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1x07 - Nepenthe
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Von Daniel Räbiger
Episoden-Nummer: 7 Produktions-Nummer: 7 US-Erstausstrahlung: 05.03.2020 Deutsche Erstausstrahlung: 06.03.2020Picard und Soji suchen Zuflucht auf dem Planeten Nepenthe, wo alte, zuverlässige Freunde wohnen. Während die übrige La-Sirena-Crew auf dem Weg zu ihnen ist, hilft Picard Soji, ihre jüngst gewonnenen Erinnerungen zu ordnen. Hugh und Elnor müssen sich auf dem Borg-Kubus gegen eine wütende Narissa wehren. Episodenkritik (Achtung: Spoiler)
Noch nie glaube ich, habe ich derart lange gebraucht, um mir selbst eine Meinung zu einer Trek Episode zu machen. Primär lag das wohl daran, dass man sich oftmals nicht eingestehen kann, dass man falsch liegt. Und als jemand, dessen einziger Fehler im Leben es war, einmal geglaubt zu haben, er hätte sich geirrt, ist es umso schlimmer, nun noch ein zweites Mal zu dieser Erkenntnis zu kommen. (Satz für alle Hater die das Review auf Basis dieser Zeile in der Luft zerreißen wollen. Bitteschön, gern geschehen.) Star Trek: Picard ist kein anspruchsvolles Fernsehen, Star Trek: Picard ist nicht tiefgründig, Star Trek: Picard ist kein sehenswertes Produkt. Nach der ersten Episode war ich da noch ganz gegenteiliger Meinung. Mittlerweile ist aber klar: Was man hier zu sehen bekommt bewegt sich zwischen "Die Gruppe veganer antisozialistischen Diverse der Klasse 7B haben ein Theaterstück zum Thema 'Meta Ebene' geschrieben" und einem Besuch im Zoo. Beides ist vorhersehbar, beides bleibt oberflächlich und beides eignet sich nicht für längere Beobachtung.
Andere Zuschauer schreiben bezüglich dem Wiedersehen von Picard, Riker und Troi, dass sie "Pipi in den Augen" hatten. Warum? Wenn ihr diese Figuren auf ihrem Zenit erleben wollt, legt euch die Blu-Ray mit "Der Aufstand" oder "Generations" ins Laufwerk, aber flüchtet euch nicht in die verblassten Schatten von vergangenen Herrlichkeiten, die "Star Trek: Picard" serviert.
Nepenthe ist in jeglicher Hinsicht schlechte Unterhaltung. Tut mir leid - aber nahezu jede Szene ist so mies zurecht geschnitten wie die grauenhaften Gesichter der Borg. Alles steckt hier voll mit Anschlussfehlern. Auf welchem Niveau ist Unterhaltung eigentlich angekommen, wenn man Mittags eine Pizza im Ofen verbrennen lässt und die dann Stunden später serviert, weil es die Szene offenbar erfordert dass Picard im Kerzenlicht auf die Klangfarbe seiner Stimme hinweist?
Commodore Stöhn
Wie so oft steigen wir mit einer Rückblende ein. Dr. Jurati sitzt lustig auf dem Berg und dreht Däumchen. Da kommt eine überraschende Gedankenverschmelzung mit Commodore Stöhn gerade recht. Schon sehr beeindruckend, wie man also einer Wissenschaftlerin mit ein paar gruseligen Bildern die (letzte??) Hemmschwelle zum Meuchelmord nimmt. Keine Rückfragen, keine Erläuterung. Hätte man eigentlich auch weg lassen können. Wäre sogar besser gewesen, dann hätte sich der Zuschauer nämlich selbst eine glaubhaftere Begegnung vorstellen können, als die Gezeigte im Stile von "Hier ist die DVD zu Terminator 2" - "Ah, ich verstehe. Beim morgigen Treffen mit Bill Gates erdrossel ich den guten Mann." Dass Dr. Jurati dann irgendwie sofort wusste, dass sie das Minzbonbon in den Mund stecken muss... ach macht euch eure dreckigen Gags bitte selbst.
Ja und nun? Soll die Szene den Zuschauer nun dazu bewegen, Mitgefühl oder gar Verständnis für Agnes zu haben? So im Stile von Jack Bauers Folter-Arien in "24"? Ist das die progressive, fortschrittliche Zukunft auf die wir alle Warten? Was ist das überhaupt für ein absurder Ansatz? Wenn die Bedrohung durch Androiden so groß ist, warum legt man die Karten da nicht offen auf den Tisch? Und falls nein: Warum hinterfragt die "brillanteste Wissenschaftlerin der Erde" das nicht mal wenigstens? Uns wenns nur ein kurzes "Du, Bruce, sag mal hast du wieder eine Armee von Killerrobotern in der Mittagspause erschaffen?" ist...
Hackerwoman.
Die La Sirena ist derweil vom Traktorstrahl des Borg-Kubus erfasst. Und während Rafi versucht den Borg-Maschinencode zu hacken, der offenbar aus Kohle-Zeichnungen eines dreijährigen besteht (perfekt visualisiert für den Zuschauer in ähnlicher Gemütslage) mein Dr. Jurati doch allen ernstes, dass man doch mal freundlich fragen könnte, ob man weiterfliegen darf.
Aber wie sagte Data schon so schön in "Sinnlos im Weltraum"? "Joa ich mein wenn das mit dem Traktorstrahl nicht geht, können wir ja vielleicht noch den Wasserstrahl nehmen...".
Zitat"Brav lieber Kevin. Dein Gekritzel wird später mal zu Borg Maschinencode, du hast eine große Zukunft als Programmierer vor dir!"
Die gesamte Szene strotzt nur so vor Unsinnigkeit und liefert zudem ein erneutes großes Fragezeichen in Bezug auf den Intelligenzquotient von Captain Rios. Rafi weißt noch extra darauf hin, dass es komisch sei, dass der Traktorstrahl gelöst wurde und dass dies aller Wahrscheinlichkeit ein Trick der Romulaner sei. Dennoch verdächtigt Rios später im 4-Augen-Gespräch mit Jurati mal eben Frau Musiker.
Mitgefangen, mitgehangen
Anschlussfehler gibt es nicht nur bei den Borg-Prothesen: Die gesamte Kampf- und Verfolgungssequenz ist voll damit. Einmal ist Elnor da, dann wieder weg. Und zwischen dem "Dialog" mit "Jetzt reicht es aber hier, wir holen uns den Kubus zurück" und der Rückkehr der Inzest-Domina steckt erneut ein riesengroßes Fragezeichen darüber, wie und wo am Kubus sich das ganze überhaupt abspielt. Es gibt seitens des Drehbuchs keine List, keine Täuschung, keine große Enthüllung - einfach nur plumpes Auftauchen und Verschwinden.
Das ganze Konstrukt der zwei Szenen ist ohnehin reichlich fragwürdig. Narissa Rizzo erzählt ihm erst das gesamte Ausmaß der Geheimoperation, lässt ihn dann aber wegen einem Föderations-Vertrag am leben. Als Hugh dann mit Elnor durch den Kubus spaziert und davon spricht die XBs zu beschützen, spielt das keine Rolle mehr, weil er den "Aufstand" plant. Nun stelle ich mir aber die Frage: Was hätte Miss Domina zuvor daran gehindert ihn zu töten? Hat er nicht längst den Aufstand vollbracht? Hätte jegliches belastendes Material ohnehin nicht nur auf Hörensagen bestanden? Ein völlig unsinniges Konstrukt, das lediglich dazu dient, noch einmal eine weitere Action-Sequenz in die Episode zu schreiben. Abgesehen davon muss man sich den Vertrag mal vor Augen führen.
"Ich bin dankbar - ich bin nun autorisiert Sie zu töten" - so Miss Rizzo. Gibt's da extra einen Paragraph für derartiges, der jegliches Recht auf eine faire Verhandlung oder Ähnliches außer Kraft setzt? Die ganzen ehemaligen Borg, die sie zuvor erschießen lässt sind also alles nur Lebewesen zweiter Klasse? Dass Hugh dann auch noch ohne jegliches emotionales Payoff um mit einem Ninja-Stern um die Ecke gebracht wird fällt in all diesen Absurditäten dann auch nicht mehr sonderlich ins Gewicht. Man stelle sich an dieser Stelle auch ruhig mal einen Zuschauer vor, der Star Trek: The Next Generation nicht in seiner Vollständigkeit gesehen, und blind aus dem Gedächtnis rezitieren kann. Macht diese Serie da überhaupt noch zu 10% Sinn für den Zuschauer? Haben wir hier nicht tatsächlich nur eine wilde Sammlung alter Fragmente die in der damaligen Zeit und in ihrer damaligen Rolle gut funktioniert haben? Und während der Käse das A und Commodore Oh auf dem Kartoffel-Gratin ist - auf einem Marmeladenbrot macht er keinen Sinn. So kommt mir "Picard" mittlerweile vor: Eine Ansammlung der beliebtesten Elemente der Vergangenheit, gemischt zu einer Abscheulichkeit die ihresgleichen sucht.
Es ist gleich so viel blöd, plump, unsinnig und Schwachfug an dieser Episode bzw. dem Punkt der Handlung, dass ich, um hier nicht auf Buchlänge anzuschwellen, es nun bei Stichpunkten belassen werde:
- Raumtrajektor bringt Picard direkt vor Rikers Tochter. Natürlich.
- Töchterchen ist Wunderkind. Achso. Praktisch.
- Auf dem Gameboy Advanced findet man nun auch Planeten für die andere eine gesamte Talshiar Geheimorganisation benötigen
- Pizza kocht man neuerdings von 11 bis 16 Uhr, lässt sie verbrennen und serviert sie dann kalt vier Stunden später bei Kerzenschein
- Raumtrajektor: Geil. Aber warum auf Nepenthe? Warum nicht heim ins Chateau?
- Raumtrajektor bringt Picard nicht in Sicherheit, sondern macht das was er in Episode 2-4 nicht wollte: Alte Freunde in Gefahr bringen
- Raumtrajektor hat nur den Zweck Troi und Riker noch mal zu zeigen
- Narek hält sich im "Randbereich der Sensoren" auf. Man sieht sein verdammtes Schiff aus dem FENSTER!
- Geschwindigkeit ist jetzt offenbar nicht mehr linear. Diese einzelne Szene entwertet also nun jede Weltraum-Verfolgungsjagd die wir jemals gesehen haben. Man muss also nur mal auf die Bremse treten?
- "Tante Rafi" hat alles was du brauchst. Alk, Drogen und Kuchen!
- Rios hat die Episode vorher noch ein tiefes Vertrauensverhältnis und Vergangenheit mit Rafi - jetzt verdächtigt er Sie des Verrats weil Dr. Jurati einmal an seiner Zigarre gezogen hat?
- Seit ihr eigentlich alle Bescheuert? Fallt ihr beim Kacken vom Thron?
- Hasenpizza - nur original Wagner mit echten Tomate und selbst gejagtem Hasen aus dem Steinofen. Weil Replikatoren offenbar gar nicht Moleküle nachbauen können so wie das Jahrzehnte lang erzählt wurde.
- 3D Drucker. Überall. Baut doch wenigstens mit etwas Liebe zum Detail das Set.
- Riker hat Schilde und Scanner offenbar über den gesamten Planeten verteilt. Auch am See. Romantisch!
- Ich will jetzt auch einen eigenen Planeten mit Heilkräften. Picard hat sein Chateau, Riker seinen See der Wiederauferstehung. Der Rest der Überbevölkerten Erde lebt vermutlich in 2qm Wohnungen um für den Rest der Enterprise-Crew Platz zu machen?
- Thaddeus Troi Riker muss sterben, weil es keine positronischen Matritzen mehr gibt dank dem Forschungsverbot an Killer-Robotern. Das ist in etwa so logisch, wie wenn man in unserer Zeit aufgehört hätte, nukleare Energie zu verwenden, weil man daraus auch eine Atombombe bauen könnte.
- Dümmstes Tracking-Device aller Zeiten: Hört im Koma auf zu funktionieren. Welcher Logik folgt das? Mehr so "Oh, armer Wirt liegt völlig lebendig auf nem Tisch aber ist halt nicht bei Bewusstsein? GEIL, PAUSE!!! *bieraufmach*"
- Schlauestes Tracking-Device aller Zeiten: Seven of Nines Fenris-Notsignal hängt praktischerweise plötzlich auf dem Kubus an einer Konsole und funktioniert durch die halbe Galaxis und die Schilde eines Borg-Kubus hindurch.
- Lausche dem Timbre meiner Stimme und schau mir in die Augen, Kleines. Picard überzeugt Soji genau mit dem Mittel, das sie wenige Szenen zuvor noch für unglaubwürdig erklärt hat.
Deconstruction of Falling Stars
Die Demontage des bekannten Star Trek Universums geht ungebremst weiter. Etablierte Figuren sind völlig rollenfremd, ändern selbst innerhalb einzelner Episoden plump Ihren Standpunkt und lassen keine nachvollziehbare Motivation erkennen. Das Einzige was das Drehbuch hier noch drehen lässt ist mein Kopf, ob all des gebotenen Unsinns.
Und die bitterste Erkenntnis ist: In hundert Jahren, in tausend Jahren wird keine Deleenn ins Studio marschieren und in Ihrem letzten Akt verkünden: "Jean-Luc Picard war ein gütiger, ein redlicher und anständiger Mann". Und somit bleibt nur zu sagen wie zu tiefst bedauerlich es ist, dass das Franchise, die Vision von Star Trek nun soweit gekommen ist - um schlussendlich nichts (mehr) zu sagen.
Fazit und Wertung
Daniel Räbiger meint:
Trotz des Wiedersehens mit Riker und Troi eine inhaltlich schwache, widersprüchliche und oberflächliche Episode.1/5GesamtwertungAction: 3 Spannung: 0 Humor: 0 Anspruch: 1 Kontinuität: 0 Figuren: 0 Erotik: 0Bearbeitet von Daniel Räbiger
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Von Daniel Räbiger (bearbeitet) am
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