In vielen Geschichten haben wir uns selbst vernichtet oder stehen kurz davor. Marion Herzog hat mit „Algorytmica“ einen spannenden Sci-Fi-Thriller geschrieben, in dem die restlichen Menschen tief unter der Erde ihr Dasein fristen. Gefangen in Tanks und in einer virtuellen Welt, vergeht die Zeit so angenehm wie möglich. Doch ist das noch das Leben? Die Autorin stand für ein kleines Interview zur Verfügung und gab ein paar überraschende Antworten zum Inhalt des Buches.
„Algorytmica“ hat mich an eine Mischung aus Matrix und 1984 erinnert. Absicht oder unbewusst?
Unbewusste Absicht? So kann man das vielleicht am besten beschreiben. Sowohl Matrix, wie auch 1984 haben mich nachhaltig in meiner Wahrnehmung unserer Welt beeinflusst. Beide Geschichten schaffe es, durch gute Unterhaltung den Fokus auf existentielle Fragen unserer Gesellschaft zu legen und thematisieren Dinge, die uns heute, morgen und übermorgen noch beschäftigen werden: Digitalisierung und den Umgang mit Freiheit in diesem Kontext. Wenn Algorytmica also eine Weiterführung dieser immer noch nicht beantworteten Probleme ist, dann wäre das ein großes Kompliment für meine Arbeit.
Welche Recherchen musstest du für deinen Roman unternehmen?
Meine Kernkompetenz ist die Unterhaltung, ich musste also tatsächlich ordentlich recherchieren, was Technik und Umwelt anbelangt. Ich habe unglaublich viele Studien des IPCCs zum Stand der Klimaforschung gelesen und noch mehr über KI und die Möglichkeiten digitaler Welten. Vieles davon ist ins Buch eingeflossen, vieles hat mich dann einfach persönlich interessiert – allerdings, ich wäre keine Autorin, wenn nicht auch ein gutes Stück Fantasie und könnte-vielleicht-geschehen aus meinem eigenen Kopf mit dabei wäre.
Wie viel Zeit verbringst du selbst täglich in virtuellen Welten?
Künstlich erschaffene Welten geschehen bei mir eher im Kopf, das ist eine Begleiterscheinung meines Berufes, womit ich aber sehr viel Zeit verbringe, vielleicht auch verschwende, sind soziale Medien. Irgendwie auch eine Welt für sich, die einen ebenso fatal aus der Realität ziehen und schnell die Grenzen zwischen Schein und Sein verschwinden lassen. In dieser Situation fühle ich mich tatsächlich wie die Archianer: Es gibt kaum eine Möglichkeit, sich zu entziehen und passt man nicht auf, erscheint einem die Wirklichkeit plötzlich glanzlos und fade.
Du sprichst es nicht konkret an, welche Katastrophe die Menschheit in die Archen verschlagen hat oder gibt es eine versteckte Erklärung, auf die der Leser selbst kommen kann?
Nein, im ersten Band bleibt es bei Andeutungen. Erst im zweiten Band Terra Nova, der im nächsten Jahr erscheinen wird, erfährt der Leser mehr zur Vergangenheit. Warum und wie die Archen entstanden sind.
Das Ende ist recht offen gehalten - Wird es weitergehen?
Ja, Terra Nova – wie der Titel schon andeutet – begleitet Kaja und Liam an die Oberfläche, von der sich die beiden so viel erhoffen. Sie werden mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert. Fernab der alles unterstützenden Technik sind sie plötzlich völlig auf sich gestellt. Neue Siedler, denen der Planet Erde ähnlich feindselig entgegentritt wie den Menschen vor vielen tausend Jahren. Viele Geheimnisse werden gelüftet und es bleibt spannend, wie die beiden damit umgehen.
Du hast auch einige Krimis geschrieben, hat dir diese Erfahrung bei „Algorytmica“ geholfen?
Ehrlich gesagt habe ich versucht so wenig wie möglich an die Krimis zu denken. Diese Regios, die ich als Fanny König schreibe, sind vom Ton her sehr lustig, mit schrägen bayerischen Typen und wirklich zum Schmunzeln. Algorytmica zieht einen dagegen in eine beängstigende Welt vom morgen, ich mochte es, total neu anzusetzen und mich einfach Kopf-über in dieses Genre zu stürzen.
Der totale Upload, klingt erschreckend – wärst du selbst dabei?
Auf keinen Fall! Ich muss zugeben, die Hologramme haben durchaus ihren Reiz, einen Avatar nach meinen Wünschen zu gestalten und jede Welt zu entdecken, die man sich nur vorstellen kann, da bin ich selbst immer wieder ins Träumen geraten. Aber der Preis, denn die Archianer dafür zahlen, wird schnell deutlich. Ich würde in jedem Fall mit den Outlaws die Arche verlassen und die Freiheit allem anderen vorziehen.
In dieser virtuellen Arcteryx Umgebung – Wie würde deine Version aussehen?
((Ich lache laut)) – Ganz ehrlich, das wäre vermutlich total simpel die Dorfdisko, die ich als Teenager immer besucht habe, voll mit all meinen Freunden. Nur in meinem Arcteryx würde ich nicht mit dem Diskobus kommen, sondern mit einem fliegenden Einhorn und mein Avatar wäre…nun ja, atemberaubend.
An was arbeitest du gerade?
Vor zwei Tagen habe ich mit Blut, Schweiß und Tränen den zweiten Band Terra Nova abgeschlossen und bin sehr glücklich damit. Auch in dem Buch geht es abschließend viel um die Frage, wie hoch der Preis für Freiheit sein darf und was uns Menschen im Kern ausmacht. Ein spektakuläres Finale für Kaja und Liam. Parallel schreibe ich gerade an einem sehr blutig-düsteren Thriller, der auch im nächsten Jahr erscheinen wird. Danach geht es vermutlich etwas freundlicher weiter.
Hast du noch ein paar Lesetipps?
Ich lese sehr, sehr breit und immer viel parallel, aktuell freut mich zum Beispiel die Neuentdeckung von Robert Jordan's Wheel of Time, Erdrich's Nightwatchman und, sozusagen meine persönliche Weihnachtstradition, ich hole alte Terry Pratchett Bücher aus dem Regal, dieses Jahr die Tiffany Aching Serie. Damit liegt man immer richtig.
Vielen Dank an alle, die Algorytmica lesen und mich auf diesem Abenteuer begleiten, vielen Dank für dieses schöne Interview!
Mehr Infos:
www.penguinrandomhouse.de
Quelle: www.penguinrandomhouse.de
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