns hinter die Monitor“, forderte Land seinen Navigator auf und Martin Lewinski führte den Befehl unverzüglich aus. Die Defiant positionierte sich hinter dem Sternenflottenschiff und brachte sich in eine gute Schussposition.
    Ausgerechnet Martin Lewinski war es gewesen, der den Plan am vehementesten durchgesetzt hatte. Der Mann, der seinen Bruder verloren und nun wieder entdeckt hatte, schien dieser Schlag am wenigsten auszumachen. War er jedoch wirklich so gefühlskalt, wie er immer tat, wenn man auf das Thema John zu sprechen kam?
    „Wir sind in Position“, meldete der Navigator und blickte sich zu seinem Kommandanten an.
    „Die wissen gar nicht, was auf sie zukommt“, murmelte Chefingenieur William Riker und betrachtete die Monitor, deren Heck deutlich via Wandbildschirm zu sehen war. „Seid ihr sicher, dass wir das durchziehen sollen?“
    Der unerwartete Meinungsumschwung irritierte einige der Brückencrewmitglieder, vor allem Martin Lewinski.
    „Wie könnt ihr jetzt zögern? Immerhin haben wir das doch alles schon besprochen!“ ereiferte Martin, der nun sehr nervös wirkte. „Mit zwei Schiffen dieser Klasse haben wir viel größere Chancen im Kampf gegen die Allianz. Freiwillig werden uns die Sternenflottler die Monitor aber nicht übergeben.“
    Lands Blick wechselte zwischen dem Wandschirm und seinem Navigator hin und her. Er hatte sich vor kurzem noch so sicher gefühlt, doch nun zögerte er. Auch Martin erkannte den veränderten Gesichtsausdruck und mahnte zur Eile:
    „In Kürze wird die Monitor durch das aufgebaute Transferfenster verschwinden. Wir müssen uns beeilen. Sollen wir das Feuer eröffnen?“
    Dies war genau die Frage, die sich Bruce Land nun stellte. Sollte er das Feuer auf das Föderationsraumschiff eröffnen?

    T’Nol setzte sich auf einen Stuhl, den er gerade selbst mitgebracht hatte. Sein muskulöser Körper verlor sich in dem Dunkel, das außerhalb des kleinen Lichtkegels herrschte. Nur sein leises Atmen war zu hören. Die Anstrengungen, die er in der letzten Stunde vollbracht hatte, waren ihm noch immer deutlich anzuspüren. Sein Körper schrie nach einer Pause. Doch seine Wut, sein Herz, sein Adrenalin, puschten ihn weiter.
    „Da sind... Sie ja wieder...“, röchelte Ke’ler. Noch immer müde, gebrochen, entkräftet. „Sind Ihnen... noch ein paar... neue Schläge... eingefallen?“, fragte sie ihn herausfordernd.
    Und, als hätte T’Nol es erwartet, antwortete er mit einem weiteren Haken in Richtung ihrer Nase. Einige alten Wunden platzen auf und frisches grünes Blut rann über ihr Gesicht.
    „Machen Sie das gerne?“, fragte T’Nol verzweifelt.
    „Was... meinen Sie?“
    „Das hier“, antwortete T’Nol leise. „Sie verbreiten Qual... Eine Grabesstimmung. Zu welchem Zweck? Arbeiten wir nicht für das gleiche Ziel?“
    „Und... das... wäre?“
    „Ein starkes und großes Reich.“ T’Nol´s Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
    Ke’ler lächelte andeutungsweise. „Wie gut... kannten Sie... Telk?“
    „Ich bin seit einem Jahr sein Erster Offizier.“
    „Das war... nicht meine... Frage“, hakte sie nach.
    „Wir haben... hatten ein sehr gutes Professionelles Verhältnis.“
    „Telk wusste... wie das Reich... ist.“ Ke’ler hustete und verbreitete so nur noch mehr Blut auf ihrem Körper. Ihrer Uniform war sie inzwischen entledigt worden. Sie saß nur noch in ihrer Unterwäsche da. „Er hat... schon dafür... gekämpft... getötet. Seine Seele... verloren. Wie ich.“ Sie musterte T’Nol mit strengem Blick. „Sie haben... keine Ahnung... wenn es um... das Reich geht.“
    T’Nol schüttele den Kopf. „Telk und ich sind vom gleichen Schlag. Wir beide sind bereit alles zu geben für die Bewahrung des Reiches. Ich lasse Sie nicht daran weiter arbeiten, gute Männer zu töten.“
    „Ob jemand... gut ist... entscheidet... die Geschichte. Nicht wir.“
    T’Nol seufzte, griff in eine Seitentasche und holte ein kleines Gerät hervor. Traurig beobachtete er dies. Beobachtete, wie das kühle Licht sich darin spiegelte. Beobachtete, wie sein Gesicht darin aussah. Verzerrt, wie eine Fratze. So wie er sich im Moment fühlte.
    Auch Ke’ler schaffte es, einen Blick auf das kleine Gerät zu werfen. Natürlich erkannte sie es.
    „Wie ich sehe, haben wir unterschiedliche Ansichten vom Reich.“
    Die Gefesselte antwortete nicht.
    T’Nol stand auf, stellte sich hinter Ke’ler, legte ihren Kopf in den Nacken und das Gerät auf ihre Stirn.
    Sie begann schneller zu atmen – panisch. „Ich war... es nicht“, platzte es aus ihr heraus. Wieso wusste sie nicht. Sie hatte sich geschworen ihm diese Genugtuung nicht zu geben. Sie hatte sich geschworen keine Schwäche zu zeigen. Und doch war es nun soweit gekommen.
    Der stellvertretende Kommandant nickte. „Das ist wohl das Schlimmste an dieser Situation.“
    Ohne zu zögern aktivierte er das Gerät. Einige kleine Lichter begannen zu leuchten, ein schriller, leiser Ton zeugte von der Bereitschaft des kleinen Geräts.
    Dreimal betätigte T’Nol dieselbe Taste. Der Ton wurde etwas lauter, die Lichtintensität stieg. Ke’ler kniff ihre Augen zusammen. Sie erwartete den Schmerz.
    Dieses Gerät war in der Lage, jede einzelne Blutzelle eines Körpers ein wenig vibrieren zu lassen. Es mochte unbemerkbar sein, wenn eine Zelle vibrierte. Doch wenn Abermillionen dies taten – Ke’ler bereitete sich auf das Schlimmste vor.
    Sie hörte sich selbst hecheln. Sie spürte in der Tat eine Träne auf ihrer Wange.
    T’Nol hatte Stufe 3 aktiviert. Ein ziemlich hohes Niveau und wenn man dabei noch ihren geschwächten Körper berücksichtigte – tödlich.
    „Halt! Stoppen Sie das!“ Plötzlich dröhnte Meneks Stimme durch den Raum.
    Erschrocken sah sich T’Nol um und zog seine Hand zurück, die bereits den Auslöser gesucht hatte. Und auch Ke’ler hatte nicht erwartet die Stimme des Arztes noch einmal zu hören.
    Da trat er auch schon aus dem Schatten heraus und drängte T’Nol von der Agentin weg. Nicht, dass er doch noch auf die Idee käme, den Knopf zu betätigen.
    „Was ist denn Doktor?“, fragte der Erste Offizier ungeduldig.
    „Es ist etwas passiert.“
    „Was denn?“
    Menek zögerte, warf einen flüchtigen Blick auf Ke’ler und entschied dann, dieses Thema an einem anderen Ort zu klären. „Kommen Sie bitte mit mir.“
    Der Arzt ließ ihm keine andere Wahl. Er zog in beinah aus dem Verhörraum. Erst, als sie auf dem Korridor waren schaffte es T’Nol sich aus dem Griff des Arztes zu befreien.
    „Ke’ler ist unschuldig.“
    „Glauben Sie ihr etwa?“, fragte T’Nol genervt nach.
    „Nein... ich glaube Fakten. Und Fakt ist, dass wir einen weiteren Toten haben. Der wahre Täter muss noch hier unter uns sein – er kann unmöglich in diesem Verhörraum sitzen.“
    Wortlos und mit weit aufgerissenen Augen folgte T’Nol dem Chefmediziner. Die Tal Shiar Agenten waren alle eingesperrt. Wenn es sich tatsächlich in beiden Fällen um denselben Killer handeln sollte, dann musste er sich in der eigenen Crew befinden!
    Und dann befanden Sie sich in einer größeren Gefahr als er bisher dachte. Vermutlich stand T’Nol nun der größten Gefahr, der größten Prüfung seines Lebens bevor.

    Was hatte er nur getan?
    Dies hatte sich der Innenminister im Verlaufe des Abends immer wieder gefragt. Gegenwärtig riskierte er seine gesamte politische Karriere und wollte einen Misstrauensantrag gegen den Präsidenten durchbringen. Weil er der Überzeugung war das Richtige zu tun. Doch während er nun vor dem Tisch stand und darauf wartete, dass jeder einzelne Minister seine Stimme abgab, überkamen ihn Zweifel. Der Präsident war ein guter Mann. Nicht nur ein fähiger Politiker und Präsident, sondern auch ein wunderbarer Mensch. Ein ehrenwerter Mann, für den es nichts Wichtigeres gab als das Wohl der Bürger. Sogar seine Familie war nur an zweiter Stelle gekommen, dies hatte seine Frau, die ihn bedingungslos unterstützte, immer gewusst. Eigentlich hatte der Föderation nichts Besseres passieren können als dieses Staatsoberhaupt.
    Nun jedoch versuchte der Minister für innere Angelegenheiten eine Ereigniskette in Gang zu setzen, die letztendlich diese Präsidentschaft beenden sollte. Manchmal, während die Abstimmung lief, trafen sich die Blicke des Präsidenten und die seinigen. Dann bemühte er sich eine Reaktion in den Augen des Präsidenten zu sehen oder zu erahnen, ob er nun in seinen Augen ein Verräter war. Doch der Staatschef starrte ihn nur kurz an, bevor er sich wieder anderen Dingen widmete. Sollten sich die Kabinettsmitglieder gegen einen Amtsenthebungsantrag entscheiden, was würde dann aus dem Innenminister geschehen? Vermutlich wäre er nicht mehr in der Lage ein Amt in dieser Administration zu bekleiden. Für diesen Fall hatte er sich schon mental auf seinen Rücktritt von seinem Amt als Innenminister vorbereitet. Zu diesem Opfer, dem Ende seiner Karriere, war er immer noch ohne zu zögern bereit. Er glaubte an die Richtigkeit seines Tuns, auch wenn er sich inzwischen fragte, ob er den richtigen Weg gewählt hatte.
    Es handelte sich um eine öffentliche Abstimmung. Ein Minister nach dem anderen konnte sich für oder gegen den angestrebten Antrag entscheiden. Niemand musste sich für seine Meinung schämen. Manche der Minister begründeten ihre Entscheidung mit einigen Worten an den Präsidenten, der diese nickend zur Kenntnis nahm, andere beschränkten sich auf eine knappe Wahlentscheidung. Minister für Minister wurden die Stimmen abgegeben, bis am Ende das Ergebnis fest stand.
    „Wir haben ein Unentschieden!“
    Die Erklärung des Innenministers löste, sehr zu seinem Erstaunen, ein freudiges Raunen im Saal aus.
    „Damit wäre die Sache wohl beendet“, meinte der Präsident und machte Anstalten sich von seinem Platz am Tischende zu erheben. Doch leider freute er sich zu früh.
    „Tut mir leid, Mr. President“, erklärte der Innenminister und bedeutete ihm noch einen Moment sitzen zu bleiben. „Eine Stimme fehlte noch.“
    Wie aufs Stichwort öffnete sich die Tür zu dem Konferenzraum und Edward Jellico betrat den Raum. Überrascht blickte der Präsident den Justizminister an und erkannte dann seinen Rechenfehler. Als Mitglied des Kabinetts war natürlich auch er stimmberechtigt.
    „Schön, dass Sie noch kommen konnten, Edward“, begrüßte ihn der Innenminister mit einem Lächeln. „Ich denke, Sie sind über die bisherige Abstimmung auf dem Laufenden?“
    Seltsam nervös nickte der ehemalige Admiral und nestelte an seinem Anzug herum.
    „Mir ist bekannt, dass es gegenwärtig ein Unentschieden gibt.“
    „Dies ist richtig. Ihre Stimme ist die letzte, die fehlt… Sie geben den Ausschlag darüber, ob ein Misstrauensantrag gegen den Präsidenten der Föderation gestellt wird.“
    Verstehend nickte Jellico und blickte kurz zu dem Präsidenten. Dieser fiel aus allen Wolken. Edward Jellico, der ihm vor zwei Stunden in den Rücken gefallen war, hielt nun die Zukunft seiner Präsidentschaft in den Händen. Für das Staatsoberhaupt gab es keinen Zweifel darüber, wie sich der Justizminister entscheiden würde. Auch Jellico hatte seine Entscheidung getroffen und öffnete den Mund, um sie zu verkünden…

    Fortsetzung folgt

    KAMPF
    based upon "STAR TREK" created by GENE RODDENBERRY
    produced for TREKNews NETWORK
    created by NADIR ATTAR
    executive producers NADIR ATTAR & CHRISTIAN GAUS
    co-executice producer SEBASTIAN OSTSIEKER
    producer SEBASTIAN HUNDT
    lektor OLIVER DÖRING
    staff writers THOMAS RAKEBRAND & JÖRG GRAMPP and OLIVER-DANIEL KRONBERGER
    written by NADIR ATTAR & CHRISTIAN GAUS
    TM & Copyright © 2005 by TREKNews Network. All Rights Reserved.
    "STAR TREK" is a registered trademark and related marks are trademarks of PARAMOUNT PICTURES
    This is a FanFiction-Story for fans. We do not get money for our work!


    Quelle: treknews.de
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