Auch das Warten auf diese Episode war schwer, denn der erste Teil hatte uns mal wieder mit einem gemeinen Cliffhanger sitzen lassen. Immerhin war William Adama in seinem Starrsinn durchaus zuzutrauen, dass er den Planeten mit Atomraketen beschießt. Auch wollte ich nur zu gerne wissen, wie der Disput zwischen Lee und Sam gelöst werden würde.
Dabei muss ich meine Aussage aus der vorherigen Review revidieren, denn der erste Offizier muss doch den Abschuss der Nuklearwaffen bestätigen. Dies ist nur vernünftig, denn sonst könnte ein durchgeknallter Kommandant allein etwas Dummes anstellen. Auch hier orientiert man sich an der Abschussprozedur auf einem amerikanischen U-Boot, inklusive dem Einsetzen des Zündschlüssels. Der Admiral verzichtet letztendlich auf den Abschuss, weil er tatsächlich Leben gegen Leben abwägt. Die zahlreichen Menschen auf dem Planeten zu opfern, nur um ein einziges Schiff am landen zu hindern, dazu ist er nicht mehr bereit. Dennoch bin ich mir sicher, wenn die anderen cylonischen Schiffe weiter Kurs gehalten hätten, dann hätte der Admiral den Abschussbefehl gegeben. Schlussendlich weiß er nämlich, dass das Überleben der Menschheit und die Rettung der Erde vor den Cylonen sogar wichtiger sind als sein eigener Sohn.
Karl Agathon muss das größte Opfer bringen und seine eigene Frau töten. Es ist kaum vorstellbar, wie viel Schmerzen ihm diese Entscheidung bereitet. Sein apathischer Blick an die blutbespritzte Wand in seinem Quartier sagt alles. Die Familie Agathon steht am Scheideweg. Kann sie je weder vertrauen in die koloniale Führung fassen und wieder zum Tagesdienst übergehen oder werden sie das Militär verlassen? In der Vergangenheit hat sich Helo immer wieder als Mann mit festen Prinzipien herausgestellt, der auch bereit ist, sich gegen die Meinung der Mehrheit zu stellen. Sein Fastwutausbruch gegen die Präsidentin sprach Bände und war nur zu nachvollziehbar. Diese Szene war von allen drei Darstellern stark gespielt, auch von Edward James Olmos, der eigentlich nichts anderes macht, als den aufgebrachten Captain Agathon zurückzuhalten. Einmal mehr zeigt sich, dass bei BSG die Figuren das wichtigste Element sind.
Sharon erwacht tatsächlich auf dem Basestar und kann erstmals ihr Kind in den Händen halten. Es ist fraglich, ob sie ihr gegenüber Caprica-Six angekündigtes Überlaufen ernst meinte oder ob es nur ein Trick war. Beide Alternativen wären denkbar, denn natürlich ist auch Sharon als Mutter mehr als enttäuscht über ihre Vorgesetzten. Man muss sich nur einmal daran zurückzuerinnern, dass die Familie Agathon sogar die vermeintliche Asche ihrer Tochter in der letzten Staffel beigesetzt hat. Vielleicht wollte Sharon sogar wirklich ihrer Tochter zuliebe überlaufen, entdeckte jedoch Boomer. Ihre cylonische „Schwester“ ist verbittert, möchte nichts mehr mit den Menschen und der Galactica zu tun haben. Sogar zur Kindstötung ist sie bereit. Vielleicht ist Boomer das abschreckende Beispiel, welches den Ausschlag für Sharons Rückbesinnung gegeben haben könnte. Schließlich ist es Six, die am Ende überläuft. Ich vermute, sie tat dies aus Enttäuschung über Gaius Baltars Verrat. Scheinbar fühlt sie sich von den anderen Cylonen inzwischen so verschieden, dass sie ihre Artgenossen verlässt. Leider muss sie an Bord der Galactica erkennen, dass man ihrer Spezies noch nicht genug vertraut und so wandert sie in die Arrestzelle. Nun hat die Galactica also auch ihre eigene Six als Gefangene, so wie damals die Pegasus. Mal schauen, was das für die Zukunft so bringen wird.
Auf dem Planeten kommt es zu Verteidigungskämpfen gegen die Cylonen. Wieso verwenden die Soldaten jedoch nur 9mm Waffen, welche kaum einen Kratzer bei den Centurions verursachen? Immerhin müssten die Marines eigentlich noch Sturmgewehre, im besten Fall sogar ein Maschinengewehr, zur Hand haben. Aus militärischer Sicht war das zweite Gefecht ohnehin eine Katastrophe. Erst verspricht Lee Überfälle im Guerillastil, dann jedoch lassen sie sich am Ende einkreisen und verharren in einer viel zu statischen Verteidigung, die Verluste bringt. Hier wurde nicht konsequent die Erfahrung der Widerstandskämpfer genutzt, die ja am Gefecht beteiligt sind. Zumindest raufen sich Sam und Lee in diesen Momenten zusammen. Der Major vertraut sogar Starbucks Ehefrau als Kampfgefährte, was die ihm zugeworfene scharfe Handgranate demonstriert. Am Ende klopft Lee fast unmerklich Sam Anders auf den Oberschenkel. Eine kleine Geste, die aber unter Männern großes bedeuten kann. Vielleicht wurde ja hier der Grundstein für ein besseres Verhältnis gelegt.
Ausgerechnet Lieutenant Dualla musste nun Kara Thrace retten. Bei den beiden Frauen kam es ja auch quasi zu einer Art Aussprache, die jedoch deutlich zickiger ausfiel. Auch hier wurde es endlich mal Zeit, dass die beiden Offiziere miteinander reden. Wieso lässt Dee jedoch bei der Flucht vor dem Scharfschützen das Gewehr liegen, welches in greifbarer Nähe gewesen wäre? Die wichtigste Regel des Gefechtsdienstes lautet doch, dass man niemals sein Gewehr aus den Augen lässt. Interessanterweise besitzen die Cylonen also auch Scharfschützen, die jedoch scheinbar nicht allzu treffsicher sind. Da hätte ich bei Maschinenwesen deutlich mehr Zielwasser erwartet.
Nicht nur unter den Menschen gibt es Uneinigkeit, sondern auch unter den Cylonen. Es herrscht immer mehr Ratlosigkeit über die Aktionen des Modells D´Anna. Von der einstmaligen Geschlossenheit einer Spezies mit kollektivem Geist ist nichts mehr zu spüren. Wie schon einmal gesagt, sind die zahlreichen Kontakte mit den Menschen nicht spurlos an diesem Volk vorbei gegangen. Schlussendlich erreicht D´Anna sogar ihr Ziel und kann einen Blick auf die finalen Fünf Modelle werfen. Dabei muss es jemand sein, der uns bekannt ist, denn anders ist die Reaktion der Cylonin nicht zu erklären. Die Autoren streuen clever Zweifel beim Zuschauer, denn man muss sich ernsthaft fragen, ob Starbuck eine Cylonin ist. Klasse, wie man auf die Zeichnungen aus Starbucks Wohnung in der zweiten Staffel zurückkommt, dadurch wird die Kontinuität deutlich gemacht. Dabei haben Ron Moore und seine Kollegen schon früh deutlich gemacht, dass Kara keine Cylonin ist. Was aber dann? Die Serie bleibt geheimnisvoll.
Das Modell D´Anna hat zu viel gesehen. Um den Status Quo zu retten und die Wahrheit zu verschleiern, wird ihr Modell abgeschaltet und eingesargt. Hier erinnern die Cylonen an zahlreiche andere Herrscher und Organisationen in unserer Geschichte, welche die unausweichliche Wahrheit mit allen möglichen Mitteln unterdrücken wollen. Werden wir Lucy Lawless wiedersehen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies ihr letzter Auftritt gewesen ist. Denn immerhin ist noch die Frage zu klären, wieso die anderen Modelle so viel Angst vor der Enthüllung der letzten fünf Modelle haben.
Endlich ist Gaius Baltar wieder in den Händen der Menschen. Was für Storymöglichkeiten dies doch eröffnet! Ich hoffe, dass man nun seine Vergangenheit und Präsidentschaft auf New Caprica kritisch aufarbeitet. Wenn man die Qualität der bisherigen Staffeln von BSG betrachtet, dann steht uns wirklich noch eine tolle zweite Hälfte der dritten Staffel bevor. Übrigens hat Gaius für einen kurzen Moment überlegt, ob er nicht fliehen soll, denn anders ist sein Blick auf die im Holster steckende Pistole und dann auf D´Anna nicht anders zu bewerten. Meines Erachtens kann er kein Cylone sein, denn dies wäre einfach zu offensichtlich. Deutlich wird jedoch, dass er inzwischen an die cylonische Philosophie glaubt und sich als der Auserwählte eines cylonischen Gottes wähnt.
Die Episode geizt nicht mit tollen Effekten und Momenten, verpasst jedoch die Höchstwertung. Warum? Nun, es gibt einfach zu viele kleine Ungereimtheiten, welche mir sauer aufstoßen. So macht Cavill im ersten Teil deutlich, dass es keine Rolle spielt, wann sie den Tempel finden. Bei der Auflösung des Cliffhangers ist von dieser Einstellung jedoch nichts mehr zu spüren, er wirkt entsetzt und gar nicht mehr so abgebrüht. Und wo wir schon bei Cavill sind, was macht er auf einmal mit D´Anna und Gaius auf dem Planeten? Wollten die beiden nicht allein auf dieses geheime Unterfangen aufbrechen? Hätte das andere Cavill-Modell nicht das Raumschiff aufhalten können, als die anderen Modelle sich so schwer mit D´Annas Aktion taten? Dieser Part wirkte ebenso konstruiert wie der Umstand, dass Dee mit scheinbarer Leichtigkeit den Raptor fliegen konnte. Wenn das Pilotentraining tatsächlich so anspruchslos ist, gerade für ehemalige Unteroffiziere, dann ist es ja kein Wunder, wieso der Galactica nie die Piloten ausgehen. Schade, man wollte einfach um jeden Preis ein Zusammentreffen von Dee und Starbuck kreieren. Welch glücklicher Umstand war es zudem, dass die Cylonen noch einen gekaperten Raptor an Bord hatten, mit dem Sharon, Six und Hera fliehen konnten. Scheinbar hat ja auch keines der anderen Modelle sie bei ihrer Flucht aufgehalten, der Basestar schien völlig verwaist zu sein. Bei allen diesen Punkten haben die Autoren leider geschlampt und dies trügt leider Gesamteindruck.
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