Nach der sehr temporeichen vergangen Episode geht es dieses Mal, zumindest bezogen auf den klassischen Actionanteil, etwas ruhiger zu. Dies bedeutet wiederum nicht, dass es nicht hoch hergeht. Auch an dieser Folge scheiden sich die Geister und ich kann durchaus verstehen, dass sie kontrovers diskutiert wird. Gerade die viel Handlungsraum einnehmenden privaten Probleme der Protagonisten boten Anlass zur Kritik, welche ich jedoch nicht teile. BSG war bisher immer mehr als nur seine Rahmenhandlung. Auch die Charaktere, ihre Probleme und Sorgen sind wichtig. Daher kann ich sehr gut mit den ausführlich geschilderten Eheproblemen leben.
Im Mittelpunkt der Episode steht jedoch die Handlung rund um Gaius Baltar. Dieser befindet sich nun endlich in den Händen der Menschen und es stellt sich die Frage, wie man mit ihm verfahren soll. Sowohl Admiral Adama als auch Präsidentin Roslin erkennen seinen taktischen Wert und wollen von ihm Informationen über das Wissen der Cylonen erlangen. . Dies tun sie jedoch auf höchst umstrittene Weise. Zu Beginn setzt man noch auf Schlafentzug, der ihn mürbe machen soll. Diese Vorgehensweise ist auch in unserer heutigen Welt leider gang und gebe, um Gefangene zu drangsalieren. Vor allem im stark kritisierten US-Gefangenlager Guantanamo Bay kommt diese Methode zum Einsatz und es muss an dieser Stelle schon zurecht gefragt werden, ob nicht hier schon die Grenze zur Folter überschritten wurde. Noch deutlicher wird dies im weiteren Verlauf der Handlung, als der Admiral zu experimentellen Drogen greift und extremere, also „robustere Verhörmethoden“ anwendet, um einmal den Sprachjargon der amerikanischen Nachrichtendienste aufzugreifen. Hier zeigt sich leider, wozu der Mensch bereit ist, wenn man seinen Gegner erst einmal systematisch entmenschlicht hat. Für die Regierung ist Gaius Baltar das personifizierte Übel der Zeit auf New Caprica. Gaius Baltar fordert die Rechte ein, die ihm als Bürger der 12 Kolonien von Kobol zustehen, doch die Präsidentin denkt nicht im Traum daran ihm diese zu gewähren. Sie versetzt ihn gar in Todesangst, indem sie ihm den Stoß durch die Luftschleuse suggeriert. Bizarrerweise scheint dies in der Tat das beliebteste Druckmittel von Laura Roslin geworden zu sein, was ihr auch zu Recht einige Kritik aus dem Fandom eingebracht hat. Doch alle Verteufelung von Baltars Untaten kann nicht verhehlen, dass er einer der ihren ist. Auch wenn es der kolonialen Führung nicht gefällt, sie müssen sich der Rechtsstaatlichkeit beugen. Folter, und das geschieht hier in meinen Augen, ist definitiv der falsche Weg. Jemand hat einmal gesagt, der Zivilisationsgrad einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie ihre Gefangenen behandelt. Da ist meines Erachtens sehr viel Wahres dran. Baltar muss im Rahmen eines rechtsstaatlichen Prozesses angeklagt werden, denn ansonsten unterscheidet man sich doch nicht von dessen Kollaborationsregime auf New Caprica und schon gar nicht von den Cylonen. Wobei natürlich der ehemalige Präsident einige interessante Fragen dahingehend aufwirft, wie schuldig er selbst wirklich ist. Zu Recht erinnert er an den Moment, als man ihn mit einer Waffe bedrohte.
Quasi in einer kleinen Nebenhandlung versteckt stellt sich Gaius Baltar die Frage, ob er nicht selbst ein Cylone ist. Die Eingangszene, in dem er selbst einer Täuschung aufsitzt, ist fantastisch gemacht und auch der Zuschauer wird für einen kurzen Moment an der Nase herumgeführt. Man spielte hier mit unseren Erwartungen, denn eigentlich hätte eine Enttarnung des Doktors als Cylone überaus Sinn gemacht. Deutlich wird auch wieder einmal seine Egozentrik, denn er habe sich ja selbst immer noch als etwas Besonderes betrachtet. Ist jedoch die Frage nach Baltars Identität endgültig geklärt? Meines Erachtens noch nicht! Baltars Traum scheint zwar eine Nahtoderfahrung gewesen zu sein, dennoch ist noch alles möglich. Immerhin würde die alternative Erklärung bedeuten, dass er einfach nur verrückt ist und daher immer wieder Caprica-Six sieht. Wir dürfen also weiterhin gespannt sein, was es bedeuten mag, dass Baltar angeblich auserwählt ist. Schwach war jedoch, dass Baltar überhaupt erst die Möglichkeit zum Selbstmordversuch hatte. Immerhin wird Gefangenen normalerweise alles abgenommen, was dazu dienlich wäre. Hier haben die Autoren ein wenig geschlampt. Ebenso mit eingebaut wurde wieder einmal Gaius´ Beteiligung an dem Angriff auf die 12 Kolonien, wobei es auch dieses Mal kein definitives Schuldeingeständnis gibt. Nur zu gerne würde man alle Schuld auf ihn projizieren, so scheint mir.
Auch demonstrierte diese Episode einmal mehr, dass hinter Felix Gaeta mehr steckt, als man glaubt. Stille Wasser sind ja bekanntlich tief. Zwischen den beiden Männern scheint es immer noch eine Art von Verbindung zu geben, obwohl sich Gaetas Bewunderung für den Doktor inzwischen in Hass gewandelt hat. Dass der sonst so besonnene Felix den ehemaligen Präsidenten töten wollte, kam für mich überraschend. Was mag Gaius ihm nur zugeflüstert haben? Auch hier müssen wir uns in Geduld üben. Seltsamerweise scheint Felix Gaeta jedoch nicht für seine Tat belangt zu werden. Sind Straftaten gegen Gaius Baltar etwa keine richtigen, bestrafenswerten Taten? Diesen Vorwurf muss sich die Regierung gefallen lassen.
Sehr gut gefallen haben mir im Rahmen dieser Handlung die zahlreichen kleinen Rückblenden auf die Episoden von New Caprica, die erklärend wirkten. Sehr schön die Szene, als Laura Roslin dem Gefangenen seine Brille übergibt. Edward James Olmos, der bei dieser Episode Regie führte, hat wirklich sehr gute Arbeit geleistet und einige faszinierende Einstellungen abgeliefert. Vor allem Baltars Verhörszene in den dunklen Gewässern wirkte auf mich eindrucksvoll.
Der andere große Handlungsbogen zeigt die Eheprobleme, welche an Bord der Galactica immer noch nicht gelöst wurden. Einmal mehr zeigt sich, dass das Leben auf der Galactica nicht mit dem auf New Caprica vergleichbar ist. Die Hoffnungen, die man dort gehegt hatte, wurden größtenteils nicht erfüllt. Der militärische Alltag hat unsere Protagonisten eingeholt und sorgt für allerlei Probleme. Lee und Kara müssen endlich ihr Verhältnis zueinander klären und verlieren fast ihre jeweiligen Partner. Dabei zeigt sich, dass Dee sehr wohl wusste, was sie erwartete, als sie den Major heiratete. Und dieser muss sich nach einer weiteren durchzechten Nacht eingestehen, dass er sehr wohl eine Frau an seiner Seite als Beistand benötigt. Auch wenn seine Liebeserklärung in der inzwischen errichteten Bar sehr schön anmutete, so muss wirklich gefragt werden, ob er es ernst meint oder Dualla nicht weiterhin ein Ersatz für Starbuck ist, die Apollo selbst wohl niemals bekommen wird. Auch Sam klammert sich weiterhin an Kara, die ihn liebt, obwohl sie sich immer noch nicht definitiv entscheiden kann. Interessant sind mal wieder die bedeutungsvollen Blicke, die sich Lee und Kara zuwerfen, als sie mit ihren Ehepartnern gemeinsam in der Bar sind. Dieser Liebeswirrwarr ist definitiv noch nicht vorbei. Auch der Chief hat Sorgen mit Cally, wobei man letztere dieses Mal nicht zu Gesicht bekommt. Köstlich amüsiert habe ich mich jedoch bei dem Trinkspruch „to women…the reason we build bars“. Bemerkenswert finde ich die Antwort Tyrols, dass er nicht mehr an seine Zeit mit Sharon zurückdenkt. Tut er das wirklich nicht mehr? Ich kann dies kaum glauben, denn jeder Mensch beschäftigt sich mit der Frage, was hätte sein können. Sein überstürzter Aufbruch scheint mir ein weiteres Indiz, dass dieses Thema für ihn noch sehr schmerzhaft ist. Die einzigen, die keine Probleme zu haben scheinen, sind die Agathons, obwohl sie eigentlich gegen die meisten Widerstände anzutreten hatten.
Unter dem Strich bleibt eine Episode, die bemerkenswert anders ist. Sie gefiel mir, weil sie Handlung dennoch ein gewaltiges Stück nach vorne bringt, gut inszeniert wurde und einige schöne zwischenmenschliche Momente hat. Ab sofort können wir uns auf den Prozess gegen Gaius Baltar freuen. Mal sehen, ob er hält, was er verspricht!
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