Prodigy sieht aus wie ein High-End-Film, hat aber ein Drehbuch, das sich an ein junges Publikum wendet. Prodigy wurde von Kevin und Dan Hageman (Trollhunters) entwickelt und spielt im Jahr 2383, also nach "Star Trek: Voyager". Der Pilotfilm "Lost & Found" ist eine gelungende einstündige Premiere, die gekonnt die Bühne für das Kern-Ensemble bereitet: eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Flüchtlingen aus einer Bergbaukolonie, die zufällig das lange verborgene Föderationsschiff USS Protostar entdecken und mit ihm entkommen.
Die Hauptfigur ist Dal (Brett Gray), ein Waisenjunge einer unbekannten Spezies, der in einer abgelegenen Bergbaukolonie körperliche Arbeit verrichten muss. Aber er hat den Drang zu entkommen und den Planeten zu verlassen, um zu sehen, ob er mehr von seiner eigenen Art entdecken kann und eine Zukunft, die er selbst bestimmen kann. Als Rebell und Besserwisser der Kolonie hat Dal bereits einen Ruf als Unruhestifter, was ihn ins Visier des Koloniebesitzers The Diviner (John Noble) und seiner äußerst kompetenten älteren Teenager-Tochter Gwyn (Ella Purnell) bringt. Sie sind das Yin und Yang der Serie, denn Dal lebt von seinem Charisma und seinen Impulsen, während Gwyn die extrem gut ausgebildete Konformistin ist, die die Wahrheiten ihres Vaters lernt. Durch eine Reihe von Missgeschicken bei der Arbeit lernt Dal andere Bergleute kennen, die de facto zu seiner Truppe werden: den gelehrten, flüchtigen Roboter Zero (Angus Imrie), Rok-Tahk (Rylee Alazraqui), den widerspenstigen Mechaniker Jankom Pog (Jason Mantzoukas) und ein süßes Ding namens Murf (Dee Bradley Baker).
Unter der Regie von Ben Hibon ist Prodigy eine wunderschöne Serie. Die CG-Animation hat eine interessante Design-Ästhetik von fast Live-Action-Trek-realistischen Himmelskörpern, Sternenlandschaften und Schiffen, gemischt mit hoch stilisierten Charakter-Designs für die verschiedenen Hauptfiguren und ihre Spezies. Mit leuchtenden Farben und Cartoon-Optik zum Leben erweckt, treffen sie genau den Punkt, der die Erwartungen von Kindern in einer gehobenen CG-Welt erfüllt. Aber es ist die stimmliche Leistung der Darsteller, die die jugendliche Energie der meisten Charaktere in der Serie wirklich unterstreicht. Sie sind im Wesentlichen Archetypen, mit denen sich Kinder aufgrund der jungen Besetzung identifizieren können, wobei der einzige Ausreißer Mantzoukas ist. Er ist ein hervorragender Synchronsprecher, aber er soll einen 16-Jährigen sprechen und das wirkt nicht besonders authentisch.
Die bekannteste und am meisten erwartete Stimme von allen ist natürlich die von Kate Mulgrew, die das Hologramm Kathryn Janeway spricht. Wie erwartet, schlüpft sie perfekt in die Rolle zurück. Mulgrew lehnt sich an die warme Klangqualität ihrer Stimme an, die sie in den ersten Episoden wunderbar moduliert. Für Trek-Fans der alten Schule ist die Janeway von einst eine willkommene Freundin. Aber in ihrer Eigenschaft als Hologramm gibt sie der Figur eine Menge Frechheit, was ihre Mentorenrolle sehr gut einrahmt, um ein Gegengewicht zu dem Chaos der unerfahrenen Kinder zu schaffen, die sie auf der Brücke unterrichtet. Mit John Nobles The Diviner und seiner rechten Hand, Drednok (Jimmi Simpson), stellt die Serie auch einige potenzielle Bösewichte vor. Sowohl das Design als auch die Stimme dieses furchteinflößenden Feindpaares zahlen darauf ein, behalten aber dennoch einen Hauch von Mystik bei, was insgesamt eine gute Balance schafft. Gemeinsam leben sie in einer Farbpalette aus Rot, Schwarz und Metall, mit stacheliger Technik, die sie umhüllt und ein visuell beeindruckendes Duo schafft, das unsere jungen Helden durch die Galaxie jagen wird.
Storytechnisch leisten die Hagemans und ihre Autoren in "Lost & Found" gute Arbeit, indem sie die Prämisse der Serie festlegen und uns dann in der folgenden halbstündigen Episode "Starstruck" die Vorlage dafür geben, wie sich die Abenteuer wöchentlich abspielen werden. Sicher, es gibt eine gewisse Kompetenzüberschreitung, wenn dieses alberne Ensemble in der Lage ist, ein Raumschiff ohne jegliche Erfahrung zu steuern - sogar mit Janeways Unterstützung -, aber die unterschiedlichen Fähigkeiten der einzelnen Charaktere machen es zumindest einigermaßen plausibel. Und es gibt großartige Momente kindlicher Sprunghaftigkeit, Bescheidenheit und Mitgefühls, die in die Geschichten der einzelnen Charaktere eingewoben sind und sich organisch und nicht kitschig oder erzwungen anfühlen, was ein großartiges Trek für jeden älteren Zuschauer ist. Und Mulgrew ist eine bodenständige Cheerleaderin/Lehrerin, die niemanden herabwürdigt, was dazu beiträgt, dass die Kinder bei der Stange gehalten werden und hoffentlich auch etwas lernen, wenn die Serie weitergeht. Prodigy profitiert sehr von Kate Mulgrew's Rückkehr als Hologramm Kathryn Janeway; quasi als Mentorin und Stimme der Vernunft auf der USS Protostar. Ihre Weisheit verleiht der Serie Gewicht und ist der perfekte Kanal, um jüngeren Generationen Gene Roddenberrys Ethos der Inklusivität und der inspirierten Neugier auf das, was zwischen den Sternen liegt, zu vermitteln. Die neue Besetzung macht Spaß und spricht natürlich jüngere Zuschauer an. Ella Purnell's Gwyn und Rylee Alazraqui's Rok-Tahk brillieren mit ihrer nuancierten und einfühlsamen Stimmarbeit schon jetzt in sehr vielen Szenen. Die Premiere stellt die Weichen für einen glaubwürdigen Abenteuerverlauf, der das Potenzial hat, sich zu einer guten Show zu entwickeln. Wann die Serie auch in Deutschland Premiere feiert, ist bisher noch unbekannt.
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