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09x12 Voyager9 - Die Konstruktion Zip File Rating Größe: 304 Kb |
„Bald wird das alles zerstört sein...“ Ihre Worte klangen traurig.Prolog
Er nahm sie von hinten in seine kraftvollen Arme und blickte über die Felder und Wälder, bis an den Horizont war alles grün und natürlich. Vögel flogen durch die Luft, es schien alles so schön und idyllisch wie immer oder so wie es einst gewesen sein sollte auf ihrem Planeten.
Nur das beruhigende, blaue Licht, das immer von der kleinen Sonne ihres Heimatsystems ausgegangen war und zu dieser späten Tageszeit die Fläche beschien, wurde durch die Rauschwaden am Horizont getrübt. Diese Rauschwaden waren der Grund für ihre Anwesenheit. Bald würde hier alles von Kratern übersäht sein, wenn ihr Volk auch die letzten Rohstoffe in Form der Bäume und die Erze aus dem Boden gewonnen hatte, um den Bau der „Neuen Heimat“ voranzutreiben. Die Natur, alles, was ihr Planet zu bieten hatte, die Tiere, jedes Lebewesen würden getötet und vertrieben werden und auf dem toten, kahlen Planeten verhungern und sterben. Sie wollten diesen Anblick so lange wie möglich genießen. Den Anblick ihrer noch vertrauten, fruchtbaren Heimat. Den noch einigermaßen frischen Boden ihres Stammes, der seit so vielen Jahrhunderten von ihnen bebaut worden war.
Cerlef war ein muskulöser Ustami mittleren Alters, was so viel bedeutete, dass er etwa viereinhalb Sonnen-Planeten-Zyklen alt war (ein Zyklus ist die zeitliche Länge der Drehung des Planeten um die eigene Achse mal die Umlaufzeit um die Sonne des Planeten; ein Sonnen-Planeten-Zyklus entspricht etwa acht Erdenjahren und fünf Monaten).
Früher waren die Ustami wesentlich älter geworden. Während die heutige Lebenserwartung durchschnittlich bei gerade mal neun Zyklen lag, so konnten die Ustami vor noch einem Jahrhundert etwa zwölf oder gar vierzehn Zyklen alt werden. All das und auch die körperlichen Veränderungen – oder besser gesagt Missbildungen – waren auf die dramatische ökologische Katastrophe zurückzuführen. So hieß es offiziell, in Wahrheit war diese Katastrophe nur eins: Die Folgen der jahrzehntelangen Ausbeutung und Verbrennung planetarer Rohstoffe, fehlgeschlagener Experimente und anderer daraus folgender Umweltkatastrophen, die den Planeten in immer regelmäßigeren Abständen heimsuchten.
Dieser Fleck, an dem die beiden, er und Humita, standen, war einer der letzten natürlichen Bereiche des Planeten, ein Naturschutzgebiet war es bis vor kurzem, aber nun wurden sie aus ihrer Heimat vertrieben und mussten wie der ganze Planet auf diese Station, „Ustam II/ Neue Heimat“, wie man sie nannte. Das ganze Volk musste dort hin, in seine neue Heimat. Aber Cerlef und Humita waren Angehörige eines alten Stammes von Eingeborenen. Der Stamm hatte sich zwar im Laufe der Jahrzehnte an die Gewohnheiten angepasst, aber nichtsdestotrotz war es ihre Heimat. Aber für sie zu kämpfen, war sinnlos: Wenn die „Neue Heimat“ fertig gestellt war, würde der Planet unbewohnbar sein, ein toter, kahler Planet im großen Nichts mit leuchtenden Flecken.
„Ich will dort oben nicht hin...“, sprach Humita. Die beiden sahen nach oben, den getrübten Sternenhimmel an. Dort war eine gigantische Raumstation zu erkennen, die größer war als jeder Mond in der Galaxis. Nein, sie war nicht größer als jeder erdenkliche Mond: Sie war fast so groß wie ein Planet selbst. Sie glänzte im Schein der Sonne und man konnte mit bloßem Auge erkennen, dass das runde Gebilde mit vielen Türmen und Ausbuchtungen noch nicht fertig gebaut war. Viele Raumschiffe flogen auf sie zu und lieferten neue Teile oder Bewohner. Der Bau war scheinbar nicht mehr zu stoppen. „Ustam II“ oder die „Neue Heimat“ – es war momentan egal, wie man sie nannte – würde bald voll funktionstüchtig sein.
Und dann würde ihr Volk keinen Planeten mehr besitzen, keine ursprüngliche Natur. Dann würde er aussehen, wie es Monde taten: Eine vergiftete und von Kratern und Trümmern übersäter Planet ohne Leben. Die verschwenderischen Mächtigen ihres Planeten hatten alles vernichtet, nur zu ihren eigenen Zwecken.
So sehr sein Stamm auch gelernt hatte, neue Technologien und die immer schneller voranschreitende Erforschung des großen Nichts mit leuchtenden Flecken. Früher hatte man sich im Stamm davor gefürchtet, die leuchtenden Flecken waren immer als Augen von Kihgas, bösen Raubtieren, angesehen. Doch in diesen Zeiten war es nicht mehr verpönt, dort hin zu reisen. Und bald würde es ihre neue Heimat sein. Ihre neue und erzwungene Heimat.
***
PERSÖNLICHES COMPUTERLOGBUCH
CAPTAIN JANEWAY
STERNZEIT 56282,8
Heute schreiben wir den zwanzigsten Mai. Wie man meiner Personalakte entnehmen kann, ist das ein Tag, den ich nur zu gerne verdänge und den ich gerne aus meiner Personalakte streichen würde: mein Geburtstag.
Die Kommandantin stand im Turbolift. Sie verdrängte ihr Alter, das sie mit dem Tag erreicht hatte. Ihr war es seit jeher unangenehm, darüber zu sprechen, aber mit zunehmenden Alter wurde es ihr immer unangenehmer.
Der Turbolift hörte sich wie immer gleich an, ihm war sein Alter egal. Er wurde gewartet, genau wie Janeway. Aber irgendwann würde nichts mehr zu reparieren sein, wenn ihre „Stromkreise“ verschlissen waren und ihr „Antrieb“ nicht mehr funktionierte. Die Sterblichkeit war einerseits zu verachten, andrerseits auch ein Geschenk. Sie hatte sich nie für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden können.
,Oh Gott...’, dachte Janeway, ,Was für ein Blödsinn!’ Da stoppte der Lift und sie betrat die Brücke.
Im ersten Moment war sie sich unsicher, ob sie nun auch schon an Altersehschwäche litt, aber nein, es schien nicht so. Sie blickte sich um, rieb sich einmal in ihren noch ein wenig müden Augen und inspizierte dann einige Konsolen. Niemand war zu sehen, die Brücke war leer.
Sie strich mit einem Finger über eine Konsole, aber es passierte nichts. Da hörte sie ein Piepsen und stellte an der Konsole über ihrem Sessel fest, dass dem Computer die Steuerung der Schiffsfunktionen übergeben wurde. Das Schiff trieb im Übrigen, was sie noch zusätzlich verwunderte.
Sie waren etwa fünfzig Lichtjahre außerhalb des Föderationsterritoriums, nahe des Talwikc-Imperiums und sollten weitere Gebiete im Inneren der Galaxis kartographieren.
,Warum zum Teufel treibt das Schiff?’ fragte sie sich. „Computer, wo ist die Brückerncrew?“ Der Computer schien die Frage nicht genau zu verstehen. „Herzlichen Glückwunsch, Captain Janeway!“ Die Kommandantin blickte verwirrt drein und wiederholte die Frage, erhielt aber die gleiche Antwort.
Es schien sich um eine Art Gemeinplatz zu handeln. Der Computer wollte die Frage nicht beantworten und antwortete mit einem derart idiotischen und überhaupt nicht an der Frage orientierten Satz. Seit wann gratulierte der Computer einem Geburtstagskind“?
Sie kniff sich unbewusst in ihren Arm und schloss schon mal die Möglichkeit aus, dass sie noch schlief. Irgendjemand schien hier einen üblen Scherz mit ihr zu spielen. „Computer, Programm beenden!“ – „Herzlichen Glückwunsch, Captain Janeway!“ Sie wurde wütend. War das nun ein Holodeckprogramm oder nicht?
Sie ging zu einer Konsole und bat um die Freigabe des Computers. „Happy Birthday, Captain Janeway!“ erschien auf der Konsole und der Computer begann zu singen. Der Captain musste unfreiwillig schmunzeln. Die monotone und blecherne Stimme des Computers konnte überhaupt nicht gut singen.
Kurz nach Beginn des Geburtstagsständchens erschien auf der Konsole die Frage: „How is the magic word?“ Das Zauberwort? Janeway verstand nichts mehr. Plötzlich blinkte auf dem Hauptbildschirm „Bon anniversaire, mon capitaine!“ Sie starrte auf den Monitor. Steckte Q etwa dahinter? Er hatte ja schließlich immer dieses „mon capitaine“ verwendet. Sie erwartete schon das helle Blitzen, doch nichts dergleichen geschah. Doch trotzdem erschrak sie, als plötzlich ein kleines Feuerwerk vor der Steuerkonsole begann sich zu entfachen.
Dann wurden ihr plötzlich auf den Konsolen Pfeile angezeigt, nachdem der Computer das Singen eingestellt hatte. Sie zeigten auf den Turbolift und im Lift war ein Pfeil nach unten zu erkennen, an dem die Zahl Sechs zu lesen war.
Was befand sich auf Deck Sechs? Labore, Waffenkammern, Fitnessräume, das Casino, das neue Astrometrische Labor... ,Moment!’ dachte sie. ,Das Casino...’ Sie berührte den blau blinkenden Pfeil und der Turbolift fuhr los. Auf Deck Sechs stoppte der Lift und Janeway verließ ihn.
Der Captain hatte sogar daran gedacht, für alle Fälle einen Phaser mitzunehmen, aber sie dachte nicht, dass es etwas Bedrohliches sein würde. Die Korridore waren totenstill, niemand war weit und breit zu sehen. Sie lugte um eine Ecke und ging dann auf die hölzernen Türen des großen Casinos zu. Es schien völlig dunkel dort zu sein, was um diese Zeit, nämlich 4:30 Uhr, nichts ungewöhnliches war.
Langsam ging sie auf die Tür zu. Sie hatte bereits eine Ahnung, was sich dort drin aufhielt. Und mit jedem Schritt wurde sie sich sicherer. Die Schiebetür schloss sich wieder hinter ihr... Plötzlich wurde das Licht aktiviert und mit einem lauten choralen „Happy Birthday!“ wurde sie von etwa fünfzig Besatzungsmitgliedern, die sich in dem Casino versteckt hatten, begrüßt. Obwohl sie es hatte kommen sehen, zuckte sie zusammen.
Chell ging sofort mit Getränken herum, während Luftschlangen ausgeworfen wurden und die Party losging, wie man zu sagen pflegte.
„Commander, ich werde sie vors Kriegsgericht bringen...“, drohte Janeway Chakotay, während er auf sie zuging. Aber er lachte nur, weil er dachte, es sei ein Scherz gewesen. Doch das war es eigentlich nicht. Trotzdem nahm Janeway auch ein Glas Champagner von Chells Tablett, der ihr sofort die Hand schütteln wollte und vor lauter Heiterkeit das Tablett fallen ließ, welches er gerade voll beladen hatte.
Alle grölten vor Schadenfreude auf, während sich das ansonsten hellblaue Gesicht des Bolianers dunkelblau färbte.
„Den Teppich säubern aber sie...“, meinte die Kommandantin lachend.
„Na, überrascht?“ wollte Chakotay wissen. „Nun ja, ich hatte schon Q oder sonst wen in Verdacht, aber als ich das dunkle Casino sah, war es mir klar, wer dahinter stecken würde!“ Chakotay grinste verlegen.
„Was ist das denn?“ Kathryn Janeway konnte es nicht fassen, als sie sah, was an den Wänden für Plakate hingen. Mit der Aufschrift „Alles Gute zum fünfundvierzigsten!“ erreichten sie das, was Janeway vermeiden wollte: die Bekanntgabe ihres Alters. Sie wusste nicht, ob sie dieses Alter aus Eitelkeit oder aus Angst vor dem Altwerden versuchte geheim zu halten, aber dies war für sie auch ohne Belang, da sie versuchte, diese Frage zu ignorieren.
Sie wollte einfach nicht, dass man wusste, dass der Captain langsam aber sicher ein seniles Wrack wurde. Sicherlich war das bei einem Durchschnittsalter von 112 Jahren übertrieben, aber trotzdem glaubte sie es würde ihrem Ruf unter der Besatzung schaden.
Auf Janeways Reaktion konnte Chakotay nur eine verständnislose Grimasse ziehen. „Was ist was?“ „Das habe ich Sie ja gefragt! – Wissen Sie, Chakotay, Sie haben ein paar Jahre weniger auf dem Puckel als ich, daher dürfte das Thema Altwerden für sie nicht so...“, sie suchte nach dem passenden Wort, „... nahe liegend sein.“
Die beiden gingen ein wenig weiter zu einem der großen breiten Aussichtsfenster. „Ach“, seufzte Janeway, „Ich hasse Geburtstage...“ Sie sah Chakotays ein wenig enttäuschtes Gesicht. „Nein, so war das nicht gemeint... Ich freue mich natürlich über all das hier, aber... nun ja, Geburtstage sind einfach keine Tage, an denen man sich freuen sollte... Schließlich wird man bei jedem ein Jahr älter!“
Ihr Erster Offizier grinste. „Tja, so ist das Leben. In meinem Stamm wurde der Geburtstag eines Stammesbruders stets als Tag der Freude aufgefasst, denn die Götter haben jedem ein weiteres Jahr Leben geschenkt. So sollten Sie vielleicht auch denken.“
Janeway verstand nicht. „Wie?“ - „Sie sollten sich freuen, dass Sie wieder ein Jahr länger leben dürfen. Ich meine, es könnte etwas passieren, und von einem Moment auf den anderen ist Ihr Leben beendet. Und Sie hatten immer Angst vor dem Älterwerden! Man sollte sich freuen, eines natürlichen Todes sterben zu dürfen und ein langes erfülltes Leben zu haben, das mit jedem Jahr erfüllter wurde.“
Die Kommandantin nickte lächelnd. „Das ist eine schöne Philosophie, aber ich bin kein Stammesbruder!“ Beide lachten. „Nein, offensichtlich nicht!“
Der Doktor gesellte sich mit seinem gewohnt breiten Grinsen zu ihnen. „Hallo zusammen! Ach, Captain, es wäre mir eine Ehre Ihnen persönlich gratulieren zu dürfen...“, sagte er zu Janeway und schüttelte ihr kräftig die Hand.
„Viel Glück und viel Segen, auf all ihren Wegen...“
Der holografische Doktor hatte begonnen zu singen und bevor dieses kleine Geburtstagständchen zu einer großen Peinlichkeit vor versammelter Crew ausarten konnte, unterbrach Janeway ihn hastig. „Doktor, bitte...“
Das Hologramm schien ein wenig beleidigt zu sein, folgte aber ihrer Bitte. „Nun gut, wenn Sie es nicht möchten...“ Die Kommandantin fühlte sich sogleich ein wenig schuldig, als sie den zerknitterten und traurigen Blick des Doktors sah.
„Ich vertraue wirklich auf ihre Fähigkeiten als großartiger Opernsänger, Doktor“, versuchte sie sich aus dieser Lage heraus zu manövrieren und zugleich den Doktor wieder aufzuheitern, „aber bitte nicht jetzt!“ Der Doktor nickte. „Nun, worüber haben Sie sich gerade unterhalten?“
Chakotay wollte die Frage beantworten. „Über etwas, das Sie schlecht nachvollziehen können, Doktor!“ erwiderte er. Das MHN schien sich damit nicht zufrieden geben zu wollen. „Nun, worum ging es denn? Ich möchte ja nicht neugierig sein, aber ich denke, dass man auf einer Party Themen doch gemeinsam diskutieren sollte und nicht in kleinen Gruppen... Im Sinne der... Gemeinschaft.“
,Hätte Doktor Zimmermann die nicht die Subroutinen für Neugierde auslassen können?’ fragte sich die Kommandantin in Gedanken. „Wir sprachen über das Altern“, gab Janeway zu.
„Oh...“ Der Doktor schien fast rot anzulaufen, als er bemerkte, dass er tatsächlich nichts dazu beitragen konnte. „Ein interessantes Thema. Wussten Sie, dass Vulkanier zum Beispiel fast doppelt so alt wie Menschen werden können, weil die natürliche Strahlenbelastung und das Klima auf Vulkan für neo-trypterale Immissionen in den Zellwänden sorgt und somit ihre Haltbarkeit erhöht?“
Die beiden höchsten Offiziere blickten das MHN mit einem derart verwirrten Blick an, dass er sicherlich für den ein oder anderen Lacher gesorgt hätte, wenn der Doktor mit seiner Holokamera ein Bild davon geschossen hätte. Nun war er an der Reihe, sich herauszureden und Verständnis aufzubringen, für die Belange von wirklich lebenden Wesen.
„Nicht?... Nun ja, auch ich kann altern. Mein Mobiler Emitter beispielsweise wird in einigen... Jahrtausenden verschleißen oder einen Defekt erleiden!“
„So?“ fragte Chakotay amüsiert. „Dann kriegen sie aber doch sicherlich einen neuen...“
„Nun ja, das mag sein, aber Sie sollen nicht glauben, dass ich mich nicht auch mit der von Ihnen diskutierten Thematik auseinander gesetzt habe. Es ist doch irgendwie Ironie: Ich, als unsterbliches und unverletzbares Wesen, behandle sterbliche und verletzbare Wesen. Im Prinzip ist das... ja, ich denke, man kann es so formulieren... unethisch.“
„Unethisch?“ kam es aus Janeway und Chakotay gleichzeitig heraus.
„Ja, sehen Sie: Ich kann nicht sterben und stelle doch das Gegenteil von meinen Patienten dar. Ich muss sehen, wie viele leiden und ich nie sterben werde. Es ist ungerecht...“
Plötzlich summte Janeways Kommunikator. „Lieutenant Devrok an Senioroffiziere!“
Chakotay warf einen gespielt zornigen Blick auf das kleine Gerät an ihren Brüsten. „Ich wusste, warum ich meinen nicht mitgenommen habe...“
„Was bleibt mir Anderes übrig?“ seufzte der Captain und tippte zur Annahme des Gesprächs auf das auf ihrer linken Brust sitzende Abzeichen. „Hier Janeway. Was gibt es, Lieutenant Devrok?“
Lieutenant Devrok war ein sehr pflichtbewusster Offizier und übernahm im Notfall, wenn alle Brückeoffiziere nicht erreichbar, außer Gefecht oder tot waren, das Kommando. Er gehörte zur Spezies der Brikar. Diese hatten erst vor kurzem, im Jahre 2376, die Mitgliedschaftsverträge unterschrieben und waren zum hundertachtundsechzigsten Mitglied der Vereinten Föderation der Planeten geworden. Die Brikar waren extrem monströse Lebewesen, bei denen scheinbar alles nur in Extremen vorkam: Sie waren mit einer Durchschnittsgröße von zwei Metern und vierzig Zenitmetern deutlich größer als Menschen mit einer Durchschnittsgröße von einem Meter und fünfundneunzig. Ihre Haut wurde oftmals mit der eines Elefanten verglichen. Sie war an den dicksten Stellen etwa anderthalb Zentimeter dick und ließ angeblich auch keine schwachen Phaserstrahlen hindurch. Sie brauchten wenig Schlaf, wenig Nahrung und waren äußerst loyal, sie zögerten nicht ihr Leben dem Wohle mehrerer oder dem Wohle der Sternenflotte zu opfern. Brikar waren außerdem ungefähr dreimal so stark wie ein normaler Mensch. Durch diese Eigenschaften waren die Brikar die wohl eindrucksvollsten und nützlichsten Offiziere, die die Sternenflotte im Petto hatte.
Devrok antwortete wenig später mit seiner tiefen und grollenden Stimme. „Zuerst einmal...“ Devrok schien die nächsten Worte nur aus reinster Höflichkeit auszusprechen, da er Feste offensichtlich als Zeitvergeudung ansah, „... herzlichen Glückwunsch.“ Er räusperte und kam auf den eigentlichen Grund des Anrufes zu sprechen. „Captain, ich halte es für ratsam, wenn sie und die restlichen Brückenoffiziere sich auf derselbigen melden würden. Der normale Schiffsbetrieb muss wiederhergestellt werden. Außerdem empfange ich seltsame Sensordaten aus einem Sternensystem vier Lichtjahre von hier entfernt. Es scheint dort eine gewaltige Konzentration von Energie und Metall vorhanden zu sein.“
Die Kommandantin hatte Probleme, im Lärm der Geburtstagsfeier ein Wort zu verstehen. „Gut, ich und die restlichen Offiziere kommen so bald wie möglich“, akzeptierte sie seinen Ratschlag und fügte noch ein „Danke, Lieutenant. Janeway, Ende!“ hinzu. Sie wollte sich lieber bei einem Brikar bedanken, denn wer wusste schon, ob dieses Volk darauf achtete? Janeway wollte lieber kein Risiko für ihre körperliche Gesundheit und Stabilität eingehen.
„Na dann... Chakotay, ich denke die Besatzung kann ruhig noch weiter feiern. Wie kann ich denn bloß alle Führungsoffiziere zusammen rufen?“ fragte sie sich. Der Doktor schien eine Idee zu haben. Er stimmte seine Stimmbänder, was er wohl nur zu Zwecken der Zierde und des professionelleren Auftreten tat und schlug dann auf einem Ton das Wort „Aufmerksamkeit“ an. In einer immens hohen Lautstärke und auf einer derart hohen Frequenz, dass einige vor Schmerz aufschrieen, kam aus seinem holografischen Mund mehrere Sekunden lang ein Ton, falls man das noch so nennen konnte, der der Ultraschallgrenze gefährlich nahe war.
Plötzlich wurde es still im Casino. „Bereiten Sie sich schon mal auf die ersten Hörgeschädigten vor...“, flüsterte Janeway dem Doktor zu und trat dann vor, um das Wort zu erheben. „Ich bitte alle Führungsoffiziere auf ihre Posten zu gehen. Wir werden den normalen Betrieb wieder aufnehmen. Bei dem Rest möchte ich mich bedanken, für diese schöne Feier. Genießen Sie alle sie noch ein wenig!“ Ihre Ansprache wurde mit einem wohl überflüssigen Applaus beendet, der vor allem in Janeways Augen unangebracht war. Trotzdem lächelte sie, während Chefingenieur Barclay mit dem Kommentar „Endlich zurück in den Maschinenraum...“ und einem mit Champagner bekleckerten Uniformhemd eiligst den Raum verließ.
Auf der Brücke kamen die beiden Turbolifte an und die Führungsoffiziere verließen sie auf dem Weg zu ihren Plätzen.
„Ich hoffe nicht, dass Sie alle zu sehr angetrunken sind, meine Damen und Herren!“ rief Janeway ihren Kollegen zu.
Annika schien erneut recht... unangenehme Erfahrungen mit dem Alkohol gemacht zu haben, obwohl sie sich zuvor extra vorgenommen hatte, nichts zu trinken und hatte – wie Janeway von Harry Kim berichtet worden war – nach zwei Gläsern aus versehen Tuvok für ihren Ehemann gehalten. Später war ihr dann aber doch noch eingefallen, wer der von ihr vor zwei Jahren plötzlich Auserwählte war. Doch es war zu spät gewesen, denn Tuvok war bereits völlig verwirrt gewesen, während sich Annika an ihren vermeintlichen Mann kuschelte und für den ein oder anderen Lacher sorgte.
Lieutenant Devrok machte pflichtbewusst den Sessel des Captains frei, dessen Polster unter dem Gewicht des angeblich zweihundertfünfzig Kilogramm schweren Offiziers sichtlich gelitten hatte und einige Falten und Dellen aufwiesen.
Und als sich die Kommandantin setzen wollte, lernte sie noch etwas über die Brikar: Sie hatten trotz ihrer isolierenden Lederhaut eine hohe Körpertemperatur, vor allem an ihrem Gesäß, was der Captain feststellte, als sie sich hingesetzt hatte.
Aber nun wollte sie ihre volle Aufmerksamkeit diesen merkwürdigen Werten aus dem vier Lichtjahre entfernten System widmen. „Harry, was können Sie entdecken?“
Der manchmal übertrieben pflichtbewusste Koreaner schien völlig nüchtern zu sein. „Nicht mehr als Lieutenant Devrok bereits festgestellt hat. Es scheint sich um eine große... ich würde sagen Konstruktion zu handeln...“
„Eine Konstruktion.“
Zwischen Janeway und Chakotay wurden rätselnde Blicke ausgetauscht. „Und das können wir aus dieser Entfernung feststellen?“
Harry zuckte mit den Achseln. „Die Langstreckensensoren geben nicht viel her... Es muss sich um eine sehr große, gigantische Raumbasis handeln, die offenbar höllische Mengen an Energie verzehrt. Dadurch konnten wir sie erst entdecken... durch die starken Emissionen an Plasmaresten.“
Janeway hatte ohne das Einverständnis ihres Ersten Offiziers eine Entscheidung getroffen. Sie ging in solchen Lagen immer davon aus, dass er ihr sowieso zustimmen würde. Und damit behielt sie mal wieder Recht. „Gut, Crewman Tema’na, setzen Sie mit Warp Sieben Kurs auf dieses System und fliegen sie los.“
Dann wandte sie sich an alle anderen. „Ich denke, Sie alle können sich noch ein wenig ausruhen von ihren Katern...“ Sie sah Annika belächelnd an. „... oder von ihren nächtlichen Vorbereitungen!“
Annika wankte erneut und schien nicht ganz zu verstehen. „Von unserem Kater? Hase, ich wusste gar nicht, dass wir einen Kater haben...“ Sie stieß auf, während Chakotay rot anlief und Janeways Blick mied.
Einige Offiziere gingen, darunter auch Annika, die von Lieutenant Devroks starkem Griff gestützt wurde, andere blieben. So auch Tema’na, die auch nur widerwillig an der Geburtstagsfeier teilgenommen hatte. Sie zog es vor, sich von solchen Veranstaltungen fernzuhalten und den Kontakt zur Crew zu minimieren. Das schien in beidseitigem Interesse zu beruhen, da in der Crew niemand behaupten konnte, dass er sehr an der Gesellschaft der Romulanerin interessiert gewesen wäre.
„Hase?“ hackte die belustigte Kommandantin bei ihrem Ersten Offizier nach. Wortlos ging dieser, um zusammen Annika ihr gemeinsames Quartier aufzusuchen, während Janeway sich auf dem Weg in ihren Raum zurückziehend, zusammennehmen musste, um nicht laut loszuprusten. Tuvok nahm als ranghöchster Offizier das Kommando.
In ihrem Raum angekommen, ließ sich der Captain erschöpft in ihre Couch fallen und legte den Kopf nach hinten, um sich auszuruhen. Sie rieb ihren Nacken und gähnte lauthals, da sie viel zu wenig geschlafen hatte.
Als sie sich wieder aufrichtete und reckte, fiel ihr Blick auf ihren Computer, der auf ihrem Schreibtisch stand – wie gewöhnlich. Sie stand auf und wollte nachsehen, ob Nachrichten eingetroffen waren, was an ihrem Geburtstag ebenfalls gewöhnlich war.
Auf ihrem Schreibtischstuhl sitzend, der eher einem luxuriösen Sessel als einem normalen Schreibtischsstuhl ähnelte, sah die Kommandantin alle neu eingetroffenen Nachrichten durch. Es waren bisher weit über dreißig Stück eingetroffen. Die Subraumtechnik war wirklich sehr schnell und zuverlässig.
Sie sah die Absender durch und löschte einige Mitteilungen und Briefe, die von irgendwelchen Admirals stammten, die ihr nur aus purer Höflichkeit gratulierten.
Doch plötzlich wurde ihr Blick von einer Nachricht gefesselt. Sie stammte von... ihr Finger lag auf der Löschtaste... von... Sollte sie die Taste betätigen? ... von ... Mark, ihrem ehemaligen Verlobten. Sie hatte Jahre nichts mehr von ihm gehört, selbst bei der Rückkehr der Voyager hatte er sich nicht gemeldet gehabt. Mit Widerwillen überwand sie ihre Furcht, die sich scheinbar zu einer unendlich hohen Mauer verwandelt hatte, die Nachricht zu lesen und öffnete die Datei.
Doch ihre anfängliche Abneigung, den Brief oder die Glückwünsche zu lesen, erwiesen sich als unbegründet. Mark wünschte ihr lediglich alles Gute zum Geburtstag.
Mehr nicht? Nicht einmal ihr Kosename „Kathy“? Nicht eine einzige Erwähnung, dass er froh sei, dass sie zurück war. Dass ihm seine Untreue leid tat, dass er es bereue, sich nicht gemeldet zu haben? Nicht ein einziges Wort der Entschuldigung, dass er sie aufgegeben hatte, nach nur vier Jahren, in denen die Voyager als vermisst oder zerstört gegolten hatte?
Kathryn Janeway konnte verstehen, dass er nicht allzu intim geworden war, da auch seine Frau unterschrieben hatte. Er hatte schließlich kurz vor Ankunft der Voyager – wie sie durch alte Freunde erfahren hatte – die Universitätswissenschaftlerin Amanda Galaghar geheiratet. Mark schien alle Wissenschaftlerinnen anzuziehen, wie einst auch sie. Sie hatte die Nachricht im vierten Jahr ihrer Reise, als Mark sich mit ihr unterhalten konnte, nur schwer verkraftet gehabt und sie wollte unbedingt verhindern, dass diese Nachricht sie erneut trauern ließ.
„Oh, Mark...“, kam es instinktiv aus ihr heraus, als sie die Glückwünsche gelesen hatte. Aber es war eben nur ein Instinkt, wahre Gefühle der Trauer und Sehnsucht versuchte sie zu unterdrücken. Sie war fast wie eine Vulkanierin, kam es ihr in den Sinn, aber es war tatsächlich das Beste. Der Schmerz war zu groß, als dass sie sich wieder mit ihm beschäftigen wollte.
Fast hätte sie eine Antwort geschrieben, aber sie ließ es doch bleiben. Mark hatte in ihrem Leben keinen Platz mehr, so radikal das auch klangen mochte. Sie löschte den Brief sofort, während sie sich eine Träne von ihrer Wange abwischte.
Danach sah sie noch einige weitere Briefe, die verschiedene Captains und Admiräle geschrieben hatten. Plötzlich stieß sie auf eine Nachricht, die nicht anlässlich ihres Geburtstages abgesendet wurde, sondern aufgrund eines anderen Anliegens.
Es handelte sich um eine Aufzeichnung von Admiral Kingsburn, einem der höchsten Offiziere für personale Angelegenheiten innerhalb der Sternenflotte. ,Was will denn Kingsburn von mir?’ fragte sie sich. Das Attribut der Nachricht lautete „Dringend – Höchste Priorität“ und so aktivierte sie sofort die Nachricht durch ein Antippen mit ihrem kleinen Stift.
Kingsburn erschien auf dem Monitor und folgende Worte waren zu hören. „Captain Janeway, zuerst meine herzlichsten Glückwünsche. Diese Nachricht ist mit einem Programm ausgestattet, dass mich automatisch zurückruft.“ Damit endete die Nachricht und das Föderationssymbol erschien mit dem Untertitel „Connecting...“. Offensichtlich wurde eine Verbindung mit Admiral Kingsburn angestrebt.
Nach einer Weile piepste der Computer als Zeichen, dass eine Verbindung mit Kingsburn hergestellt worden war. Sie bestätigte die Verbindung und sofort wich das Föderationssymbol dem Gesicht des Admirals. Dieser war ein Mann in den mittleren Jahren, um die sechzig Jahre alt, hatte aber noch ein volles und kaum ergrautes Haar. Darüber hinaus hatte er ein freundliches, von der kalifornischen Sonne braungebranntes Gesicht, das ihn gar nicht wie einen Admiral wirken ließ, sondern eher wie einen faulen, am Strand liegenden Rentier.
Und auch der Ort seines Büros war recht merkwürdig: Offenbar hatte er es, da in Kalifornien momentan extrem hohe Temperaturen herrschten, auf die Terrasse seines eigentlichen Büros verlegt.
Hinter ihm war der große Strand San Fransiscos zu sehen und Janeway musste in ihrem dunklen Quartier fast die Augen zusammenkneifen, so grell war das Bild.
Doch nicht nur die Helligkeit ließ Janeway wegblicken, auch innerlich schaute sie weg, schauderte vor dem Anblick. Dort, im Hintergrund des Admirals, war vor einem halben Jahr ihr Schiff abgestürzt. Eigentlich hatte sie diese Erinnerung schon verdrängt, auch wegen der guten Leistungen ihres neuen Schiffes, aber nun kam in ihr die Trauer erneut auf – und die traumatischen Erinnerungen an Spezies 8472.
„Hallo, Captain!“ begrüßte der Kingsburn den Captain.
„Admiral Kingsburn, womit habe ich die Ehre?“ erwiderte die Kommandantin lächelnd den Gruß.
„Nun, ich habe eine gute Nachricht für sie: Die Sternenflotte hat es sich überlegt...“
Janeway hob die Augenbrauen, wodurch sich ihre Stirn in Falten legte: „Was hat sie sich überlegt?“
„Wissen sie denn noch gar nichts davon? Angesichts der... geschrumpften Zahl an Admirälen und aufgrund ihrer Leistungen wird ihnen endlich angeboten, sich verdient zum Admiral befördern zu lassen!“
Janeway starrte ihren hochrangigen Gesprächspartner an. Der Admiral hatte es als gute Nachricht bezeichnet, aber sie empfand dies nicht unbedingt so. Ihre ganze Zeit als Captain hatte sie sich davor gefürchtet, dass diese Nachricht sie eines Tages erreichen würde.
„Ich fände es schön, wenn Sie es sich noch in dieser Woche überlegen würden. Und wie sie sehen“, fuhr Kingsburn lachend und sich an seinen Liegestuhl anlehnend fort, „hat das Leben als Admiral auch seine Vorzüge! Kingsburn, Ende!“
Janeway tat es ihm gleich und beendete die Transmission. Langsam stand sie auf und ging an das Fenster. Sie blickte auf die Erde und dann auf die Hülle ihres Schiffes. Sie sollte sich binnen dieser Woche entscheiden. Und es war Dienstag. Das bedeutete, dass sie nicht mal mehr eine ganze Woche Zeit hatte, über dieses Angebot nachzudenken und eine Entscheidung zu fällen. Was sollte sie tun?
Sicherlich, als Admiral konnte sie viel Zeit auf der Erde verbringen, aber dann würde sie auch die Familie, die Voyager verlassen müssen. Sie könnte kein Kommando mehr über ein Schiff inne haben. Und gerade das war doch ihre große Leidenschaft. Sie war eine Forscherin, wollte durch Reisen ihre Neugier befriedigen und nicht an einem Schreibtisch sitzen und Verhandlungen führen. Janeway war keine Bürokratin, sie gehörte auf ein Raumschiff. Aber nichtsdestotrotz konnte sie nicht ihr Leben lang ein Raumschiff kommandieren, sich ihrer Karriere verschließen. Das normale Bestreben eines jeden Offiziers im Dienst der Sternenflotte war es doch, Karriere zu machen, aufzusteigen und langsam aber sicher ganze Flotten befehligen zu dürfen. Aber kein Captain, oder nur sehr wenige, hatten das erlebt, was die Kommandantin des am weitesten gereisten Schiffes aller Zeiten, der Voyager, durchgemacht hatte.
Sie war mit ihrer Crew zusammengewachsen, sie alle waren untereinander befreundet, es existierte immer noch die von ihr so oft erwähnte Familie. Sollte oder durfte sie diese aufgeben und sich in den Rang eines Admirals erheben lassen?
Sie wusste es nicht und zu mindestens in dem Moment konnte sie keine Entscheidung fällen. Erst recht nicht an ihrem Geburtstag.
Die Voyager verließ einige Stunden später in einem grellen und bläulichen Blitz die Warpgeschwindigkeit und flog in den Orbit eines Planeten, in dem sich noch etwas außer ihr befand. Es war schwer zu beschreiben, am ehesten als eine schwebende, gigantische, silbern glänzende Kugel.
Erst beim Näherkommen konnte man sie von einem Mond mit einer äußerst glatten und untypischen Oberfläche unterscheiden: Es war eine gigantische Raumstation. Die beiden letzten Ausdrücke beschrieben das, was man sehen konnte, aber noch nicht annähernd. Es war weder gigantisch noch handelte es sich um eine Raumstation. Es war im Prinzip ein neuer Planet, bloß dass er mit Technik bedeckt, voller Lichter, seine Oberfläche unbewohnbar und er beziehungsweise die Station noch nicht vollendet war. Das Sternenflottenschiff wirkte winzig im Vergleich zu der Konstruktion, der sie sich näherte. Was auch immer es war: Noch kein Föderationsarchitekt hatte solch ein Projekt gewagt oder auch nur daran gedacht.
„Captain“, rief Harry und weckte Janeway aus ihrer Verblüffung. „Es scheint sich tatsächlich um eine Raumstation zu handeln.“
Chakotay war ebenso erstarrt wie sein Captain. „Ja, aber um eine ziemlich große...“, bemerkte er beiläufig.
„Richtig. Sie ist in etwa so groß wie ... wie die ... Erde.“ Harry schien sein Erstaunen nicht verbergen zu können. Wie ein kleines Kind, das vor einem großen Erwachsenen stand, blickte er mit großen Augen auf die Anzeigen. Manches änderte sich eben nie. „Außerdem ist mir an dem Planeten etwas aufgefallen... Die Atmosphäre ist stark angeschlagen, besitzt praktisch keine Ozonschicht mehr. Außerdem leidet der gesamte Planet wahrscheinlich an einem Treibhauseffekt. Die Atmosphäre ist voller Gase, wie Kohlenstoffdioxid und großen Mengen an so genannten FCKW-Gasen. Der Planet ist eine wandelnde ökologische Bombe, die jeden Augenblick in Form einer Naturkatastrophe hochgehen kann!“
Janeway nickte. „Position halten!“ befahl sie, während sie sich an ihre Kurse in industrieller Geschichte entsann, die sie an der Akademie belegen musste. „So wie die Erde Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Aber wenn die Bevölkerung dort noch immer auf die Verbrennung von Rohstoffen angewiesen ist, wie können sie dann etwas so Gigantisches bauen? Es ist doch wohl unmöglich, dass sie bereits so weit entwickelt sind, oder?“
Tuvok neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. „Nicht unbedingt. Es kann sein, dass sie von der Verbrennung als Energiequelle vor mehrere Jahrzehnten abgekommen sind, aber noch nicht über Technologie zur Säuberung der Atmosphäre verfügen und an den Folgen der Erwärmung leiden. Das war auch gegen Ende des einundzwanzigsten Jahrhunderts der Erde noch immer ein Problem für die Menschen.“
„Das mag ja richtig sein, aber wenn dieses Volk noch nicht so weit fortgeschritten ist, woher haben sie dann diese Unmengen an Ressourcen?“
Harry blickte erneut auf seine Anzeigen. „Sir, ich glaube ich habe eine Erklärung dafür... Ich werde einen Teil des Planeten vergrößern...“
Auf dem Bildschirm wurde der gräuliche Planet immer größer und größer, bis das verzerrte Bild plötzlich stoppte und scharf wurde. Alle atmeten überrascht und schockiert ein, als sie einen Teil eines Kontinentes sah, der von Kratern und Rauch bedeckt war. Feuer waren zu sehen, viele kleine Punkte schienen Maschinen und Transportfahrzeuge zu sein. Der Planet wurde systematisch ausgebeutet, nur wenige Landstriche waren noch bewachsen.
„Was machen die mit ihrem Planeten?“ fragte Chakotay ungläubig.
„Sie bauen Rohstoffe ab“, antwortete Tema’na unberührt und lustlos auf Chakotays Frage.
„Das sehe ich, Crewman, aber normalerweise bedeutet Abbau von Rohstoffen nicht, einen gesamten Planeten umzugraben.“
„Da sollten sie mal Remus sehen. Der Planet ist eine einzige Mine!“
„Ach was, die Romulaner sagen etwas Negatives über ihren eigenen Heimatplaneten...:“, erwiderte der Erste Offizier sarkastisch, also in Tema’nas Standardton.
„Remus wird gemeinhin als unser zweiter Heimatplanet bezeichnet, aber das ist nicht die Wahrheit. Sie haben doch überhaupt keine Ahnung, Commander!“
„Schluss!“ unterbrach Janeway entschlossen die Konversation zwischen ihrem Stellvertreter und der romulanischen Frau am Steuer. An Harry gewandt fuhr sie fort zu sprechen: „Harry, kann es sein, dass sie die gesamten Bodenschätze in diese Konstruktion im Orbit verarbeiten?“
„Ja, das ist durchaus möglich... Soweit ich es hier sehen kann, befinden sich im Boden des Planeten große Mengen an einer äußerst harten Titan-Eisenerz-Legierung. Und daraus besteht auch die Hülle dieser Konstruktion.“
„Nicht zu fassen... Sie beuten ihren Planeten aus, um sich eine neu Heimat zu bauen...“ Chakotay konnte seiner Skepsis nicht annähernd genug Raum verschaffen. Er konnte nicht fassen, was er dort sah. Offenbar zerstörte ein ganzes Volk seinen Planeten, alle Pflanzen, Lebewesen, die Atmosphäre ... einfach alles. Und scheinbar nur, um eine riesige Weltraumbasis zu bauen, in der man dann leben kann. Wie konnte man die Natur, den Inbegriff der Schönheit, seinen Ursprung, einfach so vernichten? Wie konnte man einen wahrscheinlich einst lebhaften und wunderschönen Planeten zu einer einzigen Mine umfunktionieren und aus seiner Heimat einen leblosen, kalten und verwüsteten Fels im All machen?
„Das werden wir herausfinden“, flüsterte Janeway Chakotay zu. „Wenn die in der Lage sind, so etwas Gigantisches zu bauen, können wir einen Erstkontakt wagen, oder?“
Ihr Erster Offizier nickte stumm. Er enthielt sich, was diese Entscheidung betraf. Was die Anwendung und Diskussion der Handhabung der Ersten Direktive anging, war er noch nie ein Spezialist gewesen.
„Torhal!“ Ein dicklicher Mann mit auffällig heller, rosa farbener Haut und einem merkwürdig bewachsenen Kopf hüpfte einige Stufen herunter und hüpfte über einige Geräte und Werkstoffe.
Die Bauarbeiten in diesem Gebiet gingen gut voran, besser als erwartet, doch trotzdem gab es Probleme: Schwere klimatische Veränderungen und daraus resultierende schwerste Wetterkapriolen wurden für die nördliche Hemisphäre von Ustam vorhergesagt. Unzählige Ustam würden verletzt werden. Die Arbeiten mussten noch schneller voran gehen.
Die filzartigen Haare des Mannes, die um seinen Hals, seinen Backen und auf Teilen seines Oberkopfes wuchsen, wackelten, als er auf den Ustami namens Torhal zulief. „Torhal!“ Der Gerufene arbeitete an einem kleinen Handcomputer und schien die hektischen Arbeiten in diesem Bereich der „Neue Heimat“ zu koordinieren. Er war sehr schlank, wirkte aber ausgezehrt, wahrscheinlich durch die vielen Aufgaben. Torhal stand vor einer riesigen Wand aus einem durchsichtigen Stoff. Es handelte sich nicht um richtiges Glas, aber trotzdem war hinter ihm der Weltraum und Ustam zu erkennen. Und einige noch unfertige Bereiche der Konstruktion.
„Torhal!“ Endlich hatte der dicke Mann sein Ziel in Form von Torhal erreicht. Er prustete, war völlig außer Atem. „Torhal...“
„Was ist denn, Kibimur? Wieso schreist du hier so herum? Willst du, dass dieses Ding aus einander fällt?“ schnauzte er den dicken Mann an, dessen Name scheinbar Kibimur lautete.
„So zerbrechlich“, er machte eine Atempause und sein Bauch und seine Beine weiteten sich, „ist unsere neue Heimat nun auch wieder nicht...“
„Aber im Moment schon. – Egal, was wolltest du?“
Kibimur begann zu schwitzen, was durch feuchte Stellen an seinen Beinen deutlich wurde. „Ich will doch nur wissen, wie es voran geht! Die Wettervorhersagen sind nicht gut... Wir müssen so schnell wie möglich hier einziehen!“
„Ich weiß, dass wir uns beeilen sollten, aber es geht nicht schneller. Die Technik ist nicht ausgereift genug, außerdem werden die Rohstoffe immer knapper und werden langsamer geliefert!“
Kibimur seufzte. „Ich weiß und ich verstehe nicht, wieso einige Radikale sich so dagegen sträuben, dass wir auch Naturschutzgebiete anzapfen. Die sind eh bald zerstört!“
Beide lachten, als ob sie das Schicksal ihres Planeten nicht interessieren würde. Eigentlich interessierte es sie wirklich nicht. Ihr Wohlstand, ihre Lebensansprüche, standen über denen der Natur und der Fauna ihres Planeten.
Tiere, Pflanzen, Wälder, Sonnenaufgänge: Aus diesen Zeiten waren sie glorreich herausgewachsen. Nur Romantiker, die erfreulicherweise immer weniger wurden, interessierten sich noch für derart konservative Themen. Ihre Spezies war auserwählt worden, sich zu entwickeln, den Planeten zu beherrschen und über sein Schicksal zu urteilen. Und das hatten sie – natürlich – zu ihrem eigenen Vorteil getan.
„Na ja, ich hoffe die Metalle reichen aus. Wenn nicht, dann weiß ich auch nicht weiter!“
„Ich weiß auch nicht mehr weiter.“ Humita, Cerlef und einige andere Stammesangehörige hatten sich im Wald ihrer Vorfahren versammelt, auf einer gemütlichen Lichtung. Doch es fiel kein schönes Licht mehr dort hin. Der Himmel hatte sich grau-braun getrübt, die Motorengeräusche der Abbaumaschinen wurden von Stunde zu Stunde lauter. Sie kündigten die kommende Vernichtung allen Lebens auf ihrem Planeten an.
„Ich denke“, begann ein alter Mann zu sprechen, dessen Haare nicht mehr weiß, wie bei allen Ustami waren, sondern eine dunkle Färbung angenommen hatten. Auch seine Haut war wie die aller Eingeborenen, wie sie von der vermeintlichen Zivilisationen geschimpft wurden, dunkel gefärbt, das Rosa erinnerte eher an ein kräftiges Lila.
Aber von Kraft war weder bei der Hautfarbe der Stammensangehörigen noch bei ihrer Stimmung ein angebrachtes Wort. Ihr früherer Optimismus, die Erfolge, als die Regierung mal wieder zugestimmt hatte, ihre Heimat nicht zu bebauen und zu betonieren, sie mit Verbindungsstraßen zu durchziehen, all das war vorbei. Laut eines offiziellen und ohne Zustimmung der Öffentlichkeit erlassenen Gesetzes durften alle Naturreservate und privaten Flächen zum Wohle aller Ustami und zur Erbauung einer neuen Zukunft in Form einer neuen, maschinellen Heimat, zu Rohstoffabbaugebieten erklärt werden.
Cerlef meldete sich zu Wort: „Folra, Ich denke, wir sollten uns unsere aufgezwungene neue Heimat mal ansehen. Es kann ja nicht schaden, wenn wir sehen, was mit der Erde unseres Bodens angestellt wurde.“
Cerlefs Vorschlag schien auf Zustimmung zu stimmen. Doch in dem nur von Kerzenlicht angeleuchteten Licht des Stammesführers Folra sah man deutlich seine Abneigung. „Ihr könnt gehen, Kinder. Ich werde hier bleiben. Ich werde mit unseren Vorfahren untergehen!“
Alle hatten es gewusst, aber es schmerzte, als sie dies hörten. Der weise und humorvolle Stammesführer würde sich opfern, um in der heiligen Welt den Vorfahren alles erklären zu können, ehe sie vernichtet werden würden. Sein Stamm glaubte, dass mit dem Staub der Körper der Toten auch ihre Seelen in der Erde ihrer Heimat verblieben. Und da diese zerstört und ausgebeutet wurde, würden auch alle Vorfahren endgültig sterben –oder in der „Neuen Heimat“ fortleben, und diese vernichten und das Volk der Ustami zwingen, ihren Planeten wieder zum Leben zu bringen.
Alle Arbeiter, Tausende an der Zahl, blickten durch das durchsichtige Material in den Weltraum. Etwas kam auf die Konstruktion zu, etwas, das nicht wie ein Schiff der Ferengi aussah, die in regelmäßigen Abständen zu gut verzinsten und reduzierten Preisen Materialien brachten, nein, das Schiff sah anders aus. Die silberne Hülle glänzte geheimnisvoll im Schein der Sonne. Es besaß zwei längliche Quader, die rot und zum größten Teil blau leuchteten. Viele Lichter zierten die Hülle des Schiffes, das der Station immer näher kam.
„Ich bin in der Kontrollzentrale!“ meinte Kibimur zu Torhal und verschwand mit einem kleinen Ein-Personen-Flitzer, der sich durch die große und unendlich erscheinenden Halle nach oben bewegte, wo sich irgendwo die Kontrollzentrale befand.
„Rufen Sie sie, Lieutenant!“ befahl Janeway in ihrem gewohnt sachlichen Befehlston, den sie sich während ihres bisher neunjährigen Kommandos über zwei Schiffe mit dem Namen Voyager angewohnt hatte.
„Aye, Ma’am!“ bestätigte Harry, der in gewohnter Haltung an seiner Konsole stand.
Eine Weile der Stille begann, ehe die Konsole des Koreaners zu rhythmisch piepsen begann. „Wir empfangen eine Antwort, Captain!“
„Auf den Schirm!“
Dort wurde ein dicklicher Mann sichtbar, mit einer interessanten Körperbehaarung und einer rosafarbenen Haut. Er schien sehr verwirrt. „Wer sind Sie? Sie sind keine Ferengi, nicht wahr?“
Die Offiziere auf der Brücke blickten sich ein wenig belustigt einander an, Janeway musste verkrampft versuchen die Ernsthaftigkeit zu wahren. „Offensichtlich nicht“, erwiderte sie freundlich und lächelnd. „Mein Name ist Captain Kathryn Janeway. Mein Schiff heißt Voyager und wir dienen der Vereinten Föderation der Planeten.“
Der rosa Mann antwortete: „Ah, Föderation... Die Ferengi erwähnten sie bei ihrem letzten Besuch. Sie sind offenbar sehr gerissene Händler und Betrüger. Aber wo Sie gerade da sind, wir könnten ein wenig Titan gebrauchen... Ach ja, mein Name ist Mikibur. Mein Volk nennt sich selbst Ustami und wir haben vor einigen Jahren mit der Erforschung des Weltraums begonnen. Diese Station hier ist unsere neue Heimat. Unser Planet hat ausgedient.“
Ausgedient? Chakotay schüttelte innerlich den Kopf.
„Ich... verstehe“, log Janeway. Sie konnte diese Bemerkung nicht gutheißen, sie aber auch nicht kritisieren. Das lag nicht in ihrem Aufgabenbereich. Und erst recht weit jenseits der Toleranzschwelle der Obersten Direktive. Die Kommandantin durfte sich nicht in Angelegenheiten anderer Völker einmischen, was die Ferengi aber scheinbar bereits getan hatten. „Was die Ferengi angeht: Ich gebe Ihnen einen Tipp: Glauben sie nicht alles, was sie sagen. Denen ist nur ihr Geschäft wichtig.“
Janeway zog einen eher lockeren Gesprächston vor, was bei Kimibur scheinbar gut ankam. „Wie Sie meinen, Captain. Nun, wie wäre es, wenn Sie Ustami II besuchen kommen. Es ist eine prächtige Konstruktion, auch wenn sie noch nicht fertig ist. Sie können mir nicht erzählen, dass Sie an einem Besuch nicht interessiert sind!“
Der Captain grinste breit. „Und ob wir uns freuen würden!“
Die Station war beeindruckend, das musste man ihr lassen. In ihrem Zentrum befand sich laut den Konstruktionsplänen eine gewaltige Halle, die sich durch die gesamte Höhe von „Ustam II“ erstreckte. Von da gingen in unzähligen Ebenen prächtige Korridore mit Geschäften, Freizeiteinrichtungen, Laboren, einem Zoo, einem Pflanzenreservat und natürlich Millionen von Quartieren ab. Durch die vielen Gänge flogen kleine Transportmaschinen, was nicht verwunderlich war, denn bei einem Durchmesser von umgerechnet 10 600 Kilometern hätte es Jahre gedauert, sich mit einem Lift fortzubewegen. Im unteren Bereich des gewaltigen Zuhauses für die vielen Millionen oder Milliarden Menschen befanden sich gigantische Energiekerne, die mit Brennstoffzellen betrieben wurden.
Die Technologie war recht weit entwickelt, entsprach in etwa dem Entwicklungsstand der Menschheit zu Anfang des 22. Jahrhunderts. Die einzige auffallende Lücke war, dass die Ustami nicht über Warp- oder wenigstens Lichtgeschwindigkeitsantriebe verfügten. Davon abgesehen waren sie aber gut ausgerüstet.
Der Einfluss der Ferengi auf einige Dinge war unverkennbar: Das Geld auf den bunten Märkten in der Station, die trotz der Tatsache, dass „Ustami II“ noch nicht fertig gestellt war, recht belebt waren, hatte eine an Latinum erinnernde Farbe. Die Kleidung der Leute erinnerte ein wenig an Ferengiuniformen, aber das konnte auch täuschen.
Janeway und Mikibur gingen, gefolgt von Chakotay, Harry und Tuvok, durch die Gänge und Hallen. Die Kommandantin sah sich begeistert und beeindruckt um. Auch im Alter von fünfundvierzig Jahren konnte man sich noch wie ein begeistertes, gefesseltes Kind benehmen, mit großen Augen, eingeschüchtert von der großen und fantastischen Welt um sich herum.
Keine Sternenbasis war mit dieser Welt zu vergleichen. Keine Sternenbasis konnte die neue Heimat der Ustami an Prächtigkeit und vor allem an Eleganz und Größe übertreffen. Und warum auch? Sternenbasen waren keine Planeten und mussten nicht Völker, Kultur, Tiere, Pflanzen, einfach alles, was man brauchte und besaß an Bord nehmen.
„Wie lange arbeiten Sie schon hier dran?“ erkundigte sich Harry.
Mikibur lächelte freundlich und antwortete ebenso. „Mein Volk arbeitet schon seit vierunddreißig Jahren an dieser Station. Die Ferengi haben uns Hilfe zukommen lassen, aber das hat uns immer einen hohen Preis abverlangt. Ich denke, wir werden noch mindestens ein bis zwei Jahrzehnte brauch, bis wir hier fertig sind. Es sei denn, Captain Janeway“, der Captain drehte sich zu ihm um, „freundliche Besucher unterstützen uns!“
Janeway wirkte, obwohl es unlogisch war, geschmeichelt. „Oh, na ja... Wissen Sie, Kibimur“, begann sie dann schließlich, nachdem sie Chakotays warnenden Blick in seiner Funktion als Erster Offizier bemerkt hatte, „die Föderation hat strenge Regeln und Gesetze, die auf sehr verständlichen moralischen Werten aufbauen. Eine davon ist die Oberste Direktive. Sie besagt, dass wir einem Volk, das noch nicht so weit entwickelt ist, wie wir, Technologien zukommen lassen dürfen!“
„Ich spreche ja nicht von Technologien, Captain... Ich spreche von Rohstoffen wie Eisen oder Titan. Unser Planet ist bald leer und wir haben die Befürchtung, dass die Rohstoffe auf Ustam nicht ausreichen werden. Zwar haben wir schon fast den gesamten Planeten nach den benötigten Materialen abgesucht und wirklich jede Lagerstätte genutzt, aber es wird womöglich nicht reichen. Außerdem drängt die Zeit, Captain: Auf unserem ehemaligen Planeten wird es zu einer klimatischen Katastrophe kommen. Und es leben noch Millionen Ustami dort unten.“
„Sie... vernichten ihren Planeten?“ fragte Janeway ungläubig. „Ich dachte, sie würden nur Rohstoffe abbauen...“
„Ja, aber die benötigte Energie verschlechtert durch Emissionen die Atmosphäre, das ökologische Gleichgewicht bricht zusammen und so weiter. Aber unser Volk interessiert sich nicht dafür!“
Chakotay stürmte auf Kibimur los und fasste ihn energisch am Arm. „Ihr Volk interessiert sich nicht dafür? Was würden Sie sagen, wenn sie einer der Tierspezies auf ihrem so unwichtigen Planeten angehören würden und sterben müssten, nur weil ihr Volk im Reichtum und Fortschritt leben möchte?“
„Chakotay!“ Der Captain konnte nicht fassen, was sie sah und auch Harry und Tuvok hoben synchron eine Braue. „Was soll das?“
„Es...“ Chakotay ließ den Arm des erschrockenen Kibimurs los. „Es tut mir Leid...“
„Commander Chakotay, wie wäre es, wenn Sie sich ein wenig auf unserer Station erholen würden? Sie sind nicht der erste, der so beeindruckt und überwältigt ist.“ Kibimur lächelte erneut auf seine wohlwollig und selbstgefällig wirkende Art.
In seinen Grundzügen erinnerte er sogar an Neelix, aber nicht in seinem Denken. Was war mit Chakotays Frage geschehen? Hatte dieser Barbar sie überhaupt wahrgenommen?
Ein Pferd wieherte laut. Dieses Geräusch war für die Stämme der Indianer, wie sie gemeinhin bezeichnet worden, bereits natürlich geworden. Und neben diesem Geräusch auch das von Revolvern, von Eisenbahnen und ähnlichen englischen Erfindungen. Die Engländer waren gekommen und beuteten die Heimat seiner Vorfahren einfach so selbstverständlich aus. Sie vertrieben Tiere und somit auch die Indianer, die ebenfalls als Tiere angesehen wurden. Aber Mur Winneta Al Cotay Gotar, ein Stammesoberhaupt des Stammes der Huronen, er würde diesen Engländern und ihren Cowboys den Kampf ansagen. Seine Heimat würde nicht vernichtet werden.
„Chakotay?“
Der Erste Offizier wurde aus seinen Gedanken gerissen. Die Reminiszenzen hatten aufgehört. Was hatte er gesehen? Was bedeuteten diese Bilder? Es musste sich um das 19. Jahrhundert handeln, der Mann, den er gesehen hatte, war einer seiner entferntesten Vorfahren, ein Stammesführer des Stammes der Huronen, der später zu seinem Stamm werden sollte.
„Chakotay?“
„Was?“ Chakotay wirkte verwirrt.
„Geht es Ihnen gut?“ hakte Janeway nach.
„Ja, danke...“
„Vielleicht sollten Sie sich in die Krankenstation zum Doktor begeben, Commander!“ schlug Tuvok sachlich vor.
„Nein, nein... Ich... Ich werde mich hier ein wenig umsehen!“ lehnte Chakotay ab und riss sich aus dem Griff des Vulkaniers und ging auf einen der Märkte, wo unzählige Ustami sich befanden. Begleitet von den fragenden Blicken der übrigen.
„Hallo Fremder!“
Eine Stimme. Aus welcher Richtung kam sie? Wieder Reminiszenzen? Nein, das konnte nicht sein. Es war zu real. In dem Getümmel von Ustami war es schwer, die Richtung auszumachen, erst recht, da die meisten Ustami einen guten Kopf größer als Chakotay waren. Der Markt war sehr überfüllt, viele Früchte wurden angeboten, Stoffe in allen Farbvariationen. Und das alles zu äußerst hohen Preisen. Die Ustami schienen von der rar werdenden natürlichen Nahrung zu künstlicher überzugehen.
Da war wohl keine Stimme gewesen. Vielleicht war ein anderer gemeint gewesen. Chakotay drängelte sich weiter durch die Masse. Er konnte nicht verstehen, wie so viele Ustami sich auf dieser Station aufhalten konnten, auf ihrer neuen Heimat, die noch nicht fertig gestellt war. Es war eine Gefahr. Ein Fehler bei den Bauarbeiten und Millionen würden sterben.
„Hier sind wir!“ Erneut hörte er die Stimme. Sie schien von einem jungen Mann zu kommen, wenigstens übersetzte der Kommunikator sie auf dieser Stimmlage.
Nachdem er den Markt verlassen hatte, sah er in der Nähe am Rand eine Gruppe von exzentrisch gekleideten Ustami. Sie befanden sich im halbdunkel, unter einer Art Brücke, und deuteten auf ihn.
Chakotay kam auf sie zu.
„Hallo! Wie ist Ihr Name?“
„Mein Name ist Commander Chakotay vom Raumschiff Voyager. Und Ihrer?“
„Ich heiße Cerlef. Man redet viel über Sie und ihr... Raumschiff!“
„Ach ja? Was redet man denn so?“
„Dass sie von einer Föderation kommen. Einer sauberen Föderation. Und dass sie hohe moralische Werte besäßen!“
„Kann schon sein“, erwiderte Chakotay wortkarg. Diese Leute kamen ihm sehr merkwürdig und fremd, auf eine ganz bestimmte Weise aber auch vertraut, vor.
Der Mann, der sich als Cerlef ausgegeben hatte, näherte sich ihm. „Ich bin nicht für überflüssige Worte, Commander, daher frage ich sie sofort“, Cerlefs Stimme senkte sich zu einem kaum wahrnehmbaren Flüsterton, „Können sie dieses Ding zerstören?“
Die Worte, die Cerlef gehaucht hatte, irritierten Chakotay. „Wie bitte?“ fragte er laut.
„Nicht so laut!“ befahl Cerlef, während er Chakotay zusammen mit einer Frau in Richtung eines dunklen Notkorridors zog.
„Commander Chakotay, mein Name ist Humita.“ Die Frau, die bei Cerlef gestanden hatte, stellte sich ihm mit einer geschmeidig und wie Musik klingenden Stimme vor. „Wir waren es, die Ihre Visionen projiziert haben. Wir wissen von Ihrem Leid, von ihrem Schmerz, der auch Ihre Vorfahren ereilt hat. Wollen Sie, dass erneut ein Stamm von Eingeborenen von einer Zivilisation verdängt wird?“
Sie würden kämpfen, um ihre Heimat, ihr Terrain, ihren Stolz, ihre Ehre als Krieger, als Jäger, als Menschen, die nicht Technik besaßen. Revolver konnten sie, aber nicht ihren Stolz als Kämpfer, als Indianer, verletzen. Aber eigentlich waren sie weder Indianer noch Kämpfer, sie waren sie. Dies war ihre Welt, ihre Heimat, und keine Maschinen und Ölraffinerien, Kohleflöze, über die sich weiße Menschen ergossen, konnten sie vertreiben. Keine dressierten und misshandelten Pferde, Pistolen und diskriminierende Sprüche und Untaten.
Revolver entluden sich zischend, brachten ihre tödliche Ladung auf Geschwindigkeit. Alte und gute Pferde wurden niedergeschossen, viele Stammensangehörige taten es ihnen gleich. Aber auch die Fremden, die Engländer, litten: Beile durchschlugen ihre Brüste. Keuchen drang aus ihren mit Schnurrbärten versehenen Mündern.
Hass! Hass! Wut! Alle bösen Gefühle kamen aus den „bösen“ und „wilden“ „Indianern“ heraus. Das hatten die Engländer, die lockeren Cowboys davon, dass sie die Stämme vertreiben wollten. Ihre Heimat war unantastbar. Für alle Ewigkeiten.
Chakotay kauerte in einer dunklen Ecke des dunklen Korridors, der zu den Energiekernen führte, tief hinunter in das neue Heim einer ganzen Spezies. „Was ... wollen sie von mir?“
„Wir wollen Ihnen helfen, den Schmerz zu zerstören. Unser Stamm ist telepathisch begabt und daher wissen wir alles, über Sie, über das Leid, das ihrem Stamm zugefügt wurde, als er von den ... Cardassianern und den Engländern vertrieben und vernichtet wurde. Dass sie den Stamm Ihres Vaters verlassen haben. Wir wissen alles, Commander... alles! Und jetzt: Jetzt haben Sie die Chance, mit der Macht ihres Schiffes zu verhindern, dass erneut ein Volk für ihre Technik Heimat anderer opfert!“
„Was wollen Sie?“ Chakotay schien nicht nur verwirrt, er war es. Doch er war noch mehr: Er war beeinflusst. Seine Sinne getäuscht von einer Jahrhunderte alten geistigen Fähigkeit eines Stammes.
„Verstehen Sie nicht? Wir wollen Sie von Ihrem Schmerz heilen ... die Ehre Ihres Stammes wiederherstellen. Zerstören Sie diese Station. Denken sie nicht an die Opfer, denken Sie nur an den Kampf der Stämme, der Eingeborenen gegen ihre Unterdrücker, die Zivilisation.“
„Ja, was immer Sie wollen...“ Cerlef schlich sich leise davon, während Humita dem Commander auf die Beine half.
„Kann ich Ihnen helfen?“ fragte sie freundlich, während sich der Erste Offizier der Voyager irritiert umblickte.
„Was mache ich hier?“ fragte er nach.
„Ich habe sie hier bewusstlos gefunden. Auch auf dieser Station gibt es Räuber und Verbrecher, Commander Chakotay...“
„Woher wissen Sie meinen Namen?“
„Oh, ich, na ja... Sie haben ihn mir gesagt, als sie bewusstlos waren...“
„Als ich bewusstlos war?“
„Nein, als sie gerade beim Aufwachen waren.“
„Ach so... Na dann. – Wie lautet Ihr Name?“
Humita verbeugte sich krumm und legte elegant eine Hand auf ihren Hinterkopf. „Mein Name ist Humita.“
Chakotay ahmte die Begrüßung lächelnd nach. „Ist es so richtig?“ fragte er.
Humita lächelte. „Ja, ich denke schon. Sie sind eine ungewöhnliche Person, zu mindestens was ihr Aussehen angeht, Commander.“
Chakotay lächelte. „Das würden viele Angehörige meines Volkes auch zu Ihnen sagen.“
„Ich wollte Sie nicht beleidigen... Die Ferengi sehen auch nicht wesentlich ... ustamihafter aus, von ihrer Körperform einmal abgesehen.“
Die beiden unterhielten sich weiter, während sie aus dem Korridor herausgingen. „Die Ferengi, hatten Sie auch schon Kontakt mit denen?“
Humita lächelte. „Ja, sie wollten meinem Stamm Dinge verkaufen, Schönheitspräparate und ähnliches. Außerdem verlangten sie von uns nackt zu sein. Aber das ist bei meinem Stamm strengstens verboten.“
„Stamm?“
„Oh ja, es tut mit leid, dass ich das nicht erwähnte. Ich bin Mitglied in einem Stamm von... man nennt es Eingeborenen.“ Humitas Augen glänzten geheimnisvoll.
Chakotay sah sie fasziniert. „Ein Stamm... Betrachten sie diese Zeichnung auf meiner Schläfe...“ Er deutete auf sein prächtiges Tattoo. „Auch ich gehöre einem Stamm an, aber er wurde ausgerottet, im Laufe der Jahrhunderte...“
Humita erwiderte seinen Blick und bewunderte die Verzierung an seiner Stirn. „Das ist sehr schön...“
„Danke, das... das kann man von Ihnen auch behaupten.“
Beide lächelten verhalten. „Warum ist Ihr Stamm ausgerottet worden?“
Chakotay seufzte. „Zuerst befanden wir uns auf einem Planeten namens Erde, dem Geburtsort der Menschheit, der ich angehöre. Doch dort begannen einige Arten der Menschen sich weiterzuentwickeln. - Das geschah vor etwa sechs Jahrhunderten. – Sie begannen ihr Territorium zu vergrößern und töteten unzählige meiner Vorfahren, nur weil sie alles besiedeln und nach Rohstoffen absuchen mussten. Mein Stamm, die primitiven Eingeborenen, wurden vertrieben, gejagt und waren verpönt. Und vor nur wenigen Jahren, als sich mein Stamm auf einem anderen Planeten angesiedelt hatte, wurde er von einer anderen Spezies vernichtet, die mehr Territorium hatte. Ich bin einer der letzten dieser Gruppe, oder besser gesagt Minderheit.“
„So geht es auch meinem Stamm. In dem zivilisierten Zeitalter ist für uns kein Platz mehr. Wechseln wir das Thema... Woher kommen Sie eigentlich. Es ist die Rede von so einem Schiff.“
„Ja, einige meiner Kameraden müssten hier irgendwo sein, glaube ich. Aber, wie wäre es, wenn sie sich mein Schiff einfach mal ansehen.“
„Auch wenn mich Technologie eher abschreckt als beeindruckt, nehme ich das Angebot gerne an.“
Das für den Transporter typische Summen setzte ein und nach wenigen Sekundenbruchteilen befand sich Humita an Bord der Voyager, zusammen mit Chakotay. Dieser ging die Stufen hinab und begrüßte Transporterchief Pearson.
„Tach, Commander. Das ist aber nicht genehmigt...“ begann Pearson und verwies auf Humita, die sichtlich beeindruckt langsam die Stufen herunterkam, sich erstaunt umblickend.
„Ich weiß, aber dies ist eine Besucherin von der Station. Ich denke, das macht nichts weiter aus, oder?“
Plötzlich öffneten sich die Türen und Annika stürmte mit einem Phaser bewaffnet herein.
„Annika...“ sprach ihr Mann sie verwundert und erschrocken zugleich an.
„Chakotay... Mein selbst konstruierter Eindringlingsalarm wurde aktiviert.“ Sie blickte Humita an. „Guten Tag. Ich bitte mein Eindringen zu entschuldigen.“ Sie näherte sich Chakotay und drängte diesen ein wenig zur Seite. „Wer ist das?“ fragte sie ungewohnt scharf.
„Eine Ustami namens Humita. Sie ist zu Besuch an Bord und will sich umsehen...“
Humita wirkte ein wenig hilflos, als Annika sie ansah. „Eine Besucherin?“
„Es gibt keinen Grund eifersüchtig zu sein. Dein Alarmsystem war mal wieder zu voreilig, das ist alles.“
„Eifersüchtig? Dieser Begriff ist mir fremd... Außerdem möchte ich dich an deine Reaktion erinnern, als wir Axum und Unimatrix Zero begegnet sind!“ Vor wenigen Wochen, als die Voyager von den Borg entführt worden war, war Axum an Bord des geflüchteten Alpha Flyers gekommen und hatte sein Leben geopfert, um die Voyager zu retten und das Borgkollektiv zu zerstören. Annika dachte noch oft an diese erneute Begegnung mit ihrem ersten intimen Freund zurück, den sie je hatte.
„Diese Frau ist Angehörige eines Stammes auf Ustam, der vielleicht bald nicht mehr existiert. Ich bin nur an daran interessiert...“
Annika wurde wieder zu Seven, abgesehen von ihren Emotionen. Ich Ton war so arrogant und eiskalt wie früher. „An was du interessiert bist, kann ich mir denken... Wie passend, nicht wahr? Zwei Stammesangehörige, Liebe inmitten der Sterne...“ Mit diesen Worten ging sie schnellen Schrittes aus dem Transporterraum.
„Ich hoffe, ich mache keine Unannehmlichkeiten...“ meinte Humita freundlich.
„Nein, Gäste sind auf der Voyager stets willkommen. Wollen wir?“
„Oh ja, gerne. Ich würde gerne bei den Waffensystemen anfangen...“
Chakotay blickte sie verstört an. „Bei den Waffensystemen?“
„Ja, mein Stamm interessiert sich sehr für Waffen. Meine Stammesbrüder werden begeistert sein, wenn ich ihnen von diesen prächtigen Waffen erzählen kann.“
Chakotay dachte etwas, aber er verwarf diesen Gedanken. Er hatte ein ungutes Gefühl, und sogleich fühlte er sich wieder zu Humita hingezogen. Die bewegende Geschichte und vor allem die traurige Zukunft ihres Stammes war ähnelte so sehr die seines Stammes, den Kautschukbaumleuten. Er konnte nicht leugnen, dass sich ihm eine Gelegenheit bot. Eine Gelegenheit, Eingeborene von der Zivilisation zu retten, der er selbst verfallen war. Humita durfte alles sehen und tun, was sie wollte.
„Wie Sie wünschen!“ gab er als Antwort und entsprach ihrem Wunsch, die Waffensysteme anzusehen. Die beiden machten sich auf den Weg zum nächsten Turbolift.
„Deck 11, Torpedolager“, ertönte es aus den versteckt angebrachten Lautsprechern der neuen Turbolifte. Das gesamte System der Lifte war vor kurzem verbessert worden, damit sie zum einen auch im Notfall weiterhin funktionieren würden und außerdem interaktiver sind. Vom Turbolift aus konnte man nun auf alle Systeme und Programme des Schiffes zugreifen.
„Wir sind da“, gab Chakotay überflüssigerweise bekannt, als sich die Lifttüren öffneten und den Blick auf einen engen Korridor preisgaben. „Versprechen Sie sich nicht zu viel von unseren Hauptwaffensystemen. Sie sind wirklich nicht sehr sehenswert...“
Humita ging sich interessiert umblickend weiter, Chakotay folgte ihr dichtauf und sah sie aus den Augenwinkeln an. Er hatte Seven, die blöde Borg vergessen. Humita war sein Leben. Er würde ihr jeden Wunsch erfüllen. Er liebte ihre Hautfarbe, ihren natürlichen Duft, ihre Kleidung und er würde – wenn sich die Gelegenheit bot – ihrem Stamm beitreten. Er liebte Humita.
„In Aktion...“, begann die Ureinwohnerin Ustams und strich mit ihren zarten Händen über eine Torpedohülse, „... dürften ihre Waffen recht interessant aussehen und vor allem wirken, nicht wahr?“
„Hooooo! Hooooo! Huai... Huaimaaaa!“ Ein ritueller Gesang war über die weiten Sandfelder der Wüste Südamerikas zu hören. Der Stamm saß an einem Lagerfeuer zusammen, die Zelte um sich herum. Sie beteten ihre Götter und Vorfahren an, ihre Beschützer. Doch sie hatten bereits oft versagt.
Sie hatten zugesehen, wie „Indianer“ versklavt wurden vom weißen Mann. Sie hatten zugesehen, wie ihre Jagdreviere von Eisenbahnschienen durchkreuzt wurden. Sie hatten mit angesehen, wie den Eingeborenen wertlose Dinge verkauft wurden. Sie hatten gesehen, wie weiße Männer ihre Wut an Eingeborenen ausließen.
Nie hatten ihre Beschützer etwas unternommen gegen das Eindringen der andersfarbigen. Man musste selber handeln. Man durfte nicht mehr mit Frieden auf die Eroberer zugehen, man musste mit Kriegsbeilen sie angreifen.
Mit Torpedos...
„Modifizieren Sie eine Reihe Torpedos so, dass sie die Energiekerne der Station treffen. Los!“
Chakotay kauerte auf der Erde, hin und her gerissen zwischen Selbstkontrolle und dem aufgezwungenen Wunsch Humitas. Doch er konnte sich nicht wehren. „Nein...“ Während er diese Worte schrie, bediente er Konsolen nahe der Torpedoabschussrampe. Drei Torpedos wurden automatisch auf die Bahn gesetzt und setzten sich in Bewegung. Unaufhaltsam näherten sie sich ihrem Zielort, „Ustam II“, der Heimat eines ganzen Volkes, welches sich zu großen Teilen bereits an Bord befand...
„Captain! Jemand hat sich unerlaubt Zugang zum Torpedoabschusssystem verschafft...“
Janeway drehte sich mit rätselndem Blick zur Seite, weg von Kibimur, gefolgt von Tuvok.
„Harry, könnten Sie genauer sein?“ erwiderte die Kommandantin mit so leiser Stimme wie es in dem Gedrängel und Lärm möglich war.
„Ich kann nicht genau... Captain!“ antwortete Harry.
„Was ist denn?“
„Drei Torpedos wurden auf die Konstruktion abgefeuert!“
Schnelles Handeln. Das lernten angehende Sternenflottencaptains. Und dieses Wissen musste Janeway schnellstens anwenden. Doch sie durfte keine Panik auslösen. „Versuchen Sie sie aufzuhalten, Harry! Und beamen Sie mich und Verwalter Kibimur an Bord!“ Mehr befahl Janeway nicht.
Sie eilte zurück zu Kibimur, der besorgt Janeway näher kommen sah.
„Drei Torpedos wurden abgefeuert und werden in Kürze einschlagen. Wir müssen uns an Bord der Voyager beamen...“ Janeway stellte sich bereits in die richtige Position, wurde aber von Kibimur an der Schulter gefasst.
„NEIN!“ schrie er.
„Ich bitte Sie“, erwiderte Janeway. „Das Leben dieser Station und Ihres steht auf dem Spiel!“
„Eben, wenn diese Heimat“, immer mehr Leute sahen sich zu der Gruppe um, „zerstört wird, dann ist alles verloren. Unser Planet ist verseucht, Captain, vergessen Sie das nicht! Er hat uns genutzt, um dieses bessere Zuhause zu bauen, und ich werde nicht aufgeben! Diese Station kann nicht zerstört werden!“
Janeway blickte ihn finster an. „Vergessen Sie lieber nicht, dass Sie selber Schuld an der Vernichtung Ihres natürlichen Lebensraumes sind. Was mich und meine Leute angeht: Wir werden uns an Bord beamen! – Harry, Energie!“
Die Gruppe löste sich in einem hellen Funkeln von in Energie umgesetzter Materie auf und entfloh der drohenden Vernichtung.
Die Torpedos waren schnell, sehr schnell. Doch die Voyager war schneller, wenn auch nur geringfügig.
Harry saß im Kommandosessel, Lieutenant Devrok befand sich voll in seinem Element, also an der Taktik.
„Lieutenant, versuchen Sie den letzten Torpedo mit einem Phaser auszuschalten. – Tema’na! Versuchen Sie uns näher heran zu bringen!“
Die Romulanerin nickte. Endlich gab es für sie mal etwas zu tun, was nicht das bloße Eingeben eines Kurses und die Betätigung des Beschleunigungsfeldes darstellte. Ihr war das Schicksal dieses erbärmlichen Volkes jedoch eigentlich egal. Die Ustami waren selber Schuld, dass sie ihren Planeten ausgebeutet und verseucht hatten und nun die Quittung bekamen. Ihr Planet zerstört, eine Maschine sollte ihr neues Heim sein.
Die Romulaner waren seit jeher klug genug gewesen, ihren Planeten und seine Natur zu schützen. Remus war der Minenplanet, der einst angeblich ein kaltes, arktisches und eine tropisches bis wüstenartiges Gefilde besessen hatte. Doch durch die kontinuierlichen Abbauarbeiten war der Planet verödet, der Heimatplanet der Remaner Wenigstens war Romulus nicht von einem solchen Umweltkollaps betroffen, auch wenn ihr, Tema’na, das nicht viel nützte, konnte sie ihren Planeten doch sowieso nie mehr wieder sehen.
Die „Neue Heimat“ kam schnell näher, der erste abgefeuerte Torpedo würde sicherlich treffen. Es ging eigentlich nur noch darum, die beiden letzten aufzuhalten.
„Ich visiere den letzten an, Sir“, bestätigte Devrok. „Feuer!“
Auf dem Schirm sah man, wie sich ein vor Energie funkelnder Quantentorpedo in einer gigantischen Explosion selbst zerstörte, durch einen Phaser, abgefeuert durch Lieutenant Devrok.
Da waren es nur noch zwei, ging Harry durch den Kopf. „Nur“ noch zwei, die immer näher der letzten Existenz eines Volkes entgegen flogen.
„Sir, Sicherheitsteam Epsilon meldet, dass Commander Chakotay und eine Frau festgenommen wurden und sich im Arrest befinden!“
„Chakotay?“
„Was ist mit Chakotay?“ – Janeway hatte den Raum betreten.
„Er hat die Torpedos abgefeuert...“
Janeway und Harry wechselten die Plätze.
„Das musste ja so kommen... Er mit seinem Naturverbundenheit...“, flüsterte sie vor sich hin. Sie hatte geahnt, dass er, ihr energischer Erster Offizier, etwas gegen diese Ungerechtigkeit und Unethik gegenüber der Natur unternehmen würde, aber nicht auf so drastische Weise. Was war in ihn gefahren? Dieser Anschlag glich einer Kriegserklärung und könnte das Ansehen der ganzen Föderation zerstören.
„Wie lange noch bis zum Einschlag?“ Wirre Daten huschten über Janeways kleinen, dünnen, durchsichtigen Glasschirm neben sich. Sie konnte damit unter diesem Druck nichts anfangen.
„Noch... fünf Sekunden!“
Fünf Sekunden ... Hatten es die Ustami verdient, vernichtet zu werden, für die Tierleben, für die Leben von Pflanzen und Natur, zu sterben? Konnte sie den Tod so vieler einfach so hinnehmen, mit der Entschuldigung, dass die Ustami ihren Ursprung, das Natürliche zerstört hatten? ... „Vier Sekunden“ ... Nein, das stand ihr nicht zu. Menschen und andere intelligente Lebewesen standen über Tieren und Natur. Wirklich?
Kurz bevor Tuvok, der an Devrons Stelle getreten war, „Der Sekunden“ melden konnte, befahl sie: „Tema’na, geben sie Vollgas und rammen sie den Torpedo vor uns!“
Während sich das Schiff schüttelte, als die Schilde die destruktive Energie des Quantentorpedos absorbierten, erschien auf dem Schirm ein Ferengikreuzer, der den letzten Torpedo abschoss.
Alle auf der Brücke seufzten. „Wir werden gerufen!“ gab Harry bekannt.
„Von wem?“ erkundigte sich die Kommandantin.
„Einmal per Funk von Verwalter Kibimur und einmal von Daimon Munk.“
„Na dann, Konferenzschaltung!“
„WAS WAR DAS, CAPTAIN JANEWAY?“ schrie Kibimur mit einem dunkellila gefärbtem Kopf.
„Ich kann das momentan noch nicht erklären, Verwalter, ich werde das untersuchen lassen!“ Mit einem Handzeichen beendete Harry diese Verbindung, ehe er weiter schreien konnte, und das Bild des Daimon Munk füllte das Bild aus.
Der Ferengi war – nach menschlichem Ermessen – hässlich, so wie jeder andere auch, und hatte ein ekliges Lächeln auf den Lippen, das Ferengi nach oder vor einem profitablen Geschäft immer aufsetzten.
„Captain... Janeway“, begann er, „es ist mir eine Ehre, ihnen als legendäre, leider jedoch bekleidete Weltraumheldin begegnen zu dürfen. Es tut mir leid, wenn ich ihnen ihr Geschäft vermasselt habe... Aber ich denke, der gütige Verwalter Kibimur wird mit ihnen auch auf geschäftlicher Basis nichts mehr zu tun haben wollen...“
„Ja, in der Tat. Allerdings bin ich für diesen Zwischenfall nicht verantwortlich, Daimon.“
„Na ja, aber das ist doch recht wahrscheinlich, nicht wahr? Die gute Föderation, die keinen Profit verlangt und um jeden Preis alle Lebewesen und die Natur anderer Planeten schützen will. Da ist es doch nahe liegend, dass sie das beabsichtigt hatten!“
„Ja, es scheint so, entspricht aber nicht der Wahrheit, Sie...“
„Oh, ein Sternenflottenoffizier will mir drohen...“ Sein Lächeln wuchs in die Breite und gewährte einen wirklich ansprechenden Blick auf Munks dreckige und krumme Zähne. In der Zahntechnik waren die Ferengi wohl noch nicht auf profitable Entwicklungen gestoßen.
„Sagen Sie mir, Daimon Munk, warum haben sie nicht mehr Rohstoffe geliefert oder warum liefern Sie überhaupt Materialien zum Bau dieser neuen Heimat der Ustami? Sie hätten doch ohne Lieferungen dafür sorgen können, dass die Ustami ihre Pläne gar nicht verwirklichen können! Ist Ihnen Ihr Profit wichtiger, als die Existent der Natur eines Planeten? Ist Ihnen der Profit wichtiger?“
Janeway wurde immer lauter und Daimon Munk beendete wortlos die Verbindung.
„A-koo-chee-moya...“ Chakotay befand sich alleine in einer Arrestzelle. Doch er war nicht ganz alleine. Er konnte bereits seinen Tiergeist hören, der seinen Geist reinigen und Fragen beantworten würde.
Er hielt seine rechte Hand auf das Akoonah, daneben lag ein Bündel Medizinkräuter, das er in seiner Jugend und seiner Zeit im Stamm gesammelt hatte.
Er sprach weitere Wörter, betete zu dem Tiergeist und den heiligen Vermächtnissen seine Vorfahren, schien in eine Art Trance zu verfallen.
Vogelgezwitscher, das Rascheln von Blättern, unzählige Blätter und Bäume, Feuchtigkeit. Die Sonne lugte lediglich zwischen ein paar Lücken im Geäst hindurch. Da... eine kleine Lichtung wurde sichtbar, das Plätschern eines kleinen Baches war unüberhörbar und wurde immer lauter.
Und da lag sie: ein langer, zusammengerollter Körper, keine Beine, eine gespaltene Zunge... eine Schlange.
,Du warst lange nicht hier, Al Kotay...’
Chakotay bückte sich vor sie. Er hatte schon vor langer Zeit die Angst vor Schlangen und seinem eigenen Tiergeist überwunden.
„Ja... Ich habe die alten Gebräuche lange ... zu lange vernachlässigt...“
,Du willst mich etwas fragen, nicht wahr?’ erwiderte die Schlange.
Chakotay fühlte sich beruhigt, die Stimme seines Tiergeistes – zu lange hatte er sie nicht mehr gehört. „Ja, ich will dich etwas fragen. Ich habe ein Problem... Stell dir vor, du und dein Lebensraum, die Natur, würde zerstört werden, um einer bestimmten Spezies Luxus zu verschaffen... Und ein Mitglied einer anderen Spezies, der gar nichts damit zu tun hat, will das stoppen... Was würdest du ihm sagen?“
,Die Natur gehört allen, auch denjenigen, die nichts mit allem zu tun haben. Denn alle stammen aus ihr. Und wenn sie die Natur vernichten oder nichts dagegen tun, zerstören sie ihren Ursprung und ihre eigene Existenzberechtigung. Nicht wahr?’
„Chakotay...“
Eine Stimme. Woher kam sie?
„Chakotay!“
Kathryn Janeway stand vor dem Kraftfeld Chakotays Arrestzelle. Sie wirkte sehr zornig.
„Warum?“
Chakotay wirkte benebelt, er wurde ruckartig aus seiner Vision gerissen. Dis glich in etwa dem Gefühl, das einen Menschen überkam, wenn er aus der Dunkelheit ins Licht kommt.
„Kathryn?“ fragte er irritiert, noch immer auf dem Boden kniend.
„Sie haben nicht mehr die Berechtigung, mich so anzureden. Ihre Frau ist übrigens nicht weniger schockiert! Warum zum Teufel haben Sie...“
Humita war am Kraftfeld ihrer neben Chakotays befindlichen Zelle aufgetaucht, ihr Blick schien auf Janeway fixiert.
Die Kommandantin zögerte, schien die nächsten Worte nicht über die Lippen bringen zu können.
Langsam tastete sich ihre Hand vor, das Ziel ihrer Bewegung wurde immer klarer: der Phaser, an ihrer Hüfte sitzend.
Plötzlich griff sie zu und feuerte auf den Sicherheitswärter, ging auf das Hauptkontrollpult für die Arrestzellen zu und deaktivierte die beiden Kraftfelder.
Humita stürmte hinaus, griff den Phaser und schoss Janeway nieder.
Zusammen mit Chakotay stürmte sie nach einem Blickwechsel aus dem Sicherheitstrakt.
„Stell’ deinen Phaser auf maximalen Energieausstoß. Wenn wir beide den Tritiumtank dort unter Beschuss nehmen, müsste hier alles in Flammen aufsteigen und dieses Ding auch...“
Chakotay und Humita befanden sich in einem riesigen, senkrecht nach oben verlaufenden Schacht. Es war dunkel, aber der hell leuchtende Energiekern weit oben brachte genug Licht, um die riesigen Tanks zu sehen, gefällt mit schwerem Wasserstoff, dem Hauptenergieträger von der „Neue Heimat“.
Ein kleiner Teil Chakotays wusste, was er tun würde. Er würde Millionen Lebewesen töten und diejenigen, die auf dem verschmutzten Planeten noch lebten, zum Sterben oder zu einem Leben in einer unwirtlichen Welt verurteilen. Aber der größte Teil seines Bewusstseins war zufrieden. Zufrieden, all die vernichtete Natur, die ausgestorbenen Tierarten und das Gefühl des Luxus der Ustami zu rächen.
„Halt!“
Die beiden drehten sich um.
Kathryn Janeway stand gemeinsam mit einigen Sicherheitsleuten, sowohl der Ustami als auch der Voyager, wenige Meter von Chakotay und Humita entfernt. Die beiden hatten die ankommenden wegen des Lärms nicht hören können.
Der Captain blickte Humita an.
„Ich weiß nicht, was das für ein Trick ist, den sie da angewendet haben. Aber er konnte nicht unsere Sicherheitssysteme blockieren. Ihr Vorhaben ist beendet! Ich handle im Namen der Vereinten Föderation der Planeten, und wir wollen nicht für den Tod unzähliger Lebewesen verantwortlich sein!“
Humita blieb überraschend gelassen. „Mein Stamm ist nicht für den Tod unzähliger Lebewesen verantwortlich, sondern die Zivilisation unserer einstigen Artverwandten.“
Kibimur trat hervor und sprach genauso ruhig. Gerade so, dass man ihn im Lärm des Energiekerns hören konnte.
„Unsere Zivilisation hat nichts nachteiliges. Wir haben uns weiterentwickelt, Sie und alle anderen Tiere auf unserem ehemaligen Planeten nicht. Sie haben alle verloren, und Ihr Stamm kann sich glücklich schätzen, dass wir ihm ein neues Zuhause geben. Ein sauberes und komfortables Heim.“
Humita lächelte. „Einen Vorteil hat dieses Heim tatsächlich: Sie können ihre Gier, Rohstoffe auszubeuten, nicht mehr befriedigen!“
Plötzlich traf Humita, die sich von den Tanks abgewendet hatte, ein Energiestrahl, abgefeuert von Kibimur. Blitzartig drehte sich Chakotay um, doch langsam kam er wieder zu seinem wahren Bewusstsein zurück. Er erinnerte sich an die Oberste Direktive und daran, dass er Pflichten hatte – und eine Frau.
Doch den Phaser ließ er nicht sinken.
„Chakotay... Geben Sie auf. Nun sind Sie wieder Sie. Und Commander Chakotay“, sie befahl mit einem Handzeichen den anderen zu gehen, trotz Kibimurs mimischen Protesten, „würde sich nie meinem Befehl widersetzen, oder?“
Es herrschte für einige Sekunden Stille, niemand sprach ein Wort, es schien jeden Augenblick alles in die Luft fliegen zu können.
„Nein, das würde er nicht“, flüsterte Chakotay, so dass es schwer fiel, ihn zu verstehen. Vorsichtig, im Zeitlupentempo, näherte sich Janeway ihrem Ersten Offizier.
„Aber der wahre Chakotay, der der ich einmal war, hätte auch nicht dieses Unrecht, diese Zerstörung, toleriert. Früher, während meiner Zeit im Maquis, da hatte ich gekämpft, dass die Cardassianer nicht auch noch die letzten Eingeborenen töten, sie ihrer neuen Heimat berauben würden. Und nun? Und vor meiner Zeit im Maquis? Da hatte ich meinen Stamm gehasst, ihren Glauben an die Natur, ihre Sitten, ihre konservativen, oder besser gesagt prähistorischen Gebräuche und Ansichten abgelehnt und verachtet. Aber heute, jetzt, muss ich sehen, wie ein Volk alles vernichtet, nur um nur noch technisch zu sein und zu leben. Alle anderen Lebewesen auf dem Planeten scheren sie einen Dreck. Und das muss ich stoppen... Durch Humita ist es mir noch bewusster geworden.“
Janeway deutete mit einer Geste auf die am Boden liegende Frau. „Diese Eingeborene hat Sie kontrolliert, Chakotay, hat in Ihren Schuldgefühlen eine Gelegenheit, ein gefundenes Fressen, gesehen. Sie hat die Zivilisation ihres Volkes mit eben dieser vernichten wollen. Mit der Voyager, einem Schiff voller Technik, deren Materialen aus dem Boden anderer Planeten stammen. Und auch wir Menschen waren einst nicht anders...“
Chakotay senkte den Blick, aber der Phaser zielte weiterhin auf die Tanks. „Ja, und auch ich lebe in einer Zivilisation, aber wir missbrauchen nicht Natur oder andere Völker. Wir leben sauber und verdrecken nicht zu unserem eigenen Nutzen andere Planeten!“
Janeway kam nun näher auf Chakotay zu. „Richtig. Aber die Menschheit hat lange, vielleicht zu lange, dazu gebraucht, zu dieser Einsicht zu kommen. Viele Tierarten mussten ihrem Drang nach Zivilisation und Technik weichen. Und irgendwann werden auch die Ustami dies einsehen. Da bin ich sicher...“
„Sauberkeit...“ sprach Chakotay vor sich hin.
„Was?“
Der Erste Offizier senkte den Phaser und drehte sich um. „Würde es gegen die Oberste Direktive verstoßen, die Atmosphäre des Planeten zu reinigen?“
Janeway lächelte leicht. Sie war sehr erleichtert. „Nein, gewiss nicht... Denn die Ustami lehnen ihren Planeten ab. Sein Schicksal ist ihnen egal...“
COMPUTERLOGBUCH DER VOYAGER
CAPTAIN JANEWAY
STERNZEIT 56286,7
Nach über einer Woche im Orbit des Planeten Ustam haben wir es geschafft, die Planetenatmosphäre von Treibhausgasen und Verschmutzung zu befreien. Wir hoffen, dass sich die Natur und die Tiere von der Vernichtung und Ausbeutung durch die Ustami erholen können. Unsere Vorfahren auf der Erde hatten keine solche Hilfe.
PERSÖNLICHES COMPUTERLOGBUCH
CAPTAIN JANEWAY
STERNZEIT 56286,7
Ich habe nach den Ereignissen der letzten Tage meine Entscheidung gefällt, was das Angebot Admiral Kingsburns angeht.
Die Woche war vorbei.
Kathryn Janeway hatte kaum Zeit gehabt, über das Angebot der Sternenflotte nachzudenken, aber sie hatte während ihrer Entscheidungen, während ihrer Arbeit die Wahrheit herausgefunden. Die Wahrheit bestand darin, dass sie im Laufe der neun Jahre verlernt hatte, selbstständig zu entscheiden. Sie war zu sehr von Chakotays Meinung abhängig, dass hatte sie erfahren. Und wie wäre es bei noch wichtigeren Entscheidungen, die als Admiral auf sie zukommen würden? Chakotay würde sie nicht mehr beraten können, als erster Offizier und enger Freund. Das war ihre ganz persönliche Achillesverse und ehe sie diese nicht abgelegt haben würde, könnte sie niemals Admiral werden. Die meisten Captains innerhalb der Sternenflotte erachteten einen ersten Offizier als überflüssig und behindernd. Aber sie hatte seinen wahren Wert kennen gelernt. Sie hatte gelernt, dass er unverzichtbar war und er ihr oft zeigen konnte, was richtig und falsch war. Sie öffnete ihren Computer und tippte die Nachricht ein, die Nachricht, die ihre weitere Karriere stark beeinflussen könnte
Sehr geehrter Admiral Kingsburn!
Nach einer Woche des Überlegens und Nachdenkens bin ich nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile und der Erkenntnis, dass ich mich noch nicht fähig fühle, schwerwiegende und folgenreiche Entscheidungen zu treffen und mich nicht von meinem Schiff lösen kann, zu dem Schluss gekommen, dass ich Ihr Angebot dankend abzulehnen verpflichtet bin. Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass die Sternenflotte mich als Kandidatin für den Posten im Auge behalten werden.
Mit freundlichen Grüßen, Ihre Captain Kathryn Janeway!
30. April 2379, Sternzeit: nicht angegeben
Sie bereute, nachdem sie die Nachricht abgesendet hatte, ihre Entscheidung ein wenig, obwohl sie wusste, dass es das Beste war, das Angebot abzulehnen. Janeway erinnerte sich an den Admiral aus der Zukunft und sah sich tatsächlich als Admiral. Bald würde sie diesen Posten vielleicht inne haben, aber jetzt war sie noch Captain ihres Schiffes. Und das erfüllte sie mit wesentlich mehr Stolz.
Chakotay und Annika standen am Fenster ihres Quartiers.
„Was geschieht nun mit ... Humita und ihrem Stamm?“ erkundigte sich Annika abweisend.
„Sie kehren auf den Planeten zurück. Sie freuen sich, endlich ungestört dort leben zu können...“ antwortete ihr Ehemann.
„Das ist schön...“
„Annika, ich muss dir etwas sagen.“ Chakotay war dies alles sehr unangenehm.
„Ich höre!“ erwiderte die Ex-Borg steif.
„Wenn du deinen logischen Verstand nutzt, wirst du sicherlich verstehen, dass meine Handlungen unbeabsichtigt waren. Ich wurde durch Humita geistig kontrolliert... Außerdem habe ich Verständnis, dass du als ehemalige Borg...“
Ein böser Blick begegnete Chakotay.
„... nun ja, noch immer für Natur nicht allzu viel übrig hast, aber...“
„Gegensätze ziehen sich an“, beendete Annika den Satz. „Wolltest du mir nicht schon immer mal deine Sammlung von heiligen Gegenständen deines Stammes zeigen?“
Seines Stammes. Diese Worte waren Balsam für Chakotays raue Seele und linderten seine Schuldgefühle.
Doch trotz alle dem, war er sich unsicher, weswegen er letztendlich diese Schuldgefühle gehabt hatte. Wegen der Vertreibung Eingeborener, oder wegen der Zerstörung der Natur und Umwelt. Er tendierte eher zu letzterem. Denn was waren einige Eingeborene im Vergleich zu der Arbeit von mehreren Milliarden Jahren. Konnte man den Menschen mit der Natur aufwiegen, die nur sein Ursprung war?
- Ende -
Im Spätsommer des Jahres 2002 wurden auf der Erde durch unzählige Naturkatastrophen viele Menschen getötet und ihre Existenzen vernichtet. In den Staaten China, Frankreich, Österreich, Tschechien und Italien zerstörten gewaltige Fluten Städte und Dörfer, Waldbrände und Trockenheit breiteten sich in anderen Ländern aus. Ende August konnte auch ein UN-Weltgipfel in Johannesburg keine klaren Ergebnisse aufweisen. In den Folgejahren starben weitere Tierarten aus, verloren Menschen ihr Heim, wurde Natur zerstört und der ursprüngliche Lebensraum Eingeborener zugebaut und verkleinert.
Doch einige Regierungen zeigten kein Einsehen.
...und die Reise geht weiter - am Sonntag, den 20.10.2002
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DIE KONSTRUKTION
based upon "STAR TREK" created by GENE RODDENBERRY
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executive producers SEBASTIAN OSTSIEKER & MARKUS RACKOW
co-executive producers NADIR ATTAR & CHRISTIAN GAUS
producers MILA FRERICHS & STEPHAN DINGER lektor OLIVER DÖRING
co-producers TIM PRUESSMANN & FLORIAN TSCHRIPKE
written by MARKUS RACKOW
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Quelle: treknews.de
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