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Prolog
Das sanfte Aufsetzen des Shuttles im Hangarinneren der Voyager brachte ein vertrautes Gefühl mit sich: das Empfinden von purem Glück. Der einzige Insasse des Shuttles atmete einmal tief durch und begann dann, die Maschinen herunterzufahren. Er hatte das Shuttle selber geflogen. An sich war dies kein ungewöhnlicher Fakt gewesen, immerhin war er ausgebildeter Pilot, doch noch vor einem halben Jahr wäre dies nicht möglich gewesen. Die Fähigkeit, ein Gefährt durch die unglaublichen Weiten des Alls zu navigieren, wäre ihm auf mysteriöse Weise entsagt geblieben. Unwillkürlich musste sich der mittelgroße Mann fragen, wie es ohne seine Freunde und Familie um ihn stünde. Sicher wäre er einen Schritt weiter am Abgrund, wenn nicht schon in ihn gestürzt.
Gelassen erhob sich der Mensch und öffnete die Shuttleluke, wodurch er sich zu seinem Empfangskomitee, welches im Hangar wartete, begeben konnte. Captain Janeway, Commander Chakotay samt Frau Annika und nicht zuletzt Harry Kim, der junge Einsatzoffizier des Schiffes warteten dort auf ihn. Die Kommandantin der Voyager begrüßte ihn als erstes mit einem fröhlichen Lächeln: „Willkommen, Mr. Paris. Schön, dass sie uns besuchen!“
Auf Tom Paris Gesicht erschien ebenfalls ein Lächeln. Schön, wieder hier zu sein!
***
Sie hatten ihm doch tatsächlich sein altes Quartier als temporäre Residenz gegeben. Anfangs hatte Captain Janeway gezögert, ihre Zustimmung dazu zu gegeben. Immerhin war dies nicht nur Tom Paris´ Quartier gewesen, sondern auch das von seiner verstorbenen Ehefrau B’Elanna Torres. Was war, wenn ihn der Aufenthalt in ihrem ehemaligen Quartier zu sehr an seinen schmerzlichen Verlust erinnerte? Doch ihre Bedenken waren durch Tom selbst zerstreut worden, der sich bedankend die Entscheidung zugunsten des Quartiers getroffen hatte. Lieutenant Kim, der beste und langjährigste Freund des ehemaligen Navigators der Voyager, hatte ihn dorthin begleitet und ihm auch den Zugang verschafft, sowie die notwendigen Zugangsberichtigungen auf Tom Paris übertragen. Etwas müde von seinem langen Flug schleuderte Paris seine Reisetasche auf das große Bett, was immer noch in dem Quartier stand und ließ sich ebenfalls seufzend darauf sinken. Harry nahm in dem Sofa an der Fensterseite Platz. Ohne seinen Freund anzusehen, die geschlossenen Augen in Richtung Decke gerichtet, fragte Tom: „Wem gehört jetzt eigentlich der Raum hier mit meinem großen Bett?“
Grinsend erwiderte der OPS-Offizier: „Lieutenant Alexander. Er erzählt uns abends beim Schichtwechsel immer, wie wunderbar man hier schlafen könne.“
„Der Kerl schon wieder“, murmelte Tom und entspannte sich weiterhin. „Irgendwie scheinen die Schicksale von ihm und mir untrennbar miteinander verknüpft zu sein. Gruselig.“
Beide lachten über diesen mehr oder weniger sinnvollen Kommentar. Anschließend schwiegen sie einige Minuten lang, genossen so das vertraute Gefühl der Freundschaft, das zwischen ihnen existierte. Irgendwann beschloss Harry, dass sie genug ihrer Freundschaft gedacht hatten und stellte eine wichtige Frage. „Wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen?“
Nun richtete sich Tom doch auf und streifte seinen Pullover ab, schlüpfte im Anschluss in ein bequemes kurzärmliges Shirt. Irgendwie gefiel es ihm, nicht mehr die umständliche Uniform tragen zu müssen.
„Ganz gut“, antwortete Paris auf dem Weg zum Replikator, wo er sich ein Glas Wasser replizierte. „Das letzte halbe Jahr war sehr erholsam für mich gewesen. Das ständige Beisammensein mit Miral ist wirklich... erfüllend.“ Kurz lächelte Paris und blickte gen Boden. „Seltsam oder? Ich war nie jemand, der feste Bindungen eingehen, geschweige denn eine Familie gründen wollte. Hätte ich nur damals schon gewusst, wie wunderbar es ist, Vater zu sein, ich hätte schon früher damit angefangen, zu suchen.“
„Wie geht es Miral denn?“
„Sie entwickelt sich prächtig. Ihr klingonisches Wesen macht sich übrigens schon etwas bemerkbar; so ein impulsives Baby haben die Nachbarn, die sich übrigens in meiner Abwesenheit um sie kümmern, noch nicht erlebt“, erklärte Tom nicht ohne Stolz.
Lieutenant Kim strich sich einmal durch das schwarze Haar, bevor er fragte: „Abwesenheit? Hast du etwa eine Beschäftigung gefunden?“
Paris setzte sich nun auf den Sessel neben dem Sofa und genoss kurz das kühle Wasser, bevor er antwortete: „Ja. Weißt du noch, wie ich euch erzählt habe, dass ich einen alten Freund unten in Australien habe, der Testreihen für verschiedene Flugfirmen, inklusive der Sternenflotte, durchführt? Ich bin dort nun offiziell sein Testpilot.“
„Testpilot?“, entgegnete Harry irritiert. „Das ist doch gefährlich! Was ist, wenn dir etwas geschieht?“
Ohne mit der Wimper zu zucken, erwiderte Tom: „Vergiss nicht, dass ich der verdammt beste Pilot dieser Galaxis bin. Und ich war schon einmal tot; oder zumindest fast. Ich weiß was ich kann und wo meine wenigen Grenzen liegen.“
Beide grinsten. Diese Antwort klang wirklich wieder nach dem alten Tom Paris. Vor einem Vierteljahr, als sie ihn aus der Romulanischen Gefangenschaft geholt hatten, war er nicht mehr als ein psychisches und emotionales Wrack gewesen. Er war nicht einmal in der Lage gewesen, Crewman Tema’na, der einzigen Romulanerin an Bord und auch innerhalb der Sternenflotte, in die Augen zu sehen. Doch der lange Aufenthalt bei seiner Tochter schien Wunder bewirkt zu haben. Kim beneidete seinen Freund. Wann würde er selbst sein Glück finden?
„Hast du B’Elannas Tod... überwunden?“, fragte der Lieutenant vorsichtig.
Kurz blickte Tom raus zu den Sternen und Harry fürchtete schon, die falsche Frage zum falschen Zeitpunkt gestellt zu haben; doch schließlich antwortete Tom: „Überwinden kann man so etwas nie. Doch ich mache das, was sie auch gewollt hätte: dass Miral unter den bestmöglichen Bedingungen aufwächst. Weißt du, wöchentlich gehe ich zu ihrem Grab und lege ein paar Blumen nieder und spreche zu ihr. Wer weiß, vielleicht kann sie uns ja sehen, oben vom Himmel, Sto’vo’kor oder von wo aus sonst.“ Paris brachte das Gespräch in eine andere Richtung. „Und wie ist es dir so ergangen?“
„Och“, machte Harry und kratzte sich am Rücken, „das Übliche eben: Angriffe von fremden Schiffen, Erstkontakte, ein Schiff voller Hologramme, Spezies 8472, neue Esskreationen von Chell; eigentlich ist es so wie immer.“
„Freut mich zu hören. Hauptsache du hast einen Spaß.“
„Das auf jeden Fall. Und was hast du nun die nächsten fünf Tage hier vor?“
„Ausspannen“, antwortete Paris wie aus der Pistole geschossen. „Mal die Zeit etwas zurückdrehen. Alle Leute hier treffen, euch mal über die Schulter schauen und die Sternenflottentechnik etwas prüfen.“
„Du willst uns also auf die Nerven gehen?“
„Ganz recht“, entgegnete Tom grinsend.
Auch Harry lächelte. Die nächsten fünf Tage würden herrlich werden!
COMPUTERLOGBUCH DER VOYAGER
CAPTAIN KATHRYN JANEWAY
STERNZEIT 56301,4
Nachdem wir unseren Gast aufgenommen haben, fährt die Voyager mit ihrer Routinemission, der Kartographierung des Mutara-Nebels C-14 fort. Genau die richtige Aufgabe, damit die Crew und auch nicht zuletzt ich selbst nach den letzten harten Monaten entspannen können.
„Dubrovnik!“
„Gagarin“, erschallte es von Harrys Station zurück.
„Ich schlage den Titel Mul’kuum vor“, sagte Tuvok ruhig.
Zischend öffneten sich die beiden Schotts des Turboliftes und entließen Tom Paris auf die Brücke, wo er sich erst einmal verwundert zu seinen ehemaligen Kameraden und Freunden drehte. Captain Janeway registrierte seinen irritieren Gesichtsausdruck und erklärte Paris: „Wir überlegen uns gerade einen Namen für diesen Mutara-Nebel. Wie sie selber wohl bemerken werden, klingt C-14 doch etwas trocken.“
Erleichtert hob Tom Paris beide Augenbrauen. Er hatte schon für einen kurzen Moment befürchtet, dass seine Freunde verrückt geworden waren.
„Wieso lassen wir nicht Mr. Paris entscheiden?“, schlug Chakotay vor, der wie üblich auf seinem Sitz links von Captain Janeway saß. „Immerhin ist er diese Woche unser Ehrengast.“
„Eine ausgezeichnete Idee“, meinte Harry Kim und lächelte erfreut, als auch die Kommandantin der Voyager mit einem Nicken ihre Zustimmung gab.
Selbst Tuvok schien keine Einwände gegen diese Idee zu haben.
„Also Tom“, meine Janeway und lächelte den ehemaligen Steuermann an, „sie haben die Qual der Wahl. Entscheiden sie gut!“
Langsam stieg Paris von dem oberen Podest herunter und näherte sich so dem Wandschirm. Für einen kurzen Moment ließ er sich von der puren Schönheit des Nebels, seinem magischen Pulsieren und den ausgeprägten Farben gefangen nehmen. Welcher Name war gut genug, um dieses Wunder zu ehren?
„B’Elanna“, sagte Tom schließlich ruhig, fast schon still. Dann drehte er sich zum Rest der Brückenbesatzung und bekräftigte seinen Entschluss: „Wir sollten diesen wunderbaren Nebel nach einer wunderbaren Person benennen. Er soll B’Elanna heißen.“
Niemand hatte Einwände gegen diese Entscheidung, ganz im Gegenteil, sie erschien jedem an Bord sogar recht einleuchtend.
Kathryn Janeway machte eine kurze Notiz in ihr Brückenlogbuch, dass man den Nebel C-14 nun benannt hatte. Im Anschluss daran wandte man sich wieder dem normalen Tagesgeschäft zu.
Tom drehte sich wieder in Richtung Wandschirm, wandte sich jedoch diesmal nicht zu der Projektion, sondern zu einer altvertrauten Station hin: Die Navigationskonsole!
Noch vor einem Vierteljahr wäre er vor ihr zusammengezuckt; unfähig, irgendwelche Kommandos in sie einzugeben. Der Grund war nicht so sehr bloße Unfähigkeit gewesen, sondern vielmehr die Person, die nun die Navigatorin der Voyager war. Crewman Tema’na, die eine Romulanerin war. - Als man ihn von Romulus abgeholt hatte, war Tom nicht mal in der Lage gewesen, mit ihr denselben Raum zu teilen. Zu groß war die Antipathie, der bloße Schrecken vor jedem Romulaner in ihm drin gewesen. Auch als er zu Hause, bei seiner geliebten Miral gewesen war, hatte es Monate gekostet, diese Empfindungen abzulegen. Er hatte sogar einen Counselor konsultieren und wöchentliche Gesprächsstunden abhalten müssen. Am Anfang war es schwierig gewesen, mit einer völlig fremden Person über seine Gefühle zu reden, für die er sich sogar geschämt hatte. Doch nach einiger Zeit bemerkte er, wie ihn diese Sitzungen immer mehr befreiten, der Druck, der auf ihn lastete, immer weiter abnahm. Und nun fühlte er sich endlich frei. So als ob nichts gewesen wäre, beugte sich Paris über die Romulanerin über die Steuerkonsole und studierte ihre Anzeigen. Früher einmal, in seinen wilden jungen Jahren, wäre ein so enger Kontakt ein Versuch des Flirtens gewesen, doch inzwischen war Tom ein Vater mit Verantwortung. Andere Frauen, außer Miral, interessierten ihn nicht mehr.
„Wie fliegt sich die neue Variante?“, fragte er heiter.
„Den Umständen entsprechend“, entgegnete Tema’na kühl, entsann sich dann doch wieder der alten Stellung Tom Paris’ und ergänzte dann etwas freundlicher: „Es ist eine Freude sie zu fliegen.“
„Das glaube ich. Sie halten den Kurs wirklich gut.“
„Es ist ja auch nicht viel zu tun, außer auf Kurs null null null Komma null zu fliegen“, antwortete Tema’na wahrheitsgemäß.
„Muss trotzdem aufregend sein.“
„Möchten sie einmal?“
Die Frage kam so überraschend für Tom, dass er sich überrascht aufrichtete. Dann blickte er kurz zu seiner alten Kommandantin, die ihm zunickte und nahm dann grinsend Tema’nas Platz ein. Es schien wie früher zu sein. Seine Hände, sein Geist und die Kontrollen wurden wieder eins. Er musste keine gewagten Flugmanöver, keine Beschleunigungen durchführen, nein, er musste nur den Kurs halten. Und dies machte ihm einen riesigen Spaß.
Fast schon so wie früher, dachte er melancholisch.
Selbst Tema’na, die in diesem Moment neben ihm stand und unnötigerweise seine Aktionen überwachte, konnte sich einige melancholische Gedanken nicht verkneifen. Zum ersten Mal seit langer Zeit wurde sie wieder daran erinnert, wie schön es war, hier draußen in den unendlichen Weiten zu sein.
Wild fuchtelnd marschierte Lieutenant Commander Barclay durch den Maschinenraum der Voyager. „Wild“, war dabei jedoch als ein relativer Begriff zu verstehen. Alle anwesenden Ingenieure, die Reginald Barclay sahen würden dieses Wort ohne zu zögern in diesem Moment anwenden. Doch enge Vertraute und natürlich auch Reg selber wussten, dass er noch viel schlimmer drauf sein konnte. Welch Ironie! Die Kartographierung eines Nebels war normalerweise eine Routineaufgabe, die absolut entspannend für die Crew sein konnte. Nur nicht für den armen Reginald Barclay. Dauernd fluktuierten die Sensorgitter, was ihn selbst und sein Team zu schnellen Gegenmaßnahmen veranlasste. Natürlich hing nicht die Sicherheit des Schiffes von seinen Taten ab und daher mochte manch einer nicht die Nervosität des Chefingenieurs verstehen. Doch ein echter Sternenflottentechniker wusste, dass es nichts Peinlicheres gab, als dass bei einer solch simplen Aufgabe die Systeme versagten. Und so tat der Commander sein bestes, um diesen Fall zu verhindern. Nur vage nahm er aus den Augenwinkeln das Zischen der großen Eingangstür zum Maschinenraum zur Kenntnis. Tom Paris, ihr Gast für diese Woche, betrat das große Deck und blickte sich staunend um. Die Wunder der Technik, den großen pulsierenden Warpkern zu sehen, war immer noch einmalig. Hier war das wahre Nervenzentrum des Schiffes, der Quell der Energie. Lief es hier nicht reibungslos, dann auch nicht auf dem Rest des Schiffes. Kurz zuckte Tom kaum merklich zusammen, als er meinte, inmitten der Techniker B’Elanna zu erkennen. Doch sein Verstand belehrte ihn schon nach wenigen Sekunden etwas besseren. Dies war einmal das Reich seiner Frau gewesen, der Ort an dem sie sich am meisten wohlgefühlt hatte. Auch wenn er ihren Tod endlich akzeptiert hatte, war es für Tom nur äußerst schwer zu begreifen, dass Lieutenant Commander Barclay nun hier das zugegeben chaotische Kommando führte. Was wohl B’Elanna über diesen teilweise schusseligen Ingenieur dachte?
Unsanft wurde Tom von der Seite umgerempelt. Bevor er von der Wucht zu Boden geworfen werden konnte, hatte ihn aber dieselbe Person, die eben noch gegen ihn geprallt war, wieder aufgefangen. Es war kein geringerer als Barclay selbst gewesen.
„Reg, was ist denn mit ihnen los?“
„Der Stress“, entgegnete der Ingenieur hastig und ging zu der Statuskonsole neben ihm.
Paris folgte ihm spontan und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Kennen sie das Sprichwort Stress hat nur der, der sich Stress macht?“
„Nein.“
„Dann kennen sie es jetzt.“
Ungefähr eine halbe Minute lang beobachtete Tom die Bemühungen des Commanders, das Sensorgitter vor dem Ausfall zu bewahren. Dann musste Reg aufs obere Deck gehen.
„Sehen sie sich ruhig um, Mr. Paris. Sie kennen ja alles“, rief ihm Barclay noch zu, bevor er auf die Leiter sprang. Tom nickte. Auf diese Worte hatte er nur gewartet.
Auch der Bereitschaftsraum der „neuen“ Voyager-A versprühte ein beruhigendes Gefühl der Wärme, was nicht zuletzt an Captain Janeways zahlreichen Exponaten bestand. Auf dem Regal an der rechten Wandseite tummelten sich mehrere Kunstwerke und Skulpturen aus verschiedenen Zeitaltern, meistens aus menschlicher, manchmal auch aus außerirdischer Hand. Immer wieder, wenn Harry Kim hier herein gerufen wurde, bewunderte er diese exquisite Sammlung, die ihm ein Gefühl von Ruhe verschaffte. Lächelnd begrüßte ihn die Kommandantin der Voyager und bedeutete ihm, Platz zu nehmen. Dankend nahm der Einsatzoffizier das Angebot an.
„Einen Kaffee, Harry?“
„Nein danke“, antwortete Harry ruhig und faltete seine Hände.
Die braunhaarige Frau erhob sich aus ihrem Stuhl und ging zum Replikator, aus dem sie eine frisch zubereitete Tasse Kaffee nahm. Mit geschlossenen Augen roch sie kurz an dem Getränk, kostete das ganze Aroma aus, bevor sie einen kräftigen Schluck nahm.
„Sicher fragen sie sich, wieso ich sie so kurz vor Dienstschluss hierher zitiert habe“, begann Kathryn Janeway das Gespräch.
Überrascht von diesem Beginn rutschte Harry auf dem Sessel hin und her. „Ja Captain, das stimmt.“
Mit dem Kaffee in der Hand setzte sich Janeway ihm gegenüber zurück an ihren Schreibtisch. „Ich würde gerne von ihnen eine Einschätzung bezüglich Tom hören.“
„Einschätzung?“ Harry Kim war etwas überrascht über diese Aufforderung.
„Ja. Wie haben sie ihn erlebt; wie ist seine Verfassung.“
„Captain, diese Frage hat jetzt nichts mit Ablehnung oder dergleichen zu tun, aber wieso interessiert sie dies so sehr?“
Die Kommandantin reagierte nicht böse auf diese Frage. Immerhin war der Einwand berechtigt. Hinter dem Rücken der Person wollte sie Erkundungen über jemanden einziehen, obwohl dieser überhaupt nicht negativ aufgefallen war. Kurz seufzte Janeway. „Lieutenant, für uns alle war und ist Tom immer noch ein hochgeschätzter Freund. Als wir ihn das erste Mal nach seiner langen Gefangenschaft sahen war er, gelinde gesagt, ein psychisches Wrack. Auch wenn er sich alle Mühe gab, nicht den Eindruck zu erwecken, so verließ er doch die Voyager als gebrochener Mann. Ich würde nun ganz gerne wissen, ob er auf dem Wege der Besserung ist oder, wie er selbst meint, vollkommen genesen ist.“
Bedächtig nickte Harry. Der Grund für Captain Janeways Frage schien mehr als logisch. Sicher würde Paris nichts dagegen haben, wenn er eine wahrheitsgemäße Antwort gab: „Nun, er ist erst einen Tag hier und ich hatte gestern Abend Zeit für ein längeres Gespräch mit ihm. Soweit ich dies beurteilen kann, und ich kenne Tom wirklich gut, scheint er wieder ganz der Alte zu sein. Oder doch nicht ganz: er stellt sich noch mehr in den Dienst seiner Tochter. Sie haben ja heute gesehen, wie neutral er auf Tema’nas Anwesenheit reagiert hat. Vor einem Vierteljahr wäre er fast noch schreiend von der Brücke gerannt und nun ist er die Ruhe selbst. Ich habe allen Grund zur Annahme, dass er wieder vollständig genesen ist.“
Eine gute Antwort. Freude machte sich in Janeway breit. Sie dankte Kim für diese offenen Worte und entließ ihn in sein wohlverdientes Dienstende. Sie würde noch kurz ihren Kaffee austrinken und sich dann dem erholsamen Schlaf widmen.
Crewman Tema’na, die erste Romulanerin innerhalb der Sternenflotte und Steuerfrau des Föderationsraumschiffes Voyager, hatte sich gerade dafür fertig gemacht, sich ihr wohlverdiente Nachtruhe zu gönnen, als sie von einem mehr als ungewöhnlichen Geräusch gestört wurde: der Türsummer ihres Quartiers meldete sich piepend zu Wort. Obwohl sie sich sonst immer eine Miene der Gleichgültigkeit aufsetzte, war Tema’na nun im ersten Moment völlig paralysiert. Jemand hatte an ihrem Quartier geklingelt! Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, wann dieser Fall das letzte Mal, ob er überhaupt jemals eingetreten war. Wieder schellte die Klingel. Auch wenn sie über diese Störung ihrer Ruhe etwas verärgert war, streifte sie sich ihren Morgenmantel über. Immerhin war sie schon gespannt darauf zu sehen, wer der mysteriöse Besucher war. Mittels Verbalkommando ließ sie das Licht im Raum sich erhellen und öffnete die Tür. Draußen stand Thomas Eugene Paris, ein Gast, mit dem sie überhaupt nicht gerechnet hatte.
„N’abend“, begrüßte sie der Terraner mit einer Andeutung eine knabenhaften Lächelns auf seinem Gesicht. „Ich hoffe, ich störe sie nicht zu sehr.“
Bei jeder anderen Person, selbst beim Captain, hätte Crewman Tema’na mit Ja geantwortet. Doch irgendwie erkannte sie in dem ehemaligen Navigator der Voyager eine vertraute Seele, was wohl hauptsächlich auf seine vormalige Stellung an Bord dieses Schiffes zurückzuführen war. Nur zu deutlich erinnerte sich die Romulanerin daran, wie sie vor fast anderthalb Jahren ein Wahnsinnsflugmanöver hatte durchführen müssen. Bei vollem Warpflug in den Orbit eines Planeten einschwenken. Die ganze Nacht über hatte sie dieses Manöver mit einer holografischen Version von Tom Paris geprobt. Daher fühlte sie sich diesem Mann, obwohl sie mit seinem wahren Ich noch nie ein Gespräch geführt hatte, näher als allen anderen Personen an Bord. Sein abweisendes Verhalten bei ihrer ersten Begegnung vor gut einem Vierteljahr tangierte sie überhaupt nicht.
„Darf ich eintreten?“, fragte Paris höflich.
Offensichtlich hatte sich Tema’na zu lange ihren Überlegungen hingegeben. Mit einem Nicken ließ sie den Menschen eintreten, der sich in einen Stuhl setzte.
Tema’na setzte sich ebenfalls in den gegenüberliegenden Stuhl, wobei sie wie immer versuchte, eine Aura der Unnahbarkeit zu wahren. „Mr. Paris, auch wenn ich es begrüße, dass sie hier sind“, begann der Crewman, „so muss ich mich doch fragen, was sie hier zu später Stunde bei mir machen?“
Seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. „Ich möchte mich noch einmal bei ihnen entschuldigen.“
„Für was?“
„Für mein Verhalten ihnen gegenüber vor einem Vierteljahr“, erklärte Tom traurig. Er schien sich für seine Handlungsweise von damals wirklich zu schämen. „Ich habe sie immer gemieden und wenn wir uns über den Weg liefen, so verspürte ich immer große Angst und auch Zorn vor ihnen.“
„Eine durchaus verständliche Reaktion, wenn man an die Umstände ihrer Gefangenschaft auf Romulus denkt“, erwiderte Tema’na etwas mitfühlender, als sie eigentlich vorhatte.
„Möglicherweise. Doch ich hatte einfach noch einmal das Bedürfnis, ihnen ins Gesicht zu sehen und sagen zu können, dass es mir Leid tut, dass ich sie und auch ihre ganze Spezies unter einem solch falschen Licht betrachtet habe. Ich weiß, dass sie nichts für die Taten ihrer Politiker können.“
„Das... freut mich zu hören“, meine Tema’na langsam.
Kurz schwiegen sie.
„War es schlimm? In der Gefangenschaft, meine ich?“ fragt Tema’na naiv.
Paris´ Augen nahmen für einen Moment einen trüben Glanz an, als er sich zu erinnern schien. Schließlich formulierte er doch eine Antwort: „Ich würde sagen, dass alle Gerüchte über den Tal Shiar stimmen.“
Eine einfache Antwort auf eine schwierige Frage. Tema’na schien immer mehr Sympathie für diesen ungewöhnlichen Mann zu empfinden.
„Wie auch immer“, Tom klopfte sich erst auf die Oberschenkel und erhob sich dann schwungvoll aus seinem Stuhl, „ich denke, es ist nun wirklich an der richtigen Zeit, mich schlafen zu legen. Danke, dass sie mich noch empfangen haben.“
„Kein Problem. Ich muss sogar zugeben, dass es mir eine Freude war, dieses Gespräch mit ihnen zu führen.“
Und als sie den Mann nach draußen begleitete, hatte Crewman Tema’na wirklich das Gefühl, dass hier etwas begonnen hatte. Nur was war es?
Gab es etwas Besseres als die Nachtschicht? Sicherlich nicht, wie Lieutenant Corey Alexander fand. Seit seinem Dienstantritt auf der Voyager nach ihrer triumphalen Rückkehr aus dem Delta-Quadranten war Lieutenant Alexander immer der kommandierende Offizier während der Nacht gewesen. Hier konnte er Kommandoerfahrung sammeln und sich gleichzeitig entspannen. Er genoss dieses Gefühl der Ruhe, das durch seinen Körper floss, wenn er seinen Geist treiben ließ. Das abgedunkelte Licht auf der Brücke und das leise Piepen der Geräusche verschmolzen zu einem wunderbaren Mantra der Ruhe. Was gab es schöneres?
Fähnrich McBeth drehte ihren blonden Haarschopf von der Steuerkonsole in Richtung Alexander.
„Ein Plasma-Impuls bildet sich im Nebel.“
Beschwichtigend hob Lieutenant Alexander die Hände und freute sich schon darauf, seine Ruhe vor diesem jungen Fähnrich zu demonstrieren. „Nur die Ruhe, Fähnrich. So etwas kann vorkommen bei einem Mutara-Nebel. Solange unser Antimaterie-Reaktor den Impuls nicht anzieht, besteht überhaupt kein Grund zur Sorge.“
McBeths wissenschaftliche Neugier schien geweckt. „Und wie zieht der Antimaterie-Reaktor den Impuls an?“
Wieder konnte der Lieutenant sein Wissen ausspielen: „Es gibt bestimmte Toleranzbereiche, wir können in diesem Fall auch von Frequenzen sprechen, die die Antimatiere-Reaktion nicht erreichen darf. Um dies zu verhindern, hat Lieutenant Commander Barclay schon die notwendigen Änderungen durchgeführt. Also, wie sie sehen, alles kein Problem.“
„Aha. Übrigens entfaltet sich der Impuls schon.“
„Lassen sie ihn doch.“
Alexander lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück. Die nächsten Sekunden würde die Plasmaranke, die in den Weltraum hinausschoss, ein schöner Anblick werden.
McBeth zählte den Countdown herunter: „3...2...1...jetzt.“
Doch das völlig Unerwartete geschah: Der Plasmaausstoß bewegte sich in Richtung der Voyager und traf das Schiff. Das ganze Schiff erbebte und Alarmstufe Rot wurde ausgegeben.
Lieutenant Alexander und seine ganze Brückenbesatzung mussten sich festhalten, um nicht einen schmerzhaften Kontakt mit dem Boden herzustellen. Die Plasmawelle wurde durch geradezu magische Weise vom Warpkern der Voyager angezogen und bahnte sich durch Leitungen und Relais den Weg dorthin. Die wenigen Ingenieure im Maschinenraum konnten nur noch zusehen, wie sich funkenstobend die Plasmawelle dem Kern näherte. Wenn er auftraf, würde das Schiff sofort zerstört werden. Immer näherte rückten die kleinen Explosionen, die von überlasteten Leitungen herrührten. Und dann... geschah nichts. Die Welle stoppte einfach - eine Konsole vor dem Warpkern. Lieutenant Alexander öffnete auf der Brücke die Augen, die er instinktiv geschlossen hatte und keuchte schließlich, als er registrierte, dass sie alle noch lebten. Aber wieso?
Die Atmosphäre im Konferenzraum der Voyager war, um es einmal vorsichtig auszudrücken, angespannt. Die gesamte Führungsmannschaft des Schiffes hatte sich hier versammelt, um zu erklären, was sich vor nicht einmal einer knappen Stunde ereignet hatte.
„Solche Plasmaausstöße sind für diese Art von Nebel nichts Ungewöhnliches. Sie treten zwar vereinzelt auf, stellen jedoch bei richtigen Einstellungen des Warpkernes keine Gefahr für das Schiff dar“, erklärte Lieutenant Commander Tuvok den Anwesenden.
Ungewöhnlich heftig entgegnete Chefingenieur Barclay: „Ich habe die Toleranzbereiche richtig eingestellt. Dies können sie anhand des Maschinenraumlogbuches prüfen!“
„Er hat recht“, stimmte Harry Kim zu. „Commander Barclay hat keinen Fehler hier begangen.“
„Natürlich nicht.“
Beschwichtigend hob Captain Janeway die Hände. „Das reicht jetzt“, beendete sie resolut diese Diskussion. „Hier geht es nicht um Schuldzuweisungen. Wenn der Commander sagt, die Frequenzen war korrekt eingestellt, dann stimmt dies auch; vor allem, wenn das Logbuch ihm Recht gibt. Nehmen wir mal an, dass dies wirklich nur Pech, ein Unfall oder sonst etwas war: Was verhinderte, dass die Kaskade bis zum Kern durchdrang?“
„Das letzte Kabel vor der Diagnosestation war getrennt worden“, erklärte Barclay wild gestikulierend. Offenbar war er sehr aufgeregt über diese Sache, eine äußerst verständliche Reaktion auf das eben Geschehene. „So konnte, im wahrsten Sinne des Wortes, der Funke nicht überspringen.“
„Ich nehme an, diese Abtrennung der Leitung kann auch kein Zufall sein?“, fragte Annika Hansen, wobei sie sich bemühte, einen möglichst neutralen Tonfall zu wahren.
„Unmöglich. Die Leitung ist untersucht worden. Sie wurde mit chirurgischer Präzision durchgetrennt. Das rettete uns das Leben.“
„Und wer ist unser Retter?“, fragte Commander Chakotay.
„Das wissen wir nicht. Eine solche Tat ist in keinem Logbuch eingetragen worden und auch keiner meiner Ingenieure gibt zumindest zu, etwas mit dieser Leitung getan zu haben.“
Janeway weitete überrascht die Augen. „Wie wäre es mit einer DNA-Analyse? Die müsste doch die Person ermitteln können?“
Barclay schüttelte resigniert den Kopf und fuhr sich mit der Hand durch die schweißnassen Haare. „Alleine gestern haben Zig Personen an dieser Konsole gearbeitet, sowohl mit ihr als auch an ihr. Eine Analyse bringt ihnen nichts; sie würden wahrscheinlich die Werte von uns allen bekommen.“
„Und die Anziehung des Plasmas durch unseren Warpkern war auch kein Zufall?“, fragte Janeway müde in Richtung Tuvok. Um so schnell wie möglich diese Besprechung durchführen zu können, hatte sie sogar auf ihren geliebten Morgenkaffee verzichtet.
„Unmöglich“, antwortete der Vulkanier und wölbte die Augenbraue. „Es sieht so aus, als hätten wir einen Täter, der das Schiff sabotieren wollte und einen Gönner, der uns gerettet hat.“
„Vielleicht waren es ein und die selbe Person?“, warf Annika ein.
Alle Blicke wendeten sich zu Chakotays Frau, die erklärte:
„Nicht selten kommt es vor, dass psychisch labile Personen auf diese Art und Weise Aufmerksamkeit erringen wollen. Sie provozieren eine Katastrophe, wenden sie dann aber selbstlos ab.“
„Diese Theorie scheint mir hier nicht ganz zu passen“, meinte Janeway und stützte ihre Ellbogen ab. „Wie auch immer. Tuvok, beginnen sie mit einer umfangreichen Untersuchung dieser Angelegenheit. Bis auf weiteres gilt gelber Alarm auf diesem Schiff. Wegtreten.“
Mit besorgten Mienen löste sich die Versammlung auf. Niemand von ihnen konnte sagen, wann die nächste Katastrophe über sie hereinbrechen konnte.
An seinem zweiten Tag betätigte Tom Paris zum zweiten Mal einen fremden Türsummer. Anscheinend war er auf einer großen Tournee zu allen Freunden quer durch das Schiff, zumindest kam es dem großgewachsenen Mann so vor. Die Schotts zu dem Quartier glitten auf und gaben den Blick auf einen der Bewohner frei.
„Mr. Paris! Bitte, kommen sie herein“, begrüßte ihn Annika Hansen, die Frau, die ihm so lange unter dem Namen Seven of Nine bekannt gewesen war. Staunend betrat Paris das Quartier und bewunderte die schöne Ausstattung, die familiäre Atmosphäre und nicht zuletzt die zweite Person, die auf einer Decke auf dem Boden lag und versuchte, einige Holzklötze zu stapeln.
„Hallo Tom, wie geht es dir?“, fragte Paris grinsend und legte sich auf den Boden neben das Kind, um es bei seinen kindlichen Bemühungen zu beobachten. Annika nahm auf dem Sofa Platz und beobachtete ebenfalls ihren Sohn. Sie und Chakotay hatten ihre Schichten so umgestellt, dass mindestens einer von ihnen permanent bei ihrem Sohn bleiben konnte. Und diesmal war es Annikas Runde.
Überwältigt von seinen Glücksgefühlen beobachtete Tom Paris das Kind, das ihm zu Ehren Thomas genannt worden war. Eine größere Ehre hätte das Ehepaar ihm nicht zuteil lassen können. Ein faszinierender Junge. Man erkannte die Nase von Chakotay in dem Jungen, während er die blauen Augen seiner Mutter hatte. Einfach nur faszinierend. Vielleicht sollte er den Jungen und Miral mal zusammen bringen. Einen Spielpartner konnten sicher beide gebrauchen.
„Mr. Paris“, fragte Annika schließlich, „sie sind doch nicht nur hierher gekommen, um sich unseren kleinen Thomas hier anzusehen?“
Der ehemalige Navigator des Schiffes brachte sich in eine etwas gemütlichere Position.
„Stimmt. Mir war auch etwas nach... reden.“
Annika Hansen lächelte, eine Reaktion, die er früher nie bei der attraktiven Frau beobachtete hatte. „Gerne. Und worüber?“
„Zu erst einmal“, begann Paris und räusperte sich, „sollten sie mich wie jeder andere hier an Bord Tom nennen. Dies tut sogar der Captain. Und es ist nicht verkehrt, großen Vorbildern nachzueifern.“
„In Ordnung,... Tom.“
Selbstverständlich war es am Anfang ungewöhnlich für die ehemalige Borgdrohne, diese doch persönliche Anrede zu benutzen. Doch sie würde sich sicher noch anpassen, wie sie hoffte.
Nein, korrigierte sie sich selbst, sie würde sich noch daran gewöhnen. Der von ihr zu erst benutzte Begriff hatte etwas zu sehr nach Borg geklungen.
„Wie läuft ihr Leben mit Chakotay an Bord so?“
„Wir können uns nicht beschweren. Es ist ein aufregendes, manchmal anstrengendes, nichtsdestotrotz jedoch lohnenswertes Leben. Wir fühlen uns gut hier.“
„Freut mich zu hören“, sagte Paris und er meinte es auch ehrlich.
„Und was machen sie so?“
„Ich bin Testpilot einer Firma in Australien. Kann auch ganz schön aufregend werden.“
Einige Sekunden lächelte er süffisant, bevor Annika eine weitere Frage stellte.
„Tom, hatten sie je mit dem Gedanken gespielt, hierher zurückzukommen? Zur Sternenflotte und letztendlich auch auf die Voyager?“
Einige Augenblicke überlegte Tom, wobei er seinen Blick durch den Raum schweifen ließ.
Dann seufzte er leise. „Natürlich habe ich daran gedacht. Ich möchte auf gar keinen Fall ihren Erziehungsstil kritisieren, doch ich denke, es ist das Beste für meine Tochter, wenn sie auf der Erde aufwächst. Und auch die Sternenflotte... ich glaube in all den Jahren haben wir gemerkt, dass ich nicht wirklich in diesen Laden gehöre.“
„Das ist schade“, entgegnete Annika. „Nicht nur ich und mein Mann würden ihre Rückkehr sehr begrüßen.“
„Das freut mich zu hören. Doch ich denke mal, ich bleibe dem Schiff besser fern. Ich bin kein Glücksbringer. Sie sehn es ja, kaum war ich einen Tag an Bord, schon wären wir fast in die Luft geflogen.“
Etwas überrascht von diesem Wechsel auf ein ernstes Thema, fragte Annika: „Wie stehen sie zu den Gerüchten eines Attentäters an Bord, Tom?“
Paris zuckte die Schultern. „Davon habe ich gehört. Doch wer könnte schon einen solchen Groll gegen das Schiff und seine Besatzung hegen, dass es alle in die Luft sprengen wollte?“
„Ich könnte ihnen auf der Stelle Dutzende aufzählen, inklusive der Borg.“
„Lassen sie mal lieber“, entgegnete Tom und brachte sogar ein Grinsen zu Stande, das so gar nicht zur derzeitigen Situation passen wollte. Paris war nun mal für sein ungewöhnliches Wesen bekannt. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Commander Tuvok der Lösung schon ganz nahe ist“, sagte er zuversichtlich.
Gott sei dank empfanden Vulkanier keine Emotionen. Ansonsten wäre Lieutenant Commander Tuvok, der Chef der Sicherheit des Föderationsraumschiffes Voyager, ganz schön frustriert gewesen. Die Ermittlungen waren in einer Sackgasse geendet. Bisher hatte er jedes einzelne Besatzungsmitglied, welches für eine solche Tat in Frage käme, befragt, doch keiner wollte besagte Leitung getrennt und damit das Schiff gerettet haben. Für emotionale Wesen war es doch höchst merkwürdig, dass keiner von ihnen die Lorbeeren seines Tuns entgegen nehmen wollte. Irgendwann hatte er seine Ermittlungen an diesem Punkt beendet und doch noch für die gesamte Konsole, mitsamt ihren Leitungen eine DNA-Analyse angeordnet. Auch wenn, wie schon in der Besprechung gesagt, die Chancen auf Erfolg mit diesem Ermittlungsweg äußerst gering waren, so musste er sie wahrnehmen. Also hieß es eine neue Spur verfolgen. Tuvok prüfte nun nach, wer die Toleranzbereiche des Warpkernes so geändert hatte, dass er die Plasmawelle wie ein Magnet angezogen hatte. Commander Barclay betonte, dass er alles richtig eingestellt hatte. Gut. Die Logbücher bestätigten seine Aussage. Oder hatte er sie nachträglich verändert, um seinen Fehler zu kaschieren? Abgesehen davon, dass er eine solche Tat dem manchmal schusseligen Chefingenieur gar nicht zutraute, so hätte er es gar nicht erst geschafft, innerhalb so kurzer Zeit seine Spuren so gründlich zu verwischen. Doch wer war es dann? An diese Frage musste man logisch herangehen. Wer war es? Jemand, der dem Schiff und seiner Mannschaft schaden wollte. Warum? Weil er irgendeinen Zorn hegte. Warum hegte er Zorn? Vermutlich weil ihn die Voyager unabsichtlich oder absichtlich verärgert. Wann? Unbekannt. Oder doch nicht? Immerhin musste eine solche Tat gut geplant werden. Alleine zu wissen, wann die Voyager einen solchen Nebel, der nun B’Elanna-Nebel genannt wurde, untersuchte, bedurfte intensiver Recherchen. Also musste es schon jemand sein, der vor längerer Zeit beleidigt worden war. Und dass er den Flugplan der Voyager kannte, war dies ein Indiz, dass er Zugang zu Informationen hatte, die nur höheren Sternenflottenmitgliedern zugänglich waren? Dieser Ansatz würde wieder zurück zu der Frage führen, welches höhere Sternenflottenmitglied etwas gegen das Schiff hatte. Wer immer es auch war, er hatte meisterlich seine Spuren verwischt. Dies war jedoch nur möglich, wenn er entsprechendes Gerät dabei hatte. Gerät, welches nicht an Bord des Schiffes existierte. Tuvok aktivierte sein Computerterminal und ging einige Sicherheitsdateien durch, die nur für ihn bestimm waren. Um Einsicht in sie zu erhalten, musste er seinen Höchsten Sicherheitscode eingeben. Er ließ sich Sicherheits- und Geheimdienstmaterialien anzeigen. Nur sein hoher Rang hatte ihm Einblick in diese Dokumente verschafft. Nach einigem mühevollen Suchen fand Tuvok etwas: Der Sternenflotte waren Geräte bekannt, mit denen man Tatorte diskret „säubern“ konnte, ohne Spuren zu hinterlassen. Diese Maschinen wurden von Spezialeinheiten der Sternenflotte in Kriegszeiten benutzt, um geheime Kommandooperationen durchzuführen. Diese Geräte sonderten leichte Mengen von Beta-Strahlung ab; Strahlung, die zwar ungefährlich waren und auch nicht am Tatort selbst zurückblieben, jedoch von diesen Geräten, die man kurz „Säuberer“ nannte, abgesondert wurden. Kurz überprüfte Tuvok sein Gedächtnis, obwohl er das Ergebnis schon kannte. Niemand hatte in den letzten Tagen das Schiff verlassen, ergo war der Täter noch an Bord. Der Vulkanier aktivierte seinen Kommunikator: „Tuvok an Kim.“
„Bitte sprechen sie, Commander.
„Lieutenant, bitte führen sie für mich einen schiffsweiten Scan nach Beta-Strahlung durch. Stellen sie die Sensoren auf maximale Leistung, die Strahlung könnte nur in sehr geringen Mengen auftreten.“
„Habe verstanden. Die Ergebnisse können aber etwas dauern.“
„Je früher, desto besser, Lieutenant.“
Mit diesen Worten schloss der Vulkanier wieder den Kom-Kanal. Abermals hieß es warten.
Tom Paris lief gerade durch einen der Korridore in Richtung Krankenstation, um den Doktor zu besuchen, da piepte sein Chronometer, welches er am linken Handgelenk trug. Mit besorgtem Blick identifizierte er das Geräusch als genau das, was er befürchtete. „Es muss schon wieder sein“, murmelte Paris und sprintete los.
„Tuvok, bei allem Respekt, aber diese Unterstellung ist ja unglaublich!“
Entsetzt blickte die Kommandantin der Voyager ihren langjährigen Freund an, der kerzengerade in ihrem Bereitschaftsraum stand und seinen Bericht ablieferte. Im Grunde genommen konnte er sogar verstehen, wieso sie so emotional reagierte. Aber die Untersuchungen waren nun einmal an diesem Punkt angelangt und in einer langen Kette von Verirrungen und Unlogikkeiten erschien diese Lösung noch am logischsten.
Nur wollte Captain Janeway diese Lösung noch nicht so ganz akzeptiert. Langsam umrundete sie ihren Schreibtisch und trat auf den großen, dunklen Vulkanier zu, der immer noch starr wie eine Litfasssäule vor sich hinstarrte. Sie musterte sein Gesicht auf der vergeblichen Suche nach Emotionen. Mehr für sich selbst denn des Verständnisses wegen formulierte Janeway noch einmal die Worte für sich selbst: „Sie behaupten also allen Ernstes, dass Tom Paris der Attentäter war, der das Schiff sprengen wollte.“
Völlig ruhig antwortete der vulkanische Sicherheitschef: „Ja. Und er hat gleichzeitig das Schiff gerettet, indem er die Verbindungsleitung zum Warpkern getrennt hat.“
Kurz blickte Kathryn Janeway aus dem Fenster ins All hinaus und beobachtete den B’Elanna-Nebel. Konnte dies etwa wahr sein? „Sie wollen mir sagen, dass Tom erst das Schiff sabotieren und es dann retten wollte? Wieso? Dies klingt mehr als unlogisch.“
„Menschen sind oftmals unlogische Wesen“, konterte Tuvok kühl und fügte dann, vielleicht etwas verspätet, hinzu: „Vor allem wenn es sich bei dieser Person um ein Individuum handelt, welches ein sehr schweres Jahr hinter sich hatte. Crewman Hansens Theorie würde perfekt zu diesem Fall passen.“
Mahnend hob Janeway die Hände, wollte so vor übereiligen Entschlüssen abraten.
„Wie sind sie überhaupt auf Tom gekommen?“ fragte sie.
„Auf zwei verschiedenen Art und Weisen“, erklärte Commander Tuvok nüchtern. „Erstens: Ich habe, trotz der geringen Erfolgsaussichten, eine DNA-Analyse der entsprechenden Konsole und ihrer Leitungen durchführen lassen. Gut vierzig Personen hatten sie während des letzten Tages benutzt und sogar Wartungsarbeiten an ihren Systemen durchgeführt, inklusive Mr. Paris.“
Janeway stutzte ob dieser Begründung. „Es ist doch nichts ungewöhnliches an Bord eines Raumschiffes, dass dort Besatzungsmitglieder Computer bedienen und sie sogar warten.“
„Und Mr. Paris? Er gehört nicht mehr zur Mannschaft der Voyager, ist nur zu Besuch hier. Welche Begründung hatte er, an diese Leitungen zu gehen?“
„Vielleicht wollte er helfen. Das tun, was er früher schon tat.“
„Dann verstieß er gegen geltende Bestimmungen.“
Kathryn seufzte ob dieser Sturheit ihres Freundes. „Tuvok, wie sie selbst wissen, hat sich Tom noch nie gut an irgendwelche Bestimmungen halten können. Wieso sollte es jetzt, da er aus der Sternenflotte ausgetreten ist, anders sein?“
„Dies ist jedoch nicht alles. Als zweites Indiz habe ich einen schiffsweiten Scan durchgeführt. Ich habe keine Anzeichen dafür gefunden, dass die Aufzeichnungen des Maschinenraumlogbuches verändert worden waren, was ich jedoch für ein geschicktes Täuschungsmanöver halte, was mit modernster, nur wenigen Personen zugänglicher Sternenflottentechnik durchgeführt worden ist. Diese Technik hat jedoch einen Nachteil; sie strahlt Beta-Strahlung ab. Obwohl die zu findende Intensität recht gering war, habe ich sie gefunden. Die Strahlungsquelle oder sollte ich besser sagen –quellen befinden sich in Mr. Paris´ Quartier.“
„Beta-Strahlung komm überall in der Natur vor, Tuvok.“
„Aber nicht in diesen höheren Intensitäten, vor allem auf einem Rauschiff.“
Janeway, die die ganze Zeit über mit verschränkten Armen auf der Tischkante ihres Schreibtisches gesessen hatte, setzte sich auf und begab sich zurück in ihren Sessel, wo sie einige Zeit lang nachdachte. „Wieso“, fragte sie dann, „sollte Tom bei der Kernmanipulation seine Spuren löschen, jedoch nicht bei der gekappten Leitung?“
„Damit wir ihn nicht verdächtigen“, entgegnete Tuvok mit hochgezogener Augenbraue. „Trotz all seiner lobenswerten Veränderungen war Tom Paris noch nie ein bescheidener Mensch gewesen, Captain. Hätte er normalerweise nicht mit seinen Taten, der Rettung des Schiffes geprahlt, zumindest vor seinen Freunden?“
„Wie sie schon sagten, er hat sich verändert.“
Tuvok, der das ganze Gespräch über gestanden hatte, blickte nun erstmals direkt seinen Captain an. Er kannte sie seit Jahrzehnten und er sah in ihr eine seiner wenigen Freunde. Auch wenn er sich selbst nicht in dieser Sache ganz sicher war, so musste sie ihm wie früher immer einfach vertrauen. „Bitte gestatten sie mir ein Gespräch mit Mr. Paris, sowie eine Durchsuchung seines Quartiers.“
„Diesen Schritt hätten sie auch alleine durchführen können. Als Chef der Sicherheit haben sie immerhin die Berechtigung dazu.“
„Das stimmt“, gab der Vulkanier unumwunden zu. „Aber ich hielt es trotzdem besser, sie bei dieser delikaten Angelegenheit um Erlaubnis zu fragen.“
„Sehr löblich, Commander.“ Ruhig aktivierte Janeway ihren Kommunikator und stellte eine Verbindung zum Bordsprechsystem her: „Janeway an Paris.“
Keine Antwort.
„Janeway an Paris.“
Seltsam. Irritiert blickte Kathryn Janeway ihren Freund an. Es passte ganz und gar nicht zu Tom, sich nicht zu melden, vor allem wirkte es in dieser Hinsicht nicht sehr gut auf sein Image. „Computer“, fragte sie etwas schärfer als beabsichtigt, „befindet sich Thomas Paris in seinem Quartier.“
„Negativ“, antworteten die weiblich klingenden Prozessoren des Computers.
„Und wo ist er dann?“
„Auf Deck 13, Verbindungsrohr 12.“
Ein schneller Augenkontakt zwischen dem Vulkanier und seiner Kommandantin genügte, um zu reagieren.
Das Summen der Transporter überraschte Tom Paris in Flagranti. Commander Tuvok und Lieutenant Ayala hatten sich in den kleinen Verbindungsraum gebeamt, die Phaser auf Paris gerichtet, der sich über einen Apparat gebeugt hatte. Er tippte etwas ein.
„Mr. Paris“, befahl der Sicherheitschef scharf, „treten sie von diesem Gerät weg!“
Langsam hob der ehemalige Navigator des Schiffes seine Hände und tat wie ihm befohlen, was den beiden Sicherheitsoffizieren die Gelegenheit gab, einen näheren Blick auf das Gerät zu werfen. Es war ein rechteckiges Gebilde, auf dem ein Countdown runtergezählt wurde.
„Das ist eine Bombe“, stellte Ayala spontan fest. Beide Offiziere waren erfahren genug, um nicht in Panik zu geraten, nichtsdestotrotz war Eile geboten. In einer knappen Minute würde dieser Sprengsatz unbekannter Zerstörungskraft detonieren.
„Können wir es rausbeamen?“, fragte der Lieutenant.
Tuvok warf einen kurzen Blick auf die Apparatur und antwortete dann unangenehm ruhig: „Dies wäre nicht zu empfehlen. Die Bombe ist an einen Transportsensor angeschlossen, die jeden Beamvorgang registrieren würde und es zur Explosion bringen würde.“
Unerbittlich lief die Zeit gegen sie. Nach nur einigen wenigen Tastendrucken merkten beide Offiziere, dass sie zu wenig Zeit hatten, das Gerät zu entschärfen. Ihr Blick ging in Richtung Tom Paris.
„Entschärfen sie sie!“, befahl Ayala schneidend.
„Wieso meinen sie, dass ich das könnte?“, fragte Paris verärgert, ließ dabei jedoch seine Hände weiterhin oben. Es brachte nichts, die Sicherheitsoffiziere zu provozieren.
„Sie haben die Bombe hier platziert, also kennen sie auch den Entschärfungscode“, kombinierte Tuvok.
Paris antwortete darauf nicht. Ein Schuldeingeständnis? Schließlich, als nur noch zehn Sekunden auf der Uhr waren und es auch noch für eine Notevakuierung zu spät war, ging Tom beherzten Schrittes auf das Gerät zu und entschärfte es stöhnend. Die ganze Prozedur hatte nicht länger als drei Sekunden gebraucht. Im sofortigen Anschluss, nachdem die unmittelbare Gefahr gebannt worden war, erklärte Lieutenant Commander Tuvok:
„Thomas Eugene Paris, sie sind festgenommen wegen des Verdachts auf Terrorismus und Mord.“
Der Tag hätte nicht schlimmer enden können.
Als Captain Janeway den Arrestbereich des Schiffes betrat, war die Atmosphäre so gespannt, man hätte meinen können, dass sie mit einem lauten Knallen platzen könnte. An der Sicherheitsstation stand wie üblich Lieutenant Ayala, der es wie immer vorzog, direkt und persönlich auf die gefangenen Personen aufzupassen. Vor der Zelle mit ihrem Insassen, der durch ein Kraftfeld an der Flucht gehindert wurde, standen Lieutenant Harry Kim und der Doktor und blickten mit bestürzten Mienen auf Tom Paris, der auf der Pritsche in seiner Zelle saß. Ja, was sollte man von dieser Situation halten?
Inzwischen waren die Indizienbeweise erdrückend, auch wenn Janeway am Anfang Tuvoks Worten nicht hatte Glauben schenken können. Doch war dies überhaupt möglich? Immerhin sprachen sie davon, dass ein ehemaliges Besatzungsmitglied an Bord gekommen war, um die ganze Besatzung mit sich in den Tod zu reißen. Wieso? Dies war hier die Frage.
Mit einer Mischung aus Trauer und Zorn postierte sich Janeway neben die bereits dort stehenden Personen und sagte leise: „Tom, wir haben den Sprengsatz untersucht. Außer ihren Fingerabdrücken ist nichts anderes drauf.“
Keine Reaktion des Familienvaters. Schien ihn diese Situation überhaupt nicht zu beunruhigen.
Harry fragte mit bitterer Stimme: „Soll ich wirklich glauben, dass du uns alle hast umbringen wollen?“
Endlich antwortete der dunkelblonde Mann, auch wenn seine Antwort nicht gerade befriedigend ausfiel: „Ich weiß nicht, was du glauben sollst.“
„Mr. Paris, sagen sie uns doch einfach die Wahrheit. Den wahren Grund ihres Aufenthaltes in der Verbindungskammer, den wahren Grund, warum alle diese Geräte, die so geheim sind, dass Tuvok sie größtenteils nicht einmal kennt, in ihrem Zimmer sind.“
„Das kann ich nicht.“
Janeway seufzte traurig. Keinerlei Entgegenkommen des ehemaligen Lieutenants der Sternenflotte. Wieso diese Geheimniskrämerei? Die folgenden Worte richtete sie nun an den Doktor, verzichtete jedoch dabei, mit dem Hologramm in eine andere Ecke des Raumes zu gehen, wo sie möglicherweise nicht hätten belauscht werden können.
„Doktor, was könnten die psychischen Gründe, das Motiv für diese Tat sein?“
Das Hologramm zog seine Stirn kraus, wie es für ihn üblich war und antwortete bedächtig: „Offenbar hat sich Mr. Paris doch nicht so gut von den Folgen seiner einjährigen Gefangenschaft auf Romulus erholt wie er uns hatte glauben machen wollen. Auch wenn er sich bisher einer Untersuchung entzog, so halte ich es möglich, dass er intensiven Hass empfindet.“
Die Kommandantin fragte überrascht: „Hass? Auf wenn?“
„Auf sie, auf mich, auf die ganze Crew. Vergessen sie nicht, dass er sich damals, kurz nach unserer Rückkehr opfern wollte, um das ganze Schiff zu retten. Nun ja, er rettete das Schiff und im Glauben, dass er tot war, lebten wir unser normales Leben weiter. Doch Mr. Paris war dazu verurteilt, ein furchtbares Jahr der Qualen auf Romulus zu verbringen, was wohl rasende Wut auf uns verursacht haben mag.“
Harry wandte sich zu seinem inhaftierten Freund: „Stimmt das, Tom? Ist dies der Grund.“
„Ich kann nichts sagen“, war die einzige Antwort, die er formulierte. Sollte Tom Paris unschuldig sein, so tat er nichts, um dies zu beweisen. Im Gegenteil, sein momentanes Verhalten erschwerte seine Situation nur noch.
Janeway und die anderen konnten nicht mehr. Schweren Herzens verließen sie alle den Arrestbereich. Keiner von ihnen konnte glauben, dass ihr Freund zu einem potentiellen Mörder geworden war. Doch anscheinend war dem doch so.
Langsam wurde es Nacht an Bord. Lieutenant Ayala stand immer noch unbeirrt vor der Sicherheitskonsole und warf gelegentliche Blicke in Richtung Paris, um zu kontrollieren, ob er noch da war. Schweigend wartete Tom und wartete und wartete, fast die ganze Nacht über. Und dann, kurz vor Mitternacht, holte Paris seinen wertvollsten Besitz hervor, welches er fein säuberlich versteckt hatte: ein kleines Haar. Es war bei der Säuberung übersehen worden, ein peinlicher Fehler, der niemals hätte passieren dürfen. Doch Fehler waren nun einmal menschlich und so war das Haar in seinen Besitz gewandert. Was Besseres hatte ihm gar nicht passieren können.
Langsam, als wollte er ein Spannungselement in ein Theaterstück einbauen, erhob sich Tom und schritt zum Kraftfeld. Er spürte das elektrische Knistern auf seiner Haut und schloss die Augen, tankte so Kraft. Noch einmal musste er alles geben. Er hatte nicht viel Zeit, so viel stand fest. Ein tiefer Atemzug noch und dann ging es los...
„Computer, das Paris-Programm jetzt einspielen“, befahl der ehemalige Offizier ruhig und ohne Hast.
Augenscheinlich hatte es keine sichtbaren Veränderungen gegeben. Bis Tom Paris durch das Kraftfeld schritt! Es war nicht so, dass es sich einfach vor seinen Füßen abstellte, nein, er ging einfach hindurch, so als ob genau um sein Körper die Abgrenzung aufgehoben worden waren (was wohl auch die wahrscheinlichste Erklärung sein musste). Lieutenant Ayala war völlig überrascht über diese ungewöhnliche Aktion und reagierte einen Tick zu spät.
Paris machte einen beeindruckenden Sprung nach vorne und führte einen Fußfeger gegen den Sicherheitsoffizier durch, bevor dieser in der Lage war, seinen Phaser auf Paris zu richten. Hart traf Tuvoks Stellvertreter auf dem Boden der Tatsache auf und verlor dabei seine Waffe, welche Tom mit einer fast schon an Lässigkeit anmutenden Geste auffing und auf den Lieutenant richtete. Er betäubte den Sicherheitsoffizier, schaffte sich so den ersten Verfolger vom Hals. Nun musste es schnell gehen. Das sorgsam aufbewahrte Haar legte Tom auf den Scannerbereich des Computers und führte eine volle DNA-Analyse durch. Erbarmungslos schien die Zeit herunter zu ticken, doch schon nach wenigen Sekunden hatte der Computer seine Suche beendet. Tom wusste nun ganz genau, wo er hin musste.
Obwohl es nun fast Mitternacht war, hatten Captain Janeway und ihre Offiziere auf einen Schichtwechsel verzichtet. In dieser ernsten Lage wollten alle hautnah am Geschehen sein und, ganz ehrlich, es hätte sowieso niemand schlafen können. Ein ehemaliger Offizier, der wegen rasendem Hass das ganze Schiff und sich selbst in die Luft sprengen wollte…. Welch absurde Vorstellung. Doch, so fürchteten alle an Bord, möglicherweise mussten sie sich wirklich an den Gedanken gewöhnen, dass sie sich in ihrem Freund getäuscht hatten. Was würde nur aus der kleinen Miral werden, wenn Tom erst einmal im Gefängnis war? Bei den ihm vorgeworfenen Straftaten würde er lebenslänglich hinter Gitter gehen, wahrscheinlich ohne Chance auf Bewährung. Wie war dies nur möglich gewesen? Wie hatten sich nur alle die Psychologen so in Tom Paris täuschen können? Es schien einfach nur widersinnig zu sein.
Harry Kim blickte überrascht von seiner Einsatzstation auf. Für ihn waren wohl diese Tage die schlimmsten seines Lebens, sogar noch schlimmer als die ersten Wochen im Delta-Quadranten, als die Erkenntnis reifte, dass sie für eine sehr lange Zeit ihre Familien nicht mehr wieder sehen würden.
„Captain“, meldete der Asiate mit überraschter Stimme, „ich registriere im Arrestbereich Phaserfeuer.“
Janeway und ihr erster Offizier Chakotay richteten sich fast zeitgleich auf.
„Was ist dort geschehen?“, fragte der Indianer.
´Tuvok führte eine schnelle Sensorsondierung durch und fühlte sich in seinen Befürchtungen bestätigt: „Mr. Paris ist aus seinem Arrestbereich entflohen und bewegt sich durch das Schiff.“
Die Kommandantin gab den Befehl zum roten Alarm. Schlagartig wurde die Brücke abgedunkelt, während rote Alarmleuchten ansprangen.
„Kraftfeld!“, befahl sie, in der Hoffnung, dass diese Paris wieder einfangen würden.
Doch Lieutenant Kims Gesichtsausdruck verriet ihr, dass etwas nicht stimmte: „Captain, die Kraftfelder scheinen Tom nicht aufzuhalten. Er überwindet sie, so als würden diese gar nicht existieren.“
Verwirrt blickte Kathryn zu ihrem Sicherheitschef, der sich sofort auf die veränderte Situation einstellte.
„Sicherheitsleute sind schon unterwegs.“
Mehrere Sicherheitstrupps rannten durch die Gänge der Voyager, Tom Paris entgegen. Doch jede einzelne Gruppe von ihnen wurde hastig gestoppt, als sich ein abwehrendes Kraftfeld vor ihnen aufbaute. Natürlich versuchten sie diese mit ihren Codes wieder abzustellen, doch wie auf magische Weise ging dies nicht und so mussten sie hilflos mit ansehen, wie Tom Paris grinsend an ihnen vorbei in Richtung Turbolift lief. Wie Ratten in ihren Käfigen waren sie gefangen.
„Tom fährt nach Deck 4“, meldete Chakotay unruhig. Auch die Versuche, den Turbolift zu stoppen, scheiterten. In Hinsicht auf Tom Paris schien der Computer überhaupt nicht auf die Befehle der restlichen Brückencrew zu reagieren.
Captain Janeway schluckte. Falls nun Tom zu einem weiteren Anschlag ansetzte, so hatten sie keine Chance, sich zu verteidigen. Schlugen nun ihre letzten Sekunden?
Zielstrebig marschierte Tom Paris, mit dem Phaser in der Rechten, auf sein Ziel zu. Keiner der Sicherheitsmaßnahmen schienen zu fruchten, überall schossen Kraftfelder aus dem Boden, die ihn auf magische Art und Weise ihn schützten.
Aus Verzweiflung hatten manche Crewmitglieder schon begonnnen, auf die sie einschließenden Kraftfelder zu schießen, jedoch ohne Erfolg.
Tom näherte sich seinem Ziel: das Quartier von Fähnrich Ruzov. Ohne dass er einen Türcode eingeben musste, öffnete sich die verschlossene Tür vor ihm und gab den Blick auf eine kleine Frau mit kurzen blonden Haaren frei, die sich gerade vom Boden erhob.
Überrascht blickte sie Tom an, der seinen Phaser auf sie richtete, doch die junge Dame war nicht so überrascht wie Lieutenant Ayala unten, sondern reagierte blitzschnell: „Nottransfer“, flüsterte sie und schon setzte das vertraute Summen des Transporterstrahles ein, der sie vom Schiff transportieren sollte.
Tom hoffte doch noch, sie zu kriegen und feuerte den Phaser ab, doch der Strahl schoss nur noch durch sie hindurch. Fähnrich Ruzov hatte sich von Bord gebeamt. Zurück hatte sie eine letzte Überraschung für die Voyager gelassen.
Mit einem für sie völlig untypischen irritierten Gesichtsausdruck blickte die Romulanerin Tema’na von ihrer Konsole auf. „Captain“, sagte sie und klang dabei mehr als überrascht, „ich bemerke eine Verzerrung des Subraums in unserer Nähe.“
„Ein getarntes Schiff?“, fragte die Kommandantin nervös. Seltsame Dinge spielten sich hier ab, viel zu seltsame.
„Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, doch was immer es auch gewesen sein mag, es ist nun weg.“
Die wieder freigelassenen Sicherheitswächter rannten hinter den letzten Spuren von Tom hinterher und folgten ihm in Ruzovs Quartier. Doch bevor sie ihm zu nahe kommen konnten, wurden sie abermals durch ein Kraftfeld aufgehalten. So bekamen sie die Gelegenheit, Tom Paris in Aktion zu erleben. Er beugte sich über ein rechteckiges Gebilde, welches bedrohlich summte.
„Ist das eine Bombe?“, fragte Crewman Solder nervös. Schlagartig hatten sich die Aufmerksamkeitsverhältnisse verschoben.
„Ja“, antwortete Paris, ohne mit der Schulter zu zucken, „und wenn ich sie nicht bald entschärfe, sind wir alle Geschichte.“
Wie in einem alten Film hielten die anwesenden Offiziere die Luft an, während Tom die Bombe untersuchte. Er konnte sich nicht den Leitungen selbst zu wenden, also musste er die Bombe per Codeeingabe deaktivieren. Er probierte einige vorher festgelegte Codes aus, scheiterte jedoch. Diese Bombe war anders eingestellt. Verdammt! Die Informanten hatten doch nicht alles gewusst. Sie hatten ihm alle möglichen Kombinationen für die vorherigen Bomben gegeben und diese Informationen waren sehr zuverlässig gewesen. - Doch nun stand er alleine da. Langsam tickte die Zeit herunter.
Inzwischen hatte einer der Offiziere die Brücke darüber benachrichtigt, was hier los war. Der Umstand, dass die Bombe nicht von selbst entdeckt worden war, ließ auf ein Dämpfungsfeld vermuten. Selbiges Dämpfungsfeld war wohl auch dafür verantwortlich, dass Ruzovs eigene Beta-Strahlung nicht entdeckt worden war. Es musste ein Gerät der neusten Technik sein, welches noch sehr unbekannt war. Clever.
Stumm beobachtete Paris das Display mit den herunterzählenden Ziffern. Dreißig Sekunden. Die Crewmitglieder hinter ihm, immer noch gefangen durch das Kraftfeld, scharrten ungeduldig auf dem Boden hin und her. Was nun? Es gab Tausende Begriffe und Zahlenkombination, die die Bombe verlangen könnte. Wie fand er nur den heraus, der gesucht wurde? Eine Kombination, auf die er nicht so leicht kam. Auf die Er nicht so leicht kam...
Mit nur noch zehn Sekunden auf der Uhr tippte Tom seinen eigenen Namen in das Gerät ein. Kurz befürchtete er, dass auch dies nicht geklappt hatte und sie nun alle einen schnellen, hoffentlich schmerzlosen, Tod erleiden würden. Doch das Unvorstellbare trat ein: die Bombe schaltete sich ab. Er hatte mit seinem wagemutigen Tipp richtig gelegen. Gott sei dank.
Alle Augenpaare der Führungsoffiziere waren auf Tom Paris gerichtet. Sie alle hatten sich im Besprechungsraum der Voyager eingefunden, damit endlich einmal Licht in diese mysteriöse Sache gebracht werden konnte. Aufmerksam lauschten sie Toms Worten.
„Vor meiner Reise hierher bin ich vom Sternenflottengeheimdienst angeworben worden“, sagte Paris. „Ich sollte Undercover einen Attentäter aufspüren, der plante, das Schiff zu vernichten. Wie es sich herausstellte, war Fähnrich Ruzov die gesuchte Person.“
„Wieso Ruzov?“, fragte der Doktor mit gerunzelter Stirn. „Und wieso sollte sie das Schiff zerstören wollen?“
Tom machte eine kurze Pause, um den dramatischen Moment zu steigern, bevor er erklärte: „Sie gehörte zur Sektion 31.“
„Sektion 31? Was haben wir mit denen zu tun?“, fragte Kim.
„Jede Menge sogar. Erinnern sie sich, als Seven... ich meine natürlich Annika von Sektion 31 auf ihr Schiff entführt worden ist, um über die Infiltration der Sternenflotte zu erfahren? Dort sind sie doch auf Luther Sloan getroffen, der ja nun nicht so gut aussah.“
„Er war tot gewesen“, stimmte Annika zu, „doch irgendwie war es Sektion 31 gelungen, ihn wieder ins Reich der Lebenden zu holen.“
Paris schnipste mit den Fingern. „Ganz richtig. Ich kann ihnen versichern, auch wenn die Details geheim sind, dass diese Prozedur nicht nur äußert kompliziert, sondern auch gefährlich und Kraft raubend ist. Die Sektion hat viele Ressourcen dafür ausgegeben. Na ja und als die Voyager ihre Frau zurückholen wollte“, sagte er in Richtung Chakotay, „da haben sie das Sektionsschiff zerstört, mitsamt Sloan an Bord, der nun wohl endgültig über dem Jordan ist.“
„Über den Jordan?“ fragte Tema’na.
„Tot“, erklärte Janeway und fragte dann: „Und wieso haben sie nichts gesagt, als sie an Bord kamen? Oder spätestens als sie in der Zelle saßen?“
„Ich war zur absoluten Geheimhaltung verpflichtet worden. Unter normalen Umständen hätte ich Ruzov, sofern dies überhaupt ihr wirklicher Name ist, enttarnt, ohne dass sie überhaupt etwas von der Sache mitbekommen hätten. Und als ich inhaftiert war... ich wusste nicht, wer genau es war. Ich hatte nur die Haarprobe. Hätte ich sie ihnen gegeben oder einfach nur gesagt, dass ein Attentäter an Bord ist, so hätte die entstandene Unruhe Ruzov gewarnt und sie wäre geflüchtet.“
„Was sie nun auch ist“, meinte Tuvok ruhig. „Mr. Paris, ich muss wirklich sagen, dass diese Methoden reichlich unorthodox sind.“
„So ist nun mal der Geheimdienst. Irgendwie spannend, mal so ein richtiger Agent zu sein. Von denen habe ich übrigens auch die Ausrüstung, die sie konfisziert haben. Mit denen hatte ich immer wieder versucht, Ruzov aufzuspüren. Doch sie hatte sich gut getarnt, mit einem experimentellen Gerät, welches die Strahlung ihrer Geräte noch stärker kaschieren konnte als meine. Muss wohl ein neues Spielzeug von Sektion 31 gewesen sein. Wie auch immer, ich muss sie bitten, mir diese wieder auszuhändigen.“
„Kein Problem“, attestierte Janeway und blickte sich um. Keine Fragen. Sie erklärte die Sitzung für beendet und Tom beteuerte, dass nun endlich die Zeit für Urlaub war. Als er schon halb im Türrahmen stand, sagte die Kommandantin noch zu ihm: „Noch etwas Tom: Es tut uns leid, dass wir sie verdächtigt haben. Wir haben so wohl tatsächlich die fast schon sichere Festnahme verhindert.“
Tom zuckte mit den Schultern. „Kein Problem. Ich kann ihren Unmut verstehen. Leider fliegt dort draußen nun eine trainierte Killerin herum, die noch Rachegelüste hegt. Ich hoffe mal, dass sie irgendjemand noch einfangen wird. Ich werde mich erst mal nun der wirklichen Erholung hingeben. Lassen sie sich jedoch für die Zukunft sagen, dass sie aufpassen sollten. Ich kann nicht immer hier sein.“
Und mit diesen beunruhigenden Worten ließ der ehemalige Navigator Kathryn Janeway alleine im Besprechungsraum zurück.
...und die Reise geht weiter - am kommenden Sonntag, den 22.09.2002
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co-executive producer OZz
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co-producers TIM PRUESSMANN & FLORIAN TSCHRIPKE
written by NADIR ATTAR
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Quelle: treknews.de
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