Bei vielen Serien ist es so, dass nach großen Episoden ein Loch kommt. Man kehrt zur Tagesordnung wieder, so als sei nichts geschehen. „Battlestar Galactica“ macht da erfreulicherweise eine Ausnahme. Nachdem nun die Flotte wieder beisammen ist und ein Großteil der Menschen von New Caprica gerettet wurde, müssen die dortigen Ereignisse aufbereitet werden. Immerhin verlaufen die Fronten des Hasses und gegenseitigen Misstrauens quer durch die Flotte und die Einheit, wie man sie noch zu Beginn der Serie hatte, ist nicht mehr vorhanden.
Gleich zu Beginn wird wieder deutlich, was BSG von anderen Serien unterscheidet: auch die Nebencharaktere entwickeln sich. Dieselben Figuren tauchen immer und immer wieder auf, man gewöhnt sich an sie und sie machen Erfahrungen durch. Dies macht das BSG-Universum kleiner und dadurch auch realistischer. Umso mehr trifft es den Zuschauer, wenn eine inzwischen vertraute Figur stirbt. Dieses Mal ist es Jammer dran, das einst so loyale Mitglied der Deckgang. Gerade hier wird der Schmerz des Chiefs deutlich, dass ausgerechnet einer der seinen zu den Kollaborateuren der New Caprica Police gehörte. Ausgerechnet Jammer, dem der Chief auf New Caprica prophezeit hatte, Leute wie sie beide würden über die Verräter richten. Nun hat sich also Jammer als einer dieser Verräter herausgestellt. Dass er Cally gerettet hat, hilft ihm nun auch nicht mehr weiter und macht nur umso deutlicher, wieso ein normales Standgericht nicht über Leben und Tod entscheiden darf. Gerade dadurch, dass bei BSG scheinbar jeder sterben kann, hatte ich große Sorge um unseren guten Felix Gaeta. Ich hielt es tatsächlich für möglich, dass er die Serie verlässt.
Dabei möchte ich nicht moralisierend den Zeigefinger heben. Natürlich ist es verständlich, dass diejenigen, die für die Freiheit gekämpft und gestorben sind, diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die sich an der Unterdrückung beteiligt haben. Jedoch sollte es dabei um Gerechtigkeit gehen, nicht Rache. Dies wird deutlich an dem verzweifelten Vater, der den Tod seines Sohnes rächen möchte und am Ende dennoch nicht glücklich ist. Colonel Tigh scheint jeden bestrafen zu wollen, nur um sich vom Tod seiner Frau abzulenken. Am treffendsten sagt es Starbuck, die einfach nur irgendjemanden leiden sehen möchte. Man sollte Menschen nur für die Taten verurteilen, die sie tatsächlich begangen haben und nicht stellvertretend für andere. Interessanterweise gab es sogar eine gesetzliche Grundlage für diese Aktionen, wie von Zarek treffend angesprochen. Dies macht einmal mehr deutlich, dass ein Unterschied zwischen moralischer und gesetzlicher Richtigkeit existiert.
Es wird deutlich gemacht, dass nichts mehr so ist wie zuvor. Nach einem Jahr auf dem Planeten haben sich viele Menschen verändert und Ehen, wie sie früher funktionierten, stoßen nun an ihre Belastungsgrenzen. Dies müssen vor allem Sam und Kara einsehen, die sich auf einer völlig überfüllten Galactica eine Koje teilen müssen. Ihre kurze Ehe scheint vor dem Aus, denn die Gefangenschaft hat aus Starbuck einen anderen Menschen gemacht. Scheinbar ist sie mehr auf Gewalt und Schmerz aus, als jemals zuvor. Auch Captain Agathon muss sich an seine neue Rolle gewöhnen, ist er doch nicht mehr XO der Galactica. Und Lee Adama? Er ist nun wieder CAG und hat genug Zeit, um sich den überflüssigen Hüftspeck abzutrainieren. Hier noch einmal Kompliment an die tolle Maske!
Am Ende bezieht die Episode noch einmal deutlich Stellung zu aktuellen Themen. Noch nie war die Serie so politisch wie in der dritten Staffel! Es wird über Polizisten gesprochen, die auf Unbewaffnete schießen, weil diese sich schon mehrfach als Attentäter herausgestellt haben. Man spricht über Gerichtsurteile ohne Verfahren, in denen einem das Recht auf einen Anwalt und Prozess abgesprochen wird. Es geht um Gewalt und Misshandlungen. Ähnlichkeiten zu aktuellen Ereignissen sind sehr wohl beabsichtigt. Hier zeigt sich wieder die Stärke dieser Serie: sie sucht nicht einfache Antworten, sondern packt komplexe Themen an. Wäre dies keine Sci Fi Serie, so wäre sie meines Erachtens schon mit Emmies überhäuft worden. Auch Michael Hogan übertrifft sich einmal mehr in der Darstellung des Saul Tigh. Wann zahlt sich Leistung endlich wieder aus?
Beim Fall rund um Felix Gaeta muss ich noch einmal etwas aufgreifen, was ich schon einmal bei der Bewertung einer früheren Episode angesprochen habe. Es dauert vor allem bei dem Chief, aber auch bei allen anderen Mitgliedern des Widerstands, sehr lange, bis der Groschen fällt. Meines Erachtens hätte man viel, viel früher merken können, dass Gaeta der Informant aus den Reihen der Präsidentenberater gewesen ist. Wer denn bitte auch sonst? Kein anderer hatte Verbindungen zur alten Galacticacrew! Ein wenig mehr Hirnschmalz hätte den Herrschaften da gut getan. Vielleicht ein Indiz dafür, dass es tatsächlich nur um Bestrafung ging: es sollte jemanden treffen, egal wen! Hauptsache, man konnte auf irgendjemanden mit dem Finger zeigen.
Wo muss ich noch meckern? Weil mir am Ende alles zu schnell geht. Die Handlung hätte man gut und gerne auf zwei Folgen verteilen können. Es kommt einfach zu schnell zur Generalamnestie, welche zu schnell akzeptiert wird. Hier hätte ich mir mehr Debatten gewünscht, inklusive kritischer Aufarbeitung der taten der selbsternannten „Henker“, wenn ich sie einmal so bezeichnen darf. Ich hätte mir z.B. eine Diskussionsrunde zwischen Adama und der Präsidentin gewünscht, in welcher man die verschiedenen Argumente für und wider einer Amnestie diskutiert. Auch Laura Roslins Rückkehr zur Präsidentschaft ging mir zu schnell. Wieso war Tom Zarek Übergangspräsident? Vermutlich, weil er unter Baltar Vizepräsident gewesen ist. Wieso hat man ihn dann nie in Führungsbesprechungen am Anfang der Staffel gesehen und wieso sollte dann auch er exekutiert werden? Wieso werden angesichts der außergewöhnlichen Umstände keine Neuwahlen veranstaltet? Zumindest hat Zarek nun sein Ziel aus der ersten Staffel erreicht und ist zumindest Vizepräsident geworden/geblieben.
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