„The Woman King“ gehört zu den am meisten gescholtenen Episoden der dritten Staffel, wenn nicht gar der gesamten Serie. Einzelepisoden haben es in dieser Serie, die so sehr auf Kontinuität setzt, sehr schwer. Wie schon einmal in einer früheren Review angesprochen, verlangte man von den Produzenten jedoch mehr abgeschlossene Einzelgeschichten, damit die Serie auch für den Gelegenheitszuschauer interessanter wird. Doch ich persönlich bin von ihr, trotz einiger Schwächen, durchaus angetan.
Dies mag vor allem daran liegen, dass sie sich fast ausschließlich um Karl Agathon dreht, der unter den BSG-Figuren inzwischen der letzte mit einem eindeutigen moralischen Standpunkt zu sein scheint. Schon mehrfach haben wir in der Vergangenheit miterlebt, wie Helo stellenweise das eigene Gewissen über seine militärischen Verpflichtungen gestellt hat und dies finde ich mehr als bemerkenswert. Sicher kann man jetzt kritisieren, dass Captain Agathon inzwischen zu einem zu starken Ritter in glänzender Rüstung geworden ist, aber in meinen Augen passt diese Episode sehr gut zu seiner Charakterentwicklung. Man sieht seine Erschöpfung, die mit dieser schwierigen Aufgabe einhergeht, den Frust und sein Mitleiden am Schicksal der Flüchtlinge. Manche Fans mutmaßten, ob es sich bei diesem Auftrag um eine Strafversetzung gehandelt habe, um den unbequemen Helo los zu werden und genau das vermutet er ja auch selbst. Dennoch ist er genau der richtige für diese Aufgabe. Er ist ein empathischer Mann, der helfen möchte. Endlich nimmt die Episode auch mal wieder Bezug auf die Flüchtlingsproblematik. Nach der überstürzten Flucht von New Caprica gibt es nun einmal nicht mehr genug Schiffe und so müssen zwangsläufig Zivilisten an Bord der Galactica untergebracht werden. Schon viel früher hätte man verdeutlichen müssen, wie sich dies auf den normalen Betrieb an Bord auswirkt. Hier zeigt sich also, dass es durchaus Spannungen gibt.
Viele Fans kritisierten an dieser Folge, dass sie zu sehr Star Trek gewesen sei, dass sie zu stark an Episoden aus anderen Serien (ich nenne hier die Babylon 5 Episode „Das Ende der Markab“) mit ähnlicher Thematik erinnere. Ich persönlich sehe dies als ein Kompliment an, denn „The Woman King“ ist m.E. das, was Sci Fi ausmacht. Es stehen eben nicht die großen Raumschlachten im Vordergrund und das Schicksal von ganzen Welten, sondern die ganz alltäglichen Probleme. Zu diesem gehört ganz eindeutig der Rassismus, den auch die Menschen im Galactica-Universums noch immer nicht überwunden haben. Die Zahl der Menschen ist ja schon überschaubar geworden und immer noch werden Menschen allein aufgrund ihrer ethnischen Herkunft nicht nur belächelt, sondern gar umgebracht. Dass dies durch die Hände eines Arztes geschieht, der normalerweise der Ethik und dem Leben verpflichtet sein sollte, ist nur umso bitterer. Star Trek präsentierte uns immer eine heile Welt, in der man den höchsten Respekt vor den Sitten und Gebräuchen anderer Völker hatte. So weit sind die Menschen bei BSG nicht, denn so weit sind wir selbst nicht! Die Serie sieht sich als Abbild realer Ereignisse und gerade in Deutschland sollten wir uns immer wieder vergegenwärtigen, wie schnell man in rechte Ressentiments abgleiten kann. Wie schnell wurden doch Helos Vermutungen ignoriert, nur weil er Informationen von Seiten der „religiösen Spinner“ hatte! Wie schnell wurde Saul Tigh ausfallend, der laut eigener Aussage nichts mehr hasst als einen Sagiterron. Jeder Mensch muss sich selbst vergegenwärtigen, wie anfällig er selbst für ausgrenzendes Gedankengut ist.
Dabei ist eben nicht die Frage entscheidend, ob die Sagiterrons mit ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Schulmedizin und dem Festhalten an ihren eigenen Traditionen im Recht oder Unrecht sind. Die Beantwortung dieser Frage ist sogar völlig nebensächlich! Es geht stattdessen darum, dass diese Menschen das Recht haben an ihren Überzeugungen festzuhalten. Eine Mehrheitsgesellschaft darf keinen Einfluss auf die Lebensweise einer Minderheit nehmen. Gerade weil dieses Thema so wichtig ist, hätte ich mir jedoch eine noch stärkere Vertiefung erhofft. Zarek und Dualla sind beide Angehörige dieses Volkes, doch richtig involviert sind sie nicht in die Handlung. In einer beiläufig wirkenden Szene macht die Ehefrau des Majors deutlich, dass nicht alle Sagiterrons so denken wie die Puritaner, das war es aber auch schon. Wo bleibt der Vizepräsident, der sich bei seinem Volk (und damit seinen Wählern) blicken lässt? Auch scheint der Konflikt etwas aus der Luft gegriffen zu sein, denn von solch starken ethnischen Spannungen haben wir vorher in der Serie kaum etwas gehört. Zwar soll einmal ein ausführlicherer Nebenplot für eine vorherige Episode geplant gewesen sein, der fiel jedoch einigen Drehbuchkürzungen zum Opfer. Schade, denn man hätte z.B. schon auf New Caprica zeigen können, dass eben nicht alle Völker der Menschen sich am Widerstand beteiligt haben.
Ebenso schade ist, dass einfach ein weiterer Arzt aus dem Hut gezaubert wurde. Sicherlich war es mehr als logisch, dass es mehr als einen Mediziner innerhalb der Flotte geben müsste, aber man hätte Dr. Robert ruhig schon früher erwähnen dürfen. Ansonsten ist die Serie so sehr um die vielen kleinen Nebenfiguren innerhalb der Serie bemüht, daher verwundert mich das plötzlich überraschende Auftauchen des Arztes. So erscheint es mir leider, dass man einfach einen Bösewicht konstruieren wollte, den man im Anschluss schnell wieder verschwinden lässt.
Tom Zarek habe ich ja schon erwähnt, ich möchte ihn noch einmal aufgreifen. Denn wie Laura Roslin zu Recht bemerkt, hat der Vizepräsident Angst. Angst vor einem Prozess gegen Gaius Baltar. Er, der für seine Überzeugungen ins Gefängnis gegangen ist, der früher Dr. Baltar zu seinem Spitzenkandidaten aufgebaut hat, fürchtet sich um das Wohl der Flotte. Am Ende fordert er gar die Verhängung des Kriegsrechts und den Einsatz des Militärs. Dies überrascht, denn er war es ja schließlich gewesen, der die Beteiligung der Galactica an den letzten Wahlen sowie das Kriegsrecht nach dem Putschversuch am vehementesten kritisiert hatte. Dies macht nur umso deutlicher, welche Tragweite der Prozess um Gaius Baltar haben wird. Die Staffel steuert nun auf dieses Großereignis zu und es bleibt abzuwarten, ob tatsächlich ein rechtsstaatliches Verfahren oder ein Schauprozess stattfinden wird. Zarek ist sich sicher, eine schnelle und diskrete Lösung des Problems, wie damals bei den Kollaborateuren, wäre besser, doch die Präsidentin setzt auf die Rechtsstaatlichkeit. In meinen Augen positiv, dass sie wieder zu den Grundsätzen des Gesetzes zurückgekehrt ist.
Mal wieder werden wir Zeuge davon, dass auch Caprica-Six unter Halluzinationen leidet. Nachdem man die neue cylonische Gefangene in der letzten Episode noch sträflich ignoriert hat, wird ihre Präsenz zumindest kurz gezeigt. Interessant ist dabei wieder einmal der Aspekt, dass sie Gaius Baltar noch so vor sich sieht, wie man ihn aus der ersten Staffel kennt. Mal wieder Kompliment an die Masken- und Kostümbildner, die die unterschiedlichen Baltars und Six´es gut darzustellen wissen. Die Baltar-Halluzination sät dabei wieder Bewusst etwas Misstrauen und Zwietracht, was sicherlich Six irgendwie beeinflussen wird. Besucht Sharon sie jedoch wirklich aus echter Anteilnahme oder lässt sie sich bewusst als Verhörinstrument nutzen? Ich tippe auf ersteres, denn Athena hat nicht vergessen, dass sie Six Heras und ihre Flucht verdankt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass wir es hier mit einer Episode zu tun haben, die zwar mit Schwächen behaftet ist, diese jedoch durch den Plot wieder wettmacht. Auch hier geht es wieder um Menschen, ihre Schwächen und das drängende Thema des Rassismus, wobei BSG mal wieder nicht mit dem erhobenen Zeigefinger den eindeutig richtigen Weg vorgibt. Es sind diese Grundelemente, die mir an dieser Serie so sehr gefallen und daher bewerte ich die Episode mit „Gut“. Hätte es die kleinen, ärgerlichen Fehler im Detail nicht gegeben, so wäre sogar ein „sehr gut“ drin gewesen.
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