Achtung: diese Review bezieht sich auf die Langfassung!
Dies ist ein Staffelfinale, wie ich es mir gewünscht habe. Fast alles stimmt bei dieser Episode, die von Ron Moore spendablerweise sogar auf eine gute Stunde gestreckt wurde. Hier geschieht so viel, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll mit Erzählen.
Zuerst einmal kennen wir also nun einen weiteren Cylonen. Dass es sich um Cavill handelt, kam für mich jedoch eher weniger überraschend. Schön daran ist jedoch, dass wir uns so auf weitere Auftritte von Dean Stockwell freuen dürfen. Geradezu köstlich war die Szene, als er, seine Unschuld beteuernd, in die Arrestzelle geführt wird und dort ganz verdutzt sein alter Ego antrifft. Leider bedeutet dies im Umkehrschluss, dass der gesamte Handlungsbogen um den Chief nur dazu bestimmt war, um den neuen Cylonen einzuführen. Wenigstens wurde damit auch ein Grundstein für die Beziehung zu Cally gelebt. Dabei überbringt der neu Cylone eine interessante Neuigkeit: scheinbar sind die Maschinenwesen tatsächlich zum Frieden bereit. Der plötzliche Frieden stellt sich so überraschend ein wie bei dem letzten Krieg vor 40 Jahren: die Cylonen sind einfach verschwunden! Doch wie soll man auf eine solche Nachricht reagieren? Wie glaubhaft ist diese Angebot? Immerhin haben diese Wesen fast die gesamte menschliche Zivilisation vernichtet, daher ist das Misstrauen wohl nur zu verständlich. Musste man jedoch die Überbringer der Nachricht gleich töten? Ich bezweifle dies. Hier wären wir dann wieder bei der Diskussion angelangt, ob man die Cylonen als von Menschen geschaffene Maschinen oder als eigenständige Individuen sehen sollte.
Die Wahl selbst war sehr spannend und gut umgesetzt. Man fieberte selbst richtig an dem Bildschirm mit und hoffte das Beste. Wie gut die Serie durchdacht ist, zeigt sich an dem förmlichen Protest von Tom Zarek, der völlig zu Recht eine Involvierung des Militärs in die Wahl bemängelt. Andererseits, wer hätte schon für die dringend benötigte Sicherheit sorgen können? Dass Laura Roslin am Ende gar zur Manipulation greift, um zu siegen, ist uns als Zuschauern zwar aus menschlicher Sicht nachvollziehbar, aber gute Absichten ändern nichts an der Falschheit einer solchen Tat. Admiral Adama macht deutlich, dass er eine solche Entscheidung nicht mittragen wird. Schon einmal hat er mit seinem Putsch am Ende der ersten Staffel gegen die Verfassung agiert, ein zweites Mal wird dies nicht geschehen. So schwer es allen Beteiligten auch fällt, Gaius Baltar ist neuer Präsident der 12 Kolonien. Im Rahmen des demokratischen Prozesses müssen dies alle akzeptieren. Ein neuerlicher Putsch würde nicht noch einmal so schweigend von der Flotte hingenommen werden. Umso unverständlicher erscheint es mir, wieso Adama nicht die an dem Betrug beteiligten Offiziere und Soldaten der Galactica bestraft. Zumindest gibt es keinen Hinweis auf eine Disziplinarmaßnahme, was ich angesichts der Schwere dieser Tat doch recht merkwürdig finde.
Das Ende ist ein Hammer! Wie viel Mut erfordert es, so sehr das Gefüge einer Serie aus den Angeln zu heben und einen Zeitsprung von einem ganzen Jahr durchzuführen? Ich selbst habe erst an einen Traum gedacht. Dann fragte ich mich, wie man diese Situation auflösen will. Als Star Trek Kenner dachte ich zwar spontan an eine Zeitreise, doch eine solche Lösung wäre für eine Serie wie „Battlestar Galactica“ zu simpel. In der nächsten Staffel muss also sehr, sehr viel aufgearbeitet werden.
Dabei scheint sich auf New Caprica tatsächlich so etwas wie Normalität eingestellt zu haben. Viele Crewmitglieder befinden sich dort, die Schiffe Galactica und Pegasus werden nur noch von einer Rumpfcrew geführt. Alte Bekannte haben inzwischen neue Funktionen übernommen, wie z.B. Chief Tyrol, der nun Führer einer Gewerkschaft ist oder Laura Roslin, die in ihren alten Beruf als Lehrerin zurückgekehrt ist. Dee ist nun endlich selbst Offizier und XO auf der Pegasus. Es gab Heiraten, neue Freundschaften und neue Wendungen. Klasse übrigens die Maske von Lee Adama. Seine zusätzlichen Kilos wirken aufgrund ihrer Authentizität richtig erschreckend! Zwischen ihm und Kara muss es zu Problemen gekommen sein, denn scheinbar haben sich beide nicht mehr allzu viel zu sagen. Ob es an Sam Anders liegt? Die Szene in den Kojen und der Blick Lees in Richtung des knutschenden Paares sagte für mich mehr als tausend Worte. Steht seine Adiposität möglicherweise in direktem Zusammenhang mit diesem Frust? Hoffen wir, dass Dee nicht einfach nur ein Ersatz für Starbuck ist, denn das hat die junge Frau ganz sicher nicht verdient.
Gaius Baltar scheint mit seiner neuen Macht jedoch nicht klar zu kommen. Er ist den einfachen Freuden verfallen und scheint sich mehr schlecht als Recht über Wasser zu halten. Doch wie kommt es dazu? Ist das Präsidentenamt doch schwieriger, als er gedacht hat? Hat er Tom Zarek, den eigentlichen Kopf seiner Kandidatur, verstoßen? Antworten darauf werden wir wohl nur in der Zukunft erhalten. Zumindest hat sich Baltar an Gaeta erinnert, der ihn schon immer bewunderte, und hat ihn zu seinem neuen Berater ernannt. Es zeigt sich auch, dass es schwierig ist, alte staatliche Strukturen in einer neuen Umgebung zu implementieren. Ob dies ein Hinweis auf die aktuelle Politik ist?
Dass die Cylonen nicht lange fernbleiben werden, ist natürlich klar gewesen. Die Familie Tigh hatte sich genau den falschen Zeitpunkt ausgesucht, um ihr Domizil nach New Caprica zu verlegen. Großartig die Szene, als die Restflotte die Menschen auf dem Planeten zurücklassen musste. Admiral Adama, der oft die persönliche Verantwortung tragen will, wird sicherlich an dieser Entscheidung zu knabbern haben. Aus taktischer Hinsicht war sie natürlich absolut nachvollziehbar, denn was hätten die von einer Minimalcrew besetzten Battlestars schon gegen die cylonische Flotte anrichten können?
Wieso kehren die Maschinenwesen überhaupt zurück? War das Friedensangebot doch nur ein Trick gewesen oder hat es einen erneuten Meinungsumschwung unter den Cylonen gegeben? Hier wird aber noch einmal erläutert, wieso Gina die Atombombe auf Cloud Nine gezündet hat, denn durch diese Explosion waren die Cylonen überhaupt erst in der Lage, das so vermeintlich sichere New Caprica zu entdecken. Damit hat sich Gaius Baltar, der selbst damals diese Bombe an Gina weitergeleitet hat, selbst am möglichen Untergang der Menschheit beteiligt. Zum zweiten Mal übrigens, wenn man sich an den ursprünglichen Angriff auf die zwölf Kolonien zurückerinnert. Wieder wurde er von einer Inkarnation von Number Six reingelegt. Scheinbar lernt der gute Mann einfach nicht dazu. Der Effekt der Explosion, bei der sogar eine scheinbare Kamera zerstört wird, ist fantastisch in Szene gesetzt.
Die Prämisse für die nächste Staffel ist klar und wird auch im letzten Satz von Starbuck angedeutet: Widerstand. „BSG“ verspricht politischer als je zuvor zu werden. Die Serie hatte sich noch nie gescheut, auch heiße Eisen anzupacken; so wird es in der nächsten Staffel unter anderem um Kollaboration und Selbstmordattentate gehen. Wir dürfen uns also auf eine tolle dritte Staffel freuen! Aber wie soll das Niveau dieser Episode noch getoppt werden?
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