Chronik der Chaoten
Chefredakteur 59 Minuten in Autowaschanlage eingeschlossenVon Daniel Räbiger, in Chronik der Chaoten,
Wir haben hier so eine sensationelle riesige OMV Tankstelle – mit Shop, Bordsteinschwalben, Zapfsäulen und einer Top-Wash Waschstraße. Und klar, jemand der Dreck am Stecken hat, der muss auch hin und wieder in die Waschanlage – und sei es auch nur wegen dem Schwarzgeld.
Das verspricht die omv.com Website. Und wie könnte ich als mündiger Bürger daran zweifeln? Also rein in den schnittigen Passat 35I Variant, Marke Volkswagen und ab zur Waschstraße. Dort geparkt und voller Vorfreude rein ins Ladengeschäft – denn nur dort gibt es die putzigen Wasch-Chips. Erhaben blickt die Preistafel auf mich herab und flüstert zu mir… ‚ich putze dich, ich wasche dich, ich will dein Geld, ich bitte dich…’
Als dekadenter Chefredakteur von Welt höre ich natürlich auf die Stimmen in meinem Kopf und greife zu der nur 15,99 € teuren Premiumwäsche. Ich wollte schließlich schon immer mal mit allen Wassern gewaschen sein. Fünfzehn Euro und neunundneunzig Cent – dafür kann man zweimal Essen gehen, bekommt 17 Packungen WESTCLIFF Kräutertee Gesunder Genuss bei Aldi, kann 4.9 Kilogramm Kokosmakronen erwerben oder eben zu einer OMV Premiumwäsche greifen - inklusive Hochdruckvorwäsche, Aktivschaum, Waschen mit Schampoo, Rad- und Felgenwäsche, Zwischentrocknen, Auftragen von Glanzwachs Plus, Einmassieren von Glanzwachs Plus, Waschen mit Schampoo, Unterbodenwäsche und zweimal Trocknen mit Glanztrockner.
Ja, da wächst der Schaft.
Kurz angestanden vor dem silbernen Wunderkasten mit den tollen Bürstenrollen – ich persönlich nenne sie ja gerne ‚Borstenvieh’, aber das nur mal nebenbei – und schon ging es los. Kaum war das Auto in der Waschkammer platziert, spritzte es auch schon los. Wie man das eben von Tankstellen mit Bordsteinschwalben erwartet. Nach etwa acht Minuten fühlte sich mein liebes Wägelchen nicht nur sauber sondern auch etwas nass. Gut dass die Trockenkammer die nächste Haltestelle war. Die horizontalen Düsen mit warmer Luft glitten mit Eleganz über mein Auto. Von vorne nach hinten und wieder zurück. Doch was war das? Auf halber Höhe der Windschutzscheibe stoppte der überdimensionale Fön.
Ich war verdutzt, sagte mir aber ‚gut Ding will Weile haben’, lehnte mich zurück, schloss die Augen und unterhielt mich mit meinem Stimmen. Doch nach etwa fünf Minuten wurde mir auch das etwas langweilig. Ich sah mich aufgeregt um. Ein Schild wies mich an: ‚Bei technischen Störungen bitte Hupen’. Alsbald schallte meine Hupe also durch die Waschanlage. Ohne Erfolg. Die Zeit verstrich, die Hupe hupte. Nichts geschah. 20 Minuten später und viel gehupe später öffnete sich eine kleine Tür und eine Frau in Tankstellenkluft betrat den Raum. Ich öffnete das Fenster.
„So ein Mist hier! Sie müssen hier schon vernünftig reinfahren. Das geht so nicht… oh Mann.“ Dann ein zorniger Blick zu mir. Ich hörte sie schon sagen „… sie Idiot“ – oh nein halt, das waren nur wieder die Stimmen die das, was jene Dame sicherlich dachte, in Worte formulierten.
Sie lies mich meinen Wagen leicht zurücksetzten und wieder an selbige Stelle wie zuvor fahren, drückte auf einen Knopf und verschwand.
Nichts geschah. Laaaaange. Dann hupte ich wieder. Und wartete.
Die Frau kam wieder. Schaute noch böser, drückte wieder auf einen Knopf. Schnaubte. Das Gebläse hob sich, das Tor öffnete sich. Die Frau winkte ungeduldig mit der Hand und sagte: „Nun fahren sie schon.“
59 Minuten. Ich fuhr und blickte nicht zurück. Läge der Kilopreis für Ignoranz und Frechheit bei 3 Cent – diese Frau wäre reich gewesen. Und nehmen wir nur einmal den unwahrscheinlichen Fall an, ich hätte meinen Wagen wirklich falsch eingeparkt - ein zahlender Kunde war ich dennoch.
War.
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